Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420297/12/Kl/Rd

Linz, 11.05.2001

VwSen-420297/12/Kl/Rd Linz, am 11. Mai 2001
DVR.0690392
 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des O, vertreten durch Rechtsanwalt, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Zurechnung der Bezirkshauptmannschaft Schärding nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 10.4.2001 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Verbringung und Anhaltung des Beschwerdeführers am GP Schärding am 14.12.2000 von 7.00 Uhr bis 11.00 Uhr als rechtswidrig festgestellt.
 

II. Die belangte Behörde (der Bund) hat dem Beschwerdeführer Aufwandersatz in der Höhe von insgesamt 18.980 S (entspricht 1.379,33 €) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
 

Rechtsgrundlagen:
zu I.: § 67a Abs.1 Z2 AVG iVm § 5 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr.4/1999, und Art. 11 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags, BGBl. III Nr. 165/1997.
zu II.: § 79a AVG iVm § 1 Z1 und 2 Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.
 
Entscheidungsgründe:
 
1. Mit Schriftsatz vom 18.12.2000, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 19.12.2000, wurde Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch zwangsweise Verbringung zum GP Schärding und dortige Anhaltung am 14.12.2000 von 7.00 Uhr bis 11.00 Uhr eingebracht und die Feststellung der Verletzung des gewährleisteten Rechts auf persönliche Freiheit und des Rechts, nicht vor Ende des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an die deutschen Behörden übergeben zu werden, sowie Kostenersatz beantragt.
Zum Sachverhalt wurde ausgeführt, dass der Bf bis April 2000 in Deutschland trotz negativer Asylentscheidung geduldet wurde, dann aber zur Ausreise aufgefordert wurde. Nach einer versuchten Ausreise über Österreich nach Italien musste der Bf zurückkehren und stellte am 2.5.2000 in Österreich einen Asylantrag, welcher vom Bundesasylamt als unzulässig zurückgewiesen wurde. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat im Grunde der Aufenthaltserlaubnis iSd Art. 5 Dubliner Übereinkommens abgewiesen. Einer dagegen eingebrachten Beschwerde an den VwGH wurde mit Beschluss vom 9.10.2000 die aufschiebende Wirkung mit der Wirkung zuerkannt, dass ihm jene Rechtsstellung zukommt, die er vor Erlassung des angefochtenen Bescheides eingenommen hat, wobei im Besonderen jede Zurück- oder Abschiebung aus Österreich für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig erklärt wurde. Am 14.12.2000 gegen 7.00 Uhr wurde der Bf mit Familie von Gendarmeriebeamten des GP Schärding geweckt und zum GP Schärding verbracht und dort angehalten. Von dort aus sollte eine Übergabe an die deutschen Polizisten erfolgen. Über Einschaltung des Rechtsvertreters des Bf wurde die Fremdenpolizei der BH Schärding auf den Beschluss des VwGH hingewiesen und es wurde letztendlich wegen Unklarheit der Rechtslage der Vollzug der Ausweisung abgebrochen und der Bf um 11.00 Uhr freigelassen. Aufgrund des Beschlusses des VwGH hätte eine Überstellung nicht stattfinden dürfen und sei der Bf in seinen Rechten verletzt worden.
 
2. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die bezughabenden Verwaltungsakte vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Darin führte sie aus, dass die BH Schärding über Ersuchen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland , diese jedoch ihrerseits über das Ersuchen des Bundesasylamtes Wien, die Überstellung der Familie O vorgenommen habe, wobei dem Ersuchen der Hinweis auf ein rechtskräftig beendetes Asylverfahren und rechtskräftige Ausweisungen angeschlossen waren. Bei der Maßnahme handle es sich nicht um einen Versuch einer Ab- oder Zurückschiebung iSd FrG, sondern vielmehr um eine Überstellung iSd Dubliner Übereinkommens zwecks Ermöglichung eines Asylverfahrens vor den tatsächlich zuständigen deutschen Behörden. Überdies kam dem Bf zu keinem Zeitpunkt eine Aufenthaltsberechtigung zu. Die Überstellung nach Deutschland sei daher selbst im Hinblick auf das Vorliegen des VwGH-Beschlusses hinsichtlich Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht nur zulässig sondern sogar verpflichtend.
 
Über Anfrage teilte das Bundesasylamt, Grundsatz- und Dublinabteilung, dem Oö. Verwaltungssenat mit, dass dem Bf aufgrund der Kriterien des § 19 Abs.2 AsylG vor der rechtskräftig negativen Entscheidung keinerlei Aufenthaltsrecht nach dem AsylG zukam.
 
3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt und die eingebrachten Schriftsätze sowie durch die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.4.2001, zu welcher der Bf und sein Rechtsvertreter sowie die belangte Behörde geladen wurden und erschienen sind.
 
Einvernehmlich erklärten die Parteien, dass der Sachverhalt unbestritten ist. Weiters erklärten sie einvernehmlich, dass als belangte Behörde das Bundesasylamt Wien zur Verantwortung zu ziehen ist, weil diese Behörde die Überstellung nach Deutschland veranlasste. Darüber hinaus verwies die belangte Behörde darauf, dass es sich im gegenständlichen Fall um rein asylrechtliche Belange handle und daher eine Zuständigkeit aus diesem Grunde nicht gegeben sei. Darüber hinaus habe sie den Akt auch insofern nicht zu verantworten und könne ihr ein Verschulden nicht angelastet werden, als sie über Ersuchen des Bundesasylamtes im Wege der Sicherheitsdirektion für tätig geworden ist.
 
Aktenkundig steht fest, dass ein Asylantrag des Bf vom 2.5.2000 mit Bescheid des Bundesasylamtes in Wien vom 10.8.2000 gemäß § 5 Abs.1 AsylG 1997 als unzulässig zurückgewiesen wurde und festgestellt wurde, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art.5 Abs.4 des Dubliner Übereinkommens Deutschland zuständig ist. Gleichzeitig wurde eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet nach Deutschland ausgesprochen. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26.9.2000 gemäß § 5 Abs.1 AsylG abgewiesen. Dagegen wurde vom Bf Beschwerde beim VwGH eingebracht und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Mit Beschluss vom 9.9.2000 (richtig 9.10.2000), Zl. AW2000/01/0256-3, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26.9.2000 betreffend Zurückweisung eines Asylantrages die aufschiebende Wirkung zuerkannt, und zwar mit der Wirkung, "dass der beschwerdeführenden Partei die Rechtstellung zukommt, die sie als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte, wobei damit im Besonderen jede Zurück- oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei aus Österreich für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig ist."
 
Dem Übernahmeersuchen des Bundesasylamtes, Grundsatz- und Dublinabteilung, vom 23.6.2000 wurde mit Schreiben des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BRD) vom 11.7.2000 gemäß Art.5 Abs.4 DÜ zugestimmt und in einem Beizettel der Transfer mit Eskorte am Übergabepunkt Neuhaus/Inn - "Neue Brücke" bestimmt. "Eine freiwillige Ausreise ist in diesem Fall nicht möglich."
 
Mit Schreiben vom 29.11.2000 wurde die Sicherheitsdirektion für das Bundesland um die Überstellung des Bf samt Familie unter Hinweis auf die Zustimmung Deutschlands bis zum 22.12.2000 nach Deutschland, Grenzübergang Neuhaus/Inn "Neue Brücke" ersucht. Das Schreiben führt weiters aus: "Eine Begleitung ist nicht erforderlich, lediglich wäre die Ausreise zu sichern." Dem Schreiben wurden die Laisser-Passer, Laufzettel, § 5-Bescheide, UBAS-Bescheide und Zustimmungen Deutschlands angeschlossen.
 
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland hat mit Schreiben vom 4.12.2000 die belangte Behörde unter Anschluss der angeführten Beilagen um Entsprechung des Ersuchens des Bundesasylamtes ersucht.
 
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 12.12.2000 an die Polizeiinspektion Fahndung Passau, Kontaktstelle Grenze, wurde die Durchführung der Rücküberstellung am 14.12.2000 um 9.00 Uhr beim GP Schärding vorgeschlagen und es wurde der Vorgang am selben Tag mit Telefax von der Polizeiinspektion Passau bestätigt.
 
Mit Schreiben vom 13.12.2000 hat die belangte Behörde den GP Schärding beauftragt, den Bf und seine Familie (namentlich angeführt) am Morgen des 14.12.2000 in deren Unterkunft abzuholen und in weiterer Folge zum GP Schärding zu transportieren, wo sie um 9.00 Uhr von Beamten der Polizeiinspektion Fahndung Passau, Kontaktstelle Grenze, übernommen und iSd Dubliner Übereinkommens nach Deutschland rücküberstellt werden.
 
Am 14.12.2000 wurde der Bf und seine Familie um 7.00 Uhr in seiner Unterkunft von Gendarmeriebeamten geweckt und zum GP Schärding transportiert. Eine Verständigung des Rechtsvertreters des Bf hatte eine telefonische Rückfrage bei der belangten Behörde über die Zulässigkeit der Rücküberstellung nach Deutschland im Hinblick auf den Beschluss des VwGH betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zur Folge. Die belangte Behörde hat die Rücküberstellung telefonisch vorläufig gestoppt und Kontakt mit der Sicherheitsdirektion für aufgenommen, welche ihrerseits mit dem Bundesasylamt Wien, Dublin Referat, sowie dem Innenministerium kontaktierte. Es wurde im Zweifel die Rücküberstellung abgebrochen und um 11.00 Uhr beendet.
 
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:
 
4.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG und § 67a Abs.1 Z2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.
 
Der Bf behauptet durch seine Verbringung und Anhaltung am GP Schärding im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und in seinem Recht, vor Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht zwangsweise ausgewiesen zu werden, verletzt worden zu sein. Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde rechtzeitig eingebracht. Sie ist im Übrigen auch begründet.
 
4.2. Zur Zuständigkeit der belangten Behörde:
Gemäß § 2 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl.Nr. 566/1991 idgF, obliegt die Sicherheitsverwaltung den Sicherheitsbehörden und besteht die Sicherheitsverwaltung ua aus der Sicherheitspolizei, dem Pass- und Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, ... Die Sicherheitsverwaltung in den Ländern besorgen die Sicherheitsdirektionen, ihnen nachgeordnet Bezirksverwaltungsbehörden und Bundespolizeidirektionen (§ 4 Abs.2 SPG), wobei den Bezirksverwaltungsbehörden bei Besorgung der Sicherheitsverwaltung die Bezirksgendarmeriekommanden und ihre nachgeordneten Dienststellen unterstellt sind und den Exekutivdienst versehen (§ 9 Abs.1 und 2 SPG). Weil Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes keine Behörde sind und kein eigenes Imperium besitzen, sondern vielmehr Hilfsorgan der Behörde, der sie beigegeben, zugeteilt oder unterstellt sind, in deren Wirkungsbereich sind, ist ihr Handeln der (sachlich zuständigen) Behörde innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches zuzurechnen. Sie sind daher an den Amtssprengel ihrer Behörde gebunden. Dies gilt insbesondere dann, wenn Exekutivorgane im Auftrag der Behörde im Rahmen ihres örtlichen Wirkungsbereiches tätig werden (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, Kommentar, S. 73ff mN).
 
Sind gegenständlich die Organe des GP Schärding im Auftrag der belangten Behörde tätig geworden, so ist der Verwaltungsakt (verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt) der belangten Behörde zuzurechnen. Dass die belangte Behörde über Ersuchen der ihr übergeordneten Sicherheitsdirektion und diese über Ersuchen des Bundesasylamtes tätig geworden ist, ist lediglich der Ausdruck der gemäß Art. 22 B-VG bestehenden Verpflichtung zur wechselseitigen Hilfeleistung, ändert aber nichts an dem jeweiligen Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Behörde. Vielmehr stellt das gegenständliche Verwaltungshandeln die faktische Umsetzung des von der zuständigen Behörde (Bundesasylamt bzw Bundesasylsenat) erlassenen Asylbescheides dar, wobei die gegenständliche Überstellung ähnlich wie die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach dem FrG nicht eine Vollstreckung vorausgegangener Bescheide nach dem VVG sondern eine verfahrensfreie Maßnahme darstellt.
 
4.3. Mit dem obzit. abweisenden Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates wurde ein Asylantrag des Bf rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig mit diesem Bescheid eine Ausweisung ausgesprochen.
 
Gemäß § 5 Abs.1 letzter Satz Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 4/1999, ist ein solcher Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden. Gemäß § 5 Abs.3 leg.cit. gilt eine Ausweisung gemäß Abs.1 stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat.
 
Wie der VwGH schon mehrmals ausgesprochen hat (ua VwGH vom 22.3.2000, 99/01/0424), ist diese Ausweisung kein Bescheid nach dem FrG, sondern ein gesondertes Rechtsinstitut. Die gesetzliche Vermutung des § 5 Abs.3 AsylG ersetzt eine gesonderte Non-Refoulement-Prüfung. Eine gesonderte Regelung über die Durchsetzbarkeit der Ausweisung vor Rechtskraft enthält das Asylgesetz nicht.
 
Schon aufgrund des § 21 Abs.2 AsylG und der dazu ergangenen Judikatur des verst. Senates des VwGH vom 20.10.2000, 99/20/0406, darf ein Asylwerber - als solcher gilt ein Fremder bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens gemäß § 1 Z3 AsylG -, nicht zurück- oder abgeschoben werden. Im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs.2 VwGG gilt dieses Verbot aber auch während der Dauer eines an das Asylverfahren anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. obzit. Judikatur). Darüber hinaus wurde mit gegenständlichem Beschluss des VwGH vom 9.10.2000, AW2000/01/0256-3, ausdrücklich festgestellt, dass "jede Zurück- oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei aus Österreich für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig ist".
 
4.4. Wenn die belangte Behörde weiters ausführt, dass sie keine fremdenpolizeiliche Maßnahme und daher auch keine Abschiebung - in Vollziehung dieser Ausweisung - vorgenommen habe, sondern es sich lediglich um die Umsetzung der Überstellung nach dem Dubliner Übereinkommen, also eine asylrechtliche Angelegenheit handle, so kann auch dieses Vorbringen nicht zum Erfolg führen.
 
Gemäß Art.11 des Übereinkommens von Dublin, BGBl. III Nr. 165/1997 - kurz: DÜ, kann ein Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde und der einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung dieses Antrages für zuständig hält, so bald wie möglich, in jedem Fall aber innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach der Einreichung des Asylantrages, letzteren ersuchen, den Asylwerber aufzunehmen. Der Mitgliedstaat muss binnen 3 Monaten, nachdem er hiemit befasst wurde, über das Gesuch auf Aufnahme des Asylbewerbers entscheiden. Liegt bei Ablauf dieser Frist keine Antwort vor, so kommt dies einer Annahme des Aufnahmegesuchs gleich. Die Überstellung des Asylbewerbers durch den Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, an den für die Prüfung des Antrags zuständigen Mitgliedstaat muss spätestens einen Monat nach Annahme des Aufnahmegesuchs oder einen Monat nach Ende des vom Ausländer gegebenenfalls gegen den Überstellungsbeschluss angestrengten Verfahrens erfolgen, sofern dieses aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art.11 Abs.5 DÜ). Aus dieser Bestimmung erhellt, dass die gemäß § 5 Abs.1 AsylG ausgesprochene Ausweisung in den zuständig erkannten Staat einem Überstellungsbeschluss nach Art.11 Abs.5 DÜ entspricht.
 
Mit dem VwGH-Beschluss, mit dem der Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Asylantrages und den Ausspruch der Ausweisung die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, wurde ausdrücklich auch ausgesprochen, "dass der beschwerdeführenden Partei die Rechtsstellung zukommt, die sie als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte". Kam dem Bf auch vor rechtskräftiger Zurückweisung und Ausweisung gemäß § 19 AsylG keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, so war aber auch vor Erlassung des genannten Bescheides die damit ausgesprochene Ausweisung gemäß § 5 Abs.1 letzter Satz AsylG nicht rechtskräftig und nicht durchsetzbar. Es konnte daher in diesem Sinne eine Ausweisung als faktische Durchsetzung der Überstellung gemäß Art.11 Abs.5 DÜ vor Rechtskraft des Bescheidausspruches nicht vollzogen werden. Es setzt daher die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in einem gegen den Überstellungsbeschluss angestrengten Verfahren auch die Frist für die Umsetzung der Überstellung nicht in Gang ("einen Monat nach Ende des vom Ausländer gegebenenfalls ..., sofern dieses aufschiebende Wirkung hat" in Art.11 Abs.5 DÜ; VwGH vom 22.3.2000, 99/01/0424). Es geht daher auch das Übereinkommen von Dublin von der Anfechtbarkeit des Überstellungsbeschlusses sowie von der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines dagegen erhobenen Rechtsmittels und der damit aufgeschobenen Umsetzung des Überstellungsbeschlusses aus.
 
Diese Vorgehensweise steht im Übrigen auch im Einklang mit dem Rundschreiben des BM für Inneres an alle Sicherheitsdirektionen und an die BPD Wien vom 7.12.1999, Zl: 33233/40-III/16/99, II. Vollziehung des Dubliner Übereinkommens, A) Übernahmeersuchen durch Österreich, 4. Überstellung. Danach setzt das Bundesasylamt die zuständige Sicherheitsdirektion rechtzeitig von der geplanten Überstellung in Kenntnis und hat die Sicherheitsdirektion nach Erhalt dieser Informationen die zur faktischen Überstellung notwendigen Maßnahmen zu veranlassen. "Für die Überstellung gelten die Vorschriften des FrG über die Abschiebung in vollem Umfang. Dies bedeutet, dass für die Verhängung der Schubhaft die Voraussetzungen des § 61 FrG vorliegen müssen. Außerdem ergibt sich die Verpflichtung zur Prüfung des Vorliegens eines Rechtstitels (Ausweisung gemäß § 5 AsylG oder durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme nach dem FrG) und bei Haftsachen des Vorliegens des Laufzettels, ...".
 
Wird wie im gegenständlichen Fall die belangte Behörde von der Sicherheitsdirektion zur Vornahme der faktischen Überstellung ersucht, so treffen die belangte Behörde gleichermaßen die aufgezeigten Pflichten, insbesondere auch die Verpflichtung zur Prüfung des Vorliegens eines gültigen rechtswirksamen und durchsetzbaren Rechtstitels. Dabei verkennt der Oö. Verwaltungssenat nicht, dass gegenständlich der belangten Behörde ua der Bescheid des Bundesasylamtes sowie der Bescheid des UBAS und die Zustimmungserklärung Deutschlands übermittelt wurden, woraus sich dem ersten Anschein nach die Rechtskraft und Durchsetzbarkeit der Überstellung ergibt, dass aber der Beschluss des VwGH über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der belangten Behörde - ohne ihr Verschulden - nicht zur Kenntnis gelangte. Aber weder die Kenntnis dieses Beschlusses noch ein schuldhaftes Verhalten durch die belangte Behörde sind Voraussetzung für die Wirksamkeit des Beschlusses.
 
Es war daher unabhängig von der Prüfung der Zumutbarkeit oder Vorwerfbarkeit des Verhaltens objektiv festzustellen, dass der gegenständlich angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig war.
 
5. Gemäß § 79a Abs.1 AVG hat die im Verfahren obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendung durch die unterlegene Partei, und es waren daher dem Bf als obsiegender Partei gemäß § 79a Abs.4 AVG iVm § 1 Z1 und 2 Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995, ein Schriftsatzaufwand von 8.400 S, Barauslagen für Stempelgebühren in der Höhe von 180 S und ein Verhandlungsaufwand von 10.400 S zuzusprechen.
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.
 
 
 

Dr. Klempt
 

Beschlagwortung:
Überstellung, Durchsetzbarkeit, aufschiebende Wirkung, tatsächliche Umsetzung der Ausweisung.

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