Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-550174/10/Kl/Rd/Pe

Linz, 09.12.2004

 

 

 VwSen-550174/10/Kl/Rd/Pe Linz, am 9. Dezember 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine IX. Kammer (Vorsitzender: Dr. Konrath, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzerin: Mag. Bismaier) über den Antrag der O & K ZT-GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. C T, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren des S R betreffend "Baubetreuung für den Zu- und Umbau des Bezirksalten- und Pflegeheimes K", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und das Vergabeverfahren ausgesetzt sowie dem Auftraggeber S R die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 2. Februar 2005, untersagt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 3 und 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz - Oö. VNPG, LGBl. Nr. 153/2002

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe (per Fax) vom 2.12.2004, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 3.12.2004, wurde von der O & K ZT-GmbH der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Zuschlagsentscheidung und das Vergabeverfahren auszusetzen und dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt.

 

Begründend wurde vorgebracht, dass mit Schreiben des Auftraggebers vom 15.11.2004, das am 18.11.2004 zugestellt wurde, die Zuschlagsentscheidung bekannt gegeben wurde, wonach beschlossen worden sei, den Auftrag dem Bestbieter, der "Bietergemeinschaft M B GmbH & B Ing. G R" zu vergeben.

Mit Schriftsatz vom 18.11.2004 sei von der Antragstellerin beantragt worden, der Auftraggeber möge schriftlich die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebot bekannt geben. Dieses Schreiben sei mit 29.11.2004 urgiert worden. Erst nach einer weiteren telefonischen Urgenz habe die Antragstellerin das Schreiben des Auftraggebers vom 1.12.2004 erhalten, das allerdings den gesetzlichen Erfordernissen einer schriftlichen Bekanntgabe gemäß § 100 Abs.3 BVergG nicht entsprochen habe, weil es einen präzisen Vergleich zwischen dem erfolgreichen Angebot und dem Angebot der Antragstellerin in den einzelnen Merkmalen nicht enthalten habe. Mit Schreiben der Antragstellerin vom 1.12.2004 sei daher eine ordnungsgemäße schriftliche Bekanntgabe gemäß § 100 Abs.3 BVergG verlangt worden.

Erst mit dem am 2.12.2004 von 12.22 Uhr bis 12.25 Uhr vom Auftraggeber zugesandten Telefax habe die Antragstellerin die Bewertungsmatrix und die Checklisten nach den allgemeinen und speziellen Kriterien sowie die Bewertungsreihung und die Analyse zugesandt bekommen.

Überdies wird die Verletzung des Rechts auf Einhaltung eines gesetzmäßigen Vergabeverfahrens und auf die richtige Anwendung des Bundesvergabegesetzes sohin auf eine ordnungsgemäße Bewertung und Wahl des Angebotes für den Zuschlag und auf eine ordnungsgemäße und fristgerechte schriftliche Bekanntgabe der Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin sowie der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes, geltend gemacht.

Darüber hinaus sei die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weiters sei auch ihr Inhalt rechtswidrig.

In Bezug auf die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wurde ausgeführt, dass gemäß § 100 Abs.4 BVergG der Auftraggeber unverzüglich nach Eingang des Antrages der Antragstellerin (gem. § 100 Abs.3 BVergG), jedenfalls aber drei Tage vor Ablauf der Stillhaltefrist die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt geben müsse. Die Antragstellerin habe die Bekanntgabe jedoch erst am 2.12.2004 mittels Telefax erhalten. Bei Einhalten der Dreitagesfrist vor Ablauf der Stillhaltefrist hätte die Antragstellerin die Bekanntgabe spätestens am 29.11.2004 erhalten müssen. Die verspätete Bekanntgabe, nämlich erst wenige Stunden vor Ablauf der Stillhaltefrist und damit auch wenige Stunden vor Ablauf der Frist für das Stellen dieses Nachprüfungsantrages habe es der Antragstellerin unmöglich gemacht, die vom Auftraggeber angegebenen Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes inhaltlich zu überprüfen und nachzuvollziehen.

Überdies haben die mittels Telefax zugestellten Unterlagen nicht der Dokumentationspflicht des § 99 Abs.2 BVergG entsprochen, zumal die Dokumentationspflicht die Rechtmäßigkeit einer Zuschlagsentscheidung objektivierbar machen solle. Die Dokumentation des Auftraggebers habe nahezu keine, schon gar nicht eine detaillierte verbale Begründung der Zuschlagsentscheidung enthalten, sondern begnüge sich diese mit "ja" und "nein", dem Vergeben von Punkten und - allerdings auch nur zu einem kleinen Teil der Kriterien - mit stichwortartigen Bemerkungen. Die Bewertung der Angebote sei so nicht objektivierbar, insbesondere nicht die ausschlaggebende Vergabe der Punkte in der "Analyse".

Ebenso wenig sei mangels detaillierter verbaler Begründung nachvollziehbar, warum trotz der deutlich schlechteren Erfüllung der Kriterien der vermeintliche Bestbieter zum Teil gleiche Punktezahlen erhalten habe, wie die Antragstellerin.

Ein Vermeiden der aufgezeigten Verfahrensmängel hätte zu einer anderen Bewertung und damit zu einer anderen Zuschlagsentscheidung führen können, weswegen es sich um wesentliche Verfahrensmängel gehandelt habe.

Zum Schaden wurde ausgeführt, dass sich der Verdienstentgang auf etwa 10 % der Angebotssumme belaufe, Personalabbau durch Nichtauslastung der Kapazitäten erforderlich wäre sowie Aufwendungen für das Ausarbeiten des Angebotes sowie die Beteiligung am Vergabeverfahren angefallen seien. Es bestehe daher ein Interesse am Vertragsabschluss.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat den S R als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. In seiner Stellungnahme vom 7.12.2004 beauftragte er die Abweisung des Antrages auf einstweilige Verfügung. Begründend wurde ausgeführt, dass der Um- und Zubau des gegenständlichen Altenheimes aufgrund der Vorgaben der Oö. Alten- und Pflegeheimverordnung (§ 7) erforderlich sei. Eine Übergangsgenehmigung laufe mit 31.12.2004 aus; ein Antrag auf Verlängerung dieser Übergangsfrist bis zur Fertigstellung des Umbaus wurde bis dato noch nicht beurteilt. Weiters würde eine Verschiebung der Vergabeentscheidung eine Verschiebung des gesamten Zeitplanes und auch der entsprechenden Finanzierungsmaßnahmen bedeuten.

3. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Der S R ist öffentlicher Auftraggeber im Sinn des § 7 Abs.1 Z1 BVergG bzw. des § 1 Abs.2 Z1 Oö. VNPG. Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet den Schwellenwert von 200.000 Euro bei Dienstleistungsaufträgen iSd § 9 Abs.1 Z5 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher dem Oö. VNPG; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

Gemäß § 2 Oö. VNPG obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1 leg.cit. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist im Grunde der Angaben der Antragstellerin rechtzeitig und zulässig.

 

3.2. Gemäß § 11 Oö. VNPG hat, sobald das Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eingeleitet ist, der unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der unabhängige Verwaltungssenat die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist von ihrer Erlassung abzusehen. In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Sie tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch, wenn die einstweilige Verfügung ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich betrifft, zwei Monate nach Antragstellung oder mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft.

 

Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Bernd Elsner, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

 

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei der gegenständlichen Vergabe einer Dienstleistung als Baubetreuer nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft den Auftraggeber im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Der Auftraggeber hat sich auf eine auslaufende Übergangsgenehmigung, die bislang nicht erfolgte Verlängerung und Finanzierungsschwierigkeiten bei einer Verschiebung des Zeitplanes und daraus resultierender Häufung von Projekten des S R in den Jahren 2007 bis 2010 gestützt. Vorwegs hat die Antragstellerin glaubwürdig und denkmöglich dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch den Auftraggeber in überzeugender Weise vorgebracht worden noch dem Oö. Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen den Auftraggeber eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrensverzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt in der Natur der Sache. Da kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs. 5 Oö. VNPG.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.6 Oö. VNPG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Konrath

 
 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum