Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161473/10/Br/Ps

Linz, 12.09.2006

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J K, geb., O, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, Zl. VerkR96-905-2006, vom 19. Juni 2006, nach der am 12. September 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.     Der Berufung wird im Schuldspruch keine Folge gegeben; im Strafausspruch jedoch mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 40 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf sechs Stunden ermäßigt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II.    Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 4,00 Euro; für das Berufungsverfahren entfällt der Verfahrenskostenbeitrag.

 

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2, § 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem o.a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von 90 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 39 Stunden verhängt, wobei ihm inhaltlich zur Last gelegt wurde, er habe am 24.4.2006 um 06.03 Uhr im Ortsgebiet von Putzleinsdorf auf der L1531, bei Strkm 10.032 (138 m vom Messort bei Haus Markt 20 entfernt), in Fahrtrichtung Ortszentrum die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h überschritten.

 

2. Die Behörde erster Instanz begründete den Schuldspruch mit der von der PI Lembach erstatteten Anzeige, zu welcher sich der Berufungswerber im Rahmen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens nicht geäußert habe.

Die Aussagen des Meldungslegers wären diesem Spruch zu Grunde zu legen gewesen, weil auf die strafrechtlichen Folgen einer nicht der Wahrheit entsprechenden Anzeige Bedacht zu nehmen gewesen sei und die schlüssigen Angaben des Meldungslegers demnach als wahr zu erachten gewesen wären.

 

3. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung entgegen, wobei er auf seine Eingabe vom 19. Juli 2006 verwies. Darin wird im Ergebnis das Messergebnis nicht in Frage gestellt, sondern lediglich gegen den Grund der Messung, die Nichtvorweisung des Messergebnisses und die dem Berufungswerber missfallende Art über die verbale Interaktion durch den Meldungsleger nach der Anhaltung Beschwerde geführt. Diese im gegenständlichen Verfahren als Berufung zu wertende Beschwerdeschrift wurde an mehrere Repräsentanten der öffentlichen Verwaltung und an Medien gerichtet.

Abschließend vermeinte der Berufungswerber einen Beweis der zur Last gelegten Fahrgeschwindigkeit nicht erbracht zu sehen.

Eine Organmandatsstrafe in Höhe von 21 Euro sei ihm angeboten worden, er habe diese jedoch nicht bezahlt, sondern auf eine Abmahnung bestanden.

 

4. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war hier ungeachtet der unter 500 Euro liegenden Geldstrafe in Wahrung der nach Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

 

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Beischaffung des Eichscheines, des Messprotokolls, der Verordnung des Ortsgebietes Putzleinsdorf auf der L1531, sowie deren Verlesung mit dem von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vorgelegten Verwaltungsstrafakt im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Als Zeuge wurde der Meldungsleger und der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen.

Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung ohne der Mitteilung von Gründen nicht teil.

 

5.1. Vorweg gilt es festzustellen, dass in Putzleinsdorf um 6.00 Uhr früh kaum ein Verkehrsaufkommen herrschte und die Messung 91 m nach der in der westlichen Ortseinfahrt übersichtlich verlaufenden L1531 erfolgt ist. Der Berufungswerber erklärt sein Fehlverhalten im Ergebnis mit einem "Hineinrollen" in das Ortsgebiet, wobei sich auf Grund des etwas ansteigenden Straßenverlaufes in Richtung Zentrum die Geschwindigkeit auf das erlaubte Ausmaß reduziert hätte.  Zusammenfassend lässt sich das in Form einer Beschwerde gegen den Meldungsleger konzipierte Berufungsvorbringen als eine in der Messung in den frühen Morgenstunden vom Berufungswerber als Schikane empfunden zusammenfassen.

Daher ist auf das die Verfahrensrelevanz überschießende Berufungsvorbringen seitens der Berufungsbehörde nicht weiter einzugehen.

Festzustellen ist jedoch, dass die Messung offenkundig korrekt ausgeführt und dokumentiert wurde. Es wurde 91 m nach Ortsbeginn die hier zur Last gelegte Fahrgeschwindigkeit durch Rückrechnung vom Standort des Meldungslegers  festgestellt, wobei die Messung vorschriftsmäßig protokolliert und das verwendete Gerät, LTI 20/TS/KM, Nr. 7440, Zulassungszahl. 41015/91 war lt. Messprotokoll v. 24.4.2006 bis Ende 2007 geeicht.

Die Schilderungen des Messvorganges durch den Meldungsleger im Rahmen der Berufungsverhandlung lassen an deren Korrektheit nicht zweifeln. Ein Anspruch auf Einschau in den Display zwecks Sichtung der zur Last gelegten Geschwindigkeit besteht nicht, wenngleich dies im Sinne der Akzeptanz und der Bürgernähe sinnvoll wäre und dies auch der ständigen Praxis entspricht. Warum dies hier unterblieben ist, muss jedoch ebenfalls auf sich bewenden.

Da sich in diesem Bereich die rechte Straßenseite noch gänzlich unverbaut findet und der gesamte Bereich bis zum Standort des Meldungslegers übersichtlich verläuft und sich der Berufungswerber offenkundig als einziges Fahrzeug auf der Straße befand, kann in diesem Fehlverhalten ein substanziierter Nachteil für die Verkehrssicherheit nicht erblickt werden. Aus dem Messprotokoll sind in der Zeit vom Messbeginn um 05:45 Uhr bis zum Messende 06.30 Uhr nur acht gemessene Fahrzeuge verzeichnet. Zwei Lenker wurden abgemahnt, gegen zwei wurde ein Organmandat verhängt und der Berufungswerber wurde angezeigt. Das besagt, dass offenbar nur drei Fahrzeuge bei der Ortseinfahrt mit 50 km/h unterwegs gewesen sein dürften.

Eine erhöhte Lärmentwicklung kann  im Falle des  vom Berufungswerber glaubhaft dargelegten "Hineinrollen lassen" in das Ortsgebiet ebenfalls nicht angenommen werden. Lärmbeschwerden aus der Bevölkerung wurden sowohl im Punkt 8 des Messprotokolls und im Rahmen der Zeugenaussage des Meldungslegers als Motiv für die Lasermessung in den frühen Morgenstunden genannt. Über die Motive und den Sinn der Wahl des Messzeitpunktes und das Erfassen von Lenkern bereits unmittelbar hinter einem Beschränkungsbereich hat der unabhängige Verwaltungssenat ebenfalls nicht zu befinden. Dass Messungen knapp zu Beginn eines Beschränkungsbereiches eher nicht als die vom Landespolizeikommando empfohlene Praxis gelten, soll aber an dieser Stelle dennoch nicht verschwiegen werden.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang etwa auf die in Deutschland herrschende Praxis, die wohl nicht ohne Grund Messungen unmittelbar am Beginn eines Beschränkungsbereiches verbieten (Auszug aus einem Beschluss des OLG Hamm als Berufungsinstanz, vom 16.10.2003, Az: 4 Ss OWi 671/03):

"Bei der Verhängung des Fahrverbots von einem Monat hat das Gericht jedoch rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, dass die Messung 150 m vor dem Ortsausgangsschild und damit entgegen den Vorgaben des Runderlasses des Innenministers vom 12. Februar 1981 - MBl. NW S. 496/SMBl. NW 20530 - in der Fassung vom 22. Mai 1996 erfolgte. Nach Maßgabe dieses Runderlasses sind Messungen grundsätzlich so anzulegen, dass sie von Beginn und Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung mindestens 200 m entfernt sind. Die Entfernung kann am Anfang einer Geschwindigkeitsbeschränkung bis auf 50 m unterschritten werden, wenn die Geschwindigkeit stufenweise herabgesetzt ist und die Messstelle nicht innerhalb des Bereichs der ersten Geschwindigkeitsstufe liegt. Ferner ist eine Unterschreitung der Mindestentfernung von 200 m dann am Anfang und am Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung zulässig, wenn es sich um eine Unfallhäufungsstelle oder um eine schutzwürdige Zone handelt und aufgrund der örtlichen Verhältnisse sonst eine Messung nicht möglich wäre. Da Feststellungen zu den genannten Ausnahmetatbeständen nicht getroffen wurden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass das Maß der Pflichtwidrigkeit so weit herabgesetzt sein kann, dass die Verhängung eines Fahrverbots nicht mehr in Betracht kommt (vgl. OLG Hamm, 5. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 18. Mai 1999 - 5 Ss OWi 1106/99 - m.w.N.)"

Daher ist auch dem hier zu beurteilenden Tatverhalten nur ein geringer und auf den normativen Ungehorsam reduzierter Unwertgehalt zuzumessen, wobei das Fehlverhalten dennoch nicht entschuldbar ist, weil die normative Wirkung der Verordnung ab dem Straßenkilometer 9,941 besteht und die erhöhte Fahrgeschwindigkeit doch 91 m nach diesem Bereich festgestellt wurde.  

Mit der Rückrechnung auf den Tatort vom nicht metergenau determinierten Standort des Meldungslegers (vor Haus Markt 20, "ca. Strkm 10,170") ist im Sinne des § 44a Z1 VStG der Tatort hinreichend präzisiert.

 

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

6.1. Sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren (§ 20 Abs.2 StVO).

Nach § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht u.a. eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, Abs.1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.......

 

7. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

7.1. Hier ist wegen des damals gänzlich fehlenden Verkehrsaufkommens und der Messung nur knapp nach dem Beginn des Beschränkungsbereiches der im Tatbestand – hier in Form eines Ungehorsamsdeliktes – vertypte [geschwindigkeitsabhängige] Unrechtsgehalt hinter dem für derartige Übertretungshandlungen typischen Ausmaß zu qualifizieren. Gemäß der AnonymverfügungsVO der Behörde erster Instanz v. 28.11.2001, Zl. VerkR96-1-2001-We, ist für dieses Ausmaß einer Geschwindigkeitsüberschreitung eine Anonymstrafe von 72 Euro vorgesehen. Dem Berufungswerber wurde laut seinen Angaben und jenen des Meldungslegers sogar eine OM-Strafe in Höhe von 21 Euro (richtig wohl 29 Euro) angeboten. Diese wurde jedoch angesichts eines suboptimalen Gesprächsklimas nicht angenommen.

Der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) muss bei rechtsrichtiger Auslegung auf die Umstände des konkreten Falls anstatt bloß formelhaft zur Anwendung gelangen. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zur Ungleichbehandlung indem ein in der Wirkung je verschieden zur Geltung kommendes Fehlverhalten in der Sanktion bloß nach einem starren Schema dem Sachlichkeitsgebot zuwider liefe (vgl. unter vielen h. Erk. v. 21.2.1997,
VwSen-104374).

Bei der Annäherung an Beschränkungsbereiche ist hier insbesondere auf eine Anpassungsphase Bedacht zu nehmen, weil es sachlich betrachtet doch einen erheblichen Unterschied darstellt, ob sich die erhöhte Geschwindigkeit nur wenige Meter in der auf ökonomische Fahrweise abzielenden "Anpassungsphase" bloß knapp in den Verbotsbereich hineinzieht oder die Überschreitung des Geschwindigkeitslimits nachhaltig bis zum Zentrum dieses Bereiches beibehalten wird.

Andererseits kann hier aber auch nicht mit dem Ausmaß einer OM-Strafe das Auslangen gefunden werden, weil der Berufungswerber die Geschwindigkeit doch recht deutlich überschritten hat und als Strafmilderungsgrund wohl die Einsichtigkeit, nicht mehr jedoch die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zum Tragen kommt.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

Beschlagwortung:

Tatunwert, Abstand vom Beginn des Beschränkungsbereiches, Messpraxis, Lasermessung

 

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