Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720090/6/BMa/Ps

Linz, 28.06.2006

 

 

VwSen-720090/6/BMa/Ps Linz, am 28. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Berufung des B Y, geb. , türkischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Wels vom 22. Juni 2005,
Zl. IV-1001288/FP/05, wegen eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

 

  1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung über diese Berufung sachlich nicht zuständig.
  2. Die Berufung wird an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weitergeleitet.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 iVm § 6 Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Berufungswerber ist im Jahr 1990 nach Österreich zugezogen, verheiratet und Vater von fünf Kindern. Zwei seiner Kinder leben in Deutschland und drei in Österreich, das jüngste Kind im Alter von 12 Jahren im gemeinsamen Haushalt mit der Gattin des Berufungswerbers in Wels.

 

Mit Urteil des Bezirksgerichts Raab vom 30. November 1994, AZ.: U107/94, ist der Berufungswerber gemäß § 83 Abs.1 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen und mit Urteil des Bezirksgerichts Raab vom 18. Februar 1998, AZ.: U25/98x, gemäß § 27 Abs.1 SMG zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden.

 

Am 11. September 2001 wurde dem Berufungswerber vom Magistrat der Stadt Wels eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. April 2003, AZ.: 11Hv50/2002w, ist der Berufungswerber wegen § 107 Abs.1 StGB (gefährliche Drohung) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten, mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 7. November 2003, AZ.: 15Hv130/2003s, gemäß § 27 Abs.1 erster und zweiter Fall SMG wegen Erwerbs und Besitzes von Suchtgift zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen und mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 18. März 2005, AZ.: 12Hv23/05m, nach § 28 Abs.2 vierter Fall und Abs.3 erster Fall SMG (In-Verkehr-Bringen von Suchtgift und gewerbsmäßiges In-Verkehr-Bringen von Suchtgift) zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt mit einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt worden.

 

Am 31. Jänner 2003 beendete der Rechtsmittelwerber als Arbeiter bei der Firma A H sein letztes ordentliches Beschäftigungsverhältnis.

Von 1. Februar 2003 bis 27. Mai 2004 bezog er mit Ausnahme von 17. bis 19. April 2004 Arbeitslosen- oder Krankengeld. Von 28. Mai bis 15. Juni 2004 bezog er Notstands- und Überbrückungshilfe und ab 21. Mai 2005 bis 23. März 2006 sowie von 29. März 2006 bis 11. Juni 2006 abwechselnd Notstands- und Überbrückungshilfe und Krankengeld.

 

Mit Bescheid vom 22. Juni 2005 erließ der Polizeidirektor von Wels gegen den Berufungswerber ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

 

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Berufungswerber am 23. Juni 2005 zugestellt wurde, erhob dieser rechtzeitig durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Berufung. Diese wurde am 17. Jänner 2006 dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt.

 

 

1.3. In der Berufung wird im Wesentlichen ausgeführt, der vorliegende Bescheid sei mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts behaftet, die Ermessensausübung der Behörde sei rechtswidrig, der Sachverhalt sei unvollständig ermittelt worden, wodurch auch eine sachliche Ausübung des Ermessens nicht möglich gewesen sei, die Behörde habe darüber hinaus ihre Begründungspflicht verletzt und aktenwidrig festgestellt, dass der Berufungswerber sich "erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet aufhalte, keiner legalen Beschäftigung nachgehe, weder kranken- noch sozialversichert sei und auch in Österreich über keine familiären Bindungen verfüge".

 

Der Berufungswerber unterziehe sich derzeit freiwillig einer Suchtmitteltherapie, daher sei spätestens nach Erfolg der Therapierung und erfolgtem Entzug ein "normales" Leben des Berufungswerbers gewährleistet. Die Dauer einer derartigen Therapie sei absehbar, weshalb mit einem befristeten Aufenthaltsverbot jedenfalls das Auslangen gefunden werden könnte.

 

Es wird daher die ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Aufhebung und Zurückverweisung an die erste Instanz, in eventu die Abänderung des angefochtenen Bescheids dahingehend, dass lediglich ein befristetes Aufenthaltsverbot ausgesprochen wird, beantragt.

 

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und von der Österreichischen Sozialversicherung ( GKK) einen Versicherungsdatenauszug betreffend den Berufungswerber angefordert. In diesem scheinen die Daten beginnend mit 1. April 1990 bis 11. Juni 2006 auf.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem im Verfahren ausschließlich die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt. Im Übrigen liegt kein darauf gerichteter Parteiantrag vor (§ 67d AVG).

 

 

3. Zur Zuständigkeitsfrage ist auszuführen:

 

3.1. Gemäß § 9 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 157/2005 (im Folgenden: FPG), entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen nach dem FPG, sofern nichts anderes bestimmt ist,

  1. im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und
  2. in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz.

Im Ausschussbericht (1055dB., XXII.GP) wurde festgehalten, dass entsprechend dem Urteil des EuGH vom 2. Juni 2005 in der Rechtssache C-136/03, wonach die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Artikel 6 oder Artikel 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zukommt, gelten, für diese § 9 Abs.1 Z.1 anzuwenden ist.

Die Richtlinie, auf die sich das vorzitierte EuGH-Urteil bezieht, wurde durch die Richtlinie 2004/38/EG aufgehoben.

Gemäß Art. 8 der (aufgehobenen) Richtlinie 64/221/EWG müssen Betroffene gegen die Entscheidung, durch welche die Einreise, die Erteilung oder die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verweigert wird, oder gegen die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet die Rechtsbehelfe einlegen können, die Inländern gegenüber Verwaltungsakten zustehen.

Gemäß Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG trifft, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und über die Entfernung des Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet, außer in dringenden Fällen, erst nach der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist.

Gemäß Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 hat vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung der türkischen Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat

- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung
seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen
Arbeitsplatz verfügt;

- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den
Arbeitnehmern aus den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden
Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner
Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den
Arbeitsämtern dieses Mitgliedsstaates eingetragenes anderes Stellenangebot
zu bewerben;

- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von
ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis. Gemäß
Art. 6 Abs.2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei
werden der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft,
Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit den Zeiten ordnungsgemäßer
Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die
von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind,
sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten
ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die
aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

Gemäß Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

- vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;

- freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

Nach der Rechtsprechung des EuGH entfalten die Bestimmungen des ARB 1/80 - wie auch des Assoziationsabkommens und des Zusatzprotokolls - unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten, wenn sie unter Berücksichtung ihres Wortlautes und im Hinblick auf ihren Sinn und Zweck eine klare und eindeutige Verpflichtung enthalten, deren Erfüllung oder deren Wirkung nicht vom Erlass eines weiteren innerstaatlichen Umsetzungsaktes abhängt. Der EuGH hat den Artikeln 6 Abs.1 und 7 ARB 1/80 ausdrücklich unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten zuerkannt. Dies bedeutet, dass sich türkische Staatsangehörige, die die Vorraussetzungen dieser Vorschriften erfüllen, unmittelbar auf die in diesen Vorschriften gewährten Rechte berufen können.

Der ARB 1/80 enthält an sich nur beschäftigungs-, nicht aufenthaltsrechtliche Regelungen. Der EuGH geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die beschäftigungsrechtlichen Vergünstigungen, die türkischen Staatsangehörigen vor allem in den Art. 6 und 7 ARB 1/80 verliehen werden, zwangsläufig auch ein Aufenthaltsrecht dieser Personen im jeweiligen EU-Mitgliedsstaat implizieren, weil sonst die in diesen Bestimmungen eingeräumten Arbeitsmarkt-Zugangsrechte wirkungslos wären. Dieses vom EuGH im Wege der Rechtsfortbildung gewonnene assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht ist somit abgeleiteter Natur und besteht grundsätzlich nur so lange, wie der türkische Arbeitnehmer im Bundesgebiet ordnungsgemäß beschäftigt ist bzw. dem Arbeitsmarkt angehört. Für den Fall, dass ein türkischer Staatsangehöriger bereits das Recht erlangt hat, gemäß Art. 6 Abs.1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, kann ein Aufenthaltsrecht bestehen, auch ohne dass er beschäftigt ist.

Da das Assoziationsrecht insgesamt einen integralen Bestandteil des Gemeinschaftsrecht bildet, ist das aus den Bestimmungen des ARB 1/80 abgeleitete Aufenthaltsrecht zugleich supranationaler Rechtsnatur und genießt als solches - nach ständiger Rechtsprechung des EuGH - Anwendungsvorrang gegenüber entgegenstehenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechtes.

Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 2. Juni 2005 in der Rechtssache C-136/03 wird festgehalten, dass die im Rahmen von Art. 48 EG-Vertrag geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden müssen. Demnach sind die im Rahmen von Artikel 3 der Richtlinie 64/221 aufgestellten Grundsätze auf türkische Arbeitnehmer, die die durch den Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte in Anspruch nehmen können, übertragbar. Die nationalen Gerichte haben daher diese Grundsätze bei der Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer gegenüber einem türkischen Arbeitnehmer gesetzten Maßnahme der Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zu berücksichtigten.

Weiters hält es der EuGH für geboten, dass die in den Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221 niedergelegten Grundsätze auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, zu übertragen sind. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtschutzes zur Geltendmachung der individuellen Rechte türkischer Staatsbürger gewährleistet ist, ist es unabdingbar, ihnen die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden; es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Auslegung gilt nicht nur für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 zukommt, sondern auch für ihre Familienangehörigen, deren Stellung sich nach Art. 7 dieses Beschlusses richtet. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es nicht gerechtfertigt, für diese Staatsangehörigen, die sich legal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhalten, in Bezug auf die ihnen mit dem Beschluss Nr. 1/80 zuerkannten Rechte ein eigenständiges Schutzniveau vorzusehen, das hinter dem der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221 zurückbleibt. Denn wenn Artikel 14 Abs.1 dieses Beschlusses den zuständigen nationalen Behörden nicht, wie der Gerichtshof bereits im Urteil C entschieden hat, Verfahrensgrenzen setzen würde, die denen entsprechen, die für eine gegenüber einem Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates getroffene Ausweisungsmaßnahme gelten, dann stünde es den Mitgliedsstaaten völlig frei, die Ausübung der Rechte unmöglich zu machen, auf die sich türkische Staatsangehörige, die ein im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumtes Recht besitzen, berufen können.

Diese zur Richtlinie 64/221/EWG ergangene Judikatur des EuGH ist zur Vermeidung eines eigenständigen Schutzniveaus für türkische Staatsangehörige, denen die Begünstigung gemäß des Beschlusses Nr. 1/80 zukommt, auch auf die Richtlinie 2004/38/EG anzuwenden, die unter anderem die Richtlinie 64/221/EWG aufgehoben und die dort festgelegten Verfahrensgarantien neu geregelt hat.

In Abs.22 der Erwägung der Gründe zur Erlassung der Richtlinie 2004/38/EG wird nämlich dargelegt, dass der Vertrag eine Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit, oder Gesundheit vorsieht. Um eine genauere Definition der Umstände und Verfahrensgarantien sicherzustellen, unter denen Unionsbürger und deren Familienangehörigen die Erlaubnis zur Einreise verweigert werden kann oder unter denen sie ausgewiesen werden können, sollte die vorliegende Richtlinie die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, ersetzen.

Aus den Gründen zur Erlassung der Richtlinie 2004/38/EG, die bis 30. April 2006 von den Mitgliedstaaten umzusetzen war, geht nicht hervor, dass mit dieser Richtlinie eine Schlechterstellung der türkischen Staatsangehörigen in ihren Verfahrensgarantien gegenüber der Richtlinie 64/221 vorgenommen werden sollte.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Richtlinie 2004/38 EG, die bereits am 29. Juni 2004 veröffentlicht wurde, in § 9 FPG berücksichtigt wurde. Dies ergibt sich auch aus dem Bericht des Ausschusses (siehe oben).

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates ist daher auch in jenen Fällen von türkischen Staatsangehörigen, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zukommt, zu bejahen.

 

3.2. Im konkreten Fall war der Rechtsmittelwerber - wenn auch mit zahlreichen Unterbrechungen - von 1990 bis 2003 auf wechselnden Arbeitsstellen in Österreich beschäftigt.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass dem Berufungswerber aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit bis zur Aufgabe seiner ordnungsgemäßen Beschäftigung und darüber hinaus für einen "angemessenen Zeitraum" die Rechtsstellung nach Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zugekommen ist, so ist er seit mehr als 3 Jahren keiner ordnungsgemäßen Beschäftigung mehr nachgegangen und hat damit die ihm aus Art. 6 ARB 1/80 zukommenden Rechte verloren.

In der Literatur wurde auf die Bestimmung des § 34 Abs.3 Z 2 FrG, die durch § 54 Abs.5 Z 2 ersetzt wurde, hingewiesen, die einen "angemessenen Zeitraum" bestimme der zur Interpretation der vorerwähnten Dauer der einem "assozationsintegrierten" türkischen Staatsangehörigen zukommenden Rechte herangezogen werden kann. Danach können Fremde, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn ihnen eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, sie länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen sind und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sind.

Als "angemessener Zeitraum" für die Stellensuche ist auch nach Metin Akyürek (Das Assoziationsabkommen EWG-Türkei, Seite 85) ein solcher von längstens einem Jahr anzusehen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Berufungswerber freiwillig oder unfreiwillig arbeitslos geworden ist. Denn bei länger als ein Jahr dauernder Arbeitslosigkeit kann nicht mehr von einer ernsthaften Arbeitssuche mit begründeter Aussicht auf Erfolg gesprochen werden.

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats im konkreten Fall kann somit nicht aus der Begünstigung des Art. 6 ARB 1/80 abgeleitet werden.

3.3. Damit aber ist auch eine Zuständigkeit gemäß § 9 Abs.1 Z 1 FPG zu verneinen und die Zuständigkeit gemäß § 9 Abs.1 Z 2 FPG der Sicherheitsdirektion in letzter Instanz gegeben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

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