Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720011/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 13.06.2006

VwSen-720011/2/Gf/Mu/Ga Linz, am 13. Juni 2006

DVR.0690392

B E S C H L U S S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des A K, vertreten durch RA Dr. B, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 21. April 2004, Zl. 1032264/Frb, beschlossen:

  1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreichs ist zur Entscheidung über diese Berufung sachlich nicht zuständig.

  2. Die Berufung wird an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weitergeleitet.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG.

Begründung:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, hat am 27. März 2003 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet und ist - wie sich dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt entnehmen lässt - im Juni 2003 entsprechend den bestehenden Rechtsvorschriften ins Bundesgebiet eingereist. Am 11. April 2003 reichte er einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger mit Österreicherin für Familiengemeinschaft" ein, die ihm in der Folge vom 13. Juni 2003 bis 22. Februar 2004 gewährt wurde. Seit seiner Einreise hat er in einem Unternehmen in Linz gearbeitet. Am 13. Februar 2004 stellte er einen Verlängerungsantrag und teilte anlässlich des durchgeführten Ermittlungsverfahren in seiner Stellungnahme vom 5. April 2004 mit, dass sein Bruder in Österreich lebt, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und dass auch sein Neffe in Österreich verweilt.

1.2. In der Folge wurde gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 21. April 2004, Zl. 1032264/Frb, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot wegen Verdacht auf bloße Scheinehe erlassen.

1.3. Gegen diesen ihm am 27. April 2004 zugestellten Bescheid hat der Beschwerdeführer die vorliegende, am 11. Mai 2004 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung eingebracht. Diese wurde von der Erstbehörde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vorgelegt und von letzterer formlos an den Oö. Verwaltungssenat weitergeleitet.

2. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

2.1. Nach der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.157/2005 (im Folgenden: FPG), entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist, über Berufungen gegen Entscheidungen nach dem FPG im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, in allen anderen Fällen hingegen die Sicherheitsdirektionen (in letzter Instanz).

2.2. Gemäß der - aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklichen - Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z. 8 FPG ist unter einem EWR-Bürger ein Fremder zu verstehen, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Dieses EWR-Abkommen (BGBl. Nr. 909/1993 i.d.F. 566/1994, zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 53/2006) wurde zwar von zahlreichen Staaten und Staatengemeinschaften, nicht jedoch von jenem Staat, dessen Angehöriger der Rechtsmittelwerber ist (Serbien), ratifiziert. Eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates nach § 9 Abs. 1 Z. 1 erste Alternative FPG scheidet daher - ebenso wie eine solche gemäß § 9 Abs. 1. Z. 1 zweite Alternative FPG ("Schweizer Bürger") - schon von vornherein aus.

2.3. Es bleibt daher zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer als ein "Begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 9 Abs. 1 Z. 1 dritte Alternative i.V.m. § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG anzusehen ist.

2.3.1. Unter einem (bloßen) "Drittstaatsangehörigen" ist gemäß § 2 Abs. 4 Z. 10 FPG jeder Fremde, der nicht EWR-Bürger ist (vgl. FN 2), zu verstehen.

2.3.2. Nach § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG gelten dem gegenüber als "Begünstigte Drittstaatsangehörige" solche Fremde, die zwar selbst nicht EWR-Bürger, aber entweder der Ehegatte oder (eigene) geradlinig Verwandte (bzw. geradlinig Verwandte des Ehegatten) eines EWR-Bürgers, eines Schweizer Bürgers oder eines Österreichers, der - soweit überhaupt möglich - sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, sind. Hinsichtlich derartiger geradlinig Verwandter ist weiters insofern zu unterscheiden, als den in gerader absteigender Linie Verwandten dieser Status jeweils bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (bzw. darüber hinaus, sofern ihnen tatsächlich Unterhalt gewährt wird) zukommt; den in gerader aufsteigender Linie Verwandten hingegen nur, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird und ein solcher Drittstaatsangehöriger den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder Österreicher, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, tatsächlich begleitet oder diesem nachzieht.

Um die Stellung eines "Begünstigten Drittstaatsangehörigen" erlangen zu können, muss der EWR-Bürger oder der Österreicher sein "Recht auf Freizügigkeit" in Anspruch genommen haben.

Nach § 2 Abs. 4 Z. 15 FPG ist unter "Recht auf Freizügigkeit" das gemeinschaftliche Recht eines EWR-Bürgers, sich in Österreich niederzulassen, zu verstehen. Das "Recht auf Freizügigkeit" für einen Österreicher lässt sich aus dem Gemeinschaftsrecht oder den - umgesetzten - nationalen Vorschriften jenes Staates entnehmen, in dem er sein Niederlassungsrecht in Anspruch nehmen möchte.

Nur jene EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit tatsächlich in Anspruch genommen und sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufgehalten haben, sind unter den Voraussetzungen des § 51 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2006 (im Folgenden: NAG), zur Niederlassung berechtigt und als freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger anzusehen. Auch Österreicher müssen, um als Freizügigkeitsberechtigte betrachtet werden zu können, ihr Recht auf Freizügigkeit in einem von ihnen gewählten EWR-Mitgliedstaat in Anspruch genommen und sich dort entsprechend den umgesetzten nationalen Rechtsvorschriften länger als drei Monate aufgehalten und in der Folge niedergelassen haben.

2.3.3. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt geht hervor, dass der Rechtsmittelwerber mit einer Österreicherin verheiratet ist, die offensichtlich weder zum Zeitpunkt der Eheschließung noch in der Folge ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat.

Weiters geht aus dem vorgelegten Akt zwar hervor, dass der Bruder des Rechtsmittelwerbers in Österreich lebt und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, dieser aber zu ihm nicht in gerader absteigender Linie verwandt ist. Derartiges wird auch von ihm selbst gar nicht behauptet

Somit ist der Beschwerdeführer kein "Begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG.

2.3.4. Im Ergebnis ist daher - weil auf den vorliegenden Fall keine der dort angeführten Alternativen zutrifft - eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates nach § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG nicht gegeben; vielmehr fällt es nach dem in § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG normierten Auffangtatbestand in die Kompetenz der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, über die vorliegende Berufung zu entscheiden.

2.4. Aus allen diesen Gründen hatte der Oö. Verwaltungssenat daher - weil die gegenständliche Berufung bereits an ihn weitergeleitet worden war (s.o., 1.4.) - in sinngemäßer Anwendung des § 66 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG bescheidmäßig seine Unzuständigkeit festzustellen und das Rechtsmittel an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weiterzuleiten (vgl. e contrario VwGH v. 30. Mai 1996, 94/05/0370 - verst. Senat).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. G r o f

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 27. November 2006, Zl.: B 1383/06-6

Beachte: 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 15.05.2007, Zl.: 2007/18/0039-6

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