Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104711/2/BR

Linz, 24.06.1997

VwSen-104711/2/BR Linz, am 24. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 27. Mai 1997, VerkR96-4675-1996, wegen Übertretung des KFG 1967 zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 471/1995 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1 (2. Halbsatz), § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 27. Mai 1997, Zl.: VerkR96-4675-1996, wegen der Übertretung nach § 134 Abs.1 iVm § 102 Abs.1 KFG über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 500 S und für den Nichteinbringungsfall fünfzehn Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben sich als Lenker des Kraftfahrzeuges der als Lastkraftwagen zum Verkehr zugelassen ist, vor Antritt der Fahrt, obwohl dies zumutbar gewesen wäre, nicht davon überzeugt, ob das Fahrzeug den hiefür in Betracht kommenden kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht, da, wie am 25.10.1996 um 10.05 Uhr bei Strkm. 5,9 der B 115 im Gemeindegebiet von K von einem technischen Sachverständigen festgestellt wurde, die Trennwand zwischen dem Lade- und dem Fahrgastraum fehlte, die den Lenkerplatz entsprechend geschützt hätte." 1.1. Begründend hat die Erstbehörde entscheidungswesentlich rechtlich folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 134 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABI.NR. 370 vom 31.12.1985, S.l. sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABI. Nr. L 370 vom 31.12.1985, S. 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, ABI. Nr. L 353 vom 17.12.1990, S 12, zuwiderhandelt.

Nach § 102 Abs. 1 dieses Gesetzes darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht.

Nach § 2 Ziffer 8 dieses Gesetzes wird als Lastkraftwagen ein Kraftwagen (Ziffer 3 dieser Bestimmung) definiert, der nach seiner Bauart und Ausrüstung ausschließlich oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern bestimmt ist.

Mit dem Kennzeichen ist ein Kraftwagen der Marke Opel Astra-F-Lastkraftwagen als Lastkraftwagen im Sinne des § 2 Ziff. 8 des Kraftfahrgesetzes für Sie zum Verkehr zugelassen.

Dieses Kraftfahrzeug ist ausschließlich oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern bestimmt. Der Fahrgastraum mußte daher von der Ladefläche so abgesichert sein, daß der Lenker beim Lenken des Fahrzeuges durch die Ladung weder behindert noch gefährdet werden konnte.

Bei der Typengenehmigung dieses Kraftfahrzeuges wurde vom Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr festgelegt, daß zwischen dem Fahrgastraum und der Ladefläche eine Trennwand anzubringen ist.

Bei der am 25.10.1996 um 10.05 Uhr in K durchgeführten Kontrolle wurde festgestellt, daß diese Trennwand fehlte.

Zum Zeitpunkt der Kontrolle hat das Fahrzeug daher nicht dem typengenehmigten Zustand entsprochen.

Sie haben das Fahrzeug in diesem Zustand in Betrieb genommen, obwohl es nicht den hiefür in Betracht kommenden kraftfahrrechtlichen Vorschriften (dem typengenehmigten Zustand) entsprach. Sie haben daher die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Richtig ist, daß im Allgemeinen Durchführungserlaß zum Kraftfahrgesetz 1967 des Bundesministeriums für Verkehr, Zahl: 300/3-1V/4-1979, bestimmt ist, daß Lastkraftwagen im Sinne des § 2 Ziff. 8 des Kraftfahrgesetzes, insbesondere wenn sie durch Umbau aus Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen hervorgegangen sind, so ausgerüstet sein müssen, daß der Laderaum durch eine dauerhafte und ausreichend feste Trennwand gegen den Lenkerplatz und gegen Plätze für beförderte Personen abgeschlossen sind. Diese Trennwand muß über die Querschnittsfläche des Fahrzeuginnenraumes reichen.

Aufgrund dieses an die Landeshauptmänner gerichteten Erlasses wurde bei der Typengenehmigung des für Sie zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges vorgeschrieben, daß dieses Fahrzeug mit einer Trennwand ausgerüstet sein muß. Sie als Zulassungsbesitzer und Lenker dieses Fahrzeuges mußten darauf achten, daß das Fahrzeug dem typengenehmigten Zustand entspricht.

Jene Anordnung, welche Sie beachten mußten, war nicht der an die Landeshauptmänner gerichtete Allgemeine Durchführungserlaß. Sie hatten vielmehr darauf zu achten, daß das Fahrzeug den Vorschreibungen des Typenscheines entspricht. Weil Sie nicht dafür gesorgt haben, daß das Fahrzeug den Vorschreibungen des Typenscheines entspricht, haben Sie schuldhaft gehandelt." 2. Der Berufungswerber führt in seiner fristgerecht erhobenen Berufung im wesentlichen aus, daß die wider ihn erhobenen Tatvorwürfe mehrfach geändert worden seien und somit keine taugliche Verfolgungshandlung darstellten. Ferner verweist er auf den Umstand, daß diese Trennwand im Typengenehmigungsbescheid nicht erwähnt werde, wobei darin auf zahlreiche andere Ausstattungsgegenstände hingewiesen werde und er von diesem Erfordernis keine Kenntnis haben könne. Bereits mit diesem Vorbringen ist der Berufungswerber im Ergebnis im Recht! 3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.1 VStG (2. Halbsatz) unterbleiben.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt.

5. Folgender Sachverhalt war daher als erwiesen anzusehen:

5.1. Der Berufungswerber hatte zum Zeitpunkt einer Überprüfung des von ihm gelenkten Lastkraftwagens der Marke Opel Astra die hinter dem Fahrgastraum vorgesehene Trennwand entfernt gehabt. Dies wurde mit Befund des technischen Sachverständigen festgestellt. Ein entsprechender Eintrag im Typenschein findet sich sicher nicht. Ebenfalls ist davon auszugehen, daß diese Trennwand nicht eine Bedingung oder Auflage für die Zulassung gewesen ist, welche im Zulassungsschein vermerkt war. Es ist davon auszugehen, daß das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt nicht beladen war.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

6.1. Die Erstbehörde legte zwar dar, daß gemäß § 134 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABI.NR. 370 vom 31.12.1985, S.l. sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABI. Nr. L 370 vom 31.12.1985, S. 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, ABI. Nr. L 353 vom 17.12.1990, S 12, zuwiderhandelt. Aus § 102 Abs.1 KFG 1967 kann der hier erhobene Tatvorwurf nicht abgeleitet werden.

Aber auch die Blankettenstrafvorschrift, welche auch Verstöße gegen "sonstige Anordnungen" für strafbar erklärt, läßt die an die Zulassungsbehörde im Erlaßweg gerichtete Bestimmung gemäß dem Durchführungserlaß zum KFG 1967, Zl. 300/3-IV/4-1979 die Ausrüstungsvorschriften nach § 2 Z8 detaillierend, nicht auch auf den Normunterworfenen ausdehnbar erachten. Damit würde durch eine weitestgehende Unbestimmbarkeit strafbarer Verhaltensweisen einer Vorschrift eine verfassungswidrige Unbestimmtheit unterstellt. Es ist ebenso unzulässig Strafnormen per Analogie auszuweiten. Daher können Ausführungen in einem Durchführungserlaß zum KFG 1967, weil es sich bei einem derartigen Erlaß nicht um eine Rechtsverordnung handelt, keine Straftatbestände normieren. Diese Regelungsinhalte sind ferner dem Normunterworfenen empirisch auch gar nicht zugänglich. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete eine solche Anordnung als keine verbindliche Rechtsquelle (VwGH 25.06.1996, 94/11/0003 mit Hinweis zum ADE zum KFG 1967 ergangenen Erkenntnis vom 21. März 1980, Zl. 3373/78). So hat etwa der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem Erk. Slg. 4391 (A.)/58 ausgesprochen, daß bestimmte Richtlinien (damals amtliche Nachrichten des BM. f. soz. V. 1956, Nr. 24 bis 27) nur eine die nachgeordneten Dienststellen bindende Verwaltungsverordnung darstellte und diesen somit nicht allgemein verbindlicher Charakter zukam (VwGH 1.10.1958, 757/57). Da sich letztlich die im Erlaß als verpflichtend vorgeschriebene Trennwand auch nicht aus dem im Akt in Kopie vorliegenden Typenschein entnehmen ließ, verletzt die auf das Fehlen derselben gestützte Bestrafung den Grundsatz, daß keine Strafe ohne gesetzliche Grundlage verhängt werden darf (nulla poena sine lege). Da diese Trennwand offenbar auch nicht als eine die Zulassung bedingende Auflage fixiert wurde - darin könnte eine die Bestrafung zulassende "sonstige Anordnung" erblickt werden, kann dieser technische Aspekt, welcher im übrigen den Schutzzweck ohnedies nur im Falle des beladenen Fahrzeuges verletzen hätte können, nur für die Zulassungsbehörde Bedeutung erlangen. Dem wurde dadurch Rechnung getragen, daß dieser Mangel als Folge der zu dieser Anzeige führenden Bemängelung bereits am 13. Jänner 1997 behoben festgestellt wurde.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der innerhalb der offenen Verfolgungsverjährungsfrist erhobene Tatvorwurf - was vom Berufungswerber in Frage gestellt wurde - hinlänglich umschrieben war. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung: ADE, KFG-Durchführungserlaß, Analogieverbot nulla poene sine lege

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