Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720085/5/BMa/Be

Linz, 20.06.2006

 

 

 

VwSen-720085/5/BMa/Be Linz, am 20. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann aus Anlass der Berufung des P, vertreten durch Dr. W E, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 18. Jänner 2005, Zl. 10448651/FRB, beschlossen:

 

  1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung über diese Berufung sachlich nicht zuständig.
  2. Die Berufung wird an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weitergeleitet.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 iVm § 6 Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004

 

 

Begründung:

 

1.1. Der Berufungswerber, ein türkischer Staatsangehöriger reiste am 9. April 2003 nach Österreich ein und stellte am 10. April 2003 beim Bundesasylamt einen Asylantrag. Dieser wurde am 7. September 2004 zurückgezogen, weil er am 26. August 2004 die Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen N Ü geschlossen hatte. Nachdem N Ü zu ihrer Eheschließung befragt und ein Zeuge einvernommen worden war, bestand für die Behörde kein Zweifel daran, dass die Ehe des Berufungswerbers nur zum Schein geschlossen worden war, damit er sich für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung auf die Ehe berufen konnte. Mit Bescheid vom 28. Jänner 2005 erließ der Polizeidirektor von Linz gegen den Berufungswerber ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für Österreich. Der Berufungswerber wurde am 27. Jänner 2005 festgenommen und am 3. Februar 2005 in die Türkei abgeschoben.

 

1.2. Die am 11. Februar 2005 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung gegen den Bescheid vom 28. Jänner 2005, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, wurde dem Oö. Verwaltungssenat am 17. Jänner 2006 von der Bundespolizeidirektion Linz vorgelegt.

 

    1. Als Berufungsgründe wurden die Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung angeführt. Der angefochtene Bescheid sei von falschen Tatsachen ausgegangen, so liege keine Scheinehe vor und durch das Aufenthaltsverbot sei auch massiv in das Berufsleben des Rechtsmittelwerbers, sohin in seine Privatsphäre eingegriffen worden. Es werde auch auf das derzeit laufende Vorabentscheidungsverfahren, welches vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund ähnlicher Beschwerden beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft anhängig gemacht worden sei, hingewiesen. Es sei davon auszugehen, dass ein Aufenthaltsverbot über einen türkischen Staatsangehörigen aufgrund der Schutzgarantien des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei nicht rechtmäßig sei.

Abschließend wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des Verfahrens beantragt.

 

1.4. Mit Schreiben vom 31. März 2006 wurde ein Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 6. Juni 2005 vorgelegt, wonach N Ü für schuldig befunden wurde, sie habe am 15. November 2004 in Linz bei der Fremdenpolizei der BPD Linz im Zuge einer förmlichen Vernehmung als Zeugin zur Sache falsch ausgesagt, indem sie angab, mit E P eine Scheinehe eingegangen zu sein, obwohl sie gewusst habe, dass diese Aussage falsch war.

Nachdem durch ein ordentliches Gerichtsverfahren geklärt worden sei, dass die Gattin des Berufungswerbers am 15. November 2004 falsch ausgesagt habe, seien die Entscheidungsgründe, derentwegen das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, weggefallen. Am 20. April 2006 langte eine eidesstaatliche Erklärung, die mit 11. April 2006 datiert ist, beim Unabhängigen Verwaltungssenat ein, wonach N Ü angegeben habe, ihre Ehe mit E P sei nach wie vor aufrecht. Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 wurde eine Ablichtung des Urteils des Landesgerichtes Linz vom 29. März 2006 vorgelegt, wonach der Berufung der N Ü gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 6. Juni 2005 keine Folge gegeben wurde (lediglich der Berufung wegen Strafe wurde Folge gegeben und die ausgesprochene Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen).

 

2. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

Gemäß § 9 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz 2005 entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen nach dem FPG sofern nichts anderes bestimmt ist,

  1. im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und
  2. in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz.

 

[Gemäß Ausschussbericht zum FPG hält der Ausschuss bezüglich des in § 9 Abs.1 Z.1 FPG angeführten Personenkreises fest, dass entsprechend dem Urteil des EuGH vom 2.6.2005 in der Rechtssache C-136/03, wonach die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der RL64/221/EWG für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 über die Entwicklung der Assoziation zukommen, gelten, für diese

§ 9 Abs.1 Z.1 anzuwenden ist.]

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 11 ist begünstigter Drittstaatsangehöriger unter anderem der Ehegatte eines Österreichers, der sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat.

 

Im konkreten Fall ist der Berufungswerber mit einer Österreicherin verheiratet, die aber ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat. Damit ist der Berufungswerber nicht begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn der vorzitierten Bestimmung.

 

Dem Berufungswerber kommt auch nicht die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 über die Entwicklung der Assoziation zu, weil er sich vor seiner Eheschließung am 26. August 2004 aufgrund eines Asylantrages in Österreich aufgehalten hat. Nach ständiger Rechtssprechung des VwGH begründet eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung eines Asylwerbers gemäß § 19 Asylgesetz keine gesicherte Position des Fremden am Arbeitsmarkt, da sie nach Abs.4 mit Einstellung oder rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens endet (Metin Akyürek Das Assoziationsabkommen EWG-Türkei,

Seite 62). Während der in Art. 6 Abs.1 ARB genannten Zeiträume muss sowohl die Beschäftigung des betroffenen türkischen Arbeitnehmers im Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen, als auch sein Aufenthalt in Einklang mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedsstaates gestanden haben. Erst wenn dann der betreffende türkische Arbeitnehmer im Anschluss an einen derartigen Zeitraum ordnungsgemäßer Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt verbleibt, kann er sich hinsichtlich des Rechts zur Fortsetzung dieser ordnungsgemäßen Beschäftigung sowie des diesem Zweck dienenden Rechts auf Aufenthalt auf Art.6 Abs.1 ARB berufen. Diese Voraussetzungen erfüllen Fremde, die eine - wenn auch allenfalls im Einklang mit den Bestimmungen des AuslBG stehende - Beschäftigung ausüben, dann nicht, wenn ihr Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet bloß aufgrund einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung besteht. Die letztgenannte Berechtigung vermittelt nämlich keine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtssprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften. Denn das asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsrecht endet nach den maßgeblichen asylrechtlichen Bestimmungen mit dem - zu einem ungewissen Zeitpunkt eintretenden - Abschluss des Asylverfahrens (vgl. VwGH 1.6.2001, 2001/19/0001).

 

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der Berufungswerber sich nicht auf die Begünstigung des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 über die Entwicklung der Assoziation berufen kann, weil er sich nach Zurückziehung seines Asylantrages am 7. September 2004 bis zu seiner Abschiebung am 3. Februar 2005 nicht einmal in der Dauer von einem Jahr aufgrund einer nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschrift in Österreich aufgehalten hat.

 

Damit aber ist auch eine Zuständigkeit gemäß § 9 Abs.1 Z.1 FPG 2005 zu verneinen und die Zuständigkeit gemäß § 9 Abs.1 Z.2 der Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz gegeben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bergmayr-Mann

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