Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720136/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 05.09.2006

 

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des S E, S, W, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 17. August 2006, Zl. 1-1017145/FP/06, beschlossen:

 

I.                    Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreichs ist zur Entscheidung über diese Berufung sachlich nicht zuständig.

 

II.                  Die Berufung wird an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weitergeleitet.

           

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG.

 

 

Begründung:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein mazedonischer Staatsangehöriger, ist – wie sich dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt entnehmen lässt – bereits erstmals am 5. Mai 2002 illegal in Österreich eingereist. Mit Bescheid der Bundespolizei­direktion Salzburg vom 7. Mai 2002, Zl. IV-1010974/FP/04, wurde gegen ihn ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, weshalb er am 14. Mai 2002 nach Skopje abgeschoben wurde. Am 3. April 2004 hat er eine mazedonische Staatsangehörige, die seit 7. Juni 2004 österreichische Staats­bürgerin ist, in Skopje geheiratet. In der Folge stellte er am 2. August 2004 bei der Bundespolizeidirektion Salzburg einen Antrag um Aufhebung des Aufenthalts­verbotes, welches mit Bescheid vom 16. August 2004, Zl. IV-1010974/FP/04 aufgehoben wurde. Daraufhin stellte er am 18. Juni 2004 einen Erstantrag für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltzweck "begünstigter Drittstaatsange­höriger von Österreicherin", der ihm in der Folge auf Grund mehrerer Verlängerungs­anträge bis 7. September 2006 erteilt wurde. Seither hat er bei zwei verschiedenen Unternehmen gearbeitet.

 

Mit Urteil des LG Wels vom 11. August 2006, Zl. 12Hv86/06b, wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung des Suchtmittelgesetzes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 6 Monaten verurteilt.

 

1.2. In der Folge wurde gegen ihn mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 17. August 2006, Zl. 1-1017145/FP/06, ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

1.3. Gegen diesen ihm am 18. August 2006 zugestellten Bescheid hat der Beschwerdeführer die vorliegende, am 21. August 2006 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung eingebracht. Diese wurde von der Erstbehörde zur Berufungsentscheidung dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt.

 

 

2. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich er­wogen:

 

 

2.1. Nach der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.157/2005 (im Folgenden: FPG), entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist, über Berufungen gegen Ent­scheidungen nach dem FPG im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und be­günstigten Drittstaatsangehörigen die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Län­dern, in allen anderen Fällen hingegen die Sicherheitsdirektionen (in letzter Instanz).

 

2.2. Gemäß der – aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklichen[1] – Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z. 8 FPG ist unter einem EWR-Bürger ein Fremder zu verstehen, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

 

Dieses EWR-Abkommen (BGBl. Nr. 909/1993 i.d.F. 566/1994, zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 53/2006) wurde zwar von zahlreichen Staaten und Staatenge­mein­schaften[2], nicht jedoch von jenem Staat, dessen Angehöriger der Rechtsmit­telwerber ist (Mazedonien), ratifiziert. Eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates nach § 9 Abs. 1 Z. 1 erste Alternative FPG scheidet daher – ebenso wie eine solche ge­mäß § 9 Abs. 1. Z. 1 zweite Alternative FPG ("Schweizer Bürger") – schon von vorn­herein aus.

 

2.3. Es bleibt daher zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer als ein "Begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 9 Abs. 1 Z. 1 dritte Alternative i.V.m. § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG anzusehen ist.

 

2.3.1. Unter einem (bloßen) "Drittstaatsangehörigen" ist gemäß § 2 Abs. 4 Z. 10 FPG jeder Fremde, der nicht EWR-Bürger ist (vgl. FN 2), zu verstehen.

 

2.3.2. Nach § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG gelten dem gegenüber als "Begünstigte Dritt­staatsangehörige" solche Fremde, die zwar selbst nicht EWR-Bürger, aber entwe­der der Ehegatte oder (eigene) geradlinig Verwandte (bzw. geradlinig Verwandte des Ehegatten) eines EWR-Bürgers, eines Schweizer Bürgers oder eines Öster­reichers, der – soweit überhaupt möglich – sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, sind. Hinsichtlich derartiger geradlinig Verwandter ist weiters inso­fern zu unterscheiden, als den in gerader absteigender Linie Verwandten dieser Status jeweils bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (bzw. darüber hinaus, sofern ihnen tatsächlich Unterhalt gewährt wird) zukommt; den in gerader aufsteigender Linie Verwandten hingegen nur, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird und ein solcher Drittstaatsangehöriger den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder Österreicher, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, tatsächlich begleitet oder diesem nachzieht.

 

Um die Stellung eines "Begünstigten Drittstaatsangehörigen" erlangen zu können, muss der EWR-Bürger oder der Österreicher sein "Recht auf Freizügigkeit" in An­spruch genommen haben.

 

Nach § 2 Abs. 4 Z. 15 FPG ist unter "Recht auf Freizügigkeit"[3] das gemeinschaftliche Recht eines EWR-Bürgers, sich in Österreich niederzulassen, zu verstehen. Das "Recht auf Freizügigkeit" für einen Österreicher lässt sich aus dem Gemeinschafts­recht oder den - umgesetzten - nationalen Vorschriften jenes Staates entnehmen, in dem er sein Niederlassungsrecht in Anspruch nehmen möchte.

 

Nur jene EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit tatsächlich in Anspruch genommen und sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufgehalten haben, sind unter den Vor­aussetzungen des § 51 des Niederlassungs- und Aufenthalts­gesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2006 (im Folgenden: NAG), zur Nie­derlassung berechtigt und als freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger anzusehen. Auch Österreicher müssen, um als Freizügigkeits­berechtigte betrachtet werden zu können, ihr Recht auf Freizügigkeit in einem von ihnen gewählten EWR-Mitgliedstaat in Anspruch genommen und sich dort entsprechend den umgesetzten nationalen Rechtsvorschriften länger als drei Monate aufgehalten und in der Folge niedergelas­sen haben. 

 

2.3.3. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt geht hervor, dass der Rechtsmittelwerber mit einer Österreicherin verheiratet ist, die offensichtlich weder zum Zeitpunkt der Eheschließung noch in der Folge ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat.

 

Somit ist der Beschwerdeführer kein "Begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG[4].

 

2.3.4. Im Ergebnis ist daher – weil auf den vorliegenden Fall keine der dort angeführten Alternativen zutrifft – eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates nach § 9 Abs. 1 Z. 1  FPG nicht gegeben; vielmehr fällt es nach dem in § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG normierten Auffangtatbestand in die Kompetenz der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, über die vorliegende Berufung zu entscheiden.

 

2.4. Aus allen diesen Gründen hatte der Oö. Verwaltungssenat daher – weil die ge­genständliche Berufung bereits an ihn weitergeleitet worden war (s.o., 1.4.) – in sinn­gemäßer Anwendung des § 66 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG bescheidmäßig seine Unzuständigkeit festzustellen und das Rechtsmittel an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weiterzuleiten (vgl. e contrario VwGH v. 30. Mai 1996, 94/05/0370 – verst. Senat). 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

 

 



[1] Weil auf diese Weise der Inhalt einer Verfassungsbestimmung durch eine einfachgesetzliche Norm näher konkretisiert wird, noch dazu, wo es um eine zuständigkeitsbegründende Vorschrift zwi­schen unterschiedlichen Gebietskörperschaften, nämlich letztlich um die Klärung der Frage "Unmittel­bare oder  mittelbare Bundesverwaltung?" geht.

[2] Mittlerweile - d.h. seit dem 6. Dezember 2005 - insgesamt 30, darunter zwölf Staaten (im Folgenden kursiv), die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWR-Abkommens (1. Jänner 1994) schon Mitglied der EG waren, sowie drei derzeitige Nicht-EU-Mitglieder (im Folgenden fett): Belgien, Dänemark, Deutschland, EGKS, EWG, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, Tschechien, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien, Slowakei.

[3] Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 39 EGV, Niederlassungsfreiheit nach Art 43ff EGV, Dienst­leistungsfreiheit nach Art 49ff EGV und "Allgemeines Freizügigkeitsrecht" des Art 18 Abs.1 EGV (Fa­milienangehörige von Unionsbürgern, die selbst die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besitzen, können sich nicht auf Art. 18 EGV berufen; ihnen wird ein Aufenthaltsrecht aber sekundärrechtlich gewährleistet [Winfried Kluth, in: Calliess/Ruffert {Hrsg.}, EUV/EGV, Art 18, Rn. 7]).

[4] Dem widerspricht auch nicht die – neben dem offiziellen Ausschussbericht und im Übrigen bloß mit Stimmenmehrheit getroffene – Feststellung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten, 1055 Blg. NR, 22. GP, S 9 f., wonach "die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Artikel 6 oder Artikel 7 des Beschlus­ses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zukommt, gelten". Offensichtlich fand diese Auffassung nämlich dann in der gesetzgebenden Körper­schaft nicht die erforderliche Mehrheit, hätte doch ansonsten keinerlei Hindernis bestanden, diese Wendung ausdrücklich in den Gesetzestext aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist daher diese Feststellung nicht als - insbesondere auch nicht als interpretativ erschließbarer - Inhalt des Geset­zestextes anzusehen, weil die tragfähige Grundlage für eine historische Interpretation entfällt. Denn unter den dargestellten Umständen ist die Annahme einer fiktiven Zustimmung der beschluss­fassenden Mehrheit der Parlamentarier zu dieser (Mehrheits-)Feststellung des Ausschusses für Innere An­gelegenheiten nicht mehr vertretbar, sondern erschiene als rein willkürlich (zu dieser Hypothese bei der historischen Interpretation vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht, 3. Aufl., Wien 1997, 30). Nach herrschender Meinung zum Verhältnis der Auslegungsmethoden im Öffentlichen Recht ist aber ohne­hin stets vom Vorrang des Gesetzeswortlauts und damit von der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung bei äußerster Zurückhaltung gegen­über Methoden "berichtigender" Interpretation auszugehen (vgl. mit zahlreichen Nachw. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Wien 1996, 101 f). Für eine prinzipiell objektive Ausle­gung treten daher auch Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Bundes­verfassungsrechts, 9. Auflage, Wien 2000, RN 132 ("Wenn also der objektive Ausdruck deutlich ist, so ist er maßgeblich, unabhängig davon, ob der [subjektive] Wille damit übereinstimmt, divergiert oder überhaupt undeut­lich ist") unmissverständlich ein. Deshalb ist auch nach übereinstimmender Rechtsprechung der Gerichtshöfe des Öffentlichen Rechts bei einem Widerspruch zwischen dem klaren Gesetzeswortlaut und den an sich unverbindlichen Materialien ausschließlich das Gesetz maßgeblich und ent­scheidend (vgl. schon VfSlg 4340/1963, 4442/1963 5153/1965 und 7698/1975 sowie VwSlg 5362 A/1960). Auf andere Erkenntnisquellen (wie Regierungsvorlage und Steno­graphische Protokolle) außerhalb des Gesetzeswortlauts, die für sich allein nichts über den Inhalt aussagen, darf nur bei zweifelhafter Ausdrucksweise des Gesetzgebers zurückgegriffen werden (vgl. die Nachweise aus der Judikatur bei Antoniolli-Koja, a.a.O., 102 FN 38). Dies ist jedoch gegenständlich, wie oben im Text bereits dargelegt, keineswegs der Fall.

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