Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-104790/11/BR

Linz, 19.08.1997

VwSen-104790/11/BR Linz, am 19. August 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn C, M, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. E, Dr. W, Dr. P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 30. Juni 1997, AZ. VerkR96-1614-1997-Shw, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 14. August 1997 im Rahmen eines Ortsaugenscheines durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, daß im Punkt 1. der Spruch in Abänderung zu lauten hat: "Sie lenkten am 21.2.1997 gegen 15.45 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der , auf dem Stadtplatz in M in Richtung S und haben dabei bei dem auf der B 147 vom Haus S in Richtung Haus S situierten Schutzweg, einem Fußgänger, welcher sich zu diesem Zeitpunkt mit dem von ihm geschobenen Kinderwagen bereits auf der Mitte des Schutzweges in Richtung des Hauses Nr. befand, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht, weil Sie sich mit Ihrem Fahrzeug trotz des in Gegenrichtung kurz nach dem Schutzweg anhaltenden LKW-Zuges und der dadurch während Ihrer Annäherung bis auf 23 Meter an den Schutzweg auf die linke Seite des Schutzweges nicht gewährleisteten Sicht, sich diesem mit zumindest 50 km/h und somit mit unangemessen hoher Geschwindigkeit angenähert haben, weil Ihnen ein Anhalten vor dem Schutzweg mit dieser Geschwindigkeit nicht mehr möglich war und haben dadurch den Fußgänger veranlaßt, sich durch einen Sprung in Richtung Gehsteig vor einem drohenden Kontakt mit Ihrem Fahrzeug zu retten; diese Behinderung wurde damit unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern begangen." Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG, iVm § 19 Abs.1 u.2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden für das Berufungsverfahren 600 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt. Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs. 1 und 2 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit dem Straferkenntnis vom 30. Juni 1997, AZ. VerkR96-1614-1997-Shw, über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 9 Abs.2 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 und nach § 42 Abs.1 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 zwei Geldstrafen 1. von 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall 96 Stunden u. 2. von 300 S und für den Nichteinbringungsfall zwölf Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und folgendes Verhalten zur Last gelegt: "1. Sie lenkten am 21.2.1997 gegen 15.45 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der B 147, auf dem S in M in Richtung S und haben dabei bei dem auf der B 147 vom Haus S in Richtung Haus S situierten Schutzweg, einem Fußgänger, welcher sich zu diesem Zeitpunkt mit dem von ihm geschobenen Kinderwagen bereits auf der Mitte des Schutzweges befand, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht. Sie haben dadurch mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung 1960 verstoßen, zumal der Fußgänger sich und sein im Kinderwagen befindliches Kind nur knapp in Sicherheit bringen konnte.

2. Sie haben als Zulassungsbesitzer nicht binnen einer Woche die Änderung eines Umstandes, durch den eine behördliche Eintragung im Zulassungsschein berührt wird, der Behörde (Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), die den Zulassungsschein ausgestellt hat, angezeigt, zumal Sie am 8.1.1997 von S, E nach M, M übersiedelt sind. Dieser Sachverhalt wurde am 21.2.1997 festgestellt." 1.1. Begründend führte die Erstbehörde folgendes aus:

"Die Ihnen umseits zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen sind durch die Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos M vom 17.3.1997, GZP-294/97" sowie durch das Ergebnis des vom hs. Amte durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen.

Gegen die an Sie ergangene Strafverfügung vom 24.3.1997, VerkR96-1614-1997-Shw, haben Sie in anwaltschaftlicher Vertretung Einspruch erhoben und daraufhin am 22.5.1997 eine Rechtfertigung abgegeben. In dieser führten Sie im wesentlichen aus, daß es Ihnen ohne weiteres möglich gewesen wäre, beim Ansichtigwerden des Fußgängers auf dem Zebrastreifen aus einer Distanz von 15 m Ihren PKW zum Stillstand bringen zu können. Sie führten weiters aus, daß sich für Sie in dieser Distanz zum Zebrastreifen jedoch die Situation so dargestellt hätte, daß der Fußgänger den Zebrastreifen zur Gänze überquert gehabt hätte, wenn Sie diesen übersetzen würden. Dies wäre dann auch der Fall gewesen, wobei Sie dem Anzeigeerstatter zwar einräumten, daß er aufgrund der Tatsache, daß ihm vorerst der LKW die Sicht auf Ihren PKW genommen hätte, sich erschrocken habe, ein Sprung auf den Gehsteig jedoch nicht nötig gewesen wäre. Hinsichtlich der von Ihnen gefahrenen Geschwindigkeit wiesen Sie darauf hin, daß Sie zum Zeitpunkt des Ansichtigwerdens des Fußgängers lediglich eine Geschwindigkeit von ca. 20 km/h erreicht gehabt hätten und von einem "Vorbeibrausen" nicht die Rede sein könne. Außerdem führten Sie aus, daß sich auf Ihrem Fahrzeug eine Sportauspuffanlage befände und diese auf Grund des sonoren Klanges und der möglichen Lautverstärkung durch den LKW und die bestehende Häuserfront eventuell den Eindruck vermittelt haben könnte, es handle sich um ein mit hoher Geschwindigkeit gefahrenes Fahrzeug. Richtig sei, daß Sie sich dazu entschlossen hätten, im ersten Gang unter Beibehaltung einer Geschwindigkeit von 20 km/h, nicht mehr beschleunigend - ohne vor dem Zebrastreifen anzuhalten - diesen zu übersetzen. Erst hinter dem Zebrastreifen - in Ihrer Fahrtrichtung gesehen - hätten Sie weiter beschleunigt.

Außerdem wiesen Sie darauf hin, daß der Entschluß des Fußgängers stark beschleunigend den Zebrastreifen zu verlassen, zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in welchem Sie Ihr weiteres Verhalten auf sämtliche Verhaltensformen des Fußgängers abstellen konnten. Hätte dieser etwa gezögert, oder das weitere Überqueren des Zebrastreifens von Ihrem Verhalten abhängig gemacht, wäre es Ihnen, Ihren Angaben zufolge, aus einer Geschwindigkeit von 20 km/h jederzeit ein leichtes gewesen, Ihren PKW aus einer Distanz von 15 m zum Fußgängerübergang anzuhalten.

Nachdem Ihnen in Durchführung des ha. Ermittlungsverfahrens die beiden Zeugenniederschriften des Anzeigeerstatters sowie der Zeugin R vom 11.4. bzw. 8.4.1997 zur Kennntnis gebracht worden sind, haben Sie dann in anwaltschaflicher Vertretung am 16.6.1997 nochmals eine Stellungnahme abgegeben. In dieser führten Sie im wesentlichen aus, daß das vom Zeugen H geschilderte Geräusch, durch welches er bereits akustisch deutlich aufmerksam gemacht worden ist, durch den auf Ihrem Fahrzeug montierten Sportauspuff verursacht worden sein dürfte. Außerdem wiesen Sie nochmals darauf hin, daß der gegenständliche Bereich auf beiden Fahrbahnseiten mit hohen Häusern zur Gänze verbaut sei und dadurch der Geräuschpegel beim Zeugen H den Eindruck der Bedrohlichkeit der Situation begründet haben mag. Sie wiederholten erneut, daß Sie Ihren PKW mit Leichtigkeit in entsprechender Entfernung vor dem Zebrastreifen zum Stillstand bringen hätten können, dies aber nicht notwendig gewesen wäre, weil Sie erkannt hätten, daß der Fußgänger den Zebrastreifen längst geräumt hätte, wenn Sie diesen übersetzten. Aus diesem Grund seien Sie unter Beibehaltung einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h im ersten Gang weitergefahren und hätten so den Zebrastreifen übersetzt.

Hiezu ist nun folgendes festzustellen:

Gemäß § 9 Abs. 2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einen Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten.

Wie aus der diesem Strafverfahren zugrundeliegenden Anzeige ersichtlich, befand sich der Anzeigeerstatter samt dem von ihm geschobenen Kinderwagen zweifelsfrei bereits zumindest in der Hälfte des Schutzweges. Dies wird im übrigen auch von Ihnen in Ihren beiden Rechtfertigungen in keinster Weise bestritten. Wie der Anzeigeerstatter anläßlich seiner Erstangabe vom 21.2.1997 angegeben hat, sah er sich genötigt, den Kinderwagen mit seinem Sohn mit vollem Schwung über die Gehsteigkante zu hiefen und konnte er sich selbst ebenfalls nur durch einen riskanten Sprung in Sicherheit bringen, da er ansonsten mit Sicherheit überfahren worden wäre. Der Anzeigeerstatter wies ausdrücklich darauf hin, daß er sich durch das von Ihnen gesetzte rücksichtslose Verhalten persönlich und auch als Vater seines Kindes in seiner körperlichen Sicherheit auf das höchste gefährdet gefühlt hat. Diese Angaben hat der Anzeigeerstatter in seiner zeugenschaftlichen Einvernahme im Rahmen des gleichzeitig anhängigen Lenkerberechtigungsentzugsverfahrens am 1 1. 4.1997 im wesentlichen nochmals bekräftigt und dabei darauf hingewiesen, durch das von Ihnen gesetzte Verhalten in panische Lebensangst, insbesondere auch hinsichtlich seines Sohnes, versetzt worden zu sein. Nur infolge seines Alters und seiner sportlichen Wendigkeit hätte er es gerade noch geschafft, den Kinderwagen mit seinem Sohn und in weiterer Folge sich selbst durch einen reaktionsschnellen Sprung auf den Gehsteig zu retten.

Die Zeugin R hat sowohl anläßlich ihrer Erstbefragung als auch im Rahmen ihrer späteren Zeugeneinvernahme am 8.4.1997 angegeben, sie hätte einen Mann mit einem Kinderwagen gesehen, welcher gerade auf dem Schutzweg aus Richtung Stadtcafe Richtung S gehen habe wollen. Dieser Mann hätte sich mit dem Kinderwagen schon ca. in der Hälfte des rechten Fahrstreifens befunden, als er plötzlich mit dem Kinderwagen auf den Gehsteig vor dem Stadtamt gesprungen sei. Unmittelbar darauf sei auch schon der PKW vorbeigebraust, wobei der PKW-Lenker keinesfalls versucht hätte, seinen PKW abzubremsen. Die Zeugin B bestätigte ebenfalls, daß sich der von ihr bemerkte junge Mann mit dem Kinderwagen nur durch einen Sprung gerade noch vor dem Überfahrenwerden retten konnte. Sie wies ausdrücklich darauf hin, daß, so wie von ihr, dieses Fahrmanöver auch von mehreren in diesem Bereich auf dem Gehsteig unterwegs gewesenen Personen wahrgenommen worden wäre, welche allesamt innegehalten und ob der rowdyhaften Verhaltensweise den Kopf geschüttelt hätten. Auch wenn sie diese Personen nicht gekannt hätte, hätte Sie jedoch an deren Mimik deren Ärger genauso ablesen können, wie er bei ihr selbst aufgekommen sei.

Für die zur Entscheidung berufene Behörde besteht keinerlei Veranlassung an den schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Zeugenangaben des Anzeigeerstatters anläßlich seiner Ersteinvernahme am 21.2.1997 sowie seiner Zeugeneinvernahme vom 11.4.1997 zu zweifeln. Dies gilt in gleicher Weise auch für die ebenfalls schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Angaben der Zeugin Rosemarie B. Dies umso mehr, als sich der Anzeigeerstatter durch das von Ihnen offensichtlich gesetzte Fehlverhalten dazu veranlaßt sah, umgehend eine persönliche Anzeige beim Gendarmeriepostenkommando M einzubringen, zumal er jedoch sicherlich wissen mußte, daß die von ihm gemachte Anzeige auch mit Unanehmlichkeiten (z.B. Zeugeneinvernahme) für ihn selbst verbunden sein würde. Für die zur Entscheidung berufene Behörde besteht zudem keinerlei Veranlassung davon auszugehen, daß Herr H grundlos eine ihm unbekannte Person wahrheitswidrig habe belasten wollen.

Es muß an dieser Stelle nochmals audrücklich darauf hingewiesen werden, daß der Lenker eines Fahrzeuges nach den geltenden Bestimmungen des § 9 Abs. 2 StVO 1960 einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen hat, und falls erforderlich, zu diesem Zweck auch vor dem Schutzweg anzuhalten hat. Für die erkennende Behörde stellt sich im vorliegenden Fall die Lage zweifelsfrei so dar, daß Sie angesichts der Tatsache, daß Sie, wie von Ihnen selbst angegeben, zum Zeitpunkt des Ansichtigwerdens des Fußgängers nur mehr 15 m vom Zebrastreifen entfernt waren, Sie zweifelsfrei Ihren PKW anhalten hätten müssen, um jegliches Gefährdungspotential für den sich bereits auf dem Schutzweg befindlichen Fußgänger und dessen Kind von vornherein ausschließen zu können. In diesem Zusammenhang sei auch nochmals darauf hingewiesen, daß das von Ihnen heraufbeschworene Gefährdungsmoment nicht nur vom Anzeigeerstatter selbst, sondern auch von der Zeugin B und wie von ihr angegeben, auch noch von anderen Passanten, zweifelsfrei wahrgenommen werden konnte.

Wie es jedem ausgebildeten Fahrzeuglenker bewußt sein muß, ist ein Fußgänger in jedem Fall das schwächste Glied in der Kette des allgemeinen Straßenverkehrs. Er ist daher sicherlich nicht nur nach Ansicht der zur Entscheidung berufenen Behörde ganz besonders vor den Gefahren des Straßenverkehrs zu schützen. Desweiteren muß audrücklich darauf hingewiesen werden, daß nach den Strafbestimmungen des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 zu bestrafen ist, wer als Lenker eines Fahrzeuges unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesondere Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert.

Aus den schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Angaben sowohl des Anzeigeerstatters als auch der im Verfahren einvernommenen Zeugin geht für die zur Entscheidung berufene Behörde zweifelsfrei hervor, daß im vorliegenden Fall sehr wohl mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern, hier im speziellen eben gegen einen Fußgänger der einen Schutzweg vorschriftsmäßig benützt hat, gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen worden ist. Was nun die in Ihrer Rechtfertigung vom 16.6.1997 gemachten Hinweise auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VWGH vom 19.3.1996, 95/11/0390, vom 16.6.1992, 92/11/0123) angeht, muß an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die beiden zitierten Erkenntnisse nach Ansicht der zur Entscheidung berufenen Behörde im vorliegenden Fall von keiner verwaltungsstrafrechtlichen Relevanz sind, da es sich in beiden Fällen um Übertretungen gehandelt hat, welche angeblich unter "besonders gefährlichen Verhältnissen" begangen wurden. Im vorliegenden Fall geht es jedoch ausschließlich um eine Übertretung, welche "mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützem" begangen worden ist. Die Tatbestandsmerkmale die eine Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 zwingend vorschreiben, liegen im vorliegenden Fall im Umstand, daß es sich bei der gefährdeten Person um einen Fußgänger gehandelt hat, welcher durch das Schieben eines Kinderwagens und die damit verbundene Verantwortung gegenüber dem im Kinderwagen befindlichen Kind ohnehin in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Als weiters Tatbestandsmerkmal des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 kommt im vorliegenden Fall dazu, daß dieser Fußgänger sich und sein im Kinderwagen befindliches Kind eben nur durch einen Sprung auf den Gehsteig vor einer drohenden Kollision mit Ihrem Fahrzeug in Sicherheit bringen konnte.

Zusammenfassend bleibt somit festzustellen, daß Ihre Rechtfertigungsangaben nicht geeignet waren, Sie von dem Ihnen unter Punkt 1. zur Last gelegten Tatvorwurf zu entlasten und Sie daher diesen auch als zweifelsfrei bewiesene Verwaltungsübertretung verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten haben. Hinsichtlich der Ihnen unter Punkt 2. zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erübrigt sich im Hinblick auf das von Ihnen im Rahmen in Ihrer Rechtfertigung vom 22.5.1997 abgegebenes vollinhaltliches Tatsachengeständnisses ohnehin jede weitere Begründung.

Es war somit aufgrund der bestehenden Sach- und Rechtslage spruchgemäß zu entscheiden, wobei auf die vom hs. Amte geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (mtl. Nettoeinkommen von S 10.000,--, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) - trotz ha. Aufforderung wurden hiezu keine Angaben gemacht - sowie auf die Bestimmungen des § 19 VSTG 1991 Bedacht genommen wurde. Straferschwerend waren hinsichtlich Punkt 1. des Straferkenntnisses 13 und hinsichtlich Punkt 2. des Straferkenntnisses 16 Verwaltungsvorstrafen zu werten. Hinsichtlich Punkt 2. wurde Ihr vollinhaltliches Tatsachengeständnis strafmildernd gewertet.

Im Hinblick auf den vorgegebenen Strafrahmen bei Übertretungen gemäß § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 von S 500,-- bis S 30.000,-§ 134 Abs. 1 KFG 1967 bis zu S 30.000,- bewegen sich die jeweils verhängten Geldstrafen ohnehin im untersten Bereich und scheinen somit dem Unrechtsgehalt der jeweiligen Übertretung angepaßt und schuldangemessen.

Die Vorschreibung des Verfahrenskostenbeitrages gründet in den bezogenen Gesetzesstellen." 2. In der dagegen fristgerecht durch die ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt der Berufungswerber nachfolgendes aus:

Gegen Punkt 1.des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 30.6.1997, VerkR96-1614-1997-Shw, erhebe ich binnen offener Frist Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Der Lenker eines Fahrzeuges hat einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten ( § 9 Abs.2 StVO i.d.F.der 19. Novelle).

Im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren wurden zu diesem Tatvorwurf schon umfassend Rechtfertigungsangaben vorgetragen, ich erlaube mir, auf den Inhalt des erstinstanzlichen Vorbringens zu verweisen und dieses zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen zum Inhalt der Rechtsmittelschrift zu erheben und die Berufung im Sinne des § 63 AVG i.V.m.§ 24 VSTG ergänzend wie folgt auszuführen:

Die Verwaltungsstrafbehörde bestreitet im vorliegenden Straferkenntnis die Richtigkeit meiner Ausführungen, wonach ich beim Ansichtigwerden des Fußgängers 15 m vor dem Zebrastreifen aus der von mir eingehaltenen Geschwindigkeit von 20 km/h jederzeit das Fahrzeug vor dem Zebrastreifen, in meiner Fahrtrichtung gesehen, zum Stillstand bringen hätte können.

Die Fahrbahn war trocken, bei einer erreichbaren Verzögerung von 7,5 M/S2 beträgt der Bremsweg aus einer Geschwindigkeit von 20 km/h 2,1 m, der Anhalteweg unter Berücksichtigung der Reaktionszeit von einer Sekunde knapp 7,7 m. Dies bedeutet, daß eine geringe Bremsverzögerung von etwa 1,5 M/S2 ausgereicht hätte, um den PKW vor dem Zebrastreifen zum Stillstand zu bringen.

Beweis: Beiliegende Tabelle, Ortsaugenschein Aus der ersten Zeile der Seite 4 der Erkenntnisbegründung ergibt sich, daß mir die Verwaltungsstrafbehörde zur Last (gemeint wohl legt!), vor dem Schutzweg nicht angehalten zu haben.

Meines Erachtens habe ich eine Verletzung dieser im § 9 Abs.2 StVO alternativ genannte Pflicht der entsprechenden Annäherung an den Schutzweg nicht verletzt, wobei ich aber einräume, daß ein zuvorkommender PKW-Lenker wohl angehalten hätte und es dadurch unterblieben wäre, daß sich der Fußgänger erschreckt.

Der mir zur Last gelegte Verwaltungsstraftatbestand liegt aber erst vor, wenn eine tatsächliche Gefährdung oder Behinderung eines Fußgängers gegeben war, wobei gegenständlich im Sinne der Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft die Frage des Vorliegens einer tatsächlichen Gefährdung zu prüfen ist. Diese ist meines Erachtens zu verneinen, weil ich zur Zurücklegung der Distanz von 15 m zum Zebrastreifen bei der von mir eingehaltenen und von niemanden bestrittenen Geschwindigkeit von 20 km/h 3 Sekunden benötigt habe und ich beim Ansichtigwerden des Fußgängers aus dieser Distanz gesehen habe, daß dieser in Bewegung ist und sich zu diesem Zeitpunkt 2 m vor dem Gehsteig, in seiner Gehrichtung gesehen, befand. In diesen 3 Sekunden legt der mit etwa 5 km/h vorerst (vor seiner Beschleunigung) unterwegs gewesene Fußgänger 4,2 m zurück und hätte somit die restliche Distanz auf dem Gehsteig von 2m in dieser Zeit selbst bei Einhaltung dieser Geschwindigkeit in 1,5 Sekunden zurückgelegt, also in der halben Zeit. Dazu kommt, daß auch ich mit meinem PKW einen Seitenabstand vom rechten Fahrbahnrand von einem Meter eingehalten hätte und daher selbst nach lediglich 1,5 Sekunden, hätte ich zu diesem Zeitpunkt den Zebrastreifen bereits erreicht gehabt vom Fußgänger schon einen Seitenabstand von einem Meter einhalten können, d.h. einem Meter von diesem entfernt vorbeigefahren wäre. Tatsächlich habe ich erst weitere eineinhalb Sekunden später den Zebrastreifen erreicht.

Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz sieht offenkundig die Heranziehung der Strafnorm des § 99 Abs.2 lit.c StVO automatisch geboten, wenn ein Fußgänger gefährdet oder behindert wird. Abgesehen davon, daß eine tatsächliche Gefährdung bzw. Behinderung nicht vorlag, ist diese Qualifikationsstrafnorm nur dann heranzuziehen, wenn Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen, mit besonderer Rücksichtslosigkeit gefährdet oder behindert werden. Ansonsten fällt eine Übertretung des § 9 Abs.2 StVO unter die Strafbestimmung des § 99 Abs.3.

Da die Gefährdung bzw. Behinderung eines Fußgängers Tatbestandsmerkmal des § 9 Abs.2 StVO ist, kann dieser Umstand nicht nochmals zur Begründung der besonderen Rücksichtslosigkeit herangezogen und verwertet werden, da das Doppelverwertungsverbot auch im Verwaltungsstrafrecht gilt (VWGH vom 30.10.1991, 91/09/0124, Seite 5 letzter Absatz).

Weitere gefahrenträchtige Momente bzw. eine besondere Rücksichtslosigkeit begründende Umstände, abgesehen von der von der Verwaltungsstrafbehörde angenommenen Gefährdung des Fußgängers, finden sich im Straferkenntnis nicht und lagen solche auch nicht vor. Daß sich der Fußgänger im Sinne des Bescheidspruches nur knapp in Sicherheit bringen konnte, würde eine Folge der Gefährdung darstellen und resultiert die Beschleunigung des Fußgängers aus einem Erschrecken beim Ansichtigwerden meines PKW, eine objektive Notwendigkeit der Beschleunigung des Ganges lag nicht vor, von besonderer Rücksichtslosigkeit kann somit nicht gesprochen werden.

Jeder Verstoß gegen die Vorschriften der StVO ist eine Mißachtung der Rechte der übrigen Verkehrsteilnehmer und schon damit rücksichtslos, woraus sich ebenfalls ergibt, daß zur Erfüllung des Qualifikationstatbestandes weitere Momente hinzutreten müssen, welche abgesehen von der an sich vorliegenden Übertretung der StVO besondere Rücksichtslosigkeit begründen.

Auch aus diesem Grund sind meines Erachtens die von mir zitierten Judikate auf den gegenständlichen Fall sehr wohl anwendbar.

Sämtliche Beweisanträge werden aufrecht erhalten.

Da weder der Grundtatbestand des § 9 Abs.2 StVO, noch die qualifizierte Strafnorm des § 99 Abs.2 lit.c StVO vorliegt, stelle ich höflich den A n t r a g, meiner Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung Folge zu geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 30.6.1997, VerkR96-1614-1997-Shw, aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Hinweis.

Da mir aufgrund des gegenständlichen Vorfalles die Lenkerberechtigung entzogen wurde und das Entzugsverfahren immer noch anhängig ist und ich nun schon vier Monate lang nicht mehr im Besitz meiner Lenkerberechtigungen bin, ersuche ich den UVS des Landes Oberösterreich höflich um möglichst umgehende Entscheidung über das Rechtsmittel.

M, am 11.7.1997 C" 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau. Ferner durch die Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der Berufungsverhandlung, welche unter Abhaltung eines Ortsaugenscheines durchgeführt wurde, wobei die Zeugen B und H sowie der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen wurden. Ebenfalls wurden die Sichtweiten und Fahrbahnbreiten vermessen.

3.1. Der Verwaltungssenat ist hier durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war alleine schon wegen des diesbezüglichen gesonderten Antrages durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur fraglichen Zeit an der oa. Örtlichkeit sein Fahrzeug im S von M in Richtung B. Zum Zeitpunkt der Annäherung an den Schutzweg hielt ein in Gegenrichtung fahrender LKW-Zug auf Höhe des Hauses S offenbar verkehrsbedingt an. Der LKW-Zug kam mit seinem Zugende acht Meter nach dem Schutzweg zum Stillstand. Dadurch war bei der anzunehmenden maximalen Breite von 2,5 m die Sicht für den Berufungswerber auf den Schutzweg etwa bis zur linken Hälfte in seiner Fahrtrichtung durch den LKW-Zug zwangsläufig verdeckt. In dieser Phase befand sich der Zeuge H mit seinem Kinderwagen bereits auf dem Schutzweg, um diesen in Richtung Stadtamt hin zu überqueren. Die Straßenbreite beträgt beim Schutzweg 5,5 m. Im Bereich der Höhe des Hauses P beträgt die Fahrbahnbreite (von den linksseitig vor dem Haus Nr. 10 angelegten Parkflächen [Kurzparkzone]) bis zur rechten Gehsteigkante 6,9 m. Als sich der Zeuge H etwa in der Mitte des Gehsteiges befand, näherte sich der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug mit so hoher Geschwindigkeit, daß dem Fußgänger nur mehr Zeit blieb seinen Kinderwagen vom Schutzweg über die Gehsteigkante hinweg regelrecht gegen die Hausmauer des Stadtamtes M zu stoßen und sich selbst durch einen Sprung hinterher in Richtung Gehsteig vor dem Fahrzeug des Berufungswerbers zu retten. Mit Schutzwegmitte ist auch der "Gefahrensichtpunkt" des Berufungswerbers anzunehmen. Das Haus P befindet sich 23 m vom Schutzweg entfernt. Aus einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h heraus, würde unter der Annahme einer realistischen maximalen Bremsverzögerung von 6,5 m/sek/2 der Anhalteweg 30,11 m betragen. Dabei wird die Reaktionszeit mit einer Sekunde und die Bremsschwellzeit mit 0,2 Sekunden angenommen (Berechnung mittels EVU-Unfallrekonstruktionsprogramm v. Prof. Dr.Gratzer). 5.1. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die im Rahmen der vor Ort öffentlichen mündlichen Verhandlung durchgeführte Beweisaufnahme. Dabei wurden die bezughabenden Wegstrecken durch Vermessung mittels Meßrades durch den Verhandlungsleiter festgestellt. Aus den zeugenschaftlichen Angaben des Zeugen H und der Zeugin B geht übereinstimmend hervor, daß sich der Berufungswerber mit viel zu hoher Geschwindigkeit dem Schutzweg genähert hat. Beide Zeugen sprechen übereinstimmend von 70 bis 80 km/h. Wenngleich diese Angaben auf Grund des doch sehr spitzen Annäherungswinkels nicht als Beweis für die Exaktheit dieser Geschwindigkeit gelten können, so lassen sie den zweifelsfreien Schluß zu, daß die Geschwindigkeit zumindest 50 km/h betragen haben muß. Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, daß für das Überqueren eines fünf Meter breiten Schutzweges mit einem Kinderwagen etwa vier Sekunden in Anspruch genommen werden. Wenn nun der Zeuge H des Pkw´s des Berufungswerbers etwa aus der Position der Mitte der Straße (des Schutzweges) ansichtig wurde und dieser Pkw sich in dieser Phase auf der Höhe des Hauses P - also noch 23 Meter vor dem Schutzweg entfernt - befand, ist es durchaus plausibl, daß der Berufungswerber nur bei einer Fahrgeschwindigkeit von zumindest 50 km/h in Bedrängnis kommen konnte. Bei dieser Geschwindigkeit wird in einer Sekunde eine Wegstrecke von knappen 14 Metern zurückgelegt. Vom Ansichtigwerden des Pkw´s bis zum Erreichen der gegenüberliegenden Straßenseite verblieben dem Zeugen daher nur 1,5 Sekunden. Dies belegt, daß der Zeuge auf dem Schutzweg durch den Berufungswerber in arge Bedrängnis gebracht wurde. Wenn im Gegensatz dazu der Berufungswerber darzulegen versuchte, daß er wegen des anhaltenden (ihm entgegenkommenden) Lkw´s auf der Höhe des Hauses P wegen der Breite dieses Fahrzeuges selbst hätte anhalten müssen, so überzeugt dies aus zwei Gründen nicht! Einerseits hätte die Zugspitze in diesem Fall etwa zehn Meter über die Höhe des Hauses P (23 Meter vom Schutzweg entfernt in Richtung stadteinwärts) hinausgeragt, sodaß der Berufungswerber gar nicht bis zum Hause P kommen hätte können. Er hätte in diesem Fall zumindest 30 m vor dem Schutzweg zum Stehen kommen müssen. Andererseits konnte die Breite des Fahrzeuges kein Hindernis darstellen an diesem vorbeizukommen, weil die trichterförmig in Richtung Schutzweg zusammenlaufende Straße auf der Höhe des Hauses P (ohne Hinzurechnung der rechtsseitigen Parkfläche) bereits nahezu sieben Meter beträgt. Wenn andererseits der Berufungswerber selbst den Lkw mit seinem Ende nur etwa fünf Meter vom Schutzweg entfernt in Erinnerung haben wollte, bestätigt er schließlich selbst, daß zumindest der linke Bereich des Schutzweges für ihn nicht einsehbar gewesen sein konnte. Ebenso bestätigt er in der Berufung auch das Erschrecken des Fußgängers, will aber von der Notwendigkeit eines Sprunges auf den Gehsteig nichts gesehen haben. Die Zeugin B führte aus, daß sie etwa zehn Meter vor dem Schutzweg (in Gehrichtung Stadtplatz und somit entgegen der Fahrtrichtung des Berufungswerbers) zuerst das "aufziehen" eines Pkw´s vernommen habe und unmittelbar danach den Fußgänger mit Kinderwagen sah, wie dieser vor dem sich mit hoher Geschwindigkeit dem Schutzweg annähernden Fahrzeug noch durch einen Sprung retten konnte. Sie konnte an diesem Fahrzeug keine Bremsung erkennen. Wenn sich diese Zeugin etwa nicht (mehr) daran zu erinnern vermochte wo der Lkw-Zug angehalten hatte oder ob der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug etwa 50 Meter nach dem Schutzweg, auf der Höhe des Hauses der Forstverwaltung kurz anhielt, wie dies der Zeuge H angab, vermag dies an der Glaubwürdigkeit über die substantielle Wahrnehmung im Hinblick auf die Behinderung des Fußgängers keinen Abbruch tun.

Zusammenfassend läßt sich daher folgern, daß sich der Berufungswerber offenbar auf Grund einer Unüberlegtheit oder Außerachtlassung grundlegender Verkehrsvorschriften den für ihn verkehrsbedingt (durch den Lkw-Zug) nicht zur Gänze einsehbaren Schutzweg - aus einer durch starkes Hochdrehen des Motors erschließbaren Beschleunigungsphase heraus - viel zu schnell genähert hat und den Fußgänger objektiv erst wahrnehmen hat können, als dieser bereits mitten auf dem Schutzweg war. Unter der Zugrundelegung von einer Reaktionszeit von einer Sekunde und einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden wäre es dem Berufungswerber vom Zeitpunkt des Hervortretens des Fußgängers (auf dem Schutzweg) hinter dem Lkw und seiner gleichzeitigen Position nur mehr 23 Meter vom Schutzweg entfernt, es bereits aus 50 km/h heraus nicht mehr möglich gewesen, vor dem Schutzweg sein Fahrzeug noch zum Stillstand zu bringen (siehe obige Berechnung). Dies erklärt letztlich auch, daß die Zeugen von einer Bremsung nichts bemerkt haben. Alleine der Bremsweg (mit Schwellzeit) hätte bereits 15,5 m in Anspruch genommen. Eine (merkbare) Bremsung unterblieb daher allenfalls infolge einer anderen Ablenkung oder eines schwerwiegenden Aufmerksamkeitsfehlers - welcher zur einer völligen Mißachtung des Schutzweges führte - offenkundig zur Gänze. Daraus erklärt sich auch der Eindruck der Zeugen der "Weiterfahrt mit unverminderter (stark überhöhter) Geschwindigkeit. Dies gaben beide Zeugen im wesentlichen übereinstimmend an. Die Verantwortung des Berufungswerbers, daß er sich bloß mit 20 km/h dem Schutzweg angenähert haben will, ist durch die Zeugenaussagen, insbesondere durch das unbestrittene Verhalten des Zeugen H (den Sprung in Richtung Gehsteig), widerlegt und muß als bloß konstruierte Schutzbehauptung qualifiziert werden. Die Reaktion des Fußgängers wäre schlechthin undenkbar, wenn sich das Fahrzeug mit bloß 20 km/h genähert hätte und das Fahrzeug erst nach seiner Überquerung (ohne Sprung) den Schutzweg erreicht hätte. Nicht nachvollziehbar ist auch, daß ein Vorbeifahren am anhaltenden LKW im Gegenverkehr nicht möglich gewesen sein soll, da immerhin die Straßenbreite an dieser Stelle 6,9 m betrug. Daher verblieb eine Restbreite von knapp 5,5 m. Aus diesem Grund erübrigt sich auch ein Eingehen auf die - an sich richtigen - rechnerischen Schlußfolgerungen und das sonstige umfangreiche Vorbringen des Berufungswerbers in seinen Schriftsätzen. Diese gehen von nicht den Tatsachen entsprechenden und vom Berufungswerber als Schutzbehauptung zurechtgelegten Annahmen aus! 6. Rechtlich hat er unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Der § 9 Abs.2 StVO lautet:

Der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, hat einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten. In gleicher Weise hat sich der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, vor einer Radfahrerüberfahrt zu verhalten, um einem Radfahrer, der sich auf einer solchen Radfahrerüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

6.1.1. Die zit. Bestimmung in der Fassung der 19. Novelle hat eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger dadurch erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht dies vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist.

6.2. Hier jedoch, befand sich bereits ein Fußgänger auf dem Schutzweg und durfte auf die Schutzfunktion dieser Verkehrsfläche vertrauen. Auf Grund der verkehrsbedingten vorübergehenden Nichteinsehbarkeit hätte sich der Berufungswerber allenfalls nur mit äußerst geringer Geschwindigkeit dem Schutzweg nähern dürfen, um so jede mögliche Behinderung eines Passanten zu vermeiden. Für den Fahrzeuglenker, insb. KFZ-Lenker, bedeutet diese Vorschrift zunächst die Pflicht zur Beobachtung des Geschehens nicht nur auf sondern auch seitlich neben dem Schutzweg, dann die Pflicht zur Temporeduktion, allenfalls zum Anhalten, um den Fußgängern, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen - oder sich, so wie hier ihn bereits benützen - die ungehinderte Querung zu ermöglichen. Dabei müssen Lenker auch auf die äußeren Umstände (wie Fahrbahnbeschaffenheit, Sicht u.dgl.) Bedacht nehmen (Stolzlechner, in ZVR, Heft 12, Dez.1994, S 357). Weil hier trotz der weitgehend verdeckten Sicht eine Geschwindigkeit von zumindest 50 km/h bis fast unmittelbar vor dem Schutzweg ein- und beibehielt, wurde diese Schutznorm objektiv unter besonders gefährlichen Verhältnissen und subjektiv durch extreme Sorglosigkeit unter besonderer Rücksichtslosigkeit verletzt. Von einer "besonderen Rücksichtslosigkeit" ist etwa auch auszugehen, wenn durch ein bestimmtes bereits an sich gegen die StVO verstoßendes Verhalten, ein besonderes Übermaß an mangelnder Rücksichtnahme darstellt. Eine solche Beurteilung erzwingt gerade das Verhalten des Berufungswerbers, auch wenn ihm dieses konkret nicht bewußt geworden sein mag (vgl. VwGH 9.5.1963, 1908/62, ZVR 1963/297).

Besonders gefährliche Verhältnisse iSd § 81 Z1StGB sind anzunehmen, wenn die Tat unter Umständen begangen wird, unter denen nach allgemeiner Erfahrung der Eintritt eines besonders umfangreichen und schweren, zunächst gar nicht überblickbaren Schadens an Leib und Leben zu erwarten ist, oder wenn die Wahrscheinlichkeit, daß ein Schaden eintritt, eine besonders große ist (OLG Wien 8.3.1976, 11 Bs 71/76, ZVR 1977/85). Auch dieses Kalkül erfüllt das Verhalten des Berufungswerbers, weil es letztlich nur der Reaktion des Fußgängers zu danken ist, daß er und sein Kind von einem Schaden bewahrt wurden, welcher schwerwiegende Folgen erwarten hätte lassen. Hier sind beide Tatbestände zur Qualifikation noch § 99 Abs.2 lit.e StvO 1960 gegeben.

6.2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Spruch betreffend eine in Verbindung mit § 99 Abs.2 lit.c StVO begangene Verwaltungsübertretung jene zum Tatbild dieser Übertretung zählenden konkreten Umstände zu enthalten, die die besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse bzw. die besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern ausmachen (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 1991, 90/02/0198). Binnen der noch offenen Verfolgungsverjährungsfrist konnten hier daher noch die dem Ergebnis des Berufungsverfahrens entsprechenden Präzisierungen und Ausdehnungen des Tatvorwurfes vorgenommen werden.

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Der Berufungswerber hat hier als Verkehrsteilnehmer objektiv gegen ein gesetzlich besonders geschütztes Gut, nämlich die Sicherheit von schwächeren Verkehrsteilnehmern, die der Gesetzgeber dieser Gruppe auf Schutzwegen angedeihen lassen wollte, verstoßen. Subjektiv ist er dabei besonders unüberlegt und ohne Beziehung für Gefahrensichtweiten vorgegangen. Selbst wenn der Berufungswerber im Zuge der Berufungsverhandlung Einsicht zeigte und letztlich einräumte, daß er sich nunmehr im Straßenverkehr bemühen und sich wohlverhalten werde und er dies durchaus glaubwürdig tat, so vermag dies am hohen Unwertgehalt der Tat und an der rechtlichen Qualifikation nichts zu ändern.

Dazu kommt, daß es der noch nicht einmal dreiundzwanzigjährige Berufungswerber bereits auf 30 Verwaltungsstrafen gebracht hat. Darunter finden sich auch mehrere wegen zum Teil schwerer Verstöße gegen Vorschriften des Straßenverkehrs. Dadurch kommt zum Ausdruck, daß der Berufungswerber bislang in geradezu erschütterndem Ausmaß nicht geneigt gewesen zu sein scheint, sich mit gesetzlich geschützten Werten des Straßenverkehrs zu identifizieren. Die im Zuge des Berufungsverfahrens gezeigte Einsichtigkeit, welche als Strafmilderungsgrund zu werten ist, vermag jedoch die erschwerenden Umstände auch nicht annähernd aufzuwiegen. Daher ist die hier verhängte Strafe, insbesondere aus spezialpräventiven Erwägungen, hier durchaus als zu niedrig bemessen zu erachten. Einer Anpassung der Strafe nach oben im Berufungsverfahren steht der Grundsatz des Verschlechterungsverbotes entgegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung: Sichtweite, Schutzweg, Behinderung

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum