Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550275/4/Wim/Rd/RSt

Linz, 06.06.2006

 

 

 

VwSen-550275/4/Wim/Rd/RSt Linz, am 6. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine
10. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über den Antrag der M Ö GmbH, vertreten durch W T Rechtsanwälte GmbH, S, 10, vom 26. Mai 2006 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Oö. GS AG betreffend "Versorgung der gespag-Häuser mit Einkammer-, Zweikammer- und biventrikulären Schrittmachern sowie Einkammer-, Zweikammer- und biventrikulären Defibrillatoren" zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Oö. GS AG die Angebotsöffnung bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 29. Juli 2006, untersagt sowie die Frist für die Einreichung von Angeboten bis längstens 29. Juli 2006 ausgesetzt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 3 und 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz - Oö. VNPG, LGBl. Nr. 153/2002.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom und eingebracht am 26.5.2006, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 29.5.2006, wurde von der M Ö GmbH (im Folgenden Antragstellerin) der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Aufforderung zur Angebotsabgabe gestellt.

In eventu wurde beantragt die Festlegungen in Punkt 1.6., 1.11.6, 1.11.7 und Punkt 3 der "Aufforderung zur Angebotsabgabe", die Festlegungen betreffend Zuschlagskriterien auf den Seiten 1 bis 3 im Leistungsverzeichnis der "Aufforderung zur Angebotsabgabe" sowie die sonstigen Festlegungen in den E-Mails vom 19.5.2006 (Zuschlagskriterium 2) und vom 23.5.2006 (Zuschlagskriterien 2, 3, Subkriterium "Erfahrungen des Auftraggebers im vorangegangenen Vertragsjahr") für den neuerlichen Wettbewerb für nichtig zu erklären.

Weiters wurde der Antrag gestellt auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung um die Frist für die Einreichung von Angeboten auszusetzen und die Angebotsöffnung zu untersagen.

In eventu wurde dazu beantragt, das Vergabeverfahren für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, längstens aber für die Dauer von 2 Monaten nach Antragstellung auszusetzen, in eventu die Frist für die Einreichung von Angeboten für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, längstens für die Dauer von 2 Monaten nach Antragstellung auszusetzen, in eventu den Ablauf der Frist für die Einreichung von Angeboten über den 6.6.2006 hinaus für die Dauer von 2 Monaten nach Antragstellung auszusetzen, in eventu die Öffnung der Angebote im antragsgegenständlichen Vergabeverfahren für die Dauer von 2 Monaten nach Antragstellung zu untersagen.

Zudem wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren begehrt.

 

2. Begründend wird im Wesentlichen vorgebracht, dass mit EU-weiter Bekanntmachung vom 7.4.2006 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 2006/S 68-071080, die Auftraggeberin ein Verhandlungsverfahren zur Vergabe eines Lieferauftrages im Oberschwellenbereich betreffend die "Versorgung der gespag-Häuser mit Einkammer-, Zweikammer- und biventrikulären Schrittmachern sowie Einkammer-, Zweikammer- und biventrikulären Defibrillatoren" eingeleitet habe. In der Amtlichen Linzer Zeitung erfolgte die Veröffentlichung am 13.4.2006. Auftragsgegenstand sei die Lieferung von implantierbaren Herzschrittmachern und Defibrillatoren in den im Leistungsverzeichnis angeführten Klassen und im dort angeführten Umfang sowie die Erstellung eines integrativen Konzepts für alle Komponenten, wie die Nachsorge, Dokumentation, das Konsignationslager sowie die Informations- und Produktschulungspolitik.

 

Im Punkt VI.3 der EU-weiten Bekanntmachung handle es sich beim Ausschreibungsgegenstand um einen Rahmenvertrag.

 

Die Antragstellerin habe einen Teilnahmeantrag abgegeben und sich für die Angebotslegung qualifiziert.

 

Mit Schreiben vom 11.5.2006 sei der Antragstellerin die Aufforderung zur Angebotsabgabe (Ausschreibungsunterlage) übermittelt worden. In der Ausschreibungsunterlage würden sich ua folgende wesentliche Festlegungen finden:

Zuschlagskriterium 1; Preis: Summe jährliche Gesamtkosten Herzschrittmacher a) + Defibrillatoren b) werde mit 0,40 gewichtet.

Zuschlagskriterium 2; gestellte System-Anforderungen: Laufzeit und Garantie werde mit 0,10 gewichtet.

Zuschlagskriterium 3; Nachweise, Daten, Dokumentation und Aktionen werde mit 0,50 gewichtet.

 

Im Leistungsverzeichnis der AU seien auf den Seiten 1 bis 3 zum Zuschlagskriterium 3 noch weitere von den Festlegungen in Punkt 3 der AU abweichende Subkriterien und Subsubkriterien festgelegt worden.

Mit E-Mail vom 19.5.2006 seien von der Auftraggeberin neue Festlegungen/Erläuterungen betreffend die Zuschlagskriterien übermittelt worden. Mit E-Mail vom 23.5.2006 sei der Antragstellerin eine Anfragenbeantwortung übermittelt worden, welche im Hinblick auf die Zuschlagskriterien neue Festlegungen enthalten habe. Zudem habe die Auftraggeberin das Ende der Angebotsfrist auf dem 6.6.2006, 14.00 Uhr, verschoben.

 

Zum Interesse am Vertragsabschluss führt die Antragstellerin aus, dass sie zu den weltweit führenden Anbietern auf dem Gebiet der Medizintechnik gehöre. Sie bearbeite als Teil des M-K den österreichischen Markt und sei auf den Vertrieb von Defibrillatoren und Herzschrittmachern spezialisiert. Der gegenständliche Auftrag würde in Anbetracht des Auftragsvolumens und der damit verbundenen Publizitätswirkung ein wesentliches Referenzprojekt darstellen. Durch die Stellung eines Teilnahmeantrages und durch die Qualifizierung für die 2. Stufe sei unzweifelhaft das Interesse der Antragstellerin am Vertragsabschluss evident.

Ein Angebot sei bisher noch nicht gelegt worden, da die gegenständliche Ausschreibung diskriminierend und rechtswidrig sei. Sie sei auch deswegen unterblieben, da auf Basis der angegebenen Zuschlagskriterien eine Beurteilung, welche Anforderungen die Auftraggeberin an Angebote stellt sowie eine Angebotsausarbeitung, welche aus Sicht der Antragstellerin die Chancen auf die Zuschlagserteilung am ehestens sicherstellt, bisher gar nicht erfolgen habe können.

 

Zum drohenden Schaden wird ausgeführt, dass aufgrund der Ausschreibungsmängel eine korrekte Bestbieterermittlung nicht möglich sei. Dadurch bestehe die Gefahr, dass der Antragstellerin der lukrierende Gewinn im Ausmaß von mind. 15 % des Auftragsvolumens entgehen und in dieser Höhe ein Vermögensschaden entstehen werde. Werden die angefochtenen Festlegungen der Auftraggeberin nicht seitens des Oö. Verwaltungssenates beseitigt, drohe der Antragstellerin auch ein Schaden aus den frustrierten Kosten der Angebotslegung in Höhe von ca 3.360 Euro. Da der vorliegende Nachprüfungsantrag ua auf den Widerruf des Vergabeverfahrens und die Neuausschreibung des Auftrages ziele, bestehe der Schaden bei der Fortführung des Vergabeverfahrens und dessen Abschluss durch Zuschlagserteilung auch im Verlust der Möglichkeit, sich an einem neuerlichen Verfahren zur Lieferung von Defibrillatoren und Herzschrittmachern zu beteiligen.

 

Darüber hinaus erachte sich die Antragstellerin durch die Festlegungen in Punkt 1.11.6 und 1.11.7 der AU, wonach eine Rahmenvereinbarung zur Vergabe gelangen soll, generell im Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens sowie insbesondere im Recht auf

verletzt.

Zudem erachte sich die Antragstellerin weiters durch die Festlegung der Zuschlagskriterien in Punkt 1.11.7 sowie Punkt 3 der AU sowie die entsprechenden Festlegungen betreffend Zuschlagskriterien im Leistungsverzeichnis und den Anfragebeantwortungen/Berichtigungen mit E-Mail vom 19.5. und 23.5.2006 generell im Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens sowie insbesondere im Recht auf

verletzt.

Letztlich erachte sich die Antragstellerin auch durch die Festlegung in Punkt 1.6., welche Alternativangebote ohne Prüfung der Vergleichbarkeit anhand von Mindestanforderungen zulässt, in ihrem Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens verletzt.

Die Festlegung der Aufforderung zur Angebotsabgabe, der Vergabeverfahrensart, der Zuschlagskriterien und Alternativangebote seien für den Ausgang des Vergabeverfahrens auch von wesentlichem Einfluss. Es wäre bei Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens ein anderer Verfahrensausgang möglich.

 

Zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages bringt die Antragstellerin vor, dass die Aufforderung zur Angebotsabgabe eine gesondert anfechtbare Entscheidung sei. Auch seien die einzelnen Festlegungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe gesondert anfechtbar. Ebenso seien die in den E-Mails vom 19.5 und 23.5.2006 vorgenommenen Berichtigungen/Festlegungen betreffend die Zuschlagskriterien als "sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw während der Angebotsfrist" gesondert anfechtbar.

 

Gemäß § 9 Oö. VNPG iVm der Anlage zum Oö. VNPG sei die Aufforderung zur Angebotsabgabe bis spätestens 14 Tage nach Zugang der Aufforderung anzufechten. Die mit 11.5.2006 datierte Aufforderung zur Angebotsabgabe sei der Antragstellerin nicht vor dem 12.5.2006 zugegangen; die Einbringung eines Antrages auf Nichtigerklärung der Aufforderung zur Angebotsabgabe und von darin enthaltenen Festlegungen sei also bis 26.5.2006, 24.00 Uhr, zulässig.

Gemäß § 9 Oö. VNPG iVm der Anlage zum Oö. VNPG seien sonstige Festlegungen des Auftraggebers während der Verhandlungsphase bzw während der Angebotsfrist innerhalb von 14 Tagen ab Kenntnis von diesen Festlegungen oder ab dem Zeitpunkt, ab dem Kenntnis erlangt hätte werden können, anzufechten. Der Antragstellerin seien am 19.5. und 23.5.2006 Anfragebeantwortungen/Berichtigungen übermittelt worden, weshalb der Nachprüfungsantrag hinsichtlich der in diesen E-Mails enthaltenen Festlegungen jedenfalls rechtzeitig seien.

 

Als Rechtswidrigkeiten - im Antrag ausführlich dargelegt - führt die Antragstellerin die rechtswidrige Wahl der Rahmenvereinbarung, die rechtswidrigen Festlegungen in Punkt 1.11.7 der AU, die rechtswidrigen Zuschlagskriterien für die Wahl der Vertragspartner der Rahmenvereinbarung und die rechtswidrigen Festlegungen betreffend Alternativangebote ins Treffen.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bringt die Antragstellerin vor, dass sie mangels einer Aussetzung der Angebotsöffnung und der Frist für die Angebotslegung gezwungen wäre, bis zum 6.6.2006 ein Angebot auf Basis der vorliegenden, vergaberechtswidrigen Ausschreibungsbedingungen zu erstellen und bei der Auftraggeberin einzureichen habe. Dadurch würde ein Schaden in Höhe von ca 3.360 Euro durch frustrierte Angebotserrichtungskosten entstehen, da die gegenständliche Ausschreibung für nichtig zu erklären sei. Weiters würde ein Schaden aus entgangenem Gewinn im Ausmaß von 15 % des Auftragsvolumens (ca. 472.500 Euro) drohen, da die Auftraggeberin vor Beendigung des Nachprüfungsverfahrens den Zuschlag erteilen könnte und der Antragstellerin damit die Chance auf Beteiligung an einer (gebotenen) Neuausschreibung und den Erhalt des Zuschlages entgehen würde.

 

Hingegen würden einer einstweiligen Aussetzung der Frist für die Angebotslegung sowie einer Untersagung der Angebotsöffnung keine vergleichbaren Interessen der Auftraggeberin und der sonstigen Mitbieter entgegenstehen, zumal öffentliche Auftraggeber verpflichtet seien, Verfahrensverzögerungen aufgrund von Nachprüfungsverfahren in ihrem Vergabezeitplan zu berücksichtigen. Auch würden die Interessen der Mitbieter durch die einstweilige Verfügung nicht berührt werden und stelle diese auch keine unverhältnismäßige Belastung für die Auftraggeberin und Mitbieter dar.

 

Auch sei keine Gefährdung von Leib und Leben durch einen allenfalls um zwei Monate verzögerten Abschluss des Lieferauftrages gegeben. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bei der Auftraggeberin ein solcher Mangel an ausgeschriebenen Produkten herrscht, dass bei Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes die ausreichende medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet sei. Die fehlende Dringlichkeit eines raschen Abschlusses sei auch dadurch dokumentiert, dass die Auftraggeberin kein beschleunigtes Verfahren wegen Dringlichkeit gewählt habe.

 

Besondere öffentliche Interessen, die einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen würden, seien daher nicht ersichtlich.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Oö. GS AG als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Bis zum Entscheidungszeitpunkt ist von der Auftraggeberin keine Stellungnahme erfolgt.

 

3. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Die Oö. GS AG als Rechtsträgerin der Landeskrankenhäuser steht in hundertprozentigem Eigentum des Landes Oberösterreich und ist daher öffentliche Auftraggeberin iSd § 1 Abs.2 Z4 Oö. VNPG.

Den von der Auftraggeberin den potentiellen Bietern zur Verfügung gestellten Ausschreibungsunterlagen ist zu entnehmen, dass das Vergabeverfahren betreffend "Versorgung der gs-Häuser mit Einkammer-, Zweikammer- und biventrikulären Herzschrittmachern sowie Einkammer-, Zweikammer- und biventrikulären Defibrillatoren" im Oberschwellenbereich ausgeschrieben wurde, weshalb die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden sind. Unter Zugrundelegung der RL vom 31.3.2004 sowie der Rechtsmittelrichtlinie und des Art.14b Abs.3 B-VG unterliegt die gegenständliche Vergabe unter Nichtbeachtung der Zitierung des BVergG 2002 auch weiterhin dem Oö. VNPG.

 

Gemäß § 2 Oö. VNPG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1 leg.cit. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig.

 

3.2. Gemäß § 11 Oö. VNPG hat, sobald das Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eingeleitet ist, der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der Unabhängige Verwaltungssenat die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist von ihrer Erlassung abzusehen. In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Sie tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch, wenn die einstweilige Verfügung ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich betrifft, zwei Monate nach Antragstellung oder mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft.

 

Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte B E, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leer läuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

 

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt und die Antragstellerin bereits treffend ausgeführt hat, dass kein beschleunigtes Verfahren für die Beschaffung der Geräte seitens der Auftraggeberin gewählt wurde, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist.

 

Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat aber konkret mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen der vorläufigen Untersagung der Angebotsöffnung nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9). Es hat daher die Antragstellerin glaubwürdig und denkmöglich dargelegt, dass ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit eine Angebotslegung unmöglich wäre und daher der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Angebotsöffnung sowie die Aussetzung der Frist für die Anagebotseinreichung abgewendet werden kann. Eine Fortsetzung des Vergabeverfahrens würde hingegen nicht nur die Antragstellerin, sondern auch allen übrigen Bewerbern/Bewerberinnen irreversible Nachteile bringen, insbesondere bei der beantragten Nichtigerklärung, die zwangsläufig zum Widerruf und zur Neuausschreibung des Vergabeverfahrens führen muss. Durch die Offenlegung bei der Angebotseröffnung wären erhebliche Nachteile für sämtliche teilnehmenden Bewerber/Bewerberinnen im neuen Vergabeverfahren verbunden. Bei Ablauf der Angebotsfrist könnte von der Antragstellerin kein zulässiges Angebot mehr gelegt werden.

 

Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen die Auftraggeberin eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrensverzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw. diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einer möglichst raschen Fortführung des Vergabeverfahrens geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben. Dabei wurde nach Interessensabwägung die gelindeste zum Ziel führende Anordnung getroffen, wobei hier in Anbetracht der massiven und grundlegenden behaupteten Rechtswidrigkeiten dem Hauptantrag zu folgen war.

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Untersagung der Angebotsöffnung ergibt sich aus § 11 Abs.5
Oö. VNPG.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.6 Oö. VNPG sofort vollstreckbar.

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Klempt

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