Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720130/2/SR/BP/CR

Linz, 16.10.2006

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des L J N, geboren am., polnischer Staatsangehöriger, vertreten durch Dr. F H, Dr. O U, Mag. A M, Mag. T L, Rechtsanwälte in V, Fasse, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 12. Juli 2006, AZ. Sich40-36573, wegen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer von 5 Jahren zu Recht erkannt:

 

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 86 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 63 ff Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 12. Juli 2006, AZ. Sich40-36573, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) ein Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich für die Dauer von 5 Jahren erlassen. Als Rechtsgrundlage wurden ausschließlich § 60 Abs. 1 Z 1 und 2 und Abs. 2 Z 7 und 8 sowie §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) genannt.

 

Weiters wurde dem Bw gemäß § 86 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub für die Dauer von einem Monat ab Zustellung des Bescheides gewährt.

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Bw seit Oktober 2005 in Österreich aufhalte, um einer Beschäftigung nachzugehen. Der Bw sei sowohl am 18. Jänner 2006 als auch am 10. Februar 2006 bei Bauhilfsarbeiten in 4645 Grünau, Waldwegstraße 41, angetroffen worden, wobei er angegeben habe, als Gesellschafter eines gemeinsam mit Herrn G J in den Niederlanden gegründeten Unternehmens (Europäischer Wirtschaftlicher Zusammenschluss) als Unternehmer von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch zu machen.

 

Die Behörde erster Instanz stellte weiters fest, dass Herr J vom Zollamt Wels am 24. November 2005 und abermals am 27. Februar 2006 wegen illegaler Ausländerbeschäftigung zur Anzeige gebracht worden sei.

 

Wie in der niederschriftlichen Einvernahme vom 18. Jänner 2006 festgehalten, habe der Bw keine Gewerbeberechtigung für Österreich, die Unterkunft in Grünau werde ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt und sein Essen würde er sich überwiegend aus Polen mitnehmen; in Polen würde er über einen Versicherungsschutz verfügen.

 

Am 24. Jänner 2006 habe der Bw beim AMS Gmunden einen Antrag auf Feststellung gestellt, dass er einen wesentlichen Einfluss auf die von ihm mitgegründete Firma W & V. E hätte. Diesem Antrag sei vom AMS Gmunden mit Bescheid vom 14. März 2006 nicht stattgegeben worden; der Bescheid sei mit 28. März 2006 in Rechtskraft erwachsen.

 

Nach Ansicht der belangten Behörde könne aus rechtlicher Sicht daher nur gefolgt werden, dass der Bw für seine Tätigkeit einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bedürfe. Im Fall einer Entsendung durch eine Firma mit Sitz in einem EU-Land, ausgenommen der neuen EU-Staaten, hätte der Bw zumindest über eine Entsendebewilligung verfügen müssen. Er sei jedoch nicht im Besitz einer arbeitsrechtlichen Bewilligung für Österreich, weshalb von einer eindeutigen, illegalen Beschäftigung auszugehen sei; das AMS Gmunden habe rechtskräftig festgestellt, dass er der Bewilligungspflicht nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliege. Dagegen habe der Bw kein Rechtsmittel erhoben.

 

Weiters verwies die belangte Behörde auf § 55 NAG und stellte fest, dass aufgrund dieser Tatsachen und deren Wertung die Annahme gerechtfertigt sei, dass der Aufenthalt des Bw die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde und den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen zuwider laufe.

 

Das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 EMRK wird von der belangten Behörde verneint, da sich sämtliche Familienangehörige des Bw in Polen befänden und er sich erst seit kurzem in Österreich aufhalte. Aufgrund des Sachverhaltes und unter Berücksichtigung der persönlichen Lebenssituation des Bw stehe fest, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegen würden als die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf seine persönliche bzw. familiäre Lebenssituation.

 

Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von 5 Jahren sei erforderlich, um dem Bw den Unrechtsgehalt seiner Handlungen bewusst zu machen; nach Ablauf der 5 Jahre könne davon ausgegangen werden, dass der Bw ähnliche Verstöße gegen die österreichische Rechts- und Werteordnung nicht mehr begehen werde.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch rechtsfreundliche Vertretung in offener Frist Berufung. Darin wird der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu abzuändern und kein Aufenthaltsverbot zu erlassen.

 

Begründend wird ausgeführt, dass der Bw „als Gesellschafter einer Gesellschaft in Form eines Europäischen Wirtschaftlichen Zusammenschlusses in Holland selbständiger Unternehmer“ sei und es ihm deshalb freistehe, in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen.

 

Die Republik Österreich habe die in Holland rechtmäßig erfolgte Gesellschaftsgründung zu akzeptieren und die Ausübung der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit des Bw nicht zu behindern.

 

1.3. Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 legte die belangte Behörde den gegenständlichen Verwaltungsakt vor und betonte in der Gegenschrift ihr Unverständnis darüber, dass der Bw trotz des rechtskräftigen Feststellungsbescheides des AMS Gmunden, der ihn als Arbeitnehmer qualifiziere, dennoch weiterhin auf seiner Selbständigkeit beharre und seiner Beschäftigung auch weiter nachgehe.

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde erster Instanz zu AZ Sich40-36573.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war. Im Verfahren ist im Wesentlichen ausschließlich die Beurteilung von Rechtsfragen strittig und die Akten lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist polnischer Staatsangehöriger und Gesellschafter des niederländischen Unternehmens W & V E (Europäischer Wirtschaftlicher Zusammenschluss). Er hielt sich laut seinen Angaben – abgesehen von kurzfristigen Unterbrechungen jedenfalls von Anfang Oktober 2005 bis Juli 2006 im Bundesgebiet der Republik Österreich auf und verrichtete zumindest am 18. Jänner und am 10. Februar 2006 Bauhilfsarbeiten an zu renovierenden Objekten in 4645 Grünau im Almtal. Ob der Bw auch in der Folge, vor allem nach der Zustellung des Bescheides des AMS Gmunden am 29. März 2006, Bauhilfsarbeiten vorgenommen hat, wurde von der Behörde erster Instanz nicht ermittelt.

 

Die Unterkunft wird dem Bw vom Vorstand und Vertreter des Gesellschafters „Aemstelledam Coöperatief U.A.", Herrn G C C M Jkostenlos zur Verfügung gestellt. Der Bw verfügt über keine Geldmittel und nimmt sich seine Verpflegung (jeweils für ca. drei Wochen) überwiegend aus Polen mit;     über einen Versicherungsschutz verfügt er in Polen, wo auch seine Familienangehörigen leben.

 

Am 24. Jänner 2006 stellte der Bw beim AMS Gmunden einen Antrag auf Feststellung, dass er einen wesentlichen Einfluss auf die von ihm mitgegründete Firma W & V. E hätte. Dem Antrag ist vom AMS Gmunden mit Bescheid vom 14. März 2006, GZ RGS4040/081/003/06 nicht stattgegeben worden; dieser Bescheid  wurde laut im Akt befindlichem E-Mail vom 19. April 2006 am 29. März 2006 zugestellt. Dem Vorlageakt kann nicht entnommen werden, ob dagegen eine zulässige Berufung erhoben worden ist.

 

Gegen den Vorstand und Vertreter des Gesellschafters „Aemstelledam Coöperatief U.A.", den niederländischen Staatsangehörigen G C C M J, wurde vom Zollamt Wels am 24. November 2005 und abermals am 27. Februar 2006 Anzeige wegen illegaler Ausländerbeschäftigung erstattet.

 

2.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus der Aktenlage und wird auch vom Bw im Wesentlichen nicht bestritten.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder zuständig (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige dann zulässig, wenn aufgrund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

Beim Bw handelt es sich um einen polnischen Staatsangehörigen. Die Republik Polen ist am 1. Mai 2004 der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum beigetreten. Auch wenn in den Anhängen zum Beitrittsvertrag gewisse befristete Einschränkungen der Arbeitnehmer- bzw. Dienstleistungsfreiheit für Staatsangehörige der Republik Polen enthalten sind, ist das Vorliegen der Freizügigkeitsberechtigung für polnische Staatsangehörige im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG zu bejahen, weshalb diese Bestimmung zur Anwendung kommt.

 

3.2. § 86 FPG enthält Sonderbestimmungen für den Entzug für die Erlassung von Aufenthaltsverboten für EWR-Bürger. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2006 durfte gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot nämlich nur erlassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG erfüllt waren. Dabei war § 36 Abs. 2 FrG als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 13. Oktober 2000, 2000/18/0013).

 

Demgemäß sind auch die §§ 60 ff FPG als bloßer Orientierungsmaßstab für § 86 FPG anzusehen. Die belangte Behörde hatte als Gründe für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes § 60 Abs. 2 Z 7 und 8 FPG angegeben und dies damit begründet, dass der Bw den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte (Z 7) und von einem Organ der Zollbehörde bei einer Beschäftigung betreten wurde, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen (Z 8).

 

3.3. Wie unter Punkt 3.1. angeführt, muss das persönliche Verhalten des Bw die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden und eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Die Verhinderung von illegaler Beschäftigung zählt unbestritten zum Grundinteresse eines geordneten wirtschaftlichen Zusammenlebens und berührt damit auch grundsätzlich ein Grundinteresse der Gesellschaft.  

 

3.3.1. § 86 Abs. 1 FPG trägt als Spezialnorm der hohen integrationspolitischen Bedeutung der Freiheiten im Binnenmarkt Rechnung, weshalb auch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine so schwerwiegende Beschränkung der Grundfreiheiten restriktiv anzuwenden ist. Dies ist vor allem aus Abs. 2 leg. cit. abzuleiten, der für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige (lediglich) die Ausweisung vorsieht, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) das Niederlassungsrecht fehlt.

 

Stellt man auf den von der Behörde erster Instanz festgestellten Sachverhalt ab, wonach sich der Bw zwar zu Zwecken der Berufsausübung in Österreich aufhält, darf nicht übersehen werden, dass dieser Aufenthalt nicht durchgehend war, sich die Aufenthaltsdauer des Bw nach seiner Unternehmenstätigkeit gerichtet und der Aufenthalt in etwa immer nur 3 Wochen betragen hat (arg.: „nehme mir die Verpflegung für 3 Wochen mit“). Ob in diesem Fall überhaupt von einer Niederlassung nach dem NAG gesprochen werden kann, ist fraglich. Folgt man dennoch der Behörde erster Instanz, dann hätte sie bei dieser Sach- und Rechtslage keinesfalls ein Aufenthaltsverbot erlassen sondern allenfalls ein Verfahren nach § 86 Abs. 2 FPG einleiten dürfen.

 

3.3.2. Zum Vorwurf der Behörde erster Instanz, dass der Bw einer illegalen Beschäftigung in Österreich nachgeht, ist vorerst festzuhalten, dass sich der  Bw als Gesellschafter eines in den Niederlanden niedergelassenen Unternehmens, das zur Erbringung vorübergehender geldwerter grenzüberschreitender Leistungen gegründet wurde, grundsätzlich auf die Dienstleistungsfreiheit gemäß dem EG-Vertrag berufen kann.

 

Nach Anhang XII, Punkt 2 (Freizügigkeit) Abs. 13 zum Beitrittsvertrag 2004, BGBl.III Nr. 54/2004 kann u.a. Österreich, um tatsächlichen oder drohenden schwerwiegenden Störungen in bestimmten empfindlichen Dienstleistungssektoren auf ihrem Arbeitsmarkt zu begegnen, die sich in bestimmten Gebieten aus der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 96/71/EG ergeben könnten, solange es gemäß den vorstehenden festgelegten Übergangsbestimmungen nationale Maßnahmen oder Maßnahmen aufgrund von bilateralen Vereinbarungen über die Freizügigkeit polnischer Arbeitnehmer anwendet, nach Unterrichtung der Kommission von Artikel 49 Abs. 1 des EG-Vertrages abweichen, um im Bereich der Erbringung von Dienstleistungen durch in Polen niedergelassene Unternehmen die zeitweilige grenzüberschreitende Beschäftigung von Arbeitnehmern einzuschränken, deren Recht, in Österreich eine Arbeit aufzunehmen, nationalen Maßnahmen unterliegt. Folgende Dienstleistungssektoren können von der Abweichung betroffen sein:

......

Baugewerbe, einschließlich verwandter Wirtschaftszweige

......

 

Unstrittig ist der Bw Mitgesellschafter einer niederländischen Firma und verfügt über einen Gesellschaftsanteil von 15%. Im Handelsregister der "Kamer van Koophandel und Fabriken für Gooi-  en Eemland" wird die Rechtsform des gegenständlichen Unternehmens als "Europäischer wirtschaftlicher Zusammenschluss" und der Handelsname des Unternehmens mit "W. & V.F. EESV (Wartung & Verwaltung Ferienwohnungen) bezeichnet. Der Betrieb ist wie folgt umschrieben: "Dritte zu beraten und zu begleiten bei der Realisierung, in Betrieb haben; an- und/oder verkaufen; modernisieren und/oder renovieren; auf- und umbauen von Freizeit- und Ferienprojekten".

 

Aus der Verantwortung des Bw (siehe beispielsweise die Niederschrift vom 18. Jänner 2006) ist zu ersehen, dass er nicht wie ein Arbeitnehmer entlohnt wird, sondern dass jeweils nach 6 bis 8 Monaten "abgerechnet" und er entsprechend seinem Anteil am Gewinn oder Verlust beteiligt wird.  

 

Betrachtet man den Bw als Mitgesellschafter eines niederländischen Unternehmens, dann kann er sich gemäß Art. 49 EGV auf die Freizügigkeit des Dienstleistungsverkehrs berufen. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes findet Anhang XII, Punkt 2, Abs. 13 zum Beitrittsvertrag 2004 keine Anwendung. 

 

3.3.3.1. Das AMS Gmunden hat mit Bescheid vom 14. März 2006, GZ: RGS4040/081/1003/06 "dem Antrag des Bw vom 24. Jänner 2006 auf Feststellung, dass er als Mitglied der W. & V. E tatsächlich persönlich einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung dieser Gesellschaft ausübt, nicht stattgegeben." Entsprechend der Aktenlage wurde dieser Bescheid dem Bw am 29. März 2006 zugestellt. Ob dieser Bescheid in der Folge in Rechtskraft erwachsen ist, kann nur vermutet werden. Dem im Akt befindlichen E-Mail vom 19. April 2006 ist zu entnehmen, dass ein "Berufungsschreiben" an das AMS Oberösterreich gerichtet worden war und dieses deswegen nicht als Berufung gewertet wurde, weil dem Schreiben weder ein begründeter Berufungsantrag entnommen werden konnte noch dieses vom Bw stammte. 

 

Folgt man der Ansicht der Behörde erster Instanz, dann ist die Tätigkeit des Bw als Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG anzusehen.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 leg. cit. ist nach "entsprechender Prüfung" und für den Fall der "Abweisung des Antrages" nach Ablauf der Frist die begonnene Tätigkeit umgehend, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides, zu beenden.

 

Nach § 32a Abs. 1 AuslBG (Übergangsbestimmungen zur EU-Erweiterung) gelten    § 1 Abs. 2 lit. l und m leg. cit. nicht für Staatsangehörige der Republik Polen.

 

Gemäß § 32a Abs. 7 leg. cit. ist "§ 18 Abs. 12 leg. cit." für die Beschäftigung von EU-Bürgern gemäß Abs. 1, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in einem nicht in Abs. 6 genannten EWR-Staat zur vorübergehenden Erbringung von Dienstleistungen in das Bundesgebiet entsandt werden, anzuwenden.

 

Nach § 18 Abs. 12 leg. cit. ist für Ausländer, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt werden, keine Entsendebewilligung erforderlich. Die beabsichtigte Entsendung ist jedoch vom Ausländer oder von dessen Arbeitgeber oder vom inländischen Auftraggeber des Arbeitgebers vor der Arbeitsaufnahme bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, in deren Sprengel die Arbeitsleistungen erbracht werden, anzuzeigen. Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat die Anzeige binnen zwei Wochen zu bestätigten (EU-Entsendebestätigung). Sie hat die Entsendung zu untersagen, wenn

1.      der Ausländer im Staat des Betriebssitzes nicht ordnungsgemäß und dauerhaft seit mindestens einem Jahr in einem direkten Arbeitsverhältnis zum entsendenden Arbeitgeber steht oder mit diesem keinen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat oder nicht über die entsprechenden Bewilligungen des Entsendestaates für die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen verfügt     oder

2.      die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere gemäß      § 7b Abs. 1 und 2 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, oder die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen nicht eingehalten werden.

 

3.3.3.2. Aufgrund der Übergangsbestimmungen und dem sich daraus ergebenden Verweis auf § 18 Abs. 12 AuslBG ist für Arbeitnehmer, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt werden, keine Entsendebewilligung erforderlich. Im Hinblick auf die weiteren Ausführungen in der zitierten Bestimmung ist davon auszugehen, dass die Ausstellung der "EU-Entsendebewilligung" lediglich deklaratorischen Charakter aufweist (arg.: .... hat die Anzeige binnen zwei Wochen zu bestätigen).

 

Unter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen hat die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Entsendung zu untersagen. Eine derartige Untersagung ist – mangels bisherigen Antrages des Bw – bis dato nicht erfolgt.

 

Anzumerken ist, dass Teile des § 18 Abs. 12 AuslBG gegen Art. 49 EG zu verstoßen scheinen. So hat die "Erste Kammer" des EuGH im Urteil vom 19. Jänner 2006, C-244/04, bereits die von der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich vorgesehenen "besonderen Erfordernisse (ua. einjährige Vorbeschäftigung) für die Entsendung von Arbeitnehmer aus Drittstaaten durch Dienstleistungsunternehmen aus EU-Staaten in die Bundesrepublik Deutschland" als unverhältnismäßig angesehen und somit als Verstoß gegen Art. 49 EG beurteilt.

 

3.4. Da sich der Bw, für den Fall, dass er als Unternehmer zu betrachten ist, unmittelbar auf die Dienstleistungsfreiheit berufen kann (kein Anwendungsfall des Anhanges XII zum Beitrittsvertrag 2004) bzw für den Fall, dass seine Tätigkeit in Österreich als Beschäftigung im Sinne des AuslBG anzusehen ist, er nach der vorliegenden Sachverhaltskonstellation (die zwar den Versuch, die bestehenden Normen zu umgehen, klar erkennen lassen) keiner Entsendebewilligung bedarf (arg.: keine erforderlich), kann ihm nicht ohne weiteres der behördliche Vorwurf (§ 60 Abs. 2 Z. 8 FPG) gemacht werden.

 

Abgesehen davon, dass die Behörde erster Instanz ausschließlich beim Abspruch über den "Durchsetzungsaufschub" auf die "Eigenschaft des Bw als EWR-Bürger" abgestellt hat, kann im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt das persönliche Verhalten des Bw derzeit nicht dahin gewertet werden, dass dieses eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt und ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt.

 

Schon aufgrund des Fehlens der Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG war der bekämpfte Bescheid aufzuheben. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

                                                                                                                                                        

 

 

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