Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550231/3/Kü/Rd/Hu

Linz, 19.09.2005

 

 

 

VwSen-550231/3/Kü/Rd/Hu Linz, am 19. September 2005

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über den Antrag der A Bau GmbH, S, vertreten durch Rechtsanwälte S-S-F & Partner, D, W, vom 14.9.2005 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Gemeinde St. Ulrich bei Steyr betreffend "Abwasserbeseitigungsanlage, BA 11, Erd-, Baumeister- und Rohrverlegearbeiten inkl. Lieferungen", zu Recht erkannt:

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Gemeinde St. Ulrich bei Steyr die Erteilung des Zuschlages bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 14. Oktober 2005, untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 3 und 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz - Oö. VNPG, LGBl. Nr. 153/2002.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 14.9.2005 wurde von der A Bau GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber für die Dauer von einem Monat nach Antragstellung, zu untersagen, gestellt. Zudem wurde die Zuerkennung der geleisteten Pauschalgebühren beantragt.

Begründend wurde dargelegt, dass die Antragstellerin ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben habe. Neben dem Angebot der Antragstellerin wurde ua auch von der Firma A-M, Zweigniederlassung L, ein Angebot zu einem Preis von 180.109,06 Euro gelegt. Bei der Angebotseröffnung sei aber weder verlesen worden, dass die A-M ihrem Angebot Gewerbeberechtigungen, eine Vollmacht oder eine Subunternehmerliste beigelegt habe. Demzufolge haben diese Unterlagen gefehlt. Die Antragstellerin habe das zweitgünstigste Angebot mit einem Preis von 187.171,83 Euro gelegt. Am 31.8.2005 wurde von der Auftraggeberin mitgeteilt, dass die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Firma A-M gefallen sei.

Als Vergaberechtswidrigkeiten führte die Antragstellerin in ihrem Antrag die vergaberechtswidrige Zuschlagsentscheidung auf ein Angebot einer Zweigniederlassung, die fehlende Gewerbeberechtigung der A M GmbH sowie die mangelnde Rechtsgültigkeit der Angebotsfertigung, samt ausführlicher Darlegung, an.

Weiters erachte sich die Antragstellerin in ihrem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen und vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens, insbesondere auf ordnungsgemäße Prüfung der Angebote, auf Ausscheiden des Angebots der Fa. A-M, Zweigniederlassung L, auf Ausscheiden eines mangelhaften Angebots, auf vergaberechtskonforme Zuschlagsentscheidung sowie in ihrem Recht auf Zuschlagserteilung auf ihr Angebot, verletzt.

 

Zum Interesse legte die Antragstellerin dar, dass dieses durch den vorliegenden Nachprüfungsantrag und Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung manifestiert sei. Darüber hinaus würde ihr durch die rechtswidrige Zuschlagsentscheidung die Chance auf den unternehmerischen Gewinn sowie die Durchführung eines wichtigen Referenzprojektes verloren gehen. Die Rechte der Antragstellerin würden nur durch den vorliegenden Antrag gewahrt werden.

Den Schaden beziffert die Antragstellerin mit ca. 4.732,50 Euro für die bisherige Beteiligung am Vergabeverfahren, einen Gewinnentgang von ca 9.358,59 Euro sowie ca 3.000 Euro als Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung.

 

Hinsichtlich des Antrages auf einstweilige Verfügung bringt die Antragstellerin vor, dass ihr Interesse damit begründet sei, dass sie nach Erteilung des Zuschlags mit dem Rechtsschutzinstrumentarium des Oö. VNPG nicht mehr in das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeberin und dem in Aussicht genommenen Zuschlagsempfänger eingreifen könne und ihr nur mehr der Weg eines zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens offenstehen würde.

Demgegenüber seien keine besonderen Interessen der Auftraggeberin erkennbar, die gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechen würden, zumal die zu erbringenden Leistungen nicht durch einen konkreten (unvorhergesehenen) Bedarf erforderlich seien. Auch habe die Auftraggeberin in den Ausschreibungsunterlagen eine fünfmonatige Zuschlagsfrist vorgesehen, sodass von keiner besonderen Dringlichkeit auszugehen sei.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Gemeinde St. Ulrich bei Steyr als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Am 15.9.2005 gab die Auftraggeberin telefonisch bekannt, dass bezüglich der Erlassung der einstweiligen Verfügung keine Stellungnahme ergehen würde.

 

3. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Die Gemeinde St. Ulrich bei Steyr ist öffentliche Auftraggeberin im Sinn des § 7 Abs.1 Z1 BVergG bzw des § 1 Abs.2 Z1 Oö. VNPG. Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet nicht den Schwellenwert von mindestens 5,923.000 Euro bei Bauaufträgen iSd § 9 Abs.1 Z3 BVergG. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher dem Oö. VNPG; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

Gemäß § 2 Oö. VNPG obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1 leg.cit. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw. Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig.

 

3.2. Gemäß § 11 Oö. VNPG hat, sobald das Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eingeleitet ist, der unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der unabhängige Verwaltungssenat die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist von ihrer Erlassung abzusehen. In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Sie tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch, wenn die einstweilige Verfügung ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich betrifft, einen Monat nach Antragstellung oder mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft.

 

Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Bernd Elsner, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leer läuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

 

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht,
1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat aber konkret mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9). Es hat daher die Antragstellerin glaubwürdig und denkmöglich dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Oö. Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen die Auftraggeberin eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrensverzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw. diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt in der Natur der Sache. Da kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.5
Oö. VNPG.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.6 Oö. VNPG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Kühberger

 

 

 

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