Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161572/7/Br/Ps

Linz, 19.09.2006

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Dipl.-Ing. K T, B, F, vertreten durch die Rechtsanwälte DDr. G P & Mag. S T, P, F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 27. Juni 2006, Zl. VerkR96-636-2005-Gg, nach der am 18. September 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II.    Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 11 Abs.1 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe von 50 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Stunden verhängt und wider ihn folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben am 03.11.2004 den PKW, Kennzeichen auf der Mühlviertler Straße B 310 auf Höhe Strkm 31,400 in Fahrtrichtung Freistadt gelenkt und dabei gegen 16.17 Uhr den PKW, Kennz. überholt und beim Fahrstreifenwechsel vom linken auf den rechten Fahrstreifen sich nicht vorher davon überzeugt, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, weil Sie durch den Fahrstreifenwechsel den am rechten Fahrstreifen fahrenden Lenker des PKW, Kennz. behindert und gefährdet haben, sodass dieser das von ihm gelenkte Fahrzeug stark abbremsen musste, um einen Auffahrunfall zu verhindern."

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Durch eine an die Behörde übermittelte Sachverhaltsdarstellung des Herrn G J vom 03.11.2004 erlangte die erkennende Behörde vom verfahrensgegenständlichen Sachverhalt Kenntnis.  In der daraufhin von der Behörde veranlassten niederschriftlichen Einvernahme des Anzeigelegers führt dieser aus, dass er die Sachverhaltsdarstellung vom 03.11.2004 zu seiner Zeugenaussage erhebt.  Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17.02.2005 wurde Ihnen die im Spruch genannte Verwaltungsübertretung zur Last gelegt.  In der daraufhin von Ihnen abgegebenen Stellungnahme vom 08.03.2005 führen Sie tatrelevant sinngemäß aus, dass es gänzlich unrichtig sei, dass Sie den Fahrstreifenwechsel durchgeführt hätten, ohne sich zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei.  Entgegen der Darstellung des Anzeigelegers habe der Sicherheitsabstand zwischen dem Anzeigeleger und dem vor ihm fahrenden Fahrzeug vor Ihrem Einschermanöver deutlich mehr als 20 m betragen.  Zudem hätte sich Ihrer Erinnerung nach Ihre Gattin, A T, in dem von Ihnen gelenkten Fahrzeug als Beifahrerin befunden. Nach dem Überholmanöver sei es Ihnen auf Grund des großen Sicherheitsabstandes möglich gewesen, ohne Gefährdung des nachfahrenden Straßenbenützers Ihr Fahrzeug auf den rechten Fahrstreifen einzureihen.  Ferner vermeinen Sie, dass bei einem Tiefenabstand von 20 m ein Hineindrängen gar nicht möglich bzw. notwendig sei, da genügend Platz für ein ordnungsgemäßes Einreihen bestehe.  Unter Zugrundelegung der Ausführungen des Anzeigers - so vermeinen Sie - sei beim ordnungsgemäßen Einreihen eine Gefährdung bzw.  Behinderung nicht gegeben gewesen, da der Anzeigeleger zu einem starken Abbremsen nicht veranlasst worden sei.  Sie beantragen ein Sachverständigengutachten wobei von einer Fahrgeschwindigkeit von 65 km/h und unter Zugrundelegung der geschilderten Tiefenabstände ein gefahrloses Einreihen möglich gewesen sei.  Ferner beantragen Sie die Einvernahme Ihrer Ehefrau A T.

 

Die Behörde hat daraufhin ein verkehrstechnisches Gutachten angefordert, wobei eine gefahrene Kolonnengeschwindigkeit von 79 km/h, ein Tiefenabstand von 20 m und eine Überholgeschwindigkeit von 90 km/h bis 100 km/h dem Gutachten zugrunde gelegt wurden.  Der technische Amtssachverständige kommt zusammengefasst zum Schluss, dass unter den dargelegten Randbedingungen davon auszugehen sei, dass der Überholte durch das Einschermanöver ihrerseits zu einem starken Abbremsen seines PKW's gezwungen worden sei, um einen Auffahrunfall sicher zu verhindern.

 

Mit Schriftsatz vom 27.02.2006 wurde Ihnen im Rahmen der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme das Gutachten des Amtssachverständigen zur Kenntnis gebracht.  In der daraufhin von Ihnen abgegebenen schriftlichen Stellungnahme vom 16.03.2006 vermeinen Sie, dass das Sachverständigengutachten dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht zugrunde gelegt werden könne, da dem Gutachten der Bestimmtheitsgrad fehle.  Tatrelevant vermeinen Sie, dass auf Grund der langen völlig freien Sicht nach vorne auf der sogenannten Lester Ebene bereits vor Beginn des Überholvorganges teilweise sehr große Abstände zwischen jeweils zwei Fahrzeuge und damit die Möglichkeit zum Wiedereinordnen erkennbar gewesen sei.  Die Fahrzeugkolonne hätte aus einem LKW-Zug und ca. 10 bis 15 Fahrzeuge bestanden, die wie üblich einen teilweise größeren Tiefenabstand als 20 m eingehalten hätten.  Es wäre Ihnen laufend während des Überholmanövers ein gefahrloses Einordnen auf den rechten Fahrstreifen möglich gewesen.  In Annäherung der sog.  Lester Kreuzung hätten Sie die Überholgeschwindigkeit noch auf der Überholspur reduziert und erkennen können, dass im Hinblick auf einen ausreichenden Abstand zwischen zwei Fahrzeugen ein gefahrloses Wiedereinordnen möglich sei.  Der Abstand zwischen diesen beiden Fahrzeugen betrug zwischen 30 und 40 m. Vor dem Wiedereinordnen hätten Sie Ihre Fahrgeschwindigkeit noch auf der Überholspur annähernd auf die Fahrgeschwindigkeit des überholten Fahrzeuges reduziert.  Diese Geschwindigkeit vor dem Wiedereinordnen werde von Ihnen auf 80 km/h beziffert.  Sie hätten beim Einordnen eine weitere Betriebsbremsung vorgenommen, dies aber lediglich deswegen, um endgültig auf die Geschwindigkeit des vor Ihnen fahrenden Fahrzeuges zu reduzieren.  Diese Geschwindigkeitsverringerung erfolgte von 80 auf 70 km/h.  Demnach sei die im Sachverständigengutachten konstatierte Betriebsbremsung beim Einscheren mit einer Verzögerung von ca. 4 m/s2 auszuschließen.  Weder Ihre Ehegattin noch Ihre Töchter, A und E, hätten weder eine starke Querbeschleunigung noch eine starke Bremsung wahrgenommen.  Das Gutachten gehe daher von falschen Prämissen aus.  Der überholte PKW Lenker hätte Ihre bevorstehende Absicht zum Wiedereinordnen zumindest ab dem Zeitpunkt erkennen können, zu dem sich die beiden Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe befunden hätten.  Er wäre ab diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, Ihnen durch Reduktion der Geschwindigkeit das Wiedereinordnen einwandfrei zu ermöglichen.  Eine solche Geschwindigkeitsreduktion sei jedoch Ihrer Ansicht nach auf Grund des Tiefenabstandes von 30 bis 40 m und Ihrer schon auf 80 km/h reduzierten Geschwindigkeit nicht notwendig gewesen.  Sie beantragen die neuerliche Zuleitung des Aktes an den Amtssachverständigen, um Ergänzungen des Gutachtens dahingehend vorzunehmen, dass auch Ihre Verantwortung als tatsächliche Unterlage der gutachterlichen Beurteilung zugrunde gelegt werde.  Weiters beantragen Sie die Einvernahme der Zeugin A T, A T und E T.

 

Die Behörde geht von folgendem erwiesenen Sachverhalt aus:

 

Sie haben am 03.11.2004 den PKW, Kennz.  auf der Mühlviertler Straße B 310 auf Höhe Strkm 31,400 in Fahrtrichtung Freistadt gelenkt und dabei gegen 16.17 Uhr den PKW, Kennz.  mit einer Geschwindigkeit von 90 bis 100 km/h überholt, wobei das überholte Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h bewegt wurde.  Der Tiefenabstand zwischen dem überholten Fahrzeug und dem vor ihm fahrenden Fahrzeug betrug ca. 20 m. Sie haben beim Einschervorgang die Geschwindigkeit auf ca. 70 km/h (Kolonnengeschwindigkeit) reduziert.

 

Gegenständlicher Sachverhalt unterliegt folgender rechtlicher Beurteilung:

Nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes, oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, la, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

 

Als Beweismittel gelten:

Sachverhaltsdarstellung des Anzeigelegers vom 03.11.2004

niederschriftliche Einvernahme des Anzeigelegers vom 30.11.2004

Sachverständigengutachten vom 22.02.2006

Ihre Angaben in der Stellungnahme vom 08.03.2005 und 16.03.2006

 

Die Behörde hat darüber Folgendes erwogen:

 

Zunächst ist festzuhalten, dass Ihren Beweisanträgen im Schriftsatz vom 16.03.2006, Ihre Ehegattin, Ihre beiden Kinder A und E zeugenschriftliche einzuvernehmen, nicht stattgegeben wird.  Dies deshalb nicht, weil der Anzeigeleger und Zeuge klar und deutlich bereits bei seiner Sachverhaltsdarstellung vom 03.11.2006, die er in seiner Zeugenniederschrift vom 30.11.2004 zur Zeugenaussage erhebt, klar und deutlich feststellt, dass Sie alleine sich im Fahrzeug befunden haben.  Die Behörde schenkt dem Glauben, zumal der Anzeigeleger mit Sicherheit mit erhöhter Aufmerksamkeit gefahren ist, da es ihm möglich war das Kennzeichen abzulesen und wohl auch feststellen konnte, ob Sie sich alleine im Fahrzeug befinden.  Ferner ergibt sich auf Grund Ihrer widersprüchlichen Stellungnahmen, dass die weitere Zuleitung des Aktes an den Amtssachverständigen nicht erforderlich ist.  Zunächst ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass es sich bei Herrn G um einen erfahrenen Polizeibeamten in Ruhestand handelt, dem wohl zuzubilligen ist einen Sicherheitsabstand in etwa einzuschätzen.  Somit wird dem Glauben geschenkt, dass er einen Nachfahrabstand von ca. 20 m eingehalten hat.  Dies ergibt sich auch rechnerisch, zumal bei einer gefahrenen Geschwindigkeit ein Sekundenabstand von 19,44 m einzuhalten ist.  In Ihrer Stellungnahme vom 08.03.2005 vermögen Sie nicht zu beziffern, wie groß der Nachfahrabstand zwischen dem Anzeigeleger und dem vor ihm fahrenden Fahrzeug tatsächlich war.  Vielmehr vermeinen Sie, das bei einem Tiefenabstand von 20 m ein Hineindrängen gar nicht möglich bzw. notwendig sei, da genug Platz für ein ordnungsgemäßes Einreihen bestehe.  Erst als Ihnen das Gutachten des Amtssachverständigen zur Kenntnis gebracht wird und dieser den Nachfahrabstand auch darin entsprechend quantifiziert, geben Sie in der daraufhin abgegebenen Stellungnahme einen Nachfahrabstand von 30 bis 40 m an.  Hier liegt ganz offensichtlich und eindeutig vor, dass Ihnen erst auf Grund dieser Fachinformation der Nachfahrabstand von 20 m - den Sie vorher als ausreichend bezeichnet haben - eindeutig zu gering ist, um ein gefahrloses Wiedereinordnen durchzuführen.  Somit ist es wohl richtig, dass im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren und auch der technische Amtssachverständige von einem Nachfahrabstand von 20 m zwischen dem Anzeigeleger und dem vor ihm fahrenden Fahrzeug ausgegangen wird.  Ferner ist es wohl logisch und aus technischer Sicht auch erforderlich, dass beim Überholen das überholende Fahrzeug einen Mindestgeschwindigkeitsüberschuss zum überholten Fahrzeug von 20 km/h hat.  Daraus ergibt sich, dass Ihre Geschwindigkeit zwischen 90 und 100 km/h beim Überholen des vom Anzeigeleger gelenkten Kraftfahrzeuges betragen hat.  Nicht nachvollziehbar ist Ihre Behauptung, dass Sie bereits vor dem Einspuren, vom linken auf den rechten Fahrstreifen noch während des Überholvorganges Ihre Geschwindigkeit auf 80 km/h reduziert hätten.

Dementsprechend würde sich der Einspurvorgang verzögern.  Dies wäre eine völlig unübliche und für die Behörde nicht nachvollziehbare Fahrweise, wenn ausreichend Platz zum Wiedereinordnen auf den rechten Fahrstreifen gegeben ist.  Somit kann alleine auf Grund dieses Umstandes schon davon ausgegangen werden, dass Sie beim Einspuren auf den rechten Fahrstreifen erkannt haben müssen, dass zu wenig Platz zum gefahrlosen Wiedereinordnen auf den rechten Fahrstreifen besteht und Sie daher, um einen Auffahrunfall auf das vor Ihnen fahrende Fahrzeug zu verhindern, die Geschwindigkeit bereits vor dem Umspuren verringert haben müssen.  Somit geben Sie hiermit indirekt zu, dass Sie bereits während des Überholens erkannt haben, dass ein gefahrloses Wiedereinordnen auf den rechten Fahrstreifen für Sie nicht mehr möglich ist.  Ferner liegt auch durch Ihre Behauptung in der Stellungnahme vom 16.03.2006 ein indirektes Schuldeingeständnis vor, wenn Sie darin ausfahren, dass der überholte PKW-Lenker zur Reduktion seiner Geschwindigkeit verpflichtet gewesen wäre, um Ihnen ein Einordnen zu ermöglichen.

 

Ferner ist hier festzuhalten, dass aus dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, dass dem überholten Kraftfahrzeuglenker eine Verpflichtung zur Geschwindigkeitsreduktion trifft.  Dies ist im gegenständlichen nicht von Belang, zumal hier eine eindeutige Behinderung, sogar eine Gefährdung des überholten Fahrzeuglenkers durch Ihr Wiedereinordnen auf den rechten Fahrstreifens des zu geringen Abstand zwischen dem überholten und dem diesen vorausfahrenden Fahrzeug zu erkennen ist.

 

Wenn Sie vermeinen, dass das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren unter Anwendung des Rechtssatzes 'in dubio pro reo' einzustellen sei, muss dem entgegengehalten werden, dass nach § 45 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), diese Bestimmung ist auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden, eine Tatsache nicht erst dann als erwiesen anzunehmen ist, wenn Sie mit 'absoluter Sicherheit' erweislich ist.  Es genügt von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeit eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.04.1994, 94/07/0033).  Angesichts des oben dargelegten Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens war im Sinne dieser Judikatur als erwiesen anzunehmen, dass Sie die Ihnen im Spruch angelastete Verwaltungsübertretung begangen haben.  Wie oben in der Beweiswürdigung ausgeführt, erscheint es der Behörde mit überragender Wahrscheinlich, ja sogar mit Gewissheit, dass Sie beim Einspuren vom linken auf den rechten Fahrstreifen den Lenker des Kraftfahrzeuges, Kennz.  behindert und gefährdet haben.

 

Somit erkennt die Behörde, dass Sie die Ihnen im Spruch angelastete Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit grundsätzlich fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt.  Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefährdung nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit Sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.  Auch auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.  Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch anzuwenden.  Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen ebenso zu berücksichtigen.  Die Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den im § 19 VStG 1991 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist.

 

Nach Ansicht der Behörde haben Sie die gegenständliche Verwaltungsübertretung in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen.

 

Die Tat schädigt im erheblichen Maß das Interesse der Verkehrssicherheit und anderer Verkehrsteilnehmer.  Gerade das Umspuren vom linken auf den rechten Fahrstreifen ohne sich zu vergewissern, dass dies ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, ist oftmals Ursache schwerer Verkehrsunfälle.

 

Da Sie es trotz schriftlicher Aufforderung der Behörde vom 20.01.2005 unterlassen haben, Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse zum Zwecke der Strafbemessung bekannt zu geben, geht die Behörde - wie in diesem Schreiben angekündigt - zurecht davon aus, dass Sie ein monatliches Einkommen von ca. 1500 Euro beziehen, kein für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren relevantes Vermögen besitzen und keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten haben.

 

Erschwerungs- und Milderungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgetreten.

 

Nach Abwägung der erschwerenden und mildernden Umstände sowie unter Berücksichtigung der von der Behörde geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse erscheint der Behörde der festgesetzte Strafbetrag als angemessen und ausreichend, eine entsprechende Präventionswirkung spürbar zu machen.  Die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe bildet einen gleichwertigen Ersatz und genügt nach Ansicht der Behörde - im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe - Sie von künftigen Übertretungen ebenso wirksam abzuhalten.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist in den zitierten Gesetzesstellen begründet.

 

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden."

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seine(n) ausgewiesenen RechtsvertreterIn erhobenen Berufung:

"In der außen bezeichneten Verwaltungsstrafsache erhebe ich gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 27.6.2006, AZ: VerkR96-636-2005-Gg, zugestellt am 3.7.2006, innerhalb offener Frist die

 

Berufung

 

und begründet dieses Rechtsmittel wie folgt:

 

Das Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalt nach aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung angefochten.

 

1.    Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

a.     In der Stellungnahme vom 8.3.2005 wurde die Einvernahme der Zeugin A T beantragt.  In der Stellungnahme vom 16.3.2006 wurde der Beweisantrag und zur Einvernahme weiterer Zeugen, nämlich meiner Töchter A und E T ergänzt.  Der Anzeigeerstatter bekundete einen Tiefenabstand von ca. 20 m; dieser Tiefenabstand von ca. 20 m wurde vom Kfz-SV dahin bewertet, dass das Wiedereinordnen mit einer starken Bremsung und Querbeschleunigung verbunden gewesen sein muss.  Beweisthema für die Einvernahme dieser beantragten Zeugen war die Widerlegung der Angaben des Anzeigeerstatters und die Bestätigung meiner Sachverhaltsdarstellung, wonach der Sicherheitsabstand des Anzeigeerstatters zum voranfahrenden Fahrzeug deutlich mehr als 20 m betragen hat und das Wiedereinordnen aufgrund der bereits vor dem Vorgang des Wiedereinordnens erfolgten Geschwindigkeitsreduktion weder mit einer starken Bremsung noch mit einer starken Querbeschleunigung verbunden war.

 

       Die Nichteinvernahme der Zeugen als Insassen zum Zeitpunkt des Vorfalles verhinderte eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung.  Die Nichteinvernahme der Zeugen und die einseitige Beweiswürdigung der erkennenden Behörde führte dazu, dass der Kfz-SV nicht zur Ergänzung seines Gutachtens aufgefordert wurde, auch meine Sachverhaltsdarstellung als Variante zu begutachten.

 

       Die Nichteinvernahme der Zeugen und die ebenfalls beantragte Ergänzung des Kfz-SV-Gutachtens begründet eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil dadurch der Behörde die Möglichkeit genommen wurde, eine ordnungsgemäße und abschließende Beurteilung des Beweisstoffes im Rahmen der Beweiswürdigung durchzuführen.

 

b.    Wie schon in der Stellungnahme vom 16.3.2006 unter Pkt. 1. ausgeführt wurde, fehlt es dem Kfz-SV-Gutachten an dem für ein Gutachten erforderlichen Bestimmtheitsgrad.  Dieses Gutachten weist die Formulierung 'Wahrscheinlichkeit' und die Begriffe 'wenn' und 'aber' und 'wäre' auf und legt offensichtlich nur die Darstellung des Anzeigeerstatters zugrunde.  Die meiner Verantwortung zu entnehmende Ablaufvariante wird nicht begutachtet.

 

Die Unterlassung der Ergänzung des Kfz-SV-Gutachtens ist als Verfahrensmangel zu beurteilen.

 

2. Unrichtige Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung:

 

a. Im angefochtenen Straferkenntnis wird dargelegt,    dass den beantragten Zeugen für nicht notwendig erachtet wurde, weil der Anzeigeerstatter 'klar und deutlich' feststellt, dass ich mich alleine im Fahrzeug befunden hätte.  Abgesehen davon, dass Feststellungen nur von der erkennenden Behörde und nicht von einem Zeugen zu treffen sind, ist die diesbezüglich vom Anzeigeerstatter wiedergegebene Bekundung objektiv unrichtig.  Meine Familie und ich sind am 3.11.2004 gemeinsam unter anderem zum Dipl.  Physiotherapeuten R F gefahren, bei dem meine Tochter E T einen Behandlungstertmin hatte.  Zum Beweis hiefür lege ich die Rechnung vom 3.11.2004 vor (./1), die unmittelbar nach der für 12.30 Uhr des 3.11.2004 vereinbarten Behandlungstermins ausgestellt und übergeben wurde.  Die Ursache, warum vom Anzeigeerstatter keine Insassen wahrgenommen wurden, kann dahingestellt bleiben; Tatsache ist jedoch, dass sich diese namhaft gemachten Zeugen, nämlich meine Familie, im Fahrzeug befunden haben und die Nichtwahrnehmung dieser Insassen ein bezeichnendes Licht auf die Glaubwürdigkeit des Anzeigeerstatters wirft.

 

Die erkennende Behörde begründet den Tiefenabstand zwischen Fahrzeug des Anzeigeerstatters und dem vorausfahrendem Fahrzeug mit 20 m mit der Glaubwürdigkeit des Anzeigeerstatters als pensioniertem Polizeibeamten.  Hiezu ist auszuführen, dass nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (insbesondere Erkenntnis vom 26.6.1978, 695/77) einem Polizeibeamten gegenüber anderen Zeugen oder dem Beschwerdeführer keine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt.  Es fehlt im gegenständlichen Fall jegliche Begründung, warum die Bekundung des pensionierten Polizeibeamten glaubwürdiger ist als meine Verantwortung.  Es gibt keine Beschreibung der Ausbildung des Polizeibeamten bzw. welchen Dienst dieser tatsächlich vor seiner Pensionierung verrichtet hat.  Die Bekundung in seiner Anzeige, der Tiefenabstand habe ca. 20 m betragen, beruht offensichtlich auf einer nachträglichen Berechnung, um eine logische Anzeige erstatten zu können.  Aus zahlreichen straf- und zivilgerichtlichen Verfahren ist aus Bekundungen von Kfz-SV bekannt, dass Schätzungen von Entfernungen und Abständen lediglich subjektive Eindrücke von Parteien und Zeugen wiedergeben und in der Regel der Hinweis dieser einvernommenen Personen auf 'reine Schätzung' wesentlich glaubwürdiger zu bewerten ist als genaue Angaben.

 

In diesem Zusammenhang verweise ich darauf, dass meine Verantwortung hinsichtlich des Sachverhaltes immer dahingegangen ist, dass zwischen dem Fahrzeug des Anzeigeerstatters und dem voranfahrenden Fahrzeug ein erheblich größerer Abstand als 20 m vorhanden war.  In der Stellungnahme vom 16.3.2006 wurde lediglich im Zusammenhang mit der beantragten Gutachtensergänzung ein Abstand von 30-40 m genannt, um für den Kfz-SV Berechnungsvarianten vorzugeben.

 

Tatsächlich hätte der Kfz-SV Berechnungsvarianten mit einem Tiefenabstand von z.B. 25 m oder 30 m oder 35 m der Behörde darstellen müssen, um dieser die abschließende Bewertung des Beweisstoffes zu ermöglichen.  Es hätte sich hiebei gezeigt, dass nach dem Ergebnis mehrerer von SV berechneter Varianten sowohl die Sachverhaltsdarstellung des Anzeigeerstatters, als auch meine Sachverhaltsdarstellung als schlüssig und widerspruchsfrei anzusehen sind.

 

Der Umstand, dass der Anzeigeerstatter nicht einmal richtig die Anzahl der im Fahrzeug befindlichen Personen wiedergeben konnte, wird bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein.  Aus der vom Anzeigeerstatter angefertigten Skizze geht hervor, dass das Wiedereinordnen in die Kolonne unmittelbar nach dem rechts gelegenen öffentlichen Parkplatz stattgefunden hat.  Es herrschte zwar zu diesem Zeitpunkt kein Gegenverkehr; aufgrund meiner örtlichen Kenntnis war mir jedoch die Geschwindigkeitsbegrenzung unmittelbar vor der Lester Kreuzung und der dort befindlichen Fahrbahnteiler bekannt.  Ich konnte daher im Hinblick auf diese örtliche Kenntnis ohne unmittelbar bevorstehende konkrete Gefahrensituation meine Überholgeschwindigkeit auf der Überholspur der von der Kolonne gefahrenen Geschwindigkeit anpassen und sodann die Einordnung meines Fahrzeuges ohne starkes Bremsmanöver bzw. ohne starke Querbeschleunigung vornehmen.  In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass nicht einmal der Anzeigeerstatter von einer starken Querbeschleunigung gesprochen hat.  Bei richtiger Beweiswürdigung hätte daher festgestellt werden müssen, dass vor dem Wiedereinordnen eine Geschwindigkeitsreduktion auf ca. 80 km/h erfolgt ist und das Wiedereinordnen mit keiner starken Querbeschleunigung verbunden war und aufgrund des erheblich über 20 m liegenden Abstandes von einer starken Bremsung meinerseits nicht gesprochen werden könne.  Eine allenfalls starke Abbremsung seitens des Anzeigeerstatters - wenn sie denn stattgefunden hat - kann nur im Zusammenhang mit dessen Unaufmerksamkeit beim Dahinfahren im Kolonnenverkehr und mit der Nichtbeobachtung des Nachfolgeverkehrs in Einklang gebracht werden.

 

Bei richtiger Beweiswürdigung hätte daher nach dem Grundsatz im Zweifel 'in dubio pro reo' das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden müssen, weil die vom Anzeigeerstatter gemachten Daten keinesfalls gegenüber meiner Verantwortung eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit zuzubilligen sind.

 

3.   Unrichtige rechtliche Beurteilung:

Bezüglich der unrichtigen rechtlichen Beurteilung verweise ich auf die Stellungnahme vom 8.3.2005. Ich habe mich ordnungsgemäß vor dem Wiedereinordnen verhalten, in dem ich die zunächst eingehaltene Geschwindigkeit auf ca. 80 km/h verringert habe.  In der Folge habe ich mich in die erheblich über 20 m große Lücke vor dem Fahrzeug des Anzeigeerstatters wiederum eingereiht.  Ein starkes Abbremsen war weder für mich notwendig noch kann es für den Nachfolgeverkehr zu einem starken Abbremsen gekommen sein.  Ein normales Abbremsen ist im Straßenverkehr laufend notwendig.  Die Fortbewegung eines Fahrzeuges besteht immer aus Beschleunigungs- und Abbremsvorgängen.

 

Die oben aufgezeigten Mängel des Verfahrens haben dazugeführt, dass die konkrete Fahrgeschwindigkeit meines Fahrzeuges unmittelbar vor dem Wiedereinordnen nicht festgestellt wurde.  Es wurden auch keine Feststellungen dahin getroffen, in wie weit die Querbeschleunigung beim Einordnen als stark oder gering anzunehmen ist.  Diese sekundären Feststellungsmängel führen zu der oben genannten unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

 

Ich stelle den

Antrag,

 

der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis nach allfälliger Ergänzung

des Verfahrens ersatzlos zu beheben bzw. in eventu die Verwaltungsstrafsache zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Beweisverfahrens an die I. Instanz zurückzuverweisen.

 

F, am 17.7.2006                                                                     Dipl.-Ing. K T"

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung im Rahmen eines Ortsaugenscheins war angesichts des im Ablauf strittigen Sachverhaltes in Wahrung der durch Art. 6 intendierten Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstinstanzlichen Verfahrensaktes insb. das darin erliegende Sachverständigengutachten und die Beweisaufnahme im Rahmen der vor Ort durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Dabei wurden als Zeugen J. G, I. G, Ch. G, M. A. T, A. T und E. T sowie der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen. Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.

 

4. Zum Sachverhalt:

Eingangs ist festzustellen, dass die B310 ab Strkm 30,6 bis über 31,6 hinaus in Fahrtrichtung Freistadt – der Fahrtrichtung des Berufungswerbers – auf über einen Kilometer völlig übersichtlich verläuft. Die Straße weist zwei durch eine Leitlinie gekennzeichnete Fahrstreifen auf, welche je geschätzte 3,2 m breit sind und beidseitig bis zum Rand der Befestigung mit Randlinien versehen sind. Beim Fahrzeug des Berufungswerbers handelt es sich um einen 180 PS starken Turbodiesel. 

Der Berufungswerber bestreitet den Überholvorgang und das Einscheren vor dem Fahrzeug des Anzeigers nicht. Dieses sei jedoch aus seiner Sicht unauffällig verlaufen. Beim Einscheren habe er die Fahrgeschwindigkeit von ursprünglich etwa 90 km/h bereits wieder reduziert gehabt und dabei vielleicht auch gebremst. Im Fahrzeug sei  keine nennenswerte Querbeschleunigung festgestellt worden. Dies wurde letztlich von allen drei in seinem Fahrzeug mitfahrenden Personen auch bestätigt.

Der Zeuge G, dessen Gattin und Sohn beschrieben das Ende des Überholvorganges bis zu 200 m nach dem  Bereich des im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Strkm 31,4. Das Versetzen in die rechte Fahrspur wird im Ergebnis als so knapp dargestellt, dass eine Bremsung zur Vermeidung eines möglichen Fahrzeugkontaktes vorsichtshalber erfolgte und dieses jedenfalls als notwendig erachtet wurde. Der Abstand zum Vorderfahrzeug wird jedoch als "normaler Sicherheitsabstand" bezeichnet, welcher bei 70 km/h (zwei Sekunden) etwas unter 40 m betragen würde. Folgt man jedoch dieser Darstellung ist dieser Abstand für ein Umspuren aus einer Geschwindigkeitsdifferenz von 20 km/h durchaus möglich. Diesbezüglich kann auf die wesentlich knapperen Vorgaben und Annahmen des KFZ-technischen Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen werden. Warum und in welchem Ausmaß es dabei zu einem etwas knapperen "Hineinschneiden" gekommen ist, konnte letztlich auch im Rahmen der umfassenden Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht  abschließend geklärt werden. Nicht wirklich nachvollziehen lässt sich insbesondere, dass es – wie im Spruch zur Last gelegt – im Falle einer unterbliebenen Bremsung des überholten Fahrzeuges zu einem Auffahrunfall gekommen wäre. Dass der Berufungswerber nach dem Überholvorgang plötzlich langsamer als das überholte Fahrzeug gefahren wäre, mutet höchst unwahrscheinlich an. Allenfalls wäre eine Streifung durch ein zu knappes Umspuren nach rechts denkbar, was jedoch kaum ein Auffahren auf das (schnellere) überholende Fahrzeug nach sich ziehen hätte können.

Sowohl ein Fahrfehler des Berufungswerbers, als auch ein sich schon knapp angenäherter Gegenverkehr und zuletzt eine Überreaktion des Anzeigers könnten hier für das als knapp empfundene Umspuren als mögliche Ursache in Betracht kommen. Die Zeugenaussagen lassen alle drei Varianten offen, wobei gesichert gelten kann, dass der Anzeiger bremste und der Berufungswerber offenbar knapp vor ihm umspurte und sehr flott unterwegs gewesen sein dürfte, weil er, wie die Zeugin I G glaubhaft ausführte, bereits zwei Kilometer in Richtung Freistadt abermals aus der Kolonne ausscherte und neuerlich überholte.

Wenn der im erstinstanzlichen Verfahren beigezogene Sachverständige dieses Fahrmanöver nur mehr von einem geübten Fahrer als beherrschbar erachtet hat, so ist dazu vorerst auszuführen, dass der Berufungswerber in diese Fahrerkategorie wohl einzuordnen sein wird. Den sachverständigen Schlussfolgerungen wurde lediglich ein Abstand des zuletzt überholten Fahrzeuges zu dessen Vorderfahrzeug von 20 m zu Grunde gelegt. Daraus rechnerisch schlussgefolgert wurde die hohe Querbeschleunigung beim Umspuren, sowie die dadurch bedingte starke Bremsverzögerung mit 4 m/sek2  nach dem Umspuren und Einreihen in diese mit 20 m angenommene sehr knappe Lücke. Dass diese Annahme nicht gesichert gelten kann, ja vielmehr zu bezweifeln ist, erhellt sowohl die zeugenschaftliche Angabe des C G, der den Abstand zum Vorderfahrzeug mit ein bis zwei Sekunden einschätzte, als auch die Aussagen der Mitfahrer im Fahrzeug des Berufungswerbers, welche eine spürbare Querbeschleunigung nach Ende des Überholvorganges nicht vernommen haben. Die Mitfahrerinnen im Fahrzeug des Berufungswerbers versicherten alle glaubwürdig, dass ihnen eine kritische Situation nicht aufgefallen sei.

Geht man nun von einem Tiefenabstand von zwei Sekunden aus, dann folgt daraus, dass bei einem als "normal" zu bezeichnenden Umspuren (3 m Seitenversatz und eine Querbeschleunigung 2 m/sek2), dieser Vorgang 3,07 Sekunden in Anspruch nimmt. In dieser Zeit legt ein mit 70 km/h fahrendes Fahrzeug 59 m zurück. Um die Fahrgeschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges während des Umspurens auf 70 km/h zu reduzieren, bedingt dies eine Bremsverzögerung von 1,81 m/sek2 bei einer zurückgelegten Wegstrecke von knapp über 68 m. Daraus folgt, dass unter diesen Prämissen ein Einreihen in eine "40-m-Lücke" möglich ist, weil in diesem Zeitfenster  eine Wegstrecke bis zum Vorderfahrzeug von 100 m (zurückgelegte Strecke des Überholten + dessen Sicherheitsabstand) zur Verfügung steht. Mit Blick darauf erscheinen auch die Zeugenaussagen, dass ihnen bei diesem Umspuren weder eine starke Bremsung noch Querbeschleunigung bewusst geworden ist, als nachvollziehbar (Berechnung mit Analyzer Pro 4.0).

Dem Anzeiger J G bzw. dessen Familie vermag zwar darin gefolgt werden, dass sie durch das Überholmanöver und das wohl durchaus noch immer als knapp zu bezeichnende Einscheren erschrocken sind und dieses Manöver als gefährlich empfunden haben und es J. G als Anlass für eine "Vorsichtsbremsung" beurteilte und dieses letztlich als anzeigewürdig empfunden hat. Der hier zur Last gelegte Tatvorwurf lässt sich jedoch im Lichte des nunmehr vorliegenden Beweisergebnisses nicht halten und auch ein Vorwurf auf ein vorschriftswidriges Überholen nicht (mehr) erheben.    

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Der § 11 Abs.1 StVO 1960 lautet:

Der Lenker eines Fahrzeuges darf die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Gemäß § 16 Abs.1 lit. c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Der Tatvorwurf wäre hier auf einen Verstoß gegen die Vorschriften über das Überholen zu stützen gewesen.

Wenn sich ein Lenker nach dem Überholen eines mit 70 km/h in einem Sicherheitsabstand von nur 20 m zum Vorderfahrzeug fahrenden Pkw hineinzwängen muss und dadurch den Überholten zum Abbremsen veranlasst, wäre dies wohl als Verstoß gegen von der Straßenverkehrsordnung geschützten Interessen iSd § 16 StVO und durchaus auch als besonders rücksichtsloses Verhalten gegenüber anderen Straßenbenützern zu qualifizieren (s. Pürstl – Sommereder, Kommentar zur StVO, 11. Aufl. S 1011, Rz. 11).

Es muss hier jedoch dahingestellt bleiben, ob dieses dem Berufungswerber zur Last gelegte Fahrverhalten entweder auf eine Fehleinschätzung des Tiefenabstandes vor dem Überholen oder als Fahrfehler beim Umspuren oder bloß als überzogene – schreckhafte – Bremsaktion des Anzeigers zurückzuführen war. Diesbezüglich ließ das Beweisverfahren durchaus Fragen offen, sodass ein Schuldspruch auf keinen in Betracht kommenden Tatbestand gestützt werden kann. Die Zuordnung des Tatverhaltens unter § 11 Abs.1 StVO erweist sich aber jedenfalls als verfehlt, weil das Umspuren eine untrennbare Konsequenz des Abschlusses eines Überholvorganges ist.

Eine hier sämtliche Tatbestandselemente umfassende Tatumschreibung – die hier wohl im § 16 Abs.1 lit. c StVO 1960 zu erblicken gewesen wäre – kann im Sinne des Erfordernisses des § 44a Z1 VStG nicht erblickt werden (VwGH 11.1.1984, 82/03/0100). Die sich darauf beziehende Begründung des Straferkenntnisses könnte dieses Gebot an die Tatumschreibung nicht ersetzen (VwGH 9.3.2001, 2000/02/0128). Da diesen Aspekt die erstinstanzliche Verfolgungshandlung nicht umfasste, könnte dieser Mangel im Rahmen des Berufungsverfahrens auch nicht mehr korrigiert werden. Der Berufungswerber würde mit einem "Umsteigen" auf einen anderen Tatbestand nicht zuletzt auch in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt, weil er doch seine Verteidigung auf das Umspuren abstellte, während das Fehlverhalten im Überholvorgang – der von Beginn bis zu dessen Beendigung als Einheit zu beurteilen ist – zu suchen gewesen wäre. Wie oben bereits festgestellt gibt es keine gesicherten Feststellungen über die Entfernung eines Gegenverkehrs  und es bleiben auch Unsicherheiten betreffend des Umspurvorganges im Umfang bis zu 200 m. Ebenso konnte die Ursache des Bremserfordernisses bzw. dessen Adäquanz nicht wirklich geklärt werden. Aber selbst für einen Verstoß gegen die Schutzvorschriften zum Überholen (des § 16 Abs.1 lit.c StVO) konnten keine wirklich beweistauglichen Fakten festgestellt werden.

Dennoch sei abschließend noch grundsätzlich festgestellt, dass knappe Überholmanöver gefährliche Fahrverhaltensmuster darstellen, welche vielfach darauf schließen lassen, dass damit die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer leichtfertig in Kauf genommen wird. Eine bloße Wahrscheinlichkeit reicht jedoch nicht für einen Tatbeweis. Der Vorwurf des vorschriftswidrigen Umspurens wäre insbesondere im Falle einer drohenden Kollision mit einem Gegenverkehr verfehlt, weil dieses Fahrverhalten geradezu als letzte Möglichkeit zur Vermeidung eines Frontalzusammenstoßes zu sehen ist. Wenn dieses Verhaltensmuster letztlich unausweichlich ist, liegt in einem solchen Fall der Schuldvorwurf wohl zweifelsfrei im (verfehlt getroffenen) Überholentschluss begründet.  

 

6. Da schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung der Tatbeweis als nicht erbracht gilt, war gegen den Berufungswerber das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen (VwGH 12.3.1986, 84/03/0251 u.a. mit Hinweis auf ZfVB 1991/3/1122).

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof   erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

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