Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230927/2/WEI/Ps

Linz, 03.10.2006

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des T D A, geb. , M, T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 15. Juni 2005, Zl. Sich 96-522-2004, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 108 Abs 1 Z 2 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 (BGBl I Nr. 75/1997, idF BGBl I Nr. 134/2002 [Strafrechtsänderungsgesetz]) zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

 

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben sich am 19.03.2004 um 14.45 Uhr in Linz, in der Lessingstraße aufgehalten und Ihr Reisedokument nicht mitgeführt, obwohl Fremde verpflichtet sind, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde "§ 32 Abs. 1 iVm § 108 Abs. 1 Ziff. 3 lit a u. b Fremdengesetz (FrG), BGBl. Nr. 57/1997 idgF." (richtig wäre § 108 Abs 1 Z 2 FrG) als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "Gemäß § 108 Abs. 1 FrG idgF." eine Geldstrafe von 40 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden. Gemäß § 64 VStG wurden 4 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses dem Bw am 22. Juni 2005 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig am 5. Juli 2005 bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung vom 4. Juli 2005, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Mit Anzeige des Wachzimmers Landhaus der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. April 2004 wurde im Betreff unter dem Namen des Bw angeführt:

 

"Weigerung, sich zum Aufbewahrungsort des Dokumentes

für den Nachweis der Aufenthaltsberechtigung zu begeben

§ 108/1/3b FrG"

 

Nach dem Inhalt dieser Anzeige forderte der Meldungsleger am 19. März 2004 um 14.45 Uhr in Linz, Lessingstraße geg. 2, den Bw, der mit dem Pkw N, Kz. unterwegs war, bei einer routinemäßigen Lenker- und Fahrzeugkontrolle auf, sein Reisedokument vorzuweisen. Dieser Aufforderung hätte er nicht nachkommen können, da er den Reisepass nicht mitführte.

 

Auch der Aufforderung sich mit den Beamten zum Aufbewahrungsort des Reisedokuments zu begeben, wäre er nicht nachgekommen. Seine Identität stünde fest, weil er im Besitz eines österreichischen Führerscheines war. Die Bezahlung einer Organstrafverfügung lehnte der Bw ab. Er hätte sinngemäß zur Rechtfertigung angegeben: "Ich habe den Reisepass bis jetzt noch nie einem Polizisten zeigen müssen. Das interessiert mich nicht."

 

2.2. Nach Abtretung des Strafverfahrens gemäß § 29a VStG durch die BPD Linz erließ die belangte Behörde auf Grund dieser Anzeige die Strafverfügung vom 14. Juli 2004, Zl. Sich 96-522-04, mit einem Tatvorwurf wie im angefochtenen Straferkenntnis formuliert wurde. Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw fristgerecht Einspruch. Diese wurde von der belangten Behörde niederschriftlich am 20. Juli 2004 aufgenommen. Zur Begründung gab der Bw an, dass er in Österreich Asylwerber  und nicht im Besitz eines Reisedokuments wäre. Er hätte im Zeitpunkt der Polizeikontrolle seinen Meldezettel, Führerschein und die Asylkarte vorweisen können. Deshalb ersuche er das Strafverfahren einzustellen. Die Kopie einer Asylkarte Zl. betreffend die vorläufige Aufenthaltsberechtigung (Bescheinigung gemäß § 19 AsylG) mit Geburtsdatum und Lichtbild des Bw ist der Niederschrift angeschlossen.

 

2.3. Über Rechtshilfeersuchen der belangten Behörde um Einvernahme des Meldungslegers Insp S als Zeugen wurde eine mit 21. Oktober 2004 datierte schriftliche Stellungnahme von anderen Beamten des Wachzimmers Landhaus übermittelt. Der Inhalt dieser Stellungnahme lautet:

 

"Die von A T D (Nat.i.A.) gemachten Angaben entsprechen nicht den Tatsachen, da dieser kein Reisedokument, in Ermangelung dessen aufgrund seines Asylwerberstatus, einer Bescheinigung gem. § 19 Asylgesetz, mitgeführt oder vorgewiesen hat.

Die Anzeige wird vollinhaltlich aufrechterhalten, da sich A. zum Zeitpunkt der Amtshandlung weigerte, uns zum Ort der Aufbewahrung der fremdenrechtlich relevanten Dokumente zu begleiten."

 

Mit Schreiben vom 20. April 2005 verständigte die belangte Behörde den Bw vom Ergebnis der Beweisaufnahme. Am 20. April 2005 erschien er vor der belangten Behörde und gab an, dass er bei der Fahrzeugkontrolle den Beamten seinen Führerschein, Zulassungsschein und Meldezettel gezeigt hätte. Diese hätten ein Reisedokument sehen wollen, das er aber nicht vorweisen hätte können, weil er Asylwerber wäre und über keine Reisedokumente verfüge. Er hätte gesagt, dass er eine Asylkarte habe, jedoch die Beamten verlangten ein Reisedokument.

 

In weiterer Folge erging das angefochtene Straferkenntnis vom 15. Juni 2005.

 

2.2. In der Berufung wiederholt der Bw, dass er den Beamten anlässlich der Verkehrskontrolle gesagt hätte, keinen Reisepass zu besitzen, da er Asylwerber sei. Er hätte seine vorläufige Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 19 AsylG 1997, ausgestellt 30.01.2001, Zl., vorgezeigt. Die Beamten hätten aber gesagt, dass dies kein Reisepass wäre und er einen besitzen müsste. Als der Bw darauf beharrte, keinen Reisepass zu haben, hätten sie ihn fahren lassen.

 

Der Bw betont, dass er in keinem Moment aufgefordert worden wäre, den Beamten zum Aufbewahrungsort seiner Aufenthaltsbewilligung oder eines Reisepasses zu begleiten. Mit diesem Vorwurf sei er erstmals im Straferkenntnis konfrontiert worden. Da er seine Aufenthaltsberechtigung  vorgezeigt hätte, wäre dies auch nicht sinnvoll gewesen. Als er mit der Strafverfügung zur belangten Behörde gekommen ist, habe er die Information bekommen, dass er bei der Fremdenpolizei ein Reisedokument bekomme könne. Von dort sei er zum Bundesasylamt geschickt worden, wo man ihm erklärte, dass er nur die Lagerkarte bekäme, die für die Ausweispflicht ausreichend sein müsste.

 

Er habe das ihn zum Aufenthalt berechtigende Dokument vorgezeigt. Er sei beim Vorweisen der Aufenthaltsberechtigungskarte in Österreich bei Ausweiskontrollen schon öfters auf Unverständnis gestoßen. Anscheinend kennen nicht alle Beamte diese Karte. Nur so könne er sich auch im gegenständlichen Fall erklären, wieso der Beamte nicht vermerkte, dass er seine Lagerkarte vorgewiesen hatte. Der Bw wisse, dass man in Schubhaft kommen könne, wenn man die Aufenthaltsberechtigungskarte nicht vorweisen kann. Deshalb trage er seine Karte immer bei sich. Da er seinen Pflichten nachgekommen wäre, erscheine ihm die Strafe ungerechtfertigt und sei das Straferkenntnis aufzuheben.

 

2.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, ohne eine Gegenschrift zu erstatten.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Durchsicht des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon auf Grund der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß dem § 32 Abs 1 FrG 1997 sind Fremde verpflichtet, den Behörden und ihren Organen auf eine bei der Vollziehung eines Bundesgesetzes ergehende Aufforderung hin die für ihre Aufenthaltsberechtigung maßgeblichen Dokumente vorzuweisen und sich erforderlichenfalls in Begleitung eines Organs an jene Stelle zu begeben, an der die Dokumente verwahrt sind. Sie sind außerdem verpflichtet, den Behörden (§§ 88 ff) und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in begründeten Fällen auf Verlangen Auskunft über den Zweck und die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet zu erteilen und den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nachzuweisen.

 

Nach § 32 Abs 2 FrG 1997 sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung (Abs 1) ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.

 

Gemäß § 108 Abs 1 FrG 1997 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, wer

 

1.      Auflagen, die ihm die Behörde           
a) bei Erteilung eines Durchsetzungs- oder eines Abschiebungsaufschubes oder
b) bei Bewilligung der Wiedereinreise auferlegt hat, missachtet oder

2.      sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt oder

3.      trotz Aufforderung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes
a) diesem ein für seine Aufenthaltsberechtigung maßgebliches Dokument nicht aushändigt oder     
b) sich nicht in dessen Begleitung an jene Stelle begibt, an der das Dokument verwahrt ist oder

4.      eine Änderung des Aufenthaltszweckes während der Gültigkeit des Aufenthaltstitels der Behörde nicht ohne unnötigen Aufschub bekannt gibt oder die Zulässigkeit dieser Änderung nach den hiefür maßgeblichen Gesetzen nicht darlegt.

 

4.2. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde schon im Spruch in rechtlich unschlüssiger Weise auf § 108 Abs 1 Z 3 lit a) und b) FrG 1997 als verletzte Rechtsvorschriften abgestellt, obwohl sie eigentlich nur einen Tatvorwurf iSd § 108 Abs 1 Z 2 FrG 1997 formulierte. Außerdem enthält § 108 Abs 1 Z 3 in lit a) und b) leg.cit. zwei verschiedene Tatbestände, die streng auseinender zu halten sind und entgegen der belangten Behörde nicht einfach kumuliert werden dürfen.

 

4.3. Der Bw hat zugestanden, dass er kein Reisedokument mit sich führte und auch nicht iSd § 32 Abs 2 FrG 1997 in einer solchen Entfernung verwahrt hatte, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen hätte können. Er hat aber auch den Grund dafür angegeben. Als Asylwerber aus K besaß er nämlich gar keinen Reisepass. Deshalb konnte er ihn auch nicht mitführen. Bereits im Einspruch gab er an, dass er seinen Führerschein, Meldezettel und die Asylkarte (Bescheinigung gemäß § 19 AsylG 1997) anlässlich der Kontrolle vorgewiesen hatte. Die Beamten interessierten sich aber nicht für die Asylkarte, sondern wollten ein Reisedokument sehen (vgl Niederschrift vom 20.04.2005). Die von Anfang gleichartige Verantwortung des Bw erscheint dem erkennenden Mitglied auch nach den aktenkundigen Umständen glaubhaft.

 

Dem gegenüber ist in der Anzeige vom 12. April 2004 nur vom Reisedokument die Rede, das der Bw nicht mitführte. Angeblich wäre der Bw auch der Aufforderung sich zum Aufbewahrungsort zu begeben, nicht nachgekommen. In der polizeilichen Stellungnahme vom 21. Oktober 2004, die auch nicht vom Meldungsleger stammt, wird im Gegensatz zur Anzeige erstmals von einer "Bescheinigung gem. § 19 Asylgesetz" gesprochen, die der Bw angeblich nicht vorgezeigt hätte. Er hätte sich auch geweigert die Beamten zum Ort der Aufbewahrung der fremdenrechtlich relevanten Dokumente zu begleiten.

 

Diese nachträgliche Darstellung findet in der Anzeigeschilderung keine Deckung. Sie erscheint dem erkennenden Mitglied auch nicht plausibel. Wie der Bw in der Berufung mit Recht ausgeführt hat, lag es in seinem eigenen Interesse, die Karte über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung mitzuführen, weil er sonst Probleme bei fremdenrechtlichen Kontrollen und unter Umständen sogar eine Festnahme riskiert hätte. Es ist auch nach Einschätzung des erkennenden Mitglieds durchaus möglich, dass er mit seiner Asylkarte bei Ausweiskontrollen schon öfter auf Unverständnis stieß, weil diese asylrechtliche Bescheinigung möglicherweise nicht allen Organen geläufig ist. In der Tat könnte es auch im gegenständlichen Fall so gewesen sein. Dies würde auch erklären, wieso die Asylkarte des Bw in der Anzeige des Wachzimmers Landhaus der BPD Linz mit keinem Wort erwähnt wird. Schon im Hinblick auf die mittlerweile seit der Anzeige verstrichenen Zeit ist nicht anzunehmen, dass die Sachlage durch Einvernahme der beteiligten Polizeiorgane noch aufgeklärt werden könnte. Da der Bw von Anfang an eine schlüssige Verantwortung gewählt hat, ist zumindest im Zweifel zu seinen Gunsten von seiner Darstellung der Sache auszugehen.

 

Geht man von der Darstellung des Bw aus, so konnte er sich nicht strafbar gemacht haben. Denn einen Reisepass, den man nicht besitzt, kann und muss man weder mit sich führen, noch in einer Entfernung iSd § 32 Abs 2 FrG 1997 verwahren. Der Verwaltungsstraftatbestand des § 108 Abs 1 Z 2 FrG 1997 geht selbstredend (arg. "sein Reisedokument") davon aus, dass der Täter auch ein Reisedokument hat. Die alternativen Tatbestände des § 108 Abs 1 Z 3 lit a) oder b) FrG 1997 liegen nach Ansicht des erkennenden Mitglieds schon deshalb nicht vor, weil in tatsächlicher Hinsicht dem Bw zu folgen war. Im Übrigen mangelte es auch an einem geeigneten Tatvorwurf der belangten Behörde, der nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist auch nicht mehr neu erhoben werden könnte.

 

5. Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels einer begangenen Verwaltungsübertretung einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwal-tungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

 

 

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