Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222095/2/Kl/Sp

Linz, 29.08.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Dr. DI F S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. J G und Dr. W P, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 10.7.20006, GZ: BZ-Pol-10013-2006, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                   Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2 und 3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis   des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 10.7.2006, GZ: BZ-Pol-10013-2006, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von je 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 92 Stunden, in vier Fällen wegen einer Verwaltungs­übertretung gemäß § 368 iVm § 157 Abs.2 Satz 2 GewO 1994 verhängt, weil er als gewerberechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 370 Abs.1 GewO 1994 verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma E W S.D.C. – S- u D GmbH, zu verantworten hat, dass zu den nachstehend angeführten Zeitpunkten der Tankstellenshop, der sich westseitig im Anschluss an die Tankstelle im Hallenteil befindet und eine Verkaufsfläche von ca. 200 m2 aufweist, hinsichtlich der gesamten Verkaufsfläche für den Kundenverkehr und Verkauf offengehalten wurde, obwohl bei Gewerbetreibenden, die Betriebsstoffe an Kraftfahrer im Betrieb von Zapfstellen abgeben, die dem Verkauf von Waren gewidmete Fläche 80 Quadratmeter nicht übersteigen darf:

1.    19.1.2006 (Donnerstag) um 20.15 Uhr

2.    21.1.2006 (Samstag) um 20.30 Uhr

3.    24.1.2006 (Dienstag) um 21.00 Uhr und

4.    29.1.2006 (Sonntag) um 13.45 Uhr.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Berufungswerber das Schuldbewusstsein vollkommen fehle, weil er der Meinung sei, dass das Offenhalten dieser Verkaufsstelle nicht ungesetzlich erfolgt sei, weil er eine Bewilligung seitens der Gewerbebehörde habe, einen Shop 24 Stunden an allen Tagen der Woche zu betreiben. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass er gegen das Öffnungszeitengesetz, Sonn- und Feiertagsbetriebszeitengesetz usw. verstoße. Mit der Betriebsanlagenbewilligung sei er nicht auf diese Gesetzesstellen hingewiesen worden und seien auch keine Auflagen erteilt worden. Richtig sei, dass im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zugesagt wurde, dass ab 7.2.2006 eine Absperrung innerhalb des Tankstellenshops vorgenommen worden sei, sodass außerhalb der regulären Öffnungszeiten für die Kunden nur mehr eine Verkaufsfläche von ca. 80 m2 zugänglich sei. Dies stehe außer Streit. Für die Tage vor dem 7.2.2006 fehle aber ein Schuldbewusstsein. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des Verstoßes am 29.1.2006 kein Verfahren durchgeführt worden sei und der Beschuldigte nicht gehört worden sei. Weiters wurde vorgebracht, dass es sich bei der genehmigten Betriebsanlage nicht nur um einen Verkauf beim Betrieb von Zapfstellen handle, also bei einer Tankstelle handle, sondern dass es eine ausdrückliche Bewilligung zum Betrieb eines Shops mit insgesamt um die 300 m2 gebe. Bei dem Betrieb dieses Shops sei gegen das Öffnungszeitengesetz nur insofern verstoßen worden, als nicht auf die Einschränkungen des § 157 GewO eingegangen wurde.  Der Beschuldigte habe über diese Einschränkungen keine Kenntnis erlangt und fehlte ihm daher das Unrechtsbewusstsein bzw. Schuldbewusstsein. Schließlich wurde die Strafhöhe bekämpft.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und in einer Stellungnahme ausgeführt, dass außerhalb der Öffnungszeiten gemäß § 2 Abs.1 Oö. Öffnungszeitenverordnung 2003 sowie an Sonn- und Feiertagen der Verkauf nur im Rahmen der Ausübung der Gewerbeberechtigung "Tankstelle" und somit auf einer beschränkten Verkaufsfläche von 80 m2 gesetzlich gedeckt sei. Das rechtswidrige Offenhalten der gesamten Fläche des Tankstellenshops von ca. 200 m2 kann durch den angeführten Betriebsanlagenbescheid nicht legitimiert werden. Es wurde daher die Bestätigung des Straferkenntnisses beantragt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Der  Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 157 Abs.1 Z2 GewO 1994 sind Gewerbetreibende, die Betriebsstoffe an Kraftfahrer im Betrieb von Zapfstellen abgeben, unbeschadet des § 32 zum Verkauf bestimmter Waren während der Betriebszeiten der Tankstelle berechtigt.

Gemäß § 157 Abs.2 GewO 1994 muss bei der Ausübung der Rechte gemäß Abs.1 der Charakter des Betriebes als Tankstelle gewahrt bleiben und es dürfen, soweit es sich nicht um die Ausübung des Kleinhandels mit Heizöl handelt, keine Räumlichkeiten verwendet werden, welche ausschließlich dem Kleinverkauf von Waren gemäß Abs.1 Z2 dienen. Die dem Verkauf von Waren gemäß Abs.1 Z2 gewidmete Fläche darf 80 m2 nicht übersteigen. Die Aufnahme von zusätzlichen Arbeitnehmern für den Warenverkauf kann durch Kollektivvertrag zugelassen werden.

Gemäß § 368 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1.290 Euro zu bestrafen ist, wer andere als in den §§ 366 und 367 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht einhält.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen  Anforderungen  wird aus nachstehenden  Gründen  nicht entsprochen:

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, dass der Tankstellenshop hinsichtlich der gesamten Verkaufsfläche (ca. 200 m2) "für den Kundenverkehr und Verkauf offen gehalten" wurde. Weder § 157 GewO noch § 368 GewO regeln das Offenhalten von Verkaufsstellen bei Tankstellen. Insbesondere ist diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen, dass ein Offenhalten ab einer bestimmten Uhrzeit – wie dies in vier Fällen vorgeworfen wurde – nicht erlaubt sei. Auch ist den genannten gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen, dass nur eine eingeschränkte Fläche von bis zu 80 m2 über eine bestimmte Uhrzeit hinaus nicht offen gehalten werden darf. Es wurde daher die vorgeworfene Tat nicht begangen bzw. bildet das vorgeworfene Verhalten keine Verwaltungsübertretung nach den zitierten Bestimmungen. Vielmehr ist der Bestimmung des § 157 Abs.2 GewO 1994 iVm § 157 Abs.1 Z2 GewO 1994 zu entnehmen, dass Tankstellenbetreiber bei der Ausübung ihres freien Gewerbes auch – ohne entsprechende Gewerbeberechtigung – im Rahmen ihrer Gewerbeausübung berechtigt sind, bestimmte Waren während der Betriebszeiten der Tankstelle – und unabhängig von den Öffnungszeiten – zu verkaufen, wenn die dem Verkauf dieser Waren gewidmete Fläche 80 m2 nicht übersteigt. Dies bedeutet, dass der Tankstellenbetreiber dieses Recht nur für bestimmte Waren und nur auf einer Fläche von 80 m2 besitzt. Diese Bestimmung ist unabhängig von der Regelung der Öffnungszeiten zu sehen. Wird für den Kleinwarenverkauf durch den Tankstellenbetreiber die zulässige Fläche von 80 m2 überschritten, so bedeutet dies einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 157 Abs.2 GewO 1994. Ein diesbezüglicher Verstoß wurde aber nach dem zitierten Spruch des Straferkenntnisses nicht vorgehalten. Insbesondere war aber in der Strafverfügung als Strafverfolgungshandlung ein entsprechender Tatvorwurf ebenfalls nicht enthalten.

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

5.2. Wenn hingegen die belangte Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses auf Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes 2003 hinweist, so ist ihr entgegenzuhalten, dass gemäß § 2 Z3 Öffnungszeitengesetz 2003 der Kleinverkauf von in § 157 Abs.1 Z2 GewO 1994 angeführten Waren auf Tankstellen grundsätzlich von den Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes ausgenommen ist. Dies bedeutet, dass Tankstellen für den Kleinverkauf der angeführten Waren aus der Regelung des Öffnungszeitengesetzes 2003 ausgenommen sind und daher diese Waren unbeschränkt rund um die Uhr verkaufen können. Dies gilt ohne flächenmäßige Beschränkung. In § 2 Z3 Öffnungszeitengesetz 2003 wird nämlich auf die Bestimmung des § 157 Abs.2 Satz 2 GewO 1994 nicht hingewiesen. Es gilt daher hinsichtlich der Ausnahmeregelung für Tankstellen vom Öffnungszeitengesetz mangels eines Verweises auf die entsprechende Bestimmung des § 157 Abs.2 GewO keine flächenmäßige Beschränkung. Entscheidend für die Frage der Flächenbeschränkung ist daher, ob der Kleinverkauf durch einen Tankstellenbetreiber – ohne entsprechende Gewerbeberechtigung – im Rahmen seines freien Gewerbes oder im Rahmen einer entsprechenden Handelsgewerbeberechtigung erfolgt. Diese Unterscheidung ist daher nur für eine Übertretung der Bestimmungen des § 157 Abs.2 GewO 1994 relevant, nicht jedoch für die Ausnahme vom Öffnungszeitengesetz bzw. für eine Übertretung nach dem Öffnungszeitengesetz.

 

6. Weil die Berufung  Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

Nebenrechte, Tankstelle, Kleinwarenverkauf, Flächenbeschränkung, Flächenbeschränkung beim Öffnungszeitengesetz

 

 

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