Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720001/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 13.06.2006

VwSen-720001/2/Gf/Mu/Ga Linz, am 13. Juni 2006

DVR.0690392

B E S C H L U S S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des S B, vertreten durch RA Dr. M, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 19. Dezember 2005, Zl. Sich40-23762-2005, beschlossen:

  1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreichs ist zur Entscheidung über diese Berufung sachlich nicht zuständig.

  2. Die Berufung wird an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weitergeleitet.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG.

Begründung:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, ist - wie sich dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt entnehmen lässt - am 14. Juli 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat in der Folge einen Asylantrag eingebracht, der mit Bescheid des BAA EAST West vom 15. Februar 2005, Zl. 05 00.797-EAST West, abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde festgestellt, dass eine Abschiebung in das Heimatland zulässig ist. Darüber hinaus wurde über ihn eine Ausweisung ausgesprochen. Am 30. Juli 2005 heiratete er eine österreichische Staatsangehörige, reichte am 10. August 2005 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger" ein und zog seine eingebrachte Berufung gegen den negativen Asylbescheid zurück. Bei den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen wurde bekannt, dass der Rechtsmittelwerber bereits am 16. November 1995 nach Deutschland eingereist ist und der dort eingebrachte Asylantrag mit 27. Mai 1997 abgelehnt wurde.

Mit Urteil des LG München I vom 24. April 2002, Zl. (D2600)-3-KLS-369-JS-41742/01, wurde der Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten und mit Urteil des Amtsgerichts München vom 16. Jänner 2002, Zl. (D2601)-822-DS-369-JS-41256/02, wegen falscher uneidlicher Aussagen zu einer Geldstrafe verurteilt.

Daraufhin wurde gegen ihn von der Landeshauptstadt München am 18. Juni 2002 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Seine Abschiebung erfolgte am 2. April 2003.

1.2. In der Folge wurde gegen ihn mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 19. Dezember 2005, Zl. Sich40-23762-2005, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot wegen Verdacht auf bloße Scheinehe erlassen.

1.3. Gegen diesen ihm am 19. Dezember 2005 per Fax zugestellten Bescheid hat der Beschwerdeführer die vorliegende, am 23. Dezember 2005 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung eingebracht. Diese wurde von der Erstbehörde zur Berufungsentscheidung dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt.

2. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

2.1. Nach der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.157/2005 (im Folgenden: FPG), entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist, über Berufungen gegen Entscheidungen nach dem FPG im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, in allen anderen Fällen hingegen die Sicherheitsdirektionen (in letzter Instanz).

2.2. Gemäß der - aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklichen - Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z. 8 FPG ist unter einem EWR-Bürger ein Fremder zu verstehen, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Dieses EWR-Abkommen (BGBl. Nr. 909/1993 i.d.F. 566/1994, zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 53/2006) wurde zwar von zahlreichen Staaten und Staatengemeinschaften, nicht jedoch von jenem Staat, dessen Angehöriger der Rechtsmittelwerber ist (Serbien), ratifiziert. Eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates nach § 9 Abs. 1 Z. 1 erste Alternative FPG scheidet daher - ebenso wie eine solche gemäß § 9 Abs. 1. Z. 1 zweite Alternative FPG ("Schweizer Bürger") - schon von vornherein aus.

2.3. Es bleibt daher zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer als ein "Begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 9 Abs. 1 Z. 1 dritte Alternative i.V.m. § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG anzusehen ist.

2.3.1. Unter einem (bloßen) "Drittstaatsangehörigen" ist gemäß § 2 Abs. 4 Z. 10 FPG jeder Fremde, der nicht EWR-Bürger ist (vgl. FN 2), zu verstehen.

2.3.2. Nach § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG gelten dem gegenüber als "Begünstigte Drittstaatsangehörige" solche Fremde, die zwar selbst nicht EWR-Bürger, aber entweder der Ehegatte oder (eigene) geradlinig Verwandte (bzw. geradlinig Verwandte des Ehegatten) eines EWR-Bürgers, eines Schweizer Bürgers oder eines Österreichers, der - soweit überhaupt möglich - sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, sind. Hinsichtlich derartiger geradlinig Verwandter ist weiters insofern zu unterscheiden, als den in gerader absteigender Linie Verwandten dieser Status jeweils bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (bzw. darüber hinaus, sofern ihnen tatsächlich Unterhalt gewährt wird) zukommt; den in gerader aufsteigender Linie Verwandten hingegen nur, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird und ein solcher Drittstaatsangehöriger den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder Österreicher, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, tatsächlich begleitet oder diesem nachzieht.

Um die Stellung eines "Begünstigten Drittstaatsangehörigen" erlangen zu können, muss der EWR-Bürger oder der Österreicher sein "Recht auf Freizügigkeit" in Anspruch genommen haben.

Nach § 2 Abs. 4 Z. 15 FPG ist unter "Recht auf Freizügigkeit" das gemeinschaftliche Recht eines EWR-Bürgers, sich in Österreich niederzulassen, zu verstehen. Das "Recht auf Freizügigkeit" für einen Österreicher lässt sich aus dem Gemeinschaftsrecht oder den - umgesetzten - nationalen Vorschriften jenes Staates entnehmen, in dem er sein Niederlassungsrecht in Anspruch nehmen möchte.

Nur jene EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit tatsächlich in Anspruch genommen und sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufgehalten haben, sind unter den Voraussetzungen des § 51 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2006 (im Folgenden: NAG), zur Niederlassung berechtigt und als freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger anzusehen. Auch Österreicher müssen, um als Freizügigkeitsberechtigte betrachtet werden zu können, ihr Recht auf Freizügigkeit in einem von ihnen gewählten EWR-Mitgliedstaat in Anspruch genommen und sich dort entsprechend den umgesetzten nationalen Rechtsvorschriften länger als drei Monate aufgehalten und in der Folge niedergelassen haben.

2.3.3. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt geht hervor, dass der Rechtsmittelwerber mit einer Österreicherin verheiratet ist, die offensichtlich weder zum Zeitpunkt der Eheschließung noch in der Folge ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat.

Somit ist der Beschwerdeführer kein "Begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG.

2.3.4. Im Ergebnis ist daher - weil auf den vorliegenden Fall keine der dort angeführten Alternativen zutrifft - eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates nach § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG nicht gegeben; vielmehr fällt es nach dem in § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG normierten Auffangtatbestand in die Kompetenz der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, über die vorliegende Berufung zu entscheiden.

2.4. Aus allen diesen Gründen hatte der Oö. Verwaltungssenat daher - weil die gegenständliche Berufung bereits an ihn weitergeleitet worden war (s.o., 1.4.) - in sinngemäßer Anwendung des § 66 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG bescheidmäßig seine Unzuständigkeit festzustellen und das Rechtsmittel an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weiterzuleiten (vgl. e contrario VwGH v. 30. Mai 1996, 94/05/0370 - verst. Senat).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. G r o f

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGGH vom 27.11.2006, Zl.: B 1382/06-6

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