Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105095/2/BR

Linz, 02.12.1997

VwSen-105095/2/BR Linz, am 2. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Zl. VerkR96-1385-1997-K, vom 30. Oktober 1997, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt. Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 zweiter Halbsatz Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 30. Oktober 1997 über die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 38 Abs.1 zweiter Satz lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 500 S und für den Nichteinbringungsfall einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und folgenden Tatvorwurf erhoben: " Sie haben 29.11.1996 um 10.48 Uhr im Ortsgebiet von Linz, auf der W Kreuzung mit der D, Richtung stadteinwärts, den Kombi, Kz., gelenkt, und haben dabei bei gelbem nicht blinkendem Licht der Verkehrsampel nicht vor der Haltelinie angehalten.

2. Begründend führte die Erstbehörde zur Sache fogendes aus: "Aufgrund einer Anzeige der Bundespolizeidirektion - Linz vom 29.11.1996 wurde Ihnen die umseits angeführte Verwaltungsübertretung zur Last gelegt.

In Ihren Rechtfertigungsangaben führen Sie an, noch bei grün blinkendem Licht der Verkehrsampel mit Ihrem Fahrzeug in die genannte Kreuzung eingefahren zu sein. Im übrigen hätten aus Ihrer Sicht die Sicherheitsbeamten aufgrund der Entfernung zu der Kreuzung die Verkehrsübertretung nicht eindeutig feststellen können.

Ihre Angaben stehen aber im Widerspruch zu den zeugenschaftlichen Aussagen der Meldungsleger, die unmißverständlich und übereinstimmend angeben, daß Sie sich mit Ihrem Fahrzeug beim Umschalten der Verkehrslichtsignalanlage von grün blinkendem auf Gelblicht ca. 30 m vor der Haltelinie befunden hätten, wobei Ihre Fahrgeschwindigkeit ca. 50 km/h betragen habe. Diese Verkehrsübertretung konnte von den Beamten, die sich am gegenüberliegenden Gehsteig auf Funkstreife befanden, eindeutig wahrgenommen werden. Somit wäre - so die Meldungsleger - beim Aufleuchten des gelben nicht blinkenden Lichtes ein Anhalten Ihres Pkw ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer leicht möglich gewesen.

Daher scheint für die hiesige Behörde die Begehung der Tat durch Sie insbesondere dadurch als erwiesen, als sie einerseits keinerlei Veranlassung sah, an den glaubwürdigen und übereinstimmenden Zeugenaussagen zu zweifeln und anderseits Sie als Beschuldigter nicht der Wahrheitspflicht unterliegen, zumal Sie auch für Ihr Vorbringen keinerlei Beweise anbieten konnten, sondern die Verwaltungsübertretungen einfach bestritten.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden, wobei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung bzw. Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt wurde.

Auf Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurde Bedacht genommen: Einkommen monatlich S 8,000,-- netto, Vermögen: Reihenhaus, Sorgepflichten: 3 Kinder.

Als Milderungsgrund war das Fehlen einschlägiger verwaltungsrechtlicher Vormerkungen zu werten, Erschwerungsgründe lagen keine vor. Aus vorangeführten Gründen erscheint die gegen Sie verhängte Geldstrafe als tat- und schuldangemessen." 3. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht erhobenen Berufung: "Gegen das Straferkenntnis vom 30.10.1997 lege ich in offener Frist Berufung ein, beantrage die Aufhebung des Bescheides, die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahren und begründe dies wie folgt: Im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wurde in der Begründung angeführt, ich habe die Angaben der Meldungsleger der Anzeige bzw. niederschriftlichen Einvernahme lediglich als unrichtig hingestellt und einfach bestritten, entspricht nicht den Tatsachen. Vielmehr versuchte ich bei der niederschriftlichen Einvernahme bzw. Einspruchsangaben die Behörde mit Sachargumenten von meiner Unschuld zu überzeugen. So wurde von der Behörde auf meine Einwände, daß es auch einem geschulten Organ der Straßenaufsicht nicht möglich ist, mehrere stichhaltige Daten die für eine derartige Anzeige bzw. für einen derartigen Tatbestand erforderlich sind, auf einmal festzustellen.

1. Schätzung der Geschwindigkeit im Annähern, Vorbeifahren u. Entfernen. 2. Entfernung meines Pkw's von der Haltelinie und 3. gleichzeitiger Blick auf die VLSA zum genauen Zeitpunkt des Umschaltens Zu Pkt. 1 wird ua. bemerkt, daß sich beide Beamte am gegenüberliegenden Gehsteig in Richtung stadteinwärts bewegten und auch ihre Blickrichtung dahin gerichtet war und diese daher das Annähern meines Fahrzeuges unmöglich feststellen konnten.

Zu Pkt. 2 wird ua. bemerkt, daß sowohl in der Strafverfügung als auch im Straferkenntnis nicht zu entnehmen war, wie die 30 Meter Entfernung von der Haltelinie gemessen wurden.

Anführen möchte ich abermals, daß ich auf diesem Straßenzug 60 km/h gefahren bin und daher die von den Beamten geschätzte Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h ohne Verwendung techn. Hilfsmittel nicht als stichhältig anzusehen ist, zumal dieser geringfügige Geschwindigkeitsunterschied bei der Schätzung offensichtlich verkannt worden war.

Bei der von mir gefahrenen und erlaubten Geschwindigkeit von 60 km/h, wäre ein gefahrloses Anhalten vor der Haltelinie auf einer Entfernung von 30 Meter nicht möglich gewesen.

Weiters wurde in keinem Punkt auf den Umstand eingegangen, daß auf diesem Straßenzug eine Geschwindigkeit von 60 km/h erlaubt ist. Dazu möchte ich noch anführen, daß man bei der Wahl einer geringeren Fahrgeschwindigkeit die Flüssigkeit des Verkehrs auf diesem Straßenzug beeinträchtigen würde.

Da ich zur Tatzeit mit Sicherheit den Pkw mit der erlaubten Geschwindigkeit von 60 km/h stadteinwärts lenkte, da es die Straßen- u. Sichtverhältnisse zuließen, erscheint mir die Schätzung der Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h kaum richtig. Im übrigen wende ich ein, daß weder beim Tatvorwurf in der Strafverfügung noch der des Straferkenntnisses die Formerfordernisse wie - welcher der beiden Fahrstreifen wurde benutzt - Geradeausfahrer oder Abbieger, konkret angeführt worden sind und daher Verjährung eingetreten ist.

Mit freundlichen Grüßen S" (mit e.h. Unterschrift) 3.1. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Da sich das Berufungsvorbringen bereits aus der Aktenlage zumindest als nachvollziehbar erweist und sich daher ergibt, daß der Bescheid aus der Aktenlage heraus aufzugeben ist, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen werden (§ 51e Abs.1 VSTG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Zl. VerkR96-1385-1997-K; die Weg- Zeitberechnungen wurden mittels dem EVU-Unfallsrekonstruktionsprogramm (von Prof. Dr. Gratzer, KFZ-Sachverständiger) vom zuständigen Mitglied des Verwaltungssenates errechnet. 5. In der Sache selbst wurde nachfolgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

5.1. Wenn die Berufungswerberin unter Ausschöpfung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit mit 60 km/h unterwegs war, hätte sie unter Zugrundelegung einer Reaktionszeit von einer halben Sekunde nach dem Ende der Grünblinkphase (Aufleuchten des Gelblichtes) unter Zugrundelegung einer Betriebsbremsung mit 4,5 m/sek/2, einen Anhalteweg von 40,86 m gehabt. Die sogenannte Faustformel [wie sie bei der Fahrausbildung verwendet wird] geht von einer Bremsverzögerung von (nur) 3,88 m/sek/2 aus.

Auch bei der Einhaltung der vom Meldungsleger geschätzten Fahrgeschwindigkeit von nur 50 km/h hätte der Anhalteweg bei der gleichen Verzögerungskomponente noch immer 29,76 m betragen. Da die Meldungsleger selbst ca. 50 km/h ihrer Anzeige zugrundelegten, war zumindest im Zweifel von der für die Berufungswerberin günstigeren Annahme, nämlich von 60 km/h auszugehen. 5.1.1. Alleine schon unter Grundlegung dieser Berechnung wird erhellt, daß hier die Berufungswerberin mit dem Durchfahren der Kreuzung sich durchaus verkehrsgerecht verhalten hat, weil eben ein sicheres Anhalten vor der Kreuzung aus ihrer Sicht [ex-ante zu treffenden Entscheidung] nicht mehr als gewährleistet erachtet werden durfte. Jedenfalls sind die vom Meldungsleger getroffenen Feststellungen nicht geeignet die Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen.

Daher ist die Berufungswerberin mit ihrem Vorbringen im Recht! 5.2. Rechtlich ist daher folgendes zu erwägen: 5.2.1. Gelbes blinkendes Licht gilt unbeschadet der Vorschriften des § 53 Z10a StVO 1960 über das Einbiegen der Straßenbahn bei gelbem Licht als Zeichen für "Halt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker herannahender Fahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen des Abs.7 (Anm.: Spurensignale) anzuhalten: a) wenn eine Haltelinie vorhanden ist, vor der Haltelinie; b) wenn ein Schutzweg ohne Haltelinie vorhanden ist, vor dem Schutzweg; c) wenn eine Kreuzung ohne Schutzweg und ohne Haltelinie vorhanden ist, vor der Kreuzung; d) ansonsten vor dem Lichtzeichen....... (§ 38 Abs.1 StVO 1960).

Hiezu ist zu bemerken, daß bei Aufleuchten des gelben Lichtes nicht unter allen Umständen die Pflicht zum Anhalten des Fahrzeuges besteht; daher umschreibt hier auch der Spruch das die Strafbarkeit begründende Element nicht erschöpfend. In jenen Fällen, in denen ein Anhalten nicht mehr (sicher) möglich ist, darf vielmehr die Kreuzung noch durchfahren werden. Es ist also von ausschlaggebender Bedeutung, in welchem Punkt vor der Kreuzung sich das Fahrzeug befand, als der Wechsel des Lichtes von Grün auf Gelb erfolgte. So ist ein verkehrssicheres Anhalten dann nicht mehr möglich, wenn bei Beginn der Gelbphase die Entfernung des Fahrzeuges von der Kreuzung (Abs.1 lit.a bis lit.d) geringer ist als die Länge des Bremsweges zuzüglich etwa des halben Reaktionswertes (verkürzt wegen der Grünblinkphase); das entspricht zB bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h etwa 22 m (16 m + 6 m) [Benes-Messiner, Kommentar zur StVO, 8. Auflage, Seite 510 ff., Anm. 2, sowie E 1, 4 und 5]. Eine Bremsung, wo die Bremsverzögerung beträchtlich über dem Wert einer Betriebsbremsung liegen würde, wäre weder sachgerecht und von einem Fahrzeuglenker in einer solchen Situation daher auch nicht zu erwarten, weil eine Vollbremsung nicht mit dem Erfordernis eines "sicheren Anhalten(s)[-können]" in Einklang gebracht werden könnte. Der Berufungswerberin konnte daher unter diesen Gesichtspunkten selbst bei vollinhaltlichem Ausgehen von den Anzeigedaten bereits keine Verletzung des § 38 Abs.1 lit.a StVO 1960 in der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit mehr vorgeworfen werden.

5.2.2. Weil hier ein eindeutiges Beweisergebnis im Hinblick auf die Tatbegehung nicht vorliegt, war hier von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung des Verfahrens zu verfügen. Selbst wenn Zweifel am Tatvorwurf bestehen, gilt der Nachweis als nicht erbracht (VwGH 12.3.1986, 84/03/0251 u.a. sinngem.; Hinweis auf ZfVB 1991/3/1122).

5.3. Ein Eingehen auf das weitere Berufungsvorbringen im Hinblick auf die vermeintlich eingetretene Verjährung erübrigt sich daher. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß jeweils - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten. Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Reaktionsweg Fahren bei Gelblicht

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