Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720091/2/Ste

Linz, 16.02.2006

 

 

 

VwSen-720091/2/Ste Linz, am 16. Februar 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des M HG derzeit Justizanstalt Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 56, 4910 Ried im Innkreis, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Ried im Innkreis vom 23. Dezember 2005, Sich41-81-2005, wegen Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Ried im Innkreis vom 23. Dezember 2005 wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw), einem deutschen Staatsangehörigen, auf der Basis des Fremdengesetzes 1997 ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt (Spruchpunkt 1), einer Berufung dagegen die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt 2) sowie von der Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs im Interesse der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit abgesehen (Spruchpunkt 3).

 

Die Behörde erster Instanz begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Bw, der in Österreich keinen Wohnsitz hat, wegen des Verbrechens der Geldfälschung von einem österreichischen Gericht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt wurde. Darüber hinaus bestünden zwei von deutschen Gerichten verhängte Vorstrafen. Die aktuell vollzogene Strafe übertreffe um ein Vielfaches die Tatbestandsvoraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG, der hier zwar nicht unmittelbar, jedoch wohl als Auslegungshilfe anzuwenden sei. Darüber hinaus sei die Begehung von strafbaren Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren, Wertzeichen und unbaren Zahlungsmitteln von der österreichischen Rechtsordnung besonders verpönt. Eine der deutschen Vorstrafen betreffe darüber hinaus ein Delikt nach dem deutschen Ausländergesetz. Insgesamt sei damit die Prognose berechtigt, dass ein weiterer Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in hohem Maße gefährden würde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei folglich im Interesse dieser Rechtsgüter sowie anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer, dringend geboten.

 

Nach einer begründeten Interessenabwägung im Hinblick auf einen möglichen Eingriff in das Privat- und Familienleben, kommt die belangte Behörde zusammenfassend zum Ergebnis, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots dringend geboten sei. Darüber hinaus sei auch die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit erforderlich, weswegen auch von der Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs Abstand zu nehmen war.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 27. Dezember 2005 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende - am 2. Jänner 2006 (Postaufgabe) und somit rechtzeitig eingebrachte - Berufung.

 

Der Bw begründet diese damit, dass er seit zwei Jahren in einer festen Beziehung mit einer Österreicherin lebe, die er beabsichtigt, nach seiner Entlassung auch zu heiraten und mit der er eine Familie gründen möchte. Dies sei nur in Österreich möglich, da seine Lebensgefährtin in Diersbach in Österreich als Volksschullehrerin arbeiten würde und somit ein gemeinsames Wohnen in der BRD unmöglich sei. Auch seine einzigen Verwandten seien in Österreich wohnhaft. Für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft wäre es für ihn von großer Bedeutung, den Kontakt zu diesen Leuten aufrecht erhalten zu können. Er sei auch zur Arbeitssuche und im Hinblick auf die Stabilisierung des sozialen Status in der Gesellschaft auf deren Hilfe angewiesen. Dies würde ihm bei Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots in Österreich unmöglich gemacht werden.

 

Abschließend beantragt der Bw, den Bescheid der belangten Behörde aufzuheben oder die Dauer des Aufenthaltsverbot herabzusetzen.

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat die Berufung samt dem zugehörigen Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, da der Bw deutscher Staatsangehöriger und daher Angehöriger eines Mitgliedstaates des EWR ist.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder zuständig (vgl. § 67a Abs. 1 AVG).

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats nicht erforderlich war. Eine mündliche Erörterung hätte zu keiner weiteren Klärung des Sachverhalts geführt, der vom Bw in der Berufung auch nicht bestritten wurde. Im Übrigen wurde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von keiner Partei beantragt und steht bereits auf Grund der Aktenlage fest, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist deutscher Staatsangehöriger. Er befindet sich derzeit in der Justizanstalt Ried im Innkreis in Strafhaft mit einem errechneten voraussichtlichen Strafende am 7. September 2007. Er hatte und hat keinen Wohnsitz in Österreich; er ist auch zu keinem Zeitpunkt in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgegangen.

 

Er wurde von einem österreichischen Gericht wegen des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten rechtskräftig verurteilt. Diese Strafe wird aktuell verbüßt. Weitere Vorstrafen (Geldstrafen) bestehen wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt (Amtsgericht Böblingen aus dem August 2000) sowie wegen Beteiligung am unerlaubten Glückspiel (Amtsgericht Böblingen aus dem April 2001) jeweils nach deutschem Strafgesetzbuch.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich - im Wesentlichen auch vom Bw unbestritten - auf Grund der vorliegenden Dokumente.

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Auf der Basis der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 157/2005, ist der Sachverhalt auf Grund des FPG zu beurteilen.

 

3.2. § 86 FPG enthält Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung ua. für EWR-Bürger. Nach Abs. 1 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

§ 86 Abs. 3 bestimmt, dass EWR-Bürgern bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen ist, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

3.2.1. Zu prüfen ist daher zunächst, ob das persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Diese unbestimmten Gesetzesbegriffe sind vor dem Hintergrund der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. Nr. L 56 vom 4. April 1964, S. 850, sowie dem dazu ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Oktober 1977, Rs. 30/77, auszulegen.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat steht zunächst fest, dass das Verhalten des Bw grundsätzlich ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Im konkreten Fall ist dieses Grundinteresse der Gesellschaft darin zu sehen, Geldfälschungen und die damit im Zusammenhang stehende wesentliche Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Zusammenlebens der Menschen zu verhindern. Dieses Grundinteresse ist auch dadurch bestätigt, dass die österreichische Rechtsordnung - insbesondere auch im Strafgesetzbuch - für die einschlägigen Delikte hohe Strafen vorsieht, womit deren hoher Unrechtsgehalt dokumentiert wird. Es handelt sich auch nicht um ein bloßes sonstiges öffentliches Interesse, sondern tatsächlich um ein Grundinteresse, stellt doch gerade die Sicherheit der und das Vertrauen in die Banknoten ein wesentliches Element für das (wirtschaftliche) Zusammenleben der Menschen in der Gesellschaft dar.

 

3.2.2. Vom Bw ist durch sein bisheriges persönliches Verhalten möglicherweise zwar eine tatsächliche, jedoch keine erhebliche Gefahr für dieses Grundinteresse der Gesellschaft ausgegangen und geht wohl auch gegenwärtig keine solche erhebliche Gefahr aus. Zunächst kann - wie auch das Oberlandesgericht Linz in seiner Entscheidung festgestellt hat - aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Böblingen und den daraus ersichtlichen Sachverhalten keine allgemeine Tendenz des Bw zu unredlichen Vermögenserwerben abgeleitet werden. Der Bw hatte im Zuge der strafbaren Handlungen im Wesentlichen die Aufgabe, potenzielle Abnehmer ausfindig zum machen und das Falschgeld in Verkehr zu bringen (die Herstellung erfolgte durch eine andere Person). Er hatte zudem im Strafverfahren ein reumütiges Geständnis abgegeben und zur Wahrheitsfindung beigetragen. Letztlich wurde das nachgemachte Geld auch sichergestellt, was auch das Strafgericht als Reduktion der objektiven Tatschwere ansah.

 

Dazu kommt, dass das Strafgericht vornehmlich generalpräventive Gründe für die Strafhöhe ins Treffen führte, die nach § 86 Abs. 1 vierter Satz FPG im vorliegenden Verfahren gerade unzulässig sind.

 

Letztlich auch auf Grund des gesicherten sozialen Umfelds besteht aus derzeitiger Sicht auch kein Grund zu einer negativen Prognose. Gerade auch auf Grund der (erstmaligen) Strafhaft (deren Hauptzweck ja gerade darin besteht, den Täter das Unerlaubte seiner Tat vor Augen zu führen und ihn von weiteren Straftaten abzuhalten) kann - im Gegenteil - aus derzeitiger Sicht damit gerechnet werden, dass sich der Bw in Hinkunft gesetzeskonform verhalten wird.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenats kann der belangten Behörde daher nicht gefolgt werden, wenn sie - freilich auch auf der Basis einer anderen Rechtslage - für die Person des Bw von einer grundsätzlich negativen Prognose im Hinblick auf das zu schützende Grundinteresse der Gesellschaft ausgeht.

 

3.3. Damit sind aber in der Person des Bw nicht alle Tatbestandselemente konkret und auf den speziellen Fall abgestellt erfüllt. Es liegt damit wie gezeigt - außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt - keine hinreichend schwere (erhebliche) und gegenwärtige Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Es war daher der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

3.4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich damit ein gesonderter Ausspruch zu den Spruchpunkten 2 und 3 des angefochtenen Bescheids, zu denen inhaltlich auch auf die durch das FPG geänderte Rechtslage hingewiesen wird (etwa § 86 Abs. 3 FPG zur Frage des Durchsetzungsaufschubs).

4. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Wolfgang Steiner

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 25.02.2010, Zl.: 2006/18/0098-8

 

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