Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104767/9/BR

Linz, 17.09.1997

VwSen-104767/9/BR Linz, am 17. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Mag. W, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. K gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 11. Juni 1997, Zl: III/42107/96-3S-42107/96-3, wegen Übertretungen der StVO 1960 nach der am 19. August und 17. September 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlungen zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß das angefochtene Straferkenntnis in den Punkten 1.) und 2.) aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt wird. In Punkt 3.) wird der Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden ermäßigt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. In den Punkten 1.) und 2.) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge; in Punkt 3.) ermäßigen sich die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf 50 S. Für das Berufungsverfahren entfällt auch in Punkt 3.) ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem Straferkenntnis vom 11. Juni 1997 wider den Berufungswerber insgesamt drei Geldstrafen verhängt, weil er am 24.11.1996 um 00.36 Uhr auf der H Bezirksstraße im Ortsgebiet von H von der W bis zur Einfahrt zum K in Fahrtrichtung L (gemeint Süden) 1. einen zu geringen Abstand zum Vorderfahrzeug eingehalten habe, 2. bei Strkm 1,8 den Überholvorgang nicht durch Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers angezeigt habe und 3. die dort kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h im Zuge des Überholvorganges um mindestens 20 km/h überschritten habe [die Tatvorwürfe wurden hier in verkürzter Form dargestellt].

2. Begründend stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung auf die Angaben der einschreitenden Beamten in der Anzeige und deren im erstbehördlichen Verfahren gemachten zeugenschaftlichen Angaben. 2.1. In der dagegen durch die ag. Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung bezweifelt der Berufungswerber im Ergebnis die Schlüssigkeit der Angaben der Meldungsleger. Es wurde auch die unterbliebene zeugenschaftliche Vernehmung der Ehefrau des Berufungswerber gerügt. Ebenfalls würden die Geschwindigkeits- u. Entfernungsangaben einem Kfz-sachverständigen-Gutachten nicht standhalten. Der Berufungswerber beantragt die Verfahrenseinstellung, jedenfalls jedoch die Durchführung einer Berufungsverhandlung.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Vornahme eines Ortsaugenscheines im Beisein des Berufungswerbers und dessen Rechtsvertreters anläßlich welchen auch die Meldungsleger vor Ort einvernommen und die vorfallsrelevante Wegstrecke befahren und die spezifischen Wegstrecken erfaßt wurden.

4. Zumal keine 10.000,- S übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Da die Tatbegehung dem Grunde nach bestritten wurde, war im Sinne einer möglichst unmittelbaren und umfassenden Wahrheitsfindung eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur fraglichen Zeit seinen Pkw auf der und bog an der Kreuzung mit der W (beim K-Hof) nach links in Richtung Süden ab. Zu diesem Zeitpunkt befand sich außer dem Fahrzeug des Berufungswerbers und dem Dienstkraftfahrzeug der Meldungsleger kein anderes Fahrzeug auf der besagten Wegstrecke. Kurz nach dem Abbiegevorgang betrug der Abstand zum Vorderfahrzeug geschätzte zehn Meter bis etwa 100 Meter weiter vorne, im Bereich der Einfahrt zum Kinderdorf S, der Berufungswerber den mit etwa 50 km/h fahrenden Pkw der Meldungsleger überholte. Beim Fahrzeug des Berufungswerbers handelt es sich um einen BMW 740 mit einer Motorleistung von 310 PS. Es kann davon ausgegangen werden, daß auf Grund der möglichen Beschleunigung von zumindest 5 m/sek/2 dieser Vorgang innerhalb von 100 Metern abgeschlossen werden konnte. Glaubhaft, ja geradezu logisch ist dabei, daß im Zuge dieses Überholvorganges die Fahrgeschwindigkeit kurzzeitig 80 km/h betragen haben konnte. Ebenfalls läßt sich aber auch schlußfolgern, daß die Fahrgeschwindigkeit eben nur im Überholvorgang (ganz kurzzeitig) diese Spitze erreicht haben konnte, weil sonst wohl die Anhaltung bereits nach 700 Metern nicht (mehr) möglich gewesen wäre. Eine diesbezügliche Geschwindigkeitschätzung während der Vorbeifahrt an ihrem Fahrzeug ist den Straßenaufsichtsorganen durchaus zuzutrauen. Ob dieser Überholvorgang in der Einleitungsphase angezeigt wurde, konnte mangels diesbezüglich schlüssiger Feststellungen nicht in einer für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Der Zeuge RevInsp. G konnte sich an diesen Vorgang nicht mehr konkret erinnern, während der Zeuge H anläßlich seiner Aussage am 19. August 1997 nicht ausschließen wollte, ob nicht zumindest das Ausscheren angezeigt wurde. Dabei ist es durchaus Erfahrungstatsache, daß man eine diesbezügliche Beobachtung erst während der Vorbeifahrt des überholenden Fahrzeuges am überholten Fahrzeug zu machen in der Lage ist, wobei in dieser Phase kein eingeschalteter Blinker wahrgenommen wurde. Im Hinblick auf den Nachfahrabstand ist einerseits eine Schätzung durch den Rückspiegel nicht exakt möglich, andererseits muß zumindest in der Abbiegephase die Fahrgeschwindigkeit des Vorderfahrzeuges mit weniger als 50 km/h angenommen werden, so daß sich schon daraus kurzzeitig ein durchaus geringerer Tiefenabstand ergeben konnte. Diesbezüglich räumt der Zeuge H ein, daß die Fahrgeschwindigkeit auch geringer als 50 km/h gewesen sein könnte. Beweiswürdigend wird daher gefolgert, daß der vorgeworfene Sicherheitsabstand jedenfalls nur wenige Sekunden - nämlich bis zum Überholentschluß etwa 100 Meter nach dem Einbiegen - und während der Beschleunigungsphase bis um die 50 km/h ein (subjektiv) geringes Ausmaß [geschätzte 10 m] betragen hat. Das Beweisverfahren hat neben teils emotionalen Äußerungen zwischen den Zeugen und dem Berufungswerber im Ergebnis keine entscheidungsrelevanten Widersprüche zur Anzeige erbracht. Das gewonnene Beweisergebnis läßt auf Grund der Knappheit an Substanz - nämlich der sehr kurzen Wahrnehmungsphasen - wohl eine Würdigung in jeder Richtung hin zu. Im Zweifel ist jedoch von für den Berufungswerber günstigeren Annahmen auszugehen.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Der Lenker eines Fahrzeuges hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird (§ 18 Abs.1 StVO 1960).

5.2. Dieser Abstand ist wohl dem Schutzzweck dieser Bestimmung folgend auch dann einzuhalten, wenn mit einem plötzlichen Abbremsen des Vorderfahrzeuges nicht gerechnet werden müßte. Als Regelfall ist als Sicherheitsabstand zumindest die Länge des Reaktionsweges einzuhalten (vgl. VwGH 21.9.1984, Zl. 84/020198). Die Verletzung dieser Vorschrift konnte hier, wie oben ausführlich dargelegt, als nicht ausreichend nachgewiesen erachtet werden. Der Schutzzweck des § 18 Abs.1 VStG stellt auf die Bewerkstelligung des rechtzeitigen Anhaltens unter allen verkehrstypischen Bedingungen ab (vgl. VwGH 26.4.1991, Zl. 91/18(0070). Im Falle eines Überholvorganges kann es aus der Sicht der Praxis für Sekundenbruchteile zu einer Unterschreitung dieses Sicherheitsabstandes (während des Ausschervorganges in der Beschleunigungsphase des überholenden Fahrzeuges) kommen. Diese allfälligen Unterschreitungen sind aber, wie ebenfalls oben schon dargelegt, verwaltungsstrafrechtlich nicht objektivierbar. Bei der Wahl des Sicherheitsabstandes ist schließlich auch auf die Art, die Ausrüstung und den Zustand des jeweiligen Fahrzeuges und die individuelle Vertrautheit des Lenkers mit diesem, Bedacht zu nehmen. Auch diesbezüglich konnte hier durchaus davon ausgegangen werden, daß es sich beim Berufungswerber um einen routinierten und mit seinem Fahrzeug vertrauten Lenker handelt. Bei einer Fahrgeschwindigkeit die etwa bei einem Einbiegevorgang üblich ist, kann ein Abstand von zehn Meter durchaus ausreichend sein. Der § 11 Abs.2 StVO lautet: Der Lenker eines Fahrzeuges hat die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Er hat die Anzeige zu beenden, wenn er sein Vorhaben (den Fahrstreifenwechsel) ausgeführt hat oder von ihm Abstand nimmt.

Die Erstbehörde hat das wesentliche Tatbestandsmerkmal des § 11 Abs 2 StVO in zutreffender Form zur Last gelegt, nämlich daß der Fahrzeuglenker die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung - den Überholvorgang - nicht (so rechtzeitig) angezeigt hat, daß sich andere Straßenbenützer (der Lenker des überholten Fahrzeuges) auf den (angeblich nicht) angezeigten Vorgang einstellen hätte können (VwGH 19. 12. 1990, 90/03/0159). Da es jedoch bei sinnrichtiger Auslegung dieser Bestimmung diese Verpflichtung beim Überholen in erster Linie auf das Ausscheren (den Wechsel des Fahrstreifens) zum Tragen kommt und diesbezüglich eine Unterlassung nicht objektivierbar war, kann der Tatvorwurf als nicht erwiesen angenommen werden. Daher war auch in diesem Punkt von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 86/83/0251; ZfVB 1991/3/1122). Im Punkt 3. (Geschwindigkeitsüberschreitung) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Rechtsausführungen des erstbehördlichen Bescheides hingewiesen.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist hier zur Strafzumessung auszuführen, daß auf Grund keines sonstigen Verkehrsaufkommens mit dieser äußerst kurzzeitigen Geschwindigkeitsüberschreitung keinerlei nachteiligen Folgen verbunden gewesen sind. Der Überholentschluß lag offenkundig darin begründet, daß das überholte Fahrzeug die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit vermutlich nicht ausgeschöpft hatte, so daß subjektiv tatseitig der Überholentschluß durchaus nachvollziehbar war. Bei dem leistungsstarken Fahrzeug des Berufungswerbers konnte dieser Vorgang in äußerst kurzer Zeit ausgeführt werden, wobei die kurzzeitige Geschwindigkeitsüberschreitung sich fast zwingend ergeben mußte. Diesem Umstand kommt bei der Strafzumessung eine besondere Bedeutung zu, so daß hier - ungeachtet einiger einschlägiger Vormerkungen - mit der Verhängung einer Strafe in der Höhe des vorgesehenen Organmandates das Auslangen gefunden werden kann. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung: Sicherheitsabstand, Fahrgeschwindigkeit

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