Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104952/15/Br

Linz, 04.12.1997

VwSen-104952/15/Br Linz, am 4. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn A gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, AZ. VerkR96-19235-1996, vom 15. Juli 1997, wegen einer Übertretung der StVO 1960, nach der am 4. November 1997 und am 4. Dezember 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren in diesen Punkten nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1993 - VStG; II. Es entfällt jeglicher Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem Straferkenntnis vom 15. Juli 1997 über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 800 S und für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 12.12.1996 gegen 18.35 Uhr den Pkw auf der Abtsdorfer Gemeindestraße im Ortsgebiet von Abtsdorf in Richtung Altenberg gelenkt und er auf Höhe des Hauses M in A mit dem Außenspiegel seines Pkw's den linken Außenspiegel des entgegenkommenden Pkw's gestreift habe und der dadurch beschädigt wurde und somit, obwohl sein Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang stand, nicht sofort angehalten habe.

1.1. Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung auf das Ergebnis der Vernehmung des am Unfall Zweitbeteiligten, welcher sofort nach dem Streifkontakt der beiden Fahrzeuge stehen geblieben sei. Der Berufungswerber sei jedoch ohne anzuhalten weitergefahren. Nachdem dieser Zeuge dem Berufungswerber nachgefahren sei und ihn folglich über den Vorfall informieren habe können, habe der Berufungswerber nur gemeint, daß ihn das nichts anginge. Weil der Berufungswerber auch nicht bereit gewesen wäre, seine Daten bekanntzugeben, habe sich dieser Zeuge zur Anzeigeerstattung am Gendarmerieposten entschlossen, wobei beim Eintreffen des Zeugen dort der Berufungswerber bereits auf dem Gendarmerieposten seinerseits die Anzeige wegen dieses Vorfalles erstattet habe. 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung, zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten, führt der Berufungswerber nachfolgendes aus: "Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erhebe in offener Frist Berufung gegen das angef. Straferkenntnis, da die Sach- und Rechtslage meiner Meinung nach und zu meinen ungunsten völlig unrichtig beurteilt wurde.

Ich verweise daher vorerst auf meine Rechtfertigungen im Ermittlungsverfahren, die ich zur Gänze aufrecht erhalte. Darüber hinaus scheint ein wesentlicher Verfahrensfehler darin zu liegen, daß Herr S als Zeuge vernommen wurde und seine Aussage letztendlich als die alleinig ausschlaggebende gegen mich verwertet wurde, obwohl ich vor S am Gendarmerieposten war und den Unfall gemeldet habe. Kurz nachdem ich am GPK war, kam Herr S und es wurde nur mehr mit ihm über den Unfall gesprochen. Mir wurde gesagt, daß für mich die Angelegenheit erledigt sei und man hat mit mir kein Protokoll verfaßt. Mit S wurde aber eine Niederschrift aufgenommen, die nun gegen mich verwendet wurde.

Ich beantrage daher die Zeugeneinvernahme jenes Gendarmeriebeamten, der mit mir gesprochen hat und der mir erklärte, daß die Angelegenheit für mich erledigt sei. Ich mache aber in diesem Zusammenhang bereits einen groben Verfahrensfehler geltend, da bei objektiver Vorgangsweise zuerst meine Anzeige entgegen- und zu protokoll genommen werden hätte müssen. In diesem Fall wäre Herr S Erstbeschuldigter gewesen und nicht Zeuge.

Es widersprechen sich also meine Aussage mit jener von Herrn S, weshalb im zweifellsfall das Verfahren auf jeden Fall einzustellen ist. Da ich bisher mit gesetzlichen Bestimmungen und deren Auslegung, sowie mit Behörden und der Gendarmerie kaum zu tun hatte und daher keine einschlägigen Erfahrungen habe, habe ich mich von Beginn an zuwenig um meine Rechte gekümmert. Ich fühle mich aber völlig zu unrecht bestraft, nur weil ich nicht ausdrücklich auf eine Protokollierung am Gendarmerieposten pochte. Vielmehr hatte ich den Eindruck, daß ich aufgrund meines Alters nicht ernst genommen wurde und nicht die zumindest gleiche Glaubwürdigkeit besitze, wie Herr S.

Ich beantrage daher das Strafverfahren gegen mich einzustellen, weil ich die mir angetastete Verwaltungsübertretung nicht begangen habe. Sollte das Verfahren nicht eingestellt werden, beantrage ich die Einvernahme des damals erhebenden Gendarmeriebeamten, der vorerst mit mir gesprochen hatte, bevor er mich wegschickte und mit Herr S das Protokoll verfaßte. Sollte es erforderlich sein, bin ich mit einer Gegenüberstellung einverstanden. Ein Lokalaugenschein würde weiters klären, daß der sog. Unfall so passiert ist, wie ich ihn geschildert habe, weshalb auch aus diesem Grunde für mich kein strafbares Verhalten erkennbar ist. Mit freundlichen Grüßen (e.h. Unterschrift des Berufungswerbers)." 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, AZ. VerkR96-19235-1996, und Erörterung des Akteninhaltes anläßlich der durchgeführten öffentlichen münd-lichen Verhandlungen, wobei die zweite im Rahmen eines Ortsaugenscheines durchgeführt wurde. Ferner durch die Vernehmung des Zeugen K sowie durch Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten. Weiters wurde Beweis erhoben durch die Vernehmung von GrInsp. H und C als Zeugen. An der zweiten Berufungsverhandlung nahm auch ein Vertreter der Erstbehörde teil.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte am 12. Dezember 1996 um 19.18 Uhr seinen Pkw im Ortsgebiet von Abtsdorf in westliche Richtung. Seine Fahrgeschwindigkeit betrug etwa 50 km/h. Rechtsseitig in seiner Fahrtrichtung befindet sich ein Gehsteig, welcher etwa 15 cm vom Fahrbahnniveau überhöht ist. Ein Ausweichen des Berufungswerbers nach rechts wäre durch die Gehsteighöhe objektiv kaum möglich gewesen. Im Bereich des Hauses Q weist dieser Straßenzug eine Breite von etwa vier Metern auf. Maximal 50 m östlich des Hauses Q weist die Straße einen flachen und leicht ansteigenden Kurvenverlauf nach links auf. Etwa auf der Höhe des Hauses Q kam es zu einem Spiegelkontakt des in der Gegenrichtung fahrenden Zeugen S. Der Berufungswerber hielt in der Folge etwa 50 m weiter westlich sein Fahrzeug an und konnte folglich den Zweitbeteiligten nicht mehr im Rückspiegel sehen, sodaß er nach dem Herunterkurbeln des Fensters und dem Zurechtrichten des Spiegels - welcher lt. Angabe des Berufungswerbers sonst nicht beschädigt wurde - seine Fahrt zu dem etwa 2,5 bis 3 km entfernten Wohnort des Zeugen L, welchen er zum Fußballtraining abholen wollte, fort. Der Zweitbeteiligte wendete nach dem Vorfall sein Fahrzeug in der Zufahrt des Hauses Danter und fuhr dem Berufungswerber nach. Das Haus Danter liegt vom Haus Q etwa 200 m entfernt. Kurz nach der Ankunft des Berufungswerbers bei L traf auch schon der Zeuge S dort ein und konfrontierte den Berufungswerber mit dem Unfallverschulden. Er forderte auch eine Ersatzleistung für den an seinem Fahrzeug zerstörten Spiegel. Da diese Diskussion zu keinem Ergebnis führte und offenbar gegenseitige verbale Schmähungen einer gedeihlichen Unterhaltung entgegenstanden, begaben sich beide Unfallbeteiligte zur Gendarmerie. Während S zuerst zum Gendarmerieposten A fuhr, welcher jedoch geschlossen war, begab sich der Berufungswerber sogleich zum Gendarmerieposten S und traf dort bereits vor dem unfallbeteiligten S ein. Als jedoch auch S am Posten eintraf und offenbar dort mehr zu überzeugen vermochte als dies der Berufungswerber tat, wurde Letzterer von dem dort dienstversehenden Gendarmeriebeamten ersucht, den Dienstraum wieder zu verlassen, damit zuerst mit dem Unfallbeteiligten S der Sachverhalt aufgenommen werden konnte. Diese Daten wurden schließlich an den örtlich zuständigen Posten A weitergeleitet, sodaß von diesem Gendarmerieposten letztlich die Meldung unter der GZ 958/96 gelegt wurde. Als nicht zutreffend ist anzunehmen, daß entgegen dem Inhalt der Meldung der Berufungswerber nie erwähnt hatte, daß er nicht wisse, warum er nicht angehalten habe. Nicht geklärt vermochte letztlich werden, warum in der Anzeige nur hinsichtlich des Berufungswerbers von der Fahrtfortsetzung ausgegangen wurde, wenn zumindest der Berufungswerber im Hinblick auf den Unfallablauf und die offenkundige nachfolgende Bereitschaft den Sachverhalt bei der Gendarmerie darzulegen, keine andere Ausgangssituation aufwies, als dies bei seinem Unfallgegner der Fall war.

5. Das entscheidungsrelevante Beweisergebnis stützt sich auf die nachvollziehbaren und schlüssigen Angaben des Berufungswerbers in Verbindung mit den gewonnenen Einsichten anläßlich des Ortsaugenscheines. Bringt man eine Strecke bis zum Anhalten von etwa 50 in Anschlag, so ist glaubwürdig, daß der Berufungswerber von dieser Position tatsächlich das gegnerische Fahrzeug nicht mehr gesehen hat. Wenn nun der Zeuge S selbst angab, daß es etwa 30 bis 40 Sekunden gedauert hat, bis er sein Fahrzeug beim Haus Q wendete, so waren beide Fahrzeuge zumindest 200 m voneinander entfernt und der Berufungswerber konnte auf Grund des bloß feststellbaren "wegklappen" des Spiegels davon ausgehen, daß der Zweitbeteiligte eben nicht angehalten habe. Demgegenüber irrte der Zeuge S jedoch dahingehend, daß die Einsicht in den Straßenzug von seinem Umkehrpunkt (Haus D) 300 bis 400 m in die andere Richtung betragen hätte. Dies hat der Ortsaugenschein zweifelsfrei widerlegt.

Der Berufungswerber verantwortete sich von Anfang an in gleicher Richtung, sodaß letztlich seine Verantwortung nur überzeugen konnte und ihr daher zu folgen war.

5.1. Rechtlich hat er unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.2. Die Anhaltepflicht (u. die Meldepflicht) tritt grundsätzlich schon dann ein, wenn dem Fahrzeuglenker objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte. Diese gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen können jedoch dann nicht erfüllt werden, wenn auch der Zweitbeteiligte sich von der Unfallstelle entfernt (VwGH 6.4.1978, 754/77, ZVR 1978/253). Von dieser Tatsache konnte der Berufungswerber ausgehen, indem sich das zweitbeteiligte Fahrzeug durch die unvermeidbare Weiterfahrt nach der Realisierung des gegenseitigen Fahrzeugkontaktes um die Kurve aus seinem Sichtbereich entfernt hatte (VwGH v. 20.11.1990, Zl. 90/18/161). Ein weiteres Verbleiben an der Unfallstelle hätte in dieser Situation aus der Sicht des Betroffenen wohl keinen Sinn ergeben. Die nachfolgende Anzeige bei der Gendarmerie, die ohnedies ohne unnötigen Aufschub erfolgte, war daher das dem gesetzlichen Gebot entsprechende Mittel. Keinesfalls konnte die zwischenzeitig zwischen den Beteiligten fruchtlose Unterredung den Berufungswerber in seinem Rechtsstandpunkt schwächen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Sachschaden, Weiterfahrt

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