Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310209/2/Le/Km

Linz, 10.08.2001

VwSen-310209/2/Le/Km Linz, am 10. August 2001

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des R W, W 31, 4 S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. T H. S und Mag. W-R S, S 19, 4 S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21.5.2001, UR96-11-4-2001-Brof, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes zu Recht erkannt:
 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
 
II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.
 
 
Rechtsgrundlage:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.
Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.
 
 
Entscheidungsgründe:
 
Zu I.:
 
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21.5.2001 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 39 Abs.1 lit.a Z2 iVm § 17 Abs.1 und § 1 Abs. 3 Z3 und 4 Abfallwirtschaftsgesetz 1990 (im Folgenden kurz: AWG) eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.
 
Im Wesentlichen wurde ihm vorgeworfen, in der Zeit vom 15.1. bis 26.3.2001 auf einem näher bezeichneten Grundstück einen PKW der Marke VW-Scirocco I, entgegen den Vorschriften des AWG mit Betriebsmitteln (Motoröl) abgelagert zu haben.
 
2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 5.6.2001, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass das gegenständliche Fahrzeugwrack zu Restaurationszwecken aufgehoben wurde und demnach auch eine Entsorgung desselben keineswegs erforderlich und auch nicht zumutbar gewesen wäre. Es sei die Tatsachenannahme, dass dieser PKW mit Betriebsmitteln, insbesondere Motoröl, abgelagert gewesen sei, unrichtig. Die Annahme des Sachverständigen treffe schon deshalb nicht zu, da dieser gar keinen Zutritt zum Fahrzeug hatte, welches versperrt war, als der Augenschein vorgenommen wurde. Die Befundaufnahme hätte auch aus entsprechender Distanz erfolgt, da die Parzelle nicht zugänglich gewesen wäre. Wenn der Sachverständige das Fahrzeug ordnungsgemäß untersucht hätte, hätte er festgestellt, dass kein Treibstoff getankt war, die Batterie entfernt war und Motor- und Getriebeöl ordnungsgemäß entleert worden wären.
Die Frage der Wirtschaftlichkeit der Restaurierung zu prüfen, obliege allein dem Eigentümer. Es sei bekannt, dass durch sachgemäßes Restaurieren von Altfahrzeugen entsprechende Wertgewinne erzielt werden könnten. Die Fahrzeuge der Type VW Scirocco I wären bereits Sammlerfahrzeuge, deren Restaurierung sehr wohl einen Sinn ergäbe.
 
3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.
 
Da bereits aus dem vorgelegten Verwaltungsakt hervorgeht, dass das Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen.
 
4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
 
4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.
Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.
Dieser hatte, da eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).
 
4.2. Die Erstbehörde ist bei der Beurteilung der Angelegenheit davon ausgegangen, dass es sich beim gegenständlichen PKW der Marke VW Scirocco um Abfall, sogar gefährlichen Abfall, handelt.
Der Berufungswerber hat die Abfalleigenschaft bestritten und ausgeführt, dass dieses Fahrzeug bereits einen Liebhaberwert hätte und er es als Oldtimer restaurieren wolle.
 
Der Berufungswerber ist mit seiner Argumentation im Ergebnis im Recht, und zwar aus folgenden Gründen:
 
4.3. Gemäß § 2 Abs.1 AWG sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen,
  1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder
  2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs.3) geboten ist.
  3.  

Eine Entledigungsabsicht im Sinne des § 2 Abs.1 Z1 AWG hat der Berufungswerber im gesamten Verfahren bestritten, sodass die subjektive Abfalleigenschaft nicht gegeben ist.
 
Hinsichtlich der objektiven Abfalleigenschaft hat der technische Amtssachverständige im durchgeführten Ermittlungsverfahren Folgendes feststellt:
 
"Auf der gegenständlichen Liegenschaft in der Wiese abgestellt wurde der PKW VW-Scirocco I, Farbe schwarz, vorgefunden. Das gegenständliche Fahrzeug war versperrt, daher konnte die Fahrgestellnummer nicht abgelesen werden. Die an der rechten Kotflügelseite angebrachte Begutachtungsplakette war teilweise beschädigt. Es konnten nur mehr die Buchstaben FR-..... und in der zweiten Zeile die Plaketten-Nr. WB 69776, Lochung 6/94, abgelesen werden. Die Karosserie war an mehreren Stellen völlig durchgerostet (teilweise faustgroße Löcher). Die Frontscheibe war eingeschlagen, sämtliche Betriebsmittel noch enthalten. Es konnten derzeit noch keine Betriebsmittelverluste festgestellt werden.
 
Das im Befund beschriebene Fahrzeugwrack weist so große Beschädigungen auf, dass eine Instandsetzung mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht mehr möglich ist. Da in diesem Fahrzeugwrack noch Betriebsmittel enthalten sind (Motoröl), ist eine Einstufung gemäß ÖNORM S 2100, Schlüssel-Nr. 35203, vorzunehmen und eine fachgerechte Entsorgung zu veranlassen, um eine Verunreinigung des Bodens durch eventuelle austretende Betriebsmittel auszuschließen."
 
Daraus ist zu vermuten, dass der Amtssachverständige die Abfalleigenschaft dieses Altautos auf die mögliche Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus (§ 1 Abs.3 Z3 AWG) gestützt hat. Er hat diese Annahme aber weder konkret ausgeführt noch näher begründet.
Er hat weiters angenommen, dass es sich bei diesem Fahrzeug um gefährlichen Abfall gemäß ÖNORM S 2100, Schlüssel-Nr. 35203 handelt.
Auch diese Annahme findet jedoch keine nachvollziehbare Deckung in Befund und Gutachten des Amtssachverständigen, wobei auch nicht erklärlich ist, aus welchen Gründen er zur Annahme gelangte, dass im Fahrzeugwrack noch Betriebsmittel enthalten sind. In seinem Befund hatte er selbst festgestellt, dass das Fahrzeug versperrt war und er daher die Fahrgestellnummer nicht ablesen konnte. Er konnte daher offensichtlich auch die Motorhaube nicht öffnen, sodass die Annahme, dass ihm Fahrzeug noch Betriebsmittel enthalten sind, wohl nur eine Vermutung darstellen kann.
 
Zur Feststellung, ob ein Fahrzeugwrack als "gefährlicher" Abfall zu gelten hat, sind die Kriterien des § 2 Abs.5 AWG sowie jene des § 3 Abs.1 bis 3 Festsetzungsverordnung 1997 sowie die Anlage 1 zu dieser Verordnung heranzuziehen: Durch die Festsetzungsverordnung wurde die ÖNORM S 2100 "Abfallkatalog" für verbindlich erklärt. Darin sind die Abfälle beschrieben und mit Schlüsselnummern bezeichnet. Unter der Schlüsselnummer 35203, die vom kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen für das gegenständliche Altauto verwendet wurde, findet sich folgende Abfallbeschreibung:
"Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und -teile, mit umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen oder Inhaltsstoffen (zB. Starterbatterien, Bremsflüssigkeit, Motoröl)."
 
Im vorliegenden Fall fehlen sachverständige Ermittlungen über die umweltrelevante Menge des Motoröls, sodass der Vorwurf, es handle sich um gefährlichen Abfall, keine Deckung im Beweisverfahren findet.
 
4.4. Aber auch aus einem anderen Grund erweist sich das angefochtene Straferkenntnis als rechtswidrig.
 
Es wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, ein Autowrack abgelagert zu haben. In der Rechtsgrundlage wurde § 17 Abs.1 AWG zitiert.
 
§ 17 Abs.1 AWG hat folgenden Wortlaut:
 
"(1) Gefährliche Abfälle und Altöle sind unbeschadet weitergehender Verpflichtungen jedenfalls so zu lagern und zu behandeln (zu verwerten, abzulagern oder sonst zu behandeln), dass Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs.3 vermieden werden. .... Das Ablagern von gefährlichen Abfällen ist nur in einer Untertagedeponie für gefährliche Abfälle zulässig; dies gilt nicht für Abfälle, die vor dem 16. Juli 2001 zulässigerweise abgelagert wurden."
 
Die zitierte Bestimmung des § 17 Abs.1 AWG enthält sohin zwei Tatbestände:
Einerseits wird vom Gesetzgeber verlangt, dass sowohl bei der Lagerung als auch bei der Behandlung (wozu das Ablagern gehört!) die in § 1 Abs.3 genannten öffentlichen Interessen nicht beeinträchtigt werden, und andererseits wird für das Ablagern (nicht also für das Lagern!) normiert, dass dieses nur in einer Untertagedeponie für gefährliche Abfälle zulässig ist.
 
Zur Abgrenzung der Begriffe "Lagern" und "Ablagern" stellte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14.12.1995, 95/07/0112, fest, dass "eine Ablagerung dann vorliegt, wenn sie nach den erkennbaren Umständen langfristig oder auf Dauer erfolgt. Die Auffassung .... der Begriff der Ablagerung .... sei nicht im engen technischen Sinn zu verstehen, sondern erfasse auch jede Verwendung der Liegenschaft zur bloß vorübergehenden Aufbewahrung, kann nicht geteilt werden."
Einer Lagerung ist immanent, dass die betreffenden Stoffe projektsgemäß wieder entfernt werden. Eine genaue zeitliche Grenze, die das Lagern vom Ablagern trennt, lässt sich dem AWG nicht entnehmen (VwGH vom 24.10.1995, 95/07/0113).
 
Wenngleich das AWG eine Legaldefinition zu den Begriffen "Lagern" und "Ablagern" nicht enthält, stellen neben der Judikatur auch die Erläuterungen zum AWG klar, dass das Gesetz unter dem Begriff "Lagern" einen Vorgang von vorübergehender Dauer versteht, während der Begriff "Ablagern" einen auf Dauer ausgerichteten Zustand bezeichnet.
 
Davon ausgehend liegt eine Ablagerung vor

  1. unter subjektiven Gesichtspunkten jedenfalls dann, wenn bewegliche Sachen als Abfälle im Bewusstsein der Endgültigkeit weggegeben werden; bei Offensichtlichkeit der Ablagerung gilt das Moment der Entledigungsabsicht als immanent. Dabei ist eine "Entledigung" auf eigenem Grund und Boden nicht von vornherein ausgeschlossen - es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an;
  2. ausnahmsweise unter objektiven Gesichtspunkten jedoch dann, wenn eine gegebene Lagerung beweglicher Sachen als Abfälle bereits so lange gedauert hat, dass eben deswegen Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs.3 AWG nicht mehr vermieden werden konnten, dh. tatsächlich eingetreten sind (siehe hiezu VwSen-310162/3/Ga/La vom 6.7.1995, VwSen-310069/3/Le/La vom 19.12.1996, ua).
  3.  

Auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen bedeutet dies, dass dem Berufungswerber zu Unrecht die Ablagerung eines gefährlichen Abfalls vorgeworfen wurde:
Bei dem vorgefundenen Altauto konnte weder der zeitliche Aspekt einer langfristigen Ablagerung noch eine Entledigungsabsicht bewiesen werden. Gegen die Annahme der Entledigungsabsicht spricht jedenfalls die Behauptung des Berufungswerbers, er wolle dieses Altauto als Oldtimer wieder restaurieren.
 
Aufgrund dieser Ungenauigkeiten ist der Tatvorwurf nicht mit einer für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit erwiesen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
 
Zu II.:
Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.
Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung (zumindest teilweise) Folge gegeben wurde.
 
Rechtsmittelbelehrung:
 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
 
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.
 
 
 

Dr. L e i t g e b
 

Beschlagwortung:
Altauto; gefährlicher Abfall; Lagern - Ablagern