Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400839/6/Gf/BP/CR/Sta

Linz, 31.08.2006

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des A D, vertreten durch RA Dr. W E, A, 33 A, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 22. August 2006, Zl. Sich40-6059, und Anhaltung in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Linz, zu Recht erkannt:

 

            I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Schubhaftbescheid vom 22. August 2006 sowie die seitherige Anhaltung des Rechtsmittelwerbers werden für rechtswidrig erklärt.

 

            II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Freistadt) hat dem Beschwerdeführer Kosten in der Höhe von insgesamt 673,80 Euro binnen
14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 FPG; § 79a AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 6. November 2003 mit einem nur für die B gültigen Visum von Deutschland  aus kommend in das Bundesgebiet ein, ohne im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung für Österreich zu sein.

 

In der Folge stellte er am 20. November 2003 beim Bundesasylamt (Außenstelle Linz) einen Asylantrag. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. August 2006, zugestellt am 3. August 2006, wurde dieser rechtskräftig abgewiesen und außerdem die B für das weitere Asylverfahren für zuständig erklärt. Seitens des Bundesasylamtes wurde eine rechtskräftige Ausweisung gegen den Bf ausgesprochen. Aufgrund dieser Tatsachen ist nunmehr beabsichtigt, den Bf nach Deutschland abzuschieben.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 22. August 2006, Zl. Sich40-6059, wurde über den Bf gemäß § 57 AVG iVm § 76 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet und diese durch Überstellung in das PAZ der BPD L sofort vollzogen.

 

1.3. Die belangte Behörde ging von folgendem, auch seitens des Bf unbestritten gebliebenen Sachverhalt aus:

 

Der Rechtsmittelwerber ist türkischer Staatsangehöriger und hat in Österreich einen Asylantrag eingebracht. Über diesen Asylantrag wurde nunmehr rechtskräftig negativ entschieden; außerdem wurde bestimmt, dass Deutschland für das weitere Asylverfahren des Bf zuständig ist. Seitens des Bundesasylamtes wurde darüber hinaus eine rechtskräftige Ausweisung gegen ihn ausgesprochen. Der Bf war unmittelbar vor seiner Anhaltung in der Gemeinde Sandl (Bezirk Freistadt) wohnhaft und dort auch aufrecht gemeldet. Er hält sich nach dem rechtskräftigen negativen Abschluss seines Asylverfahrens derzeit widerrechtlich im Bundesgebiet auf.

 

Nach Ansicht der belangten Behörde liegt die Vermutung nahe, dass sich der Bf durch Untertauchen in die Illegalität dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde; der Zweck der Schubhaft kann daher nicht durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden.

 

1.4. Mit Schriftsatz vom 24. August 2006 erhob der Rechtsmittelwerber eine Beschwerde an den Oö. Verwaltungssenat und stellte den Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wolle seiner Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 22. August 2006 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufheben und seine Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären.

 

Begründend führt er dazu im Wesentlichen aus, dass er sich seit seiner Einreise nach Österreich nie den behördlichen Verfahren entzogen habe, stets ordnungsgemäß gemeldet gewesen sei und in seinem Falle keine Gründe vorliegen, die die Anwendung gelinderer Mittel anstelle der Verhängung der Schubhaft ausschließen würden. Er erhalte von in Österreich ansässigen Familienangehörigen schon seit seiner Einreise in das Bundesgebiet finanzielle Zuwendungen, sodass er nie eine Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand habe in Anspruch nehmen müssen.

 

Der Bf hält der belangten Behörde vor, die Anwendung gelinderer Mittel nicht substantiell geprüft zu haben und verweist auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die fehlende Ausreisewilligkeit alleine die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen könne. Grundsätzlich gesteht der Bf zu, dass Österreich von vornherein sein alleiniges Zielland gewesen sei, wendet jedoch ein, dass die Schubhaft zur Sicherung des möglichen Abschiebungsverfahrens nach Deutschland nicht notwendig gewesen sei.

 

Die mangelnde berufliche Verankerung seinerseits könne ihm schon deshalb nicht vorgeworfen werden, da er als Asylwerber keiner legalen Arbeit in Österreich nachgehen könne.

 

2.1. Mit Schreiben vom 24. August 2006 hat die belangte Behörde per Telefax Teile des Fremdepolizeiaktes vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie der Beschwerde entgegen tritt und deren kostenpflichtige Abweisung beantragt.

 

2.2. Mit Schreiben vom 28. August 2006 übermittelt die belangte Behörde einen Aktenvermerk, aus dem zu ersehen ist, dass der Bf entgegen seinen Aussagen bei der Festnahme nicht mittellos war, sondern über ein Barvermögen von 400 Euro verfügt habe. Dieser Umstand sei jedoch erst anlässlich der Anhaltung im PAZ L bekannt geworden.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde bereits hinlänglich geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1.      nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.      unter Berufung auf das FPG oder das AsylG angehalten wird oder wurde oder

3.      gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

Der Bf wurde am 22. August 2006 in Oberösterreich festgenommen und wird im PAZ L für die belangte Behörde in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung in Schubhaft ist daher zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Nach § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG. steht die Anwendung gelinderer Mittel der für die Durchsetzung der Abschiebung, der Zurückschiebung oder Durchbeförderung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

 

4.3. Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass der Bf zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1 FPG in Schubhaft genommen wurde und er gegenwärtig keinen gültigen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet besitzt.

 

Zu prüfen ist jedoch, ob die belangte Behörde in gesetzmäßiger Weise von dem ihr in § 76 Abs. 1 FPG zugestandenen Ermessen Gebrauch gemacht hat und somit die Verhängung der Schubhaft notwendig war, um die Abschiebung zu sichern, oder ob im gegenständlichen Fall auch mit der Verhängung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 iVm Abs. 5 FPG das Auslangen hätte gefunden werden können.

 

In der Begründung des Schubhaftbescheides konnte die belangte Behörde das von ihr angenommene Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 76 Abs. 1 FPG und den Ausschluss gelinderer Mittel nicht ausreichend darlegen. Aus dem − allseits unbestrittenen − Sachverhalt ist nämlich ersichtlich, dass sich der Bf bereits seit beinahe drei Jahren in Österreich aufhält, ohne sich den fremdenbehördlichen Verfahren entzogen sowie ohne gegen seine Meldepflichten verstoßen zu haben. Auch wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen für eine Asylgewährung in Österreich hier nicht vorlagen und auch nicht vorliegen, ist dieser Umstand allein nicht geeignet, die Annahme zu rechtfertigen, dass sich der Bf einer Abschiebung in die B entziehen werde. Eine überdurchschnittlich verfestigte soziale Verankerung in Österreich erscheint jedenfalls dadurch gegeben, dass Familienangehörige in L leben, die sich schon seit 2003 seiner auch finanziell annahmen, weshalb er keiner Bundesbetreuung bedurfte. Die Tatsache, dass der Bf bei seiner Festnahme den Besitz von 400 Euro verschwieg, ist alleine noch nicht ausreichend, um den Erwerb des erforderlichen Lebensunterhaltes durch illegale Arbeit, das Vorliegen von Fluchtgefahr oder ein Untertauchen in die Illegalität als höchst wahrscheinlich annehmen zu können.

 

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates bestehen daher im gegenständlichen Verfahren keine ausreichenden Gründe, die die Anwendung gelinderer Mittel als die Verhängung der Schubhaft auszuschließen vermögen, wobei in diesem Zusammenhang auch auf die behördliche Ermächtigung nach § 77 Abs. 5 FPG hinzuweisen ist.

 

4.4. Die Anordnung der Schubhaft war daher schon zum Zeitpunkt ihrer Verhängung als rechtlich nicht geboten anzusehen, weshalb sich auch deren Aufrechterhaltung als rechtswidrig darstellen würde.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf nach § 79a Abs. 1 bis 3 iVm § 1 Z 1 UVS-AufwandersatzVO Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro (Gebühr: 13 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,73 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. G r o f

 

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