Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104684/2/BR

Linz, 10.06.1997

VwSen-104684/2/BR Linz, am 10. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau D, S, vertreten durch die Rechtsanwälte B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, vom 14. Mai 1997, Zl: VerkR96-30-1997-Sö, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht: I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden der Berufungswerberin zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 120 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider die Berufungswerberin wegen Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 600 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie es als Zulassungsbesitzerin des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen unterlassen habe, der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems über deren schriftliche Aufforderung vom 3.1.1997, darüber Auskunft zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 2. November 1996 um 11.25 Uhr auf der A9 in R bei Km 47.600 in Fahrtrichtung Linz gelenkt habe.

2. Die Erstbehörde stützt sich auf die Gesetzesbestimmung des § 103 Abs.2 KFG, welche in seinem vom Gesetzgeber letzten Satz als Verfassungsbestimmung beschlossen wurde, wonach gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, die Rechte auf Auskunftsverweigerung zurücktreten. 2.1. Dagegen wandte sich die Berufungswerberin durch die von ihrem ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobene Berufung und führt im Ergebnis lediglich aus, daß es rechtsstaatlich völlig unhaltbar sei, staatliche Interessen auf Auskunftsverlangen dem Verweigerungsrecht überzuordnen. Sie würde im Falle der Bestätigung des Schuldspruches auf europäischer Ebene gegen diese Entscheidung angehen. 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verwaltungsakt, woraus sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt ergibt.

4. Da keine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Weil ferner mit der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt wurde und keinerlei Tatsachenbestreitung vorliegt, konnte auf die Durchführung einer Berufungsverhandlung verzichtet werden.

5. Unbestritten ist, daß die Berufungswerberin die ihr von der Erstbehörde zugegangene Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft offenkundig bewußt unbeantwortet ließ. Das der Berufungswerberin zugegangene Formular hatte auch den Hinweis zum Inhalt, daß eine Nichterteilung der Auskunft strafbar sei. Ebenfalls wurde mit dieser Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe auch die Entscheidung des VwGH vom 31.1.1996, 93/03/0156 übermittelt, wonach als Tatort der Erfüllungsort der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung - also der Sitz der anfragenden Behörde - gilt. Dieses Auskunftsbegehren wurde der Berufungswerberin am 17. Jänner 1997 durch eigenhändige Übernahme zugestellt und blieb in der Folge unbeantwortet. Die im Anschluß daran ebenfalls übermittelte Strafverfügung wegen des den Gegenstand der Anfrage bildenden Deliktes (Geschwindigkeitsüberschreitung) wurde in der Folge beeinsprucht. Gleichzeitig wurde in diesem Einspruch bereits die in der Berufung vertretene Rechtsansicht dargelegt. Im Verlaufe des Ermittlungsverfahrens wurde seitens des Rechtsvertreters der Berufungswerberin ein Schreiben des deutschen Bundesministeriums für Inneres übermittelt, worin die Rechtsansicht zum Ausdruck gelangt, daß wegen erheblicher rechtlicher Bedenken wegen des dem § 103 Abs.2 KFG inhärenten Zwanges zur Selbstbezichtigung eine Vollstreckung rechtskräftiger österreichischer Bescheide, welche inhaltlich auf die Auskunftsverweigerung gestützt sind, nicht erfolge. 6. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet: Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. Die Erhebung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG in den Verfassungsrang (Verfassungsbestimmung) erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) stehend (auch) und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des (österreichischen) Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt besonders hervor und deutet aber durchaus kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den dadurch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses an [Hinweis auf VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 in VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u. a. Erk. vom 29. September 1993, Zl. 93/02/0191). Dieser Intention hat sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich anzuschließen, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint. In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können. Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055 - nicht der Ort an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156). Die von der Berufungswerberin geübte Verweigerung ist als im Inland begangen zu erachten. Im Lichte dieser nunmehrigen Rechtsprechung liegt daher die hier zum Vorwurf gemachte Tat nicht (mehr) außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des österreichischen Verwaltungsstrafrechtes, weil eben der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist. Es macht in diesem Zusammenhang keinen Unterschied ob die geschuldete Handlung hier vom Ausland zu initialisieren gewesen wäre oder dies bei einem österreichischen Zulassungsbesitzer in aller Regel vom Inland aus geschieht oder zu geschehen haben wird. Wenn die Berufungswerberin sich offenbar an die spezifische Aufforderung einer österreichischen Behörde nicht gebunden erachtet, sich auf grundrechtliche Bedenken stützt und die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmung außerhalb des Hoheitsgebietes von Österreich scheinbar nicht zulässig erachtet, scheint sie sich damit offenbar (auch) auf die Begrenzung des staatlichen Gebotsbereiches auf das Territorium des Staatsgebietes (Territorialitätsprinzip) zu berufen. Diesfalls würde jedoch übersehen, daß sich der staatliche Gebotsbereich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, bezüglich sich gegen ein inländisches Rechtsgut richtende Verhalten, erstreckt (Walter-Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Als Anknüpfungsfaktum ist hier die Verwendung des Kraftfahrzeuges der Berufungswerberin im Bundesgebiet der Republik Österreich und die aus dieser Verwendung des Kraftfahrzeuges - hier ausgelöst durch eine damit einhergehende Normverletzung mit diesem Kraftfahrzeug - und dem damit begründeten Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung heranzuziehen (vgl. jüngst Unabhängiger Verwaltungssenat Burgenland v. 22.5.1997, E 03/01/97.052/3). Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung erfordert - wie im Ergebnis schon dargelegt - einerseits die obzitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88), andererseits impliziert das mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates begründete Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates, einen ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund (vgl. VfSlg. 9183/91 - Erk. v. 1. Juli 1981, B 521/80, 47/81). Im h. Erkenntnis vom 10.9.1996, VwSen-103940/Br wurde ein im Ergebnis gleicher Sachverhalt rechtlich ident beurteilt und eine auf § 103 Abs.2 KFG gestützte Bestrafung bestätigt. Die Behandlung der dagegen an den VwGH erhobenen Beschwerde wurde unter dem Hinweis abgelehnt, daß die sich in dieser Entscheidung stellende Rechtsfrage von der bisherigen Rechtsprechung dieses Gerichtshofes nicht abweicht (VwGH 28. Februar 1997, 96/02/0508).

Ebenfalls kann sie sich angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe schon in der Aufforderung (zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers) nicht entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes O.ö. übersieht andererseits durchaus nicht die von der Berufungswerberin angezogene grundsätzliche rechtliche Problematik, welche insbesonders dann substanziell wird, wenn der zur Lenkerauskunft verhaltene Fahrzeuglenker oder ein ihm nahestehender Angehöriger selbst der Lenker gewesen ist. Gegenüber einem solchen Personenkreis besteht in Strafverfahren einerseits die Möglichkeit der freien Verantwortung bzw. das Recht eines mit dem Beschuldigten nahe verwandten Zeugen sich der Aussage zu entschlagen. Mit der hier anzuwendenden Bestimmung bleibt aber für eine Auskunftsverweigerung kein Raum. Einer von der Berufungswerberin angekündigten Überprüfung dieser Entscheidung "auf europäischer Ebene" gemeint wohl im Hinblick auf die EMRK, müßte noch die Ergreifung der in der Rechtsmittelbelehrung (unten) genannten Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes voraussehen! Nur die Ausschöpfung der gesamten innerstaatlichen Rechtsmittel - auch die außerordentlichen - ist Voraussetzung für die Anrufung der EKMR bzw des EGMR.

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe durchaus angemessen ist. Grundsätzlich ist der Unwertgehalt dieser Übertretungen als nicht bloß geringfügig zu erachten. Es liegt im öffentlichen Interesse, insbesondere im Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit, daß ein, wenn auch nicht österreichischer Fahrzeuglenker, welcher straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zuwiderhandelt, einer entsprechenden Bestrafung zugeführt werden kann. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite war von der Schuldform der vorsätzlichen Verweigerung der Auskunft auszugehen. Angesichts des bis zu 30.000 S reichenden Strafrahmens könnte selbst beim zuzuerkennenden Milderungsgrund der Unbescholtenheit und bei einem bloß unterdurchschnittlichen Einkommen - die Erstbehörde ging diesbezüglich wohl irrtümlich von einem Monatseinkommen von 5.000 DM aus - einer Strafe von 600 S objektiv nicht entgegengetreten werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

Beschreibender Name: Entschlagen, Auskunftsverweigerung, Selbstbezichtigung Dokumentart: Erstellt am: 11.06.97 12:54:28 Geändert am: 17.06.97 13:44 Verfasser/in: Rechenzentrum Schreibkraft: Rechenzentrum Betreff: Bezug: Stichpunkte: Beschlagwortung:

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