Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150393/8/Lg/Hue

Linz, 11.10.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 19. September 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des K B, 46 P, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H M, 46 V, B, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 23. Dezember 2005, Zl. 0006692/2005, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.    

 

II.                  Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.:  § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs. 1 VStG.

Zu II.:  §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.      Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 200 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 17 Stunden verhängt, weil er am 8. März 2005 um 9.04 Uhr als Lenker eines Kfz mit dem behördlichen Kennzeichen KI die mautpflichtige A, Mautabschnitt L – L, km 7, benützt habe, ohne dass die für die Benützung der Autobahn vorgeschriebene fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet worden sei, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, einer fahrleistungsabhängigen Maut unterliege.

 

2. In der Berufung brachte der Bw im Wesentlichen vor, dass er sämtlichen Verpflichtungen i.S.d. BStMG sowie der Mautordnung nachgekommen sei. Durch Drücken auf die Bedientaste der GO-Box habe sich der Bw überzeugt, dass nach damaligem Informationsstand ein ordnungsgemäßes Funktionieren gegeben gewesen sei. Weiters habe beim Passieren der Mautabbuchungsstellen ein kurzer Signalton ertönt, wonach der Bw davon ausgehen durfte, dass die Mautentrichtung auf Basis der eingestellten Kategorie von 4 Achsen ordnungsgemäß entrichtet worden sei. Die Einstellung der Achsenzahl sei vor der Fahrt überprüft worden. Dass eine Abbuchung lediglich für 3 Achsen erfolgt sei, sei für den Bw nicht erkennbar gewesen und es könne ihm nicht ein Fehler im Funktionieren der GO-Box bzw. ein Fehler im Zuge der elektronischen Datenvereinbarung (gemeint wohl: Datenverarbeitung) der A zur Last gelegt werden. Auch nach der Fahrt sei die Funktionsfähigkeit der GO-Box überprüft worden. Der Spruch in der Strafverfügung bzw. im Straferkenntnis sei nicht i.S.d. § 44a VStG umschrieben, da nicht angeführt sei, auf welchem Fahrstreifen der A die Verwaltungsübertretung begangen worden sein soll. Sämtliche bisherigen Beweisanträge bleiben aufrecht.

 

Beantragt wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Anwendung des § 21 VStG.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der A vom 22. April 2005 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Die Achsenzahl des Kraftfahrzeuges (4) sei höher gewesen als die eingestellte Kategorie/Achsenzahl am Fahrzeuggerät (3). Der Zulassungsbesitzer sei gem. § 19 Abs. 4 BStMG am 11. März 2005 zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert worden, dieser Aufforderung sei jedoch nicht entsprochen worden.

 

Nach Strafverfügung vom 12. Mai 2005 äußerte sich der Bw im Wesentlichen wie in Teilen der später eingebrachten Berufung und beantragte die Beischaffung der Beweisbilder sowie der technischen Unterlagen hinsichtlich des stationären Messgerätes beim gegenständlichen Mautabschnitt.

 

Einer zusätzlichen Stellungnahme der A vom 18. Juli 2005 ist zu entnehmen, dass gegenständlich ein Anhänger bzw. Sattelanhänger mitgeführt und der Lenker deshalb die Kategorie umzustellen habe. Anhand der Abbuchungen könne festgestellt werden, dass das Mautportal einwandfrei funktioniert habe.

Als Beilage sind zwei Beweisbilder und eine Einzelleistungsinformation vom Tattag angeschlossen.

 

Dazu äußerte sich der Bw wie in Teilen der später eingebrachten Berufung.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung brachte der Bw vor, dass zwischen 9.53 Uhr und 10.00 Uhr die Fahrt nicht unterbrochen und auch die Kategorie bei der GO-Box nicht umgestellt worden sei. Vor Fahrtantritt sei die eingestellte Kategorie der GO-Box vom Bw überprüft worden. Wenn ihm während der Fahrt aufgefallen wäre, dass die Achsenzahl falsch eingestellt gewesen sei, sei es unlogisch nicht sofort abzufahren und eine Nachentrichtung der Maut zu initiieren, da die 70 km bzw. 5 Stunden noch nicht überschritten gewesen seien.  Es sei nicht mehr erinnerlich, ob für den gegenständlichen Tattag oder für einen anderen Tag eine Nachentrichtung der Maut stattgefunden habe. Der Bw sei davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber die Ersatzmaut bezahlt habe, da ihm der entsprechende Geldbetrag vom Lohn abgezogen worden sei. Erst vier oder fünf Monate später sei an ihn eine Strafverfügung ergangen. Der Bw könne die Kopie des Überweisungsbeleges für die Ersatzmaut nachbringen. Die GO-Box sei in der Mitte des Kfz auf der Windschutzscheibe montiert und auf dem Armaturenbrett seien keine Gegenstände abgelegt gewesen. Mit der gegenständlichen GO-Box habe es nie Probleme gegeben, sie sei auch danach nie ausgetauscht worden.

 

Der verkehrstechnische Amtssachverständige führte aus, dass laut der Einzelleistungsinformation der A am Tattag bis 9.53 Uhr drei Achsen und ab 10.00 Uhr 4 Achsen abgebucht worden seien. Aus technischer Sicht könne diese Umstellung der Achsenzahl plausibel nur dadurch erklärt werden, dass die Bedientaste der GO-Box gedrückt worden und es zu einem Anzeigensprung von drei auf vier Achsen gekommen sei. Eine automatische unbeabsichtigte Umschaltung sei aufgrund der konstruktiven Ausführung der GO-Box unplausibel und nicht nachvollziehbar. Der Taster, mit dem eine Achsenverstellung hervorgerufen werden könne, weise einen Druckpunkt aus und müsse eine bestimmte Zeit lang gedrückt werden. Der Drucktaster sei konstruktiv so ausgeführt, dass er praktisch kaum mit Masse behaftet sei, sodass aufgrund dynamischer Fahrvorgänge, Beschleunigungen, Bremsen, Überfahren von Schlaglöchern etc. ein selbständiges Verstellen auszuschließen sei. Die Möglichkeit, dass die Kategorie der GO-Box auf 4 eingestellt wurde und dennoch permanent lediglich 3 Achsen abgebucht werden, sei aufgrund des Abfragealgorithmus und des konstruktiven Aufbaues und der Nahfeldkommunikation zwischen Balken und Box dezidiert auszuschließen. Die dafür erforderlichen einschlägigen Prüfungen über die Störfestigkeit nach den facheinschlägigen EU-Normen liege vor. Ein Verstellen der Kategorie für den Fall, dass ein schwerer Gegenstand länger auf den Drucktaster drückt sei grundsätzlich möglich. Dafür sei aber eine entsprechende Druckkraft und ein Drückdauer von zumindest zwei Sekunden erforderlich. Die eingestellte Kategorie bei der GO-Box könne während der Fahrt über eine Bedientaste optisch angezeigt werden. Weder Handys noch andere vom Bw angeführte technische Geräte würden das Mautsystem aufgrund der Störfestigkeitsprüfung und Frequenzbereiche, in denen diese Geräte arbeiten, beeinflussen.

 

Es wurde vereinbart, dass der Bw die angekündigten Urkunden, insbesondere einen Beleg über die einbezahlte Ersatzmaut, innerhalb von zwei Wochen dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorlegen wird. Seitens des Bw sei die Bereitschaft vorhanden gewesen, die Ersatzmaut zu zahlen. Er sei davon ausgegangen, dass diese durch seinen Arbeitgeber überwiesen worden sei, da ihm der Geldbetrag von seinem Lohn abgezogen worden sei. Es liege deshalb mangelndes Verschulden des Bw vor.

 

 

Mittels Schreiben vom 3. Oktober 2006 übermittelte der Bw dem Oö. Verwaltungssenat Kopien des Ersatzmautangebotes, von Kontoblättern des Arbeitgebers, eines Lohnzettels und von Belegen über die Nachentrichtung der Maut am Tattag.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 6 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 t beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 BStMG ist die Maut durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 BStMG haben Lenker, soweit sie nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, vor der Benützung von Mautstrecken ihr Fahrzeug mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 BStMG haben sich Lenker bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden.

 

Punkt 8.2.2. der Mautordnung besagt, dass bei Ausgabe der GO-Box eine Basiskategorie entsprechend der vorhandenen Achsenanzahl des mautpflichtigen Kraftfahrzeuges eingestellt wird (die Basiskategorie stellt die Untergrenze für eine manuelle Umstellung durch den Nutzer dar). Der Kraftzeuglenker hat vor jedem Fahrtantritt die Kategorie entsprechend Punkt 8.2.4.2. zu überprüfen.

 

Nach Punkt 8.2.4.2. der Mautordnung hat sich der Nutzer vor dem Befahren des mautpflichtigen Straßennetzes über die Funktionstüchtigkeit der GO-Box durch einmaliges Drücken (kürzer als zwei Sekunden) der Bedientaste zu vergewissern (Statusabfrage). Diese Überprüfungspflicht umfasst jedenfalls auch die korrekte Deklarierung und Einstellung der Kategorie gemäß Punkt 8.2.2.

 

Gemäß § 20 Abs. 2 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 Euro bis 4.000 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 20 Abs. 3 BStMG wird eine Übertretung gemäß § 20 Abs. 2 BStMG straflos, wenn der Mautschuldner fristgerecht die in der Mautordnung festgesetzte Ersatzmaut bezahlt.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 300 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 zu keiner Betretung, so hat die A den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organes der öffentlichen Aufsicht beruht und die Geltendmachung der Haftung gemäß § 23 weder offenbar unmöglich noch wesentlich erschwert sein wird. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen drei Wochen ab Ausfertigung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 4).

 

5.2. Aus den vom Bw mittels Schreiben vom 3. Oktober 2006 vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass dieser für die verfahrensgegenständliche Fahrtstrecke zwischen 9.04 Uhr und 9.53 Uhr die Maut für 15 Mautportale nachentrichtet hat, bei denen die Kategorie bei der GO-Box falsch eingestellt gewesen ist, wobei eine Nachentrichtung für 3 weitere Mautportale auf dieser Strecke unterblieben ist. Nicht bezweifelt werden kann, dass mit der Leistung der Nachmaut eine Bestrafung des Lenkers nach § 20 Abs. 2 BStMG nicht mehr in Betracht kommt – die Maut wurde ordnungsgemäß entrichtet (vgl. Wessely, Zum Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, ZVR 7/8 2004, S. 229 ff, 232). Dergestalt präsentiert sich aber der gegenständliche Fall, da die A für die verfahrensgegenständliche Strecke eine Nachentrichtung der Maut akzeptiert hat. Es kann dahingestellt bleiben, aus welchem Grund bzw. von welcher Person (Bw oder A-Mitarbeiter) die Nachentrichtung der Maut für die drei restlichen Mautportale übersehen bzw. nicht vorgeschrieben worden ist.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Bei diesem Ergebnis können die weiteren Vorbringen des Bw unerörtert bleiben. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass – entgegen der Darstellung des Bw in der öffentlichen mündlichen Verhandlung – der Bw sehr wohl während der Fahrt die falsch eingestellte Kategorie bei der GO-Box bemerkt und für die weitere Fahrtstrecke umgestellt haben muss, da er ansonsten keine Nachentrichtung der Maut hätte initiieren können, was die Einschätzung des verkehrstechnischen Amtssachverständigen über die Unwahrscheinlichkeit eines (behaupteten) Systemfehlers weiter stützt. Im Übrigen wurde die angebotene Ersatzmaut am 3. Mai 2005 – also offensichtlich erst lange nach Ablauf der in § 19 Abs. 4 BStMG festgelegten dreiwöchigen Zahlungsfrist – vom Arbeitgeber verbucht. Dieses Fristversäumnis ließ den Strafausschließungsgrund einer (zeitgerechten) Entrichtung der Ersatzmaut nicht zustande kommen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Langeder

 

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