Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590053/2/WEI/An VwSen590054/2/WEI/An

Linz, 15.11.2004

 

 

VwSen-590053/2/WEI/AnVwSen-590054/2/WEI/An Linz, am 15. November 2004

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung von J und A P, P, N, vertreten durch Dr. G P und Dr. R S, Rechtsanwälte in B, S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 10. Februar 2004, Zl. Pol 01-31-1-2003-Ga, betreffend Maßnahmen nach dem Oö. Tierschutzgesetz 1995 (LGBl Nr. 118/1995 idF der Oö. Tierschutzgesetz-Novelle 2001, LGBl Nr. 91/2001, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 49/2002) nach Berufungsvorentscheidung und Vorlageantrag zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Im Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides betreffend die Nutztierhaltung im Anwesen P hat die Reihenfolge der Punkte 3., 3., 4., 5. richtig 3. bis 6. zu lauten. Die Durchführungsfrist wird antragsgemäß mit 1. April 2004 bestimmt.

Der Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides betreffend die Nutztierhaltung im Anwesen H wird wie folgt geändert:

  1. Die Ställe sind zu reinigen und auszumisten und in der Folge ist der Mist mindestens einmal täglich zu entfernen und für eine saubere und trockene Liegefläche zu sorgen.
  2. Die Mauern (Decke, Wände, Boden) der beiden Stallgebäude sowie die Dachdeckung sind bautechnisch so zu sanieren, dass die Standsicherheit gewährleistet und ein Wassereintritt vermieden wird. Außerdem sind die Stallräume auszumalen.
  3. In die vorhandenen Fensteröffnungen müssen geeignete Stallfenster eingesetzt werden.
  4. Im Stall sind automatische Tränkeeinrichtungen zur Versorgung der Rinder vorzusehen.
  5. Die Nutztierhaltung im H ist unzulässig, solange die ordnungsgemäße Durchführung der Punkte 1. bis 4. nicht erfolgt ist.

Die Berufung gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG; § 10 Abs 3 iVm § 7 Abs 7 Oö. Tierschutzgesetzes 1995, LGBl Nr. 118/1995 idF der Oö. Tierschutzgesetz-Novelle 2001, LGBl Nr. 91/2001.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:
 
 

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. Februar 2004 wurde über die Berufungswerber (Bw) wie folgt abgesprochen:

"Herrn J P sowie Herrn A P, wh. P, N wird betreffend die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren (Rindern) in den Anwesen P und H, Gde. N aufgetragen folgende Maßnahmen zu treffen:

I. Nutztierhaltung im Anwesen P:

1. Der Stall ist zu reinigen und auszumisten. In der Folge ist der Mist aus dem Stall mindestens einmal täglich zu entfernen und für eine saubere und trockene Liegefläche zu sorgen.

2. Sämtliche Rinder sind zu reinigen und von Kletten zu befreien.

3. Die vorhandenen Aufstallungen sind in Stand zu setzen und zwischen den Liegeflächen die Trennbügel zu montieren.

3. Sämtliches Geflügel (Tauben) ist dauerhaft aus dem Stall zu entfernen.

4. Kälber sind ohne Anbindevorrichtung zu halten.

5. Verletzte oder kranke Tiere sind unverzüglich medizinisch behandeln zu lassen. Über die medizinische Behandlung sind Aufzeichnungen zu führen. Diese sind mindestens 3 Jahre aufzubewahren und der Behörde über Aufforderung vorzulegen.

 

II. Nutztierhaltung im Anwesen H:

Aus den Ställen sind sämtliche Tiere dauerhaft zu entfernen.

 

Die angeordneten Maßnahmen sind bis längstens 15.3.2004 durchzuführen.

 

III. Ausschluss der aufschiebenden Wirkung:

Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid wird ausgeschlossen.

 

Rechtsgrundlage:

 

I. und II.: § 10 Abs. 3 und § 7 Abs. 7 OÖ. Tierschutzgesetz 1995, LGBl.Nr. 118/1995 i.d.g.F.

 

III.: § 64 Abs. 2 AVG 1991"

 

1.2. In der Begründung des Bescheides wird auf mehrere Kontrollen, zuletzt am 9. Februar 2004, durch den Amtstierarzt hingewiesen. Dabei sei festgestellt worden, dass die im Anwesen P gehaltenen Rinder (ca. 30 Stück) vollkommen verschmutzt und mit Kletten behaftet waren. Der Stall sei nur teilweise ausgemistet und nur mangelhaft mit Einstreu versehen worden. Ein am Bein verletzter Stier mit einer eitrigen Wunde sei keiner veterinärmedizinischen Behandlung zugeführt worden. Kälber seinen teilweise mit Anbindevorrichtung gehalten worden. Zur Abstellung dieser Missstände wären die im Spruchpunkt I. angeführten Maßnahmen vorzuschreiben gewesen.

 

Beim Anwesen H handle es sich um eine Ruine mit aufgerissenem Dach bzw bereits teilweise eingestürztem Dachstuhl, keine schließbaren Fenster und Türen. Maueröffnungen seien mit Plastikplanen verhängt bzw mit Brettern verschlagen worden. Die dort untergebrachten ca. 30 Rinder seien ebenfalls stark verschmutzt und mit Kletten behaftet. Der Stall wäre nicht ausgemistet und keine frische Einstreu vorhanden gewesen. Da eine artgerechte Nutztierhaltung dort nicht (mehr) möglich sei, wäre die dauerhafte Entfernung der Tiere anzuordnen gewesen. Die festgesetzte Frist wäre ausreichend bemessen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurden Zwangsmaßnahmen angekündigt.

 

Den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 64 Abs 2 AVG wird mit dem öffentlichen Interesse des Tierschutzes und der damit verbundenen Notwendigkeit einer artgerechten Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere begründet.

 

2.1. Gegen diesen Bescheid, der den Bw am 12. Februar 2004 zugestellt worden ist, richtet sich die rechtzeitig am 24. Februar 2004 bei der belangten Behörde überreichte Berufung, mit der zunächst hinsichtlich der Maßnahmen nach Spruchpunkt I eine Fristverlängerung bis 1. April 2004 angestrebt und der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung mangels Gefahr im Verzug als überzogen bekämpft wird. Zu den Maßnahmen nach Spruchpunkt II (Nutztierhaltung im Anwesen H) stellen die Bw ausdrücklich einen Abänderungsantrag, wonach die Tiere unter der Voraussetzung, dass eine Sanierung der Stallgebäude nach dem vorgelegten Befund der H bis längstens 1. Juli 2004 erfolgt, weiterhin gehalten werden dürfen.

 

2.2. Im Übrigen führt die von den Bw gemeinsam eingebrachte Berufung begründend zum Spruchpunkt I (Nutztierhaltung im Anwesen P) aus:

 

  1. Der Stall wird täglich ausgemistet und der Mist wird einmal aus dem Stall entfernt. Die Liegeflächen werden entsprechend eingestreut.
  2. Die Reinigung sämtlicher Rinder und die Befreiung von den Kletten ist aufgrund des Haltungssystems (Tretmiststall) nur schwierig zu bewerkstelligen und vor allem in der sehr kurzen Frist und aufgrund aller übrigen Punkte kaum möglich. Die Reinigung der Tiere wird laufend vorgenommen.
  3. Die Trennbügel zwischen den Liegeflächen werden so rasch als möglich montiert. Darauf hinweisend, dass ich zur Zeit den Melkstand montiere, ebenso noch die restlichen Fliesen im Melkstand anbringe, ist die Frist bis 15. März sehr kurz bemessen.

  1. Die Tauben werden aus dem Stall entfernt.
  2. Die Kälber werden in entsprechenden Kälberbuchten gehalten.
  3. Die Aufzeichnungen über verletzte bzw. kranke Tiere und deren medizinische Behandlung wurde von mir auch jetzt durch das Aufbewahren der Tierarztrechnungen, aus welchen die Behandlung hervorgeht bereits durchgeführt.

Zur Nutztierhaltung im Anwesen H legen die Bw die Beurteilung der H, G, U, in Ablichtung vor, aus der entgegen der Ansicht der belangten Behörde hervorgehe, dass die beiden Stallgebäude sanierbar sind. Das eingestürzte Dach beziehe sich lediglich auf die Scheune, welche in diesem Bereich nicht zur Futterbergung bzw Tierhaltung genutzt werde. Die Tiere im Anwesen H würden artgerecht gefüttert, getränkt und gehalten. Der anfallende Mist werde zweimal täglich aus dem Stall entfernt und durch frische Einstreu ersetzt. Die Bewirtschaftung des Anwesens H erfordere einen entsprechenden Viehbesatz, da die Fläche wegen der topographischen Lage nur als Weide nutzbar und die Viehhaltung daher wirtschaftlich unbedingt notwendig sei. Außerdem befänden sich die Tiere in der Zeit von April bis Spätherbst auf der Weide.

2.3. Das Schreiben der H vom 17. Februar 2004 an Herrn J P hat folgenden Inhalt:

"Betr. Stallgebäude J P

N H

Am heutigen Tag wurden die Stallgebäude beim o.a. Anwesen besichtigt und wie folgt beurteilt.

  1. Der östliche Stall weist Risse an der nördlichen Fassade auf. Diese werden im OG mit je 2 Zuganker, Torstahl DM 16 ca 3m lang, verschlossen, so dass die Standsicherheit gewährleistet ist. Weiters wird der nordwestliche Flugsparren ausgewechselt und samt Eindeckung erneuert, um einen Wassereintritt zu vermeiden.
  2. Der westliche Stall wird an der Nordostecke mit Mauerziegel ausgebessert, so dass das abgefrorene Mauerwerk wieder zur Gänze tragfähig ist.

Wir hoffen mit diesen Angaben gedient zu haben und zeichnen mit freundlichen Grüßen.

Firmenstempel

H

unleserliche Unterschrift"

3.1. Der Amtstierarzt Dr. S hat am Vormittag des 15. März 2004 Nachschau gehalten und hinsichtlich der Nutztierhaltung in P immer noch Mängel festgestellt. Zur Nutztierhaltung im Anwesen H stellte er keinerlei Änderungen seit der letzten Überprüfung fest. Im Zeitpunkt der Kontrolle wurden inklusive Kälber 32 Rinder gehalten. Die Tiere wären großteils hochgradig verschmutzt und teilweise abgemagert. Die Tierhaltung entspräche nicht der Oö. Tierhaltungsverordnung und müsste als tierquälerisch bezeichnet werden.

Die belangte Behörde führte auf Grund der Mitteilung des Amtstierarztes noch am 15. März 2004 ab 14.00 Uhr einen gemeinsamen Lokalaugenschein mit Gendarmerieassistenz durch (vgl Aktenvermerk vom 15.03.2004). Nach den Feststellungen der belangten Behörde waren im H nach wie vor 36 Rinder untergebracht, die Ställe hochgradig verschmutzt, nicht ausgeräumt und eingestreut. Die Liegeflächen waren nass und mit Exkrementen verunreinigt. Die Tiere hatten weder Wasser noch Futter und waren verdreckt. Manche schrieen aus Hunger oder Durst. Eine Kuh hatte in der Nacht gekalbt. Die Nachgeburt lag noch immer im Stall und auch die Mutterkuh hatte weder Futter noch Wasser zur Verfügung. Die Situation vor Ort wurde von der belangten Behörde mittels einer Fotodokumentation (insgesamt 55 Farblichtbilder) festgehalten, um einen Eindruck von den verwahrlosten Zuständen zu vermitteln. Auf den Fotos sind tatsächlich gröbere Missstände erkennbar. Sie zeigen stark verschmutzte Rinder, einen sehr nassen und dreckigen Stallboden sowie grobe Baumängel (Mauerschäden, Dacheinsturz) und viel Schutt und Gerümpel rund um die Stallgebäude. Auch die bei früheren Kontrollen hergestellten Lichtbilder zeigen verwahrloste und hygienisch sehr bedenkliche Zustände.

Die Bw wollten vorerst 20 Rinder bei einer Nachbarin unterbringen, was dann aber mangels ausreichenden Platzes nicht möglich war. Die belangte Behörde veranlasste unter Berufung auf § 18 Abs 2 Oö. Tierschutzgesetz 1995 zur Beendigung wahrgenommener Tierquälerei die vorläufige Abnahme der Tiere im Wege ihres Abtransports und die Unterbringung beim Viehhändler M aus J Rinder (Mutterkühe mit Kälbern und eine kranke Kuh) wurden zum Anwesen P verbracht. Den uneinsichtigen Bw wurde der Entzug der Verfügungsgewalt angekündigt. Sie sollten sich um eine artgerechte Unterbringung kümmern oder die Tiere verkaufen.

3.2. Offenbar im Hinblick auf das Schreiben der H vom 17. Februar 2004 über die bautechnische Sanierbarkeit der Stallgebäude des Anwesens H gab der Amtstierarzt der belangten Behörde die aus Sicht des Tierschutzes notwendigen Auflagen (Aktenvermerk vom 16.03.2004) und mit weiterem Aktenvermerk vom 18. März 2004 bekannt, dass 9 Rinder zur Schlachtung nach Salzburg gebracht, 4 Kalbinnen verkauft und die restlichen 26 Rinder, die beim Viehhändler M untergebracht waren, nach P, N verbracht worden sind.

 

Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, nachdem die Rechtsvertreter der Bw aus Anlass einer Berufungsvorentscheidung der belangten Behörde mit Telefaxeingabe vom 15. April 2004 rechtzeitig den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Berufungsbehörde gestellt hatten.

Mit Bescheid vom 26. März 2004, zugestellt am 1. April 2004, hatte die belangte Behörde eine Berufungsvorentscheidung gemäß § 64a AVG erlassen und ihren angefochtenen Bescheid abgeändert. Im Spruchpunkt I wurde inhaltlich nur die Fristsetzung für die Erfüllung geändert und der 1. April 2004 festgesetzt. Zur Nutztierhaltung im Anwesen H hat die belangte Behörde folgende Maßnahmen vorgesehen:

  1. Der Stall ist zu reinigen und auszumisten.
  2. Mauern (Decke, Wände, Boden) sind zu sanieren und der Stall auszumalen.
  3. Im Stall sind ausreichend Fenster zu errichten.
  4. Im Stall sind automatische Tränkeeinrichtungen zu installieren.
  5. Die Durchführung dieser Maßnahmen ist der Behörde schriftlich bekannt zu geben.
  6. Bis zur ordnungsgemäßen Durchführung dieser Maßnahmen (1. - 4.) ist eine Nutztierhaltung im H nicht zulässig.

Begründend wird zum Spruchpunkt I auf das Ersuchen um eine Frist bis 1. April 2004 in der Berufung hingewiesen. Zum Spruchpunkt II vertrat die belangte Behörde unter Hinweis auf ergänzende Ermittlungen nach Einbringung der Berufung die Ansicht, dass die Unterbringung von landwirtschaftlichen Nutztieren auch im H bei Erfüllung der vorgeschriebenen Maßnahmen möglich ist.

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem oben dargestellten Sachverhalt, der durch die Aktenlage hinreichend dokumentiert ist, aus. Die Berufung hat die Missstände nicht substanziell bestritten, den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung aber als überzogene Maßnahme kritisiert. Zum Spruchpunkt I hat die Berufung im Wesentlichen die Erfüllung von einzelnen Vorschreibungen behauptet und nur hinsichtlich der Reinigung sämtlicher Rinder und der Montage der Trennbügel darauf hingewiesen, dass die Erfüllungsfrist zu kurz bemessen wäre und eine Verlängerung bis 1. April 2004 beantragt.

Zum Spruchpunkt II bekämpfen die Bw die ursprüngliche Annahme der belangten Behörde, dass die Stallgebäude des Anwesens H einer Ruine gleichen und nicht sanierbar wären. Insofern folgt der erkennende Verwaltungssenat der Darstellung der Bw betreffend die grundsätzliche bautechnische Sanierbarkeit und Möglichkeit einen tierschutzgerechten Zustand herzustellen. Im Hinblick auf die durch Lokalaugenscheine des Amtstierarztes und der belangten Behörde sowie durch zahlreiche Fotos dokumentierten Missstände in den Stallgebäuden im Anwesen H vermag der Oö. Verwaltungssenat der offensichtlichen Schutzbehauptung der Bw, dass die Tiere dort artgerecht gefüttert und getränkt und überhaupt artgerecht gehalten worden wären, in keiner Weise zu folgen.

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Nach der Begriffsbestimmung des § 1 Abs 3 Z 2 Oö. Tierschutzgesetz 1995 idF LGBl Nr. 91/2001 sind landwirtschaftliche Nutztiere Rinder, Schweine, Ziegen, Schafe, Pferdeartige, Hausgeflügel und Kaninchen, die zur Erzeugung von Nahrungsmitteln, Wolle, Häuten oder Fellen oder zu anderen landwirtschaftlichen Zwecken gezüchtet oder gehalten werden.

 

§ 10 Oö. Tierschutzgesetz 1995 idF LGBl Nr. 91/2001 (Landwirtschaftliche Nutztierhaltung) lautet (auszugsweise):

 

"(1) Wer landwirtschaftliche Nutztiere gemäß § 1 Abs 3 Z 2 züchtet oder hält, muss dafür sorgen, dass

 

  1. eine artgerechte Fütterung und Tränkung gewährleistet ist,
  2. das Platzangebot den Ansprüchen der Tiere genügt,
  3. in Beständen mit mehreren Tieren diese nicht dauernd einzeln gehalten werden und die Möglichkeit zu Sozialkontakten mit Artgenossen gegeben ist,
  4. die Unterbringung den Ansprüchen der Tiere genügt und
  5. die Tiere entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen ausreichend von hiezu fachlich befähigten Personen betreut werden.

 

(2) Wer Rinder, Schweine, Ziegen, Schafe, Pferdeartige und Kaninchen züchtet oder hält, muss dafür sorgen, dass

 

  1. deren Bewegungsmöglichkeit nicht in der Weise eingeschränkt wird, dass sie ihren Stand- und Liegeplatz nie verlassen können,
  2. die Böden gleitsicher sind und
  3. der Liegebereich den Ansprüchen der Tiere auf Weichheit oder Wärmedämmung genügt.

 

(3) Werden die Bestimmungen der Abs 1 und 2 oder der auf Grund des Abs 5 erlassenen Verordnungen nicht eingehalten, gilt § 7 Abs 7 sinngemäß. Die Organe der Behörde sind ermächtigt, soweit dies zur Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen betreffend landwirtschaftliche Nutztierhaltung erforderlich ist, alle notwendigen Auskünfte zu verlangen; hinsichtlich des Betretungsrechts gilt § 18 Abs 1 mit der Maßgabe, dass kein begründeter Verdacht einer Übertretung dieses Landesgesetzes vorliegen muss.

 

(4) Der Züchter oder Halter landwirtschaftlicher Nutztiere hat über alle medizinischen Behandlungen dieser Tiere und über die Zahl der bei einer Kontrolle vorgefundenen toten Tiere Aufzeichnungen zu führen. Diese sind mindestens drei Jahre aufzubewahren und der Behörde über Aufforderung vorzulegen.

 

......"

 

 

Detaillierte Vorschriften betreffend die Haltungsanforderungen von Wild in Wildgehegen, landwirtschaftlichen Nutztieren und anderen Nutztieren ergeben sich aus der Oö. Nutztierhaltungsverordnung 2002 (LGBl Nr. 151/2002), die auf Grund der Verordnungsermächtigungen der §§ 10 Abs 5, 11 Abs 3 und 10 des Oö. Tierschutzgesetzes 1995 von der Oö. Landesregierung erlassen wurde. Neben den allgemeinen Haltungsanforderungen in §§ 2 ff sind besondere Haltungsanforderungen für die Rinder- und Schweinehaltung in §§ 8 ff Oö. Nutztierhaltungsverordnung 2002 geregelt. § 8 enthält Bestimmungen über die Bewegungsmöglichkeiten, § 10 über die Bodenbeschaffenheit, § 11 über Lüftung, § 12 über Lichtverhältnisse, § 13 über Lärm und § 14 über die Betreuungsintensität.

 

4.2. Gemäß § 10 Abs 3 Oö. Tierschutzgesetz 1995 gilt § 7 Abs 7 leg.cit. (Tierschutz in Schlachtbetrieben) sinngemäß, wenn die Bestimmungen über Haltungsanforderungen nicht eingehalten werden. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde die zur Erlangung des rechtmäßigen Zustands notwendigen Maßnahmen vorzuschreiben. Bei der Festsetzung der Frist nach § 59 Abs 2 AVG ist der mit der Maßnahme verbundene Aufwand und der mit der Maßnahme verbundene Erfolg zu berücksichtigen.

 

Bereits aus § 10 Abs 1 und 2 Oö. Tierschutzgesetz 1995 ergibt sich eine Verpflichtung des Halters von Nutztieren zur artgerechten Fütterung und Tränkung, Gewährleistung eines ausreichenden Platzangebots mit Bewegungsmöglichkeiten, zur ausreichenden und fachgerechten Betreuung sowie zur Schaffung gleitsicherer Böden und Liegebereiche, die den Ansprüchen der Tiere auf Weichheit oder Wärmedämmung genügen. Weitergehende Konkretisierungen finden sich in der Oö. Nutztierhaltungsverordnung 2002.

 

4.3. Nach Ausweis der Aktenlage haben die durchgeführten Kontrollen durch Amtstierarzt und belangte Behörde ergeben, dass die in P ebenso wie die in H gehaltenen Rinder stark verschmutzt und mit Kletten behaftet waren. Bei der gemeinsam mit dem Amtstierarzt durchgeführten behördlichen Kontrolle vom 9. Februar 2004 war der Stallboden in P nur notdürftig geräumt und mit Einstreu bedeckt. Ein Stier mit eitriger Wunde am Bein war tiermedizinisch unversorgt.

 

Für das Anwesen P ergab die amtstierärztliche Nachschau vom 15. März 2004, dass die mit Bescheid vom 10. Februar 2004 aufgetragenen Maßnahmen nur teilweise erfüllt worden waren (vgl Aktenvermerk des Amtstierarztes). Die Liegeflächen im Tretmiststall waren weder sauber noch trocken und die Rinder großteils noch nicht von Kletten befreit. Die Instandsetzung der Aufstallungen und Montage der Trennbügel war noch nicht erfolgt. In der Berufung wird dazu unter Hinweis auf andere Arbeiten wie Melkstandmontage im Wesentlichen nur die Fristsetzung bis 15. März 2004 als zu kurz beanstandet und eine Verlängerung bis 1. April 2004 beantragt. Diesem Anliegen der Bw war mit Rücksicht auf die vorgebrachte Arbeitsbelastung im Sinne des § 59 Abs 2 AVG in angemessener Weise zu entsprechen und die Frist für Spruchpunkt I antragsgemäß neu festzusetzen.

 

4.4. Beim Anwesen H stellte die Behörde wesentliche Baugebrechen fest, die sogar die Standsicherheit betrafen. Durch die angefertigten Lichtbilder und das Berufungsvorbringen zur Sanierbarkeit (Beurteilung durch H sind diese Mängel hinreichend dokumentiert. Fenster- und Türöffnungen waren mit Plastikplanen verhängt oder mit Brettern verschlagen. Sowohl am 9. Februar 2004 als auch am 15. März 2004 waren die Ställe stark verschmutzt und der Stallboden nicht ordnungsgemäß geräumt und eingestreut. Bei der Kontrolle am 15. März 2004 ab 14.00 Uhr waren die Liegeflächen noch nass, weil durch Exkremente verunreinigt, und die Tiere nicht mit Futter und Wasser versorgt. Auch um eine Mutterkuh, die in der Nacht kalbte, hatte sich noch niemand gekümmert. Die Nachgeburt lag noch auf der Liegefläche. Als Sofortmaßnahme zur Vermeidung weiterer Tierquälerei mussten die Tiere sogar zum Viehhändler M abtransportiert und 6 Rinder, Mutterkühe mit Kälbern und eine kranke Kuh, nach P verbracht werden.

 

Die Bw beschränken sich auf die durch die Aktenlage bereits widerlegte Schutzbehauptung, dass die Tiere im Anwesen H artgerecht gefüttert und gehalten worden wären. Tatsächlich hat die Berufung die festgestellten Mängel und Missstände nicht grundsätzlich widerlegen können. Lediglich die mögliche Behebbarkeit der ernsten Baugebrechen wurde glaubhaft gemacht und eine Sanierung in Aussicht gestellt.

 

Im Hinblick auf den geschilderten Zustand der Stallgebäude des Anwesens H hat der Amtstierarztes die Ansicht vertreten, dass eine Nutztierhaltung im Sinne des Oö. Tierschutzgesetzes in diesen Stallgebäuden nicht möglich ist (vgl Aktenvermerk betreffend amtstierärztliche Kontrollen vom 03./09.02.2004). Deshalb hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die dauerhafte Entfernung der Tiere aus den Ställen des Anwesens H angeordnet und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs 2 AVG 1991 ausgeschlossen.

 

In der Berufungsvorentscheidung der belangten Behörde wurde auf Grund der vorgelegten bautechnischen Beurteilung und der Sanierungsbereitschaft der Bw und nach Anhörung des Amtstierarztes vom generellen Entfernungsauftrag im Spruchpunkt II unter der Voraussetzung abgesehen, dass das Anwesen H in der Gemeinde N den Anforderungen des Tierschutzes entsprechend saniert wird. Dementsprechend hat die belangte Behörde in ihrer Berufungsvorentscheidung Bedingungen vorgeschrieben, unter denen eine weitere Unterbringung von landwirtschaftlichen Nutztieren in den Stallgebäuden des Gehöftes H möglich erscheint, und gleichzeitig ein Verbot der Tierhaltung bis zur Durchführung der Maßnahmen zum Ausdruck gebracht.

 

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats schließt sich der Beurteilung der belangten Behörde in der Berufungsvorentscheidung grundsätzlich an. Die leicht abgeändert formulierten Vorschreibungen dienen der Klarstellung und besseren Bestimmtheit. Dass Tiere in einem Stallgebäude nicht durch wesentliche die Standsicherheit und Dichtheit betreffende Baugebrechen gefährdet werden dürfen, ist selbstverständlich und bedarf wohl keiner weiteren Begründung. Auch eine Haltung im Dunkeln durch verhängte oder mit Brettern verschlagene Fensteröffnungen entspricht nicht den Haltungsanforderungen des Tierschutzes. Deshalb hat der Amtstierarzt auch die Anbringung von Fenstern verlangt. Zur erforderlichen Bodenbeschaffenheit ist besonders auf § 10 Abs 1 und 2 Oö. Nutztierhaltungsverordnung 2002 hinzuweisen. Nach Abs 1 sind planbefestigte Böden, die keinerlei Beläge entsprechend den Ansprüchen der Tiere auf Weichheit und Wärmedämmung aufweisen, im Liegebereich der Tiere ausreichend mit Stroh oder ähnlich strukturiertem Material einzustreuen, so dass über die gesamte Liegefläche eine dicke Streuschicht vorhanden ist. Nach Abs 2 Z 2 muss die Liegefläche von Milchkühen in der Anbindehaltung und in der Laufstallhaltung eingestreut oder mit weicher druckelastischer Unterlage versehen sein.

 

Es waren daher im Spruchpunkt II jene Bedingungen vorzuschreiben, unter denen eine weitere Nutztierhaltung in den Stallgebäuden des Anwesens H mit dem Oö. Tierschutzgesetz 1995 vereinbar ist. Zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes war die Nutztierhaltung in den Stallgebäuden des Anwesens H bis zur Erfüllung der vorgeschriebenen Voraussetzungen (Bedingungen) für unzulässig zu erklären bzw zu verbieten.

 

5. Zur Bekämpfung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung:

 

Gemäß § 64 Abs 2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

 

Die Anfechtbarkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bedeutet nicht, dass einem Rechtsmittel gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung seinerseits aufschiebende Wirkung zukommt. Denn diese Annahme widerspräche dem Sinn eines Ausspruches nach § 64 Abs 2 AVG, weil die Partei den Zweck dieses Rechtsinstituts, den Ausspruch ausnahmsweise sofort und unabhängig vom Ausgang des Verfahrens wirksam werden zu lassen, durch bloßes Ergreifen eines Rechtsmittels vereiteln könnte. Ein Rechtsmittel dagegen soll lediglich die Überprüfung der Voraussetzungen durch die Berufungsbehörde ermöglichen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], E 13a und E 13c zu § 64 AVG)

 

Bei der Entscheidung, ob § 64 Abs 2 AVG zu Recht angewendet wurde, hat die Berufungsbehörde auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abzustellen und für diesen Zeitpunkt die Voraussetzungen zu beurteilen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch6, E 13b zu § 64 AVG).

 

Im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde ließen die zuvor schon wiederholt wahrgenommenen Missstände bereits darauf schließen, dass die Bw die Anforderungen an eine Nutztierhaltung nach dem Oö. Tierschutzgesetz 1995 und der Oö. Nutztierhaltungsverordnung 2002 nicht genügend beachten und auch kaum ernst nehmen. Die belangte Behörde und der Amtstierarzt haben schon Monate vor dem Lokalaugenschein vom 9. Februar 2004 immer wieder versucht, auf die Bw einzuwirken, um den gesetzmäßigen Zustand einvernehmlich herstellen zu können. Wie der Aktenlage zu entnehmen ist, haben die Bw trotz wiederholter Beanstandungen durch den Amtstierarzt monatelang keine Verbesserung der Haltungsbedingungen vorgenommen (vgl Lichtbilder von einer Betriebsüberprüfung am 28.04.2003 sowie aktenkundige Aktenvermerke des Amtstierarztes mit weiteren Lichtbildern vom 9.02.2004) Es wurden immer wieder sehr schlechte hygienische Zustände festgestellt. Die von der belangten Behörde bei den Lokalaugenscheinen am 9. Februar 2004 und auch noch am 15. März 2004 vorgefundenen, jeweils durch zahlreiche Fotos dokumentierten Missstände sprechen für sich. Dennoch zeigten sich die Bw selbst noch am 15. März 2004 uneinsichtig und wollten offenbar nicht zur Kenntnis nehmen, dass ihre Praxis der Tierhaltung eine Tierquälerei bedeutet, weil sie für die Tiere mit Leiden verbunden ist und auch Krankheiten fördert.

 

Das öffentliche Interesse an einer artgerechten Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere im Sinne des Oö. Tierschutzesgesetzes 1995 fällt nicht nur im Grunde des Schutzes der gehaltenen Tiere selbst ins Gewicht. Tierschutz liegt auch im Interesse des Konsumenten landwirtschaftlicher Produkte, weil gesunde und stressfrei gehaltene Rinder oder Schweine eine bessere Fleischqualität liefern.

Die Bw haben durch ihr uneinsichtiges Verhalten bewiesen, dass eine Verbesserung der Haltungsbedingungen nur durch unverzüglich umzusetzende Maßnahmen oder mit unmittelbarem Zwang erreichbar ist. In Bezug auf den katastrophalen Zustand der Stallgebäude des Anwesens H kam noch dazu, dass diese Örtlichkeit ohne bauliche Sanierungen für eine Haltung von Rindern überhaupt nicht geeignet war. Jedes weitere Zuwarten der belangten Behörde hätte die Leiden der Tiere nur unnötig verlängert und wegen der bestehenden Einsturzgefahr (Standsicherheitsmängel werden auch durch die Beurteilung der H bestätigt) unter Umständen auch weitere Verletzungen der gehaltenen Rinder in Kauf genommen. Es lag daher auch nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats Gefahr im Verzug vor, weshalb die belangte Behörde mit Recht die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen hatte.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

Hinweise:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren haben die Berufungswerber (§ 14 TP 6 Abs 1 Gebührengesetz) für die Berufung je eine feste Eingabengebühr in Höhe von 13 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 
 

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