Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420303/12/Gf/Km

Linz, 21.05.2001

VwSen-420303/12/Gf/Km Linz, am 21. Mai 2001

DVR. 0690392
 
 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde der H H, vertreten durch Dr. W H, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung zu Recht erkannt:
 
I. Der vorliegenden Beschwerde wird stattgegeben und das Betreten der Wohnung der Beschwerdeführerin am 11. März 2001 mittags durch einen Gendarmeriebeamten als rechtswidrig erklärt.
 
II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung) hat der Beschwerdeführerin Kosten in Höhe von 18.980 S (entspricht 1.379,33 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
 
Rechtsgrundlage:
§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.
 
 
 
 
Entscheidungsgründe:
 
 
 
1. Mit ihrer am 26. März 2001 - und damit rechtzeitig - unmittelbar beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachten, auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützten Beschwerde begehrt die Rechtmittelwerberin, das am 11. März 2001 durch einen Gendarmeriebeamten des GP P im Zuge einer Personengegenüberstellung erfolgte Betreten ihrer Wohnung kostenpflichtig als rechtswidrig zu erklären.
 
Begründend führt sie dazu im Wesentlichen aus, dass dieser Beamte weder einen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl vorweisen noch sein Vorgehen auf die Bestimmungen der Strafprozessordnung oder des Sicherheitspolizeigesetzes stützen hätte können.
 
2. Die belangte Behörde hat unter Vorlage einer Kopie des bezughabenden Verwaltungsaktes eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt.
 
Begründend wird dazu ausgeführt, dass der einschreitende Beamte die Wohnung der Beschwerdeführerin nur kurzzeitig und bloß zum Zweck einer Gegenüberstellung betreten habe.
 
3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Urfahr-Umgebung zu Zl. VerkR96-2001-OJ/HA sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 17. Mai 2001, zu der die Beschwerdeführerin und deren Rechtsvertreter als Partei sowie die Zeugen AbtInsp W E, M L und Dr. E H (Ehegatte der Rechtsmittelwerberin) erschienen sind.
 
Im Zuge dieser Beweisaufnahme konnte folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt werden:
 
Am Vormittag des 11. März 2001 hatte sich der zweite Zeuge mit zwei - ebenfalls noch minderjährigen - Freunden beim ehemaligen Fitnesscenter in P getroffen, um dort Skateboard zu fahren. Nach einiger Zeit bemerkten sie, dass sie dabei aus einem Fenster der umliegenden Häuser gefilmt wurden. Dies quittierten sie mit abfälligen Gesten, wodurch sich jene Person - vermeintlich der dritte Zeuge und Ehegatte der Beschwerdeführerin; tatsächlich jedoch der Inhaber der Nachbarwohnung - provoziert fühlte. Er kam daher in der Folge unmittelbar auf die Jugendlichen zu und versetzte dem zweiten Zeugen nach einem kurzen Wortwechsel einen derart heftigen Schlag gegen die Schulter, dass dieser über eine Stiege hinunterfiel. Der zweite Zeuge suchte deshalb in der Folge seinen Hausarzt auf, der Schwellungen im Nacken- und Schulterbereich diagnostizierte und dem GP P eine entsprechende Verletzungsanzeige übermitteln ließ. Darin wurde auch fälschlicherweise der Ehegatte der Beschwerdeführerin namentlich als Täter angeführt.
 
Nachdem beim ersten Zeugen im Zuge der Einvernahme der drei Jugendlichen auf dem Gendarmerieposten P diesbezüglich allerdings Zweifel entstanden waren, kündigte er der Rechtsmittelwerberin telefonisch eine Personengegenüberstellung des Verletzungsopfers mit ihrem Ehegatten in deren Wohnung an. Daraufhin begab er sich etwa gegen Mittag in Begleitung des zweiten Zeugen und eines weiteren Kollegen zum Haus A in P, in dessen 1. Stock die Wohnung der Beschwerdeführerin gelegen ist.
 
Diese öffnete die Tür und bedeutete den Gendarmeriebeamten unmissverständlich, dass sie niemand in ihre Wohnung lassen wolle, bis ihr inzwischen telefonisch verständigter Sohn eingetroffen sei. Der erste Zeuge entgegnete daraufhin, dass es sich nur um eine kurze Gegenüberstellung handle und betrat sodann - ohne im Besitz eines Hausdurchsuchungsbefehls zu sein oder einen solchen gar vorzuweisen - das Vorzimmer, um nach ihrem Gatten zu rufen. Als dieser erschien, erklärte der inzwischen mit dem anderen Gendarmeriebeamten im Stiegenhaus gewartet habende zweite Zeuge, dass der Ehegatte der Rechtsmittelwerberin nicht jener Mann sei, der ihm zuvor den Schlag versetzt hatte.
 
Daraufhin verließ der erste Zeuge wieder die Wohnung der Beschwerdeführerin.
 
Die Sachverhaltsfeststellung gründet sich auf die glaubwürdigen, in sich jeweils widerspruchsfreien und insoweit auch im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen.
 
 
4. Über die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
 
 
4.1. Zur Zulässigkeit:
 
Nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.
 
Dass das vom einschreitenden Gendarmeriebeamten gegen den Willen der Beschwerdeführerin erfolgte Betreten ihrer Wohnung einen derartigen Zwangsakt darstellt, ist offenkundig; da im vorliegenden Fall auch die übrigen Prozessvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 AVG erfüllt sind, erweist die Beschwerde sohin insgesamt als zulässig.
 
4.2. In der Sache selbst:
 
4.2.1. Gemäß § 1 des - im Verfassungsrang stehenden - Gesetzes zum Schutz des Hausrechtes, RGBl.Nr. 88/1862 (im Folgenden: HausRG), darf eine Hausdurchsuchung "in der Regel nur kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehles unternommen werden".
 
Nach § 2 Abs. 2 HausRG kann eine Hausdurchsuchung bei Gefahr in Verzug jedoch auch durch Sicherheitsorgane aus eigener Macht u.a. vorgenommen werden, wenn jemand "durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet" wird.
 
4.2.2. Im vorliegenden Fall steht allseits unbestritten fest, dass das einschreitende Sicherheitsorgan die Wohnung der Beschwerdeführerin ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl betreten hat.
 
Dazu wäre der Gendarmeriebeamte zwar gemäß § 2 Abs. 2 HausRG an sich grundsätzlich auch "aus eigener Macht" berechtigt gewesen, weil er gegenständlich die Ausforschung eines wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtigen Täters unternommen hatte.
 
Allerdings lag hier die notwendige Voraussetzung der Gefahr in Verzug nicht vor, weil weder Gründe ersichtlich sind, weshalb der Gendarmeriebeamte nicht zumindest telefonisch um die Einholung eines richterlichen Durchsuchungsbefehles einkam, bevor er zur Personengegenüberstellung geschritten ist. Zum anderen bot sich angesichts der dezidierten Weigerung der Beschwerdeführerin, ihre Wohnung freiwillig betreten zu lassen, auch wegen der Geringfügigkeit der verfolgten Straftat kein Anlass dafür, das Betretungsverbot dennoch ohne vorhergehende Einholung eines Hausdurchsuchungsbefehles zu ignorieren. Objektiv ist sohin nicht einsehbar, weshalb der Beamte unter derartigen Umständen nicht vorerst außerhalb der Wohnung zugewartet hat, ob die Gegenüberstellung nicht auch vom Stiegenhaus aus durchgeführt werden kann, und erst zu einem Zeitpunkt, als sich dieser Versuch als untauglich erwies, diese nach Beschaffung eines entsprechenden richterlichen Befehles durchgeführt hätte.
 
4.3. Daher war der vorliegenden Beschwerde gemäss § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und das Betreten der Wohnung der Beschwerdeführerin am 11. März 2001 mittags durch einen funktionell für den Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung handelnden Gendarmeriebeamten als rechtswidrig zu erklären.
 
5. Bei diesem Verfahrensergebnis war die belangte Behörde nach § 79a Abs. 1, 2 und 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 und 2 der AufwandsersatzVO UVS, BGBl.Nr. 855/1995, dazu zu verpflichten, der Beschwerdeführerin Kosten in Höhe von 18.980 S (Schriftsatzaufwand: 8.400 S; Verhandlungsaufwand: 10.400 S; Stempelgebühr: 180 S) zu ersetzen.
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.
 
Dr. G r o f

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