Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161421/14/Sch/Sp

Linz, 16.10.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn G H, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. E K, vom 7.6.2006 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18.5.2006, VerkR96-2665-2004, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 11. Oktober 2006, zu Recht erkannt:

 

I.                     Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 180 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden herabgesetzt werden.

                   Im Übrigen wird die Berufung  abgewiesen.           

II.                   Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 18 Euro. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18.5.2006, VerkR96-2665-2004 wurde über Herr G H, B, S, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. E K, A, L, wegen Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 idgF gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe in der Höhe von 218 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt, weil er am 9.7.2004 um 13.12. Uhr als Lenker des Pkw´s mit dem Kennzeichen … in Linz auf der A7, Richtungsfahrbahn Nord, bei Autobahnkm. 15,7 zu einem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, dass ein rechzeitiges anhalten möglich gewesen wäre, weil er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 125 km/h lt. Videomessung nur einen Abstand von 13,00 Meter einhalten habe, was einem zeitlichen Abstand von 0,38 Sekunden entspricht.

 

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 21,80  Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Anlässlich der eingangs angeführten Berufungsverhandlung ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt ausführlich erörtert worden. Insbesondere wurde Einsicht genommen in die relevante Videoaufzeichnung. Hierauf ist die Übertretung des Berufungswerbers einwandfrei dokumentiert. Zudem wurde die gegenständliche Abstandsmessung vom beigezogenen verkehrstechnischen Amtsachverständigen aus fachlicher Sicht gestützt. Demnach kann an der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Berufungswerbers kein Zweifel bestehen.

 

Zur Bedeutung des richtigen Sicherheitsabstandes zum Vordermann ist grundsätzlich auszuführen:

 Der Anhalteweg für den Lenker eines Fahrzeuges besteht bekanntlich aus dem Reaktionsweg und dem Bremsweg. Als Abstand beim Hintereinanderfahren ist zumindest der Reaktionsweg einzuhalten, welcher die während der Reaktionszeit zurückgelegte Strecke darstellt. Die Reaktionszeit (die Zeit vom Erkennen einer Gefahr bis zum Beginn der Bremshandlung) beträgt ca. eine Sekunde. Sie umfasst die (vermeidbare) „Schrecksekunde“ (bis zu einer halben Sekunde) und die eigentliche (nicht vermeidbare) Reaktionszeit.

 

Die Reaktionszeit ist von persönlichen und äußeren Umständen abhängig, wobei durch persönliche Umstände eine Verkürzung, etwa durch eingeschliffene Reaktionshandlungen, gute Disposition (z.B. Ausgeruhtsein), überdurchschnittliche Veranlagung, Jugendlichkeit, Erwartungsspannung, etc. erfolgen kann. Andererseits ist auch eine Verlängerung möglich, etwa aufgrund Ermüdung, minderer Begabung, Unaufmerksamkeit (z.B. Unterhaltung mit einem Beifahrer) etc.

 

Äußere Faktoren, die zu einer Verkürzung der Reaktionszeit führen können, sind übersichtliche Verkehrssituationen, prägnanter Wahrnehmungsgegenstand, etc. Demgegenüber kann eine Verlängerung der Reaktionszeit bewirkt werden durch komplizierte und seltene Verkehrssituationen, weniger auffällige Wahrnehmungsgegenstände, etc.

 

Bei diesem Durchschnittswert von einer Sekunde verbleibt naturgemäß kaum eine Sicherheitsreserve, weshalb bei der Ausbildung von Kraftfahrzeuglenkern in Fahrschulen ein Mindestabstand von zwei Sekunden für den Regelfall als geboten angesehen und daher entsprechend vermittelt wird.

 

Eine Unterschreitung des Ein-Sekunden-Abstandes bewirkt sohin grundsätzlich eine potenzielle Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, und zwar nicht nur des vorausfahrenden Fahrzeuglenkers, sondern auch anderer, die bei Auffahrunfällen lebensnah zudem zu Schaden kommen können.

 

Der Berufungswerber hat gegenständlich zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeuglenker lediglich einen Sicherheitsabstand von 13 Metern eingehalten, welcher bei einer Fahrgeschwindigkeit von 125 km/h einen Abstand von 0,38 Sekunden darstellt.

Auf der anlässlich der Berufungsverhandlung eingesehenen Videoaufzeichnung ist einwandfrei erkennbar, dass sich dieser Vorgang über eine längere Wegstrecke abgespielt hat.

 

Angesichts des damit verbundenen beträchtlichen Gefährdungspotenziales kann keinesfalls von einem geringfügigen Unrechtsgehalt dieser Übertretung ausgegangen werden. Dazu kommt noch, dass solche Delikte in der Regel einem Fahrzeuglenker nicht nur fahrlässig unterlaufen, sondern – zumindest bedingt – vorsätzlich in Kauf genommen werden.

 

Diese Erwägungen verhindern im Zusammenhang mit der Frage der Strafbemessung den Ausspruch einer Ermahnung iSd § 21 Abs.1 VStG von vornherein.

Dem Berufungswerber war allerdings zugute zu halten, dass ihm der sehr wesentliche Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zukommt. Zudem ist seit dem Vorfall (9.7.2004) und der Berufungsentscheidung ein längerer Zeitraum, fast zwei Jahre und vier Monate, verstrichen, in welchem sich der Berufungswerber, zumindest nach der Aktenlage, wohlverhalten hat. Auch diese Tatsache hat bei der Strafbemessung Eingang zu finden (vgl. dazu § 35 Z18 StGB iVm § 19 Abs.2 VStG).

Die Berufungsbehörde vertritt daher im konkreten Fall die Ansicht, dass auch mit der herabgesetzten Geldstrafe noch das Auslangen gefunden werden kann, um den Berufungswerber künftighin wiederum zur Einhaltung der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu bewegen.

Den von der Erstbehörde angenommenen persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers, insbesondere seinem Einkommen von ca. 1.090 Euro monatlich, wurde nicht entgegengetreten, sodass sie auch der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt werden konnten. Sie lassen erwarten, dass er zur Bezahlung der Verwaltungsstrafe ohne unzumutbare Einschränkung seiner Lebensführung in der Lage sein wird.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

S c h ö n

 

 

 

 

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