Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280874/4/Wim/Jo

Linz, 30.09.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn J F gegen den Bescheid (vermutlich) des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 26.09.2005, GZ 0063665/2004 wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.      Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der F F Stahl- und Metallbau GmbH wegen Übertretungen der §§ 130 Abs.1 Z.11, 14 Abs.1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) in drei Fällen mit einer Geldstrafe von insgesamt 480 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von gesamt 9 Stunden bestraft, sowie zu einem 10 %igen Kostenbeitrag zum Strafverfahren verpflichtet.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, dass er zu vertreten habe, dass die F F Stahl- und Metallbau GmbH in der Zeit von 01.01.2004 bis 01.09.2004 ihrer Verpflichtung, die Arbeitnehmer über Sicherheits- und Gesundheitsschutz nachweislich zu unterweisen nicht nachgekommen sei, da dem Arbeitsinspektor am 01.09.2004 für keinen von drei namentlich angeführten Arbeitnehmern der oben angeführten Gesellschaft der Nachweis einer Unterweisung (insbesondere über die sichere Aufstellung von Gerüsten) erbracht werden konnte.

 

 

2.      Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und als Berufungsgründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

 

Im Einzelnen führte er aus, dass es nicht richtig sei, dass keine Unterweisung stattgefunden habe, sondern nur dass diese nicht schriftlich erfolgt sei. Schriftlichkeit sei gemäß § 14 ASchG jedoch nicht gefordert. Weiters sei ihm kein Parteiengehör zur erfolgten Einvernahme eines Arbeitnehmers in der Sache gewährt worden. Dessen Aussagen würden nicht den Tatsachen entsprechen. Überdies schreibe § 14 ASchG eine Unterweisung in einem Zeitraum von einem Jahr vor, weshalb die Nichtdurchführung der Unterweisung in der Zeit von 01.01.2004 bis 01.09.2004 noch nicht strafbar sei.

 

 

3.1.       Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die Einsicht in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Weiters erfolgte die Wahrung des Parteiengehörs gegenüber dem Arbeitsinspektorat Linz durch Übersendung der Berufungsschrift. Vom Arbeitsinspektorat wurde innerhalb der 14-tätigen Stellungnahmefrist keine Äußerung abgegeben.

 

Da eine aufhebende Entscheidung bereits aufgrund der Aktenlage fest stand sowie aufgrund der geringen verhängten Strafhöhen und der Tatsache, dass keine mündliche Berufungsverhandlung beantragt wurde, konnte eine solche gemäß § 51e VStG entfallen.

 

3.2.    Für den Unabhängigen Verwaltungssenat steht folgender entscheidungs­wesentliche Sachverhalt fest:

 

Mit Anzeige des Arbeitsinspektorates Linz vom 11.11.2004 wurde der Erstbehörde mitgeteilt, dass bei einer Betriebsüberprüfung am 1.9.2004 festgestellt wurde, dass für die drei im Spruch genannten Arbeitnehmer keine Unterweisungen nachgewiesen werden konnten. Zwei der Arbeitnehmer seien am 12.08.2004 auf einer Baustelle in Hagenberg schwer verunfallt, da sie über die sichere Aufstellung von Gerüsten offensichtlich nicht informiert waren.

Nach einem Einspruch gegen eine erlassene Strafverfügung erfolgte von der Erstbehörde die Einvernahme eines der im Spruch genannten Arbeitnehmer.

Dieser sagte aus, dass er seit ca. sieben Jahren bei der Firma F als Service- bzw. Reparaturschlosser arbeite und er als Baustellenschlosser nur zum Einsatz komme, wenn die anderen Baustellenschlosser keine Zeit hätten. Es gäbe in der Firma nur zwei Reparaturschlosser, alle übrigen seinen Baustellenschlosser. Er hätte mit seinen Arbeitskollegen am 11.08.2004 bei der Baustelle in Hagenberg zu arbeiten begonnen. Es sei ein Stiegengeländer über sechs Geschoße zu montieren gewesen. Am Tag vor dem Arbeitsunfall sei von ihm gemeinsam mit einem Techniker der Firma die Baustelle besichtigt worden und es sei besprochen worden, wie sie die Arbeitsstelle auf der Stiege erreichen könnten. Es wurde vereinbart, dass Maurerschragen und Pfosten für ein Gerüst verwendet werden sollten. Dabei wurden in jedem Stockwerk am Stiegenpodest Maurerschragen aufgestellt und auf diese und das obere Potest Pfosten gelegt. An der Absturzstelle in den offenen Stiegenaufgang war keine Sicherung angebracht. Deshalb seien sie auch so weit abgestürzt als die Pfosten kippten. Am 12.08.2004 sei der Unfall passiert. Am diesem Tag konnte das Bockgerüst nicht mehr von Stiegenpodest zu Stiegenpodest errichtet werden, da das oben bereits montierte Geländer im Weg war. Es seien daher am unteren Stiegenpodest die Schragen aufgestellt worden und die Pfosten dann aber von den Schragen auf die Stufen verlegt worden. Daher sei das Bockgerüst nicht mehr so standsicher gewesen wie am Vortag. Das von ihm, einem Leasingarbeiter und einem Lehrbuben aufgestellte Bockgerüst sei weggerutscht. Es seien ihm am Tag vor Arbeitsbeginn keinerlei Anweisungen über die genaue Aufstellung des Gerüstes gegeben worden, er habe auch in der Firma nie eine Schulung oder Unterweisung über die Aufstellung von Gerüsten erhalten.

 

Daraufhin wurde das unter Punkt 1 näher angeführte erstinstanzliche Straferkenntnis erlassen.

 

3.3     Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt insbesondere auch aus der Anzeige durch das Arbeitsinspektorat und der Einvernahme des Arbeitnehmers.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.             § 14 ASchG lautet:

(1) Arbeitgeber sind verpflichtet, für eine ausreichende Unterweisung der Arbeitnehmer über Sicherheit und Gesundheitsschutz zu sorgen. Die Unterweisung muss während der Arbeitszeit erfolgen. Die Unterweisung muss nachweislich erfolgen. Für die Unterweisung sind erforderlichenfalls geeignete Fachleute heranzuziehen.

(2) Eine Unterweisung muss jedenfalls erfolgen

1.   vor Aufnahme der Tätigkeit,

2.   bei einer Versetzung oder Veränderung des Aufgabenbereiches,

3.   bei Einführung oder Änderung von Arbeitsmitteln,

4.   bei Einführung neuer Arbeitsstoffe,

5.   bei Einführung oder Änderung von Arbeitsverfahren und

6.   nach Unfällen oder Ereignissen, die beinahe zu einem Unfall geführt hätten, sofern dies zur Verhütung weiterer Unfälle nützlich erscheint.

(3) Die Unterweisung muss auf den Arbeitsplatz und den Aufgabenbereich des Arbeitnehmers ausgerichtet sein. Sie muss an die Entwicklung der Gefahrenmomente und an die Entstehung neuer Gefahren angepasst sein. Die Unterweisung muss auch die bei absehbaren Betriebsstörungen zu treffenden Maßnahmen umfassen. Die Unterweisung ist erforderlichenfalls in regelmäßigen Abständen zu wiederholen, jedenfalls dann, wenn dies gemäß § 4 Abs.3 als Maßnahme zur Gefahrenverhütung oder in einer Verordnung zu diesem Bundesgesetz festgelegt ist.

(4) Die Unterweisung muss dem Erfahrungsstand der Arbeitnehmer angepasst sein und in verständlicher Form erfolgen. Bei Arbeitnehmern, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, hat die Unterweisung in ihrer Muttersprache oder in einer sonstigen für sie verständlichen Sprache zu erfolgen. Arbeitgeber haben sich zu vergewissern, dass die Arbeitnehmer die Unterweisung verstanden haben.

(5) Die Unterweisung kann auch schriftlich erfolgen. Erforderlichenfalls sind den Arbeitnehmern schriftliche Betriebsanweisungen und sonstige Anweisungen zur Verfügung zu stellen. Diese Anweisungen sind erforderlichenfalls am Arbeitsplatz auszuhändigen. Abs.4 zweiter und dritter Satz gilt auch für schriftliche Anweisungen.

 

4.2.           Von der Erstbehörde wurde als Zeitraum für die Nichtdurchführung der Unterweisungen der 01.01.2004 bis 01.09.2004 vorgeworfen. Wie die Behörde zu diesem Zeitraum kommt, ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar, da sich aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates nur ergibt, dass im Zeitpunkt der Kontrolle (1.9.2004) keine schriftlichen Nachweise für Unterweisungen vorgefunden werden konnten.

Generell handelt es sich bei dem gegenständlichen Betrieb um einen Schlossereibetrieb. Bei der Durchführung der Montage von Stiegengeländern handelt es sich keineswegs um Arbeiten, die als ungewöhnlich für den Betriebsumfang der Firma Feilmayr anzusehen sind. Dies zeigt sich bereits aus der Aussage des einvernommenen Arbeitnehmers, der angegeben hat, dass es in der Firma nur zwei Reparaturschlosser gäbe, alle übrigen Baustellenschlosser seinen. Weiters hat er angegeben, dass er zwar nicht standardmäßig, doch offenbar schon des Öfteren auch für Montagearbeiten herangezogen wurde, nämlich dann, wenn keine oder zu wenig reine Baustellenschlosser zur Verfügung stehen.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat liegt somit kein Fall für eine spezielle anlassbezogene Unterweisung gemäß § 14 Abs.2 Z1 bis 6 vor, sondern nur allenfalls ein Verstoß gegen eine Unterweisungspflicht "in regelmäßigen Abständen". Dies hat offensichtlich auch die Erstbehörde so angenommen, da im erstinstanzlichen Tatvorwurf ein Zeitraum von acht Monaten herangezogen worden ist.

 

Bis Ende des Jahres 2001 lautete der Einleitungssatz des § 14 Abs.2 ASCHG: "Die Unterweisung muss in regelmäßigen Abständen, mindestens aber einmal jährlich erfolgen." Erst durch das Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz, BGBl I Nr. 159/2001 wurden die Abs. 2 und 3 des §14 ASCHG wie oben angeführt geändert.

In der dieser Novelle zugrunde liegenden Regierungsvorlage 802 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP ist zu diesen speziellen Änderungen wörtlich angeführt:

"Zu Art. II Z 8 und 9 (§ 14 Abs. 2 und 3):

Im geltenden Recht ist vorgesehen, dass die durch das EU-Recht grundsätzlich zwingend vorgegebene Unterweisung mindestens einmal jährlich zu wiederholen ist, und zwar auch dann, wenn die konkrete Gefahrensituation am jeweiligen Arbeitsplatz dies nicht erfordern würde. Durch diese undifferenzierte Regelung fühlen sich die Betriebe zeitlich und bürokratisch belastet, obwohl aus Gründen der Arbeitssicherheit nicht generell die Notwendigkeit zu solchen jährlich wiederkehrenden Unterweisungen besteht und diese auch im EU-Recht nicht in dieser Form vorgesehen ist. Es sollte daher im Einklang mit der Arbeitsschutzrahmenrichtlinie darauf abgestellt werden, dass die Unterweisung erforderlichenfalls in regelmäßigen Abständen zu wiederholen ist, jedenfalls aber dann, wenn es auf Grund der Evaluierung an diesem Arbeitsplatz erforderlich oder in einer Verordnung zum ASchG vorgeschrieben ist."

 

Aus diesen Ausführungen ist nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates die Intention des Gesetzgebers abzuleiten, dass es bei solchen "Regelunterweisungen" eher zu einer Erweiterung der bislang jährlichen Unterweisungsintervalle kommen sollte. Deshalb ist auch die Annahme, bereits nach acht Monaten von einem Verstoß gegen diese regelmäßige Unterweisungspflicht zu sprechen, nicht gerechtfertigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Im Übrigen ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat aus dem Akt nicht nachvollziehbar, warum nicht wegen des eigentlichen Grundes des Arbeitsunfalles selbst, nämlich der Nichtdurchführung der Arbeiten ohne die nötigen Schutzvorrichtungen ein entsprechendes Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt wurde.

 

Des Weiteren ist festzuhalten, dass das erstinstanzliche Verfahren überdies auch schwerwiegende Verfahrensmängel aufweist, wobei hier das fehlende Parteiengehör betreffend die Einvernahme des Arbeitnehmers und die Nichtnachvollziehbarkeit des angenommenen Tatzeitraumes anzusehen sind.

Überdies ist auch mangels einer (normalerweise üblichen) Präambel des Bescheides bzw. aus dem gesamten Zusammenhang zweifelhaft, von welcher konkreten Behörde dieser Bescheid erlassen wurde (richtig wäre der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz). Ob die Unterschriftenklausel "Für den Bürgermeister" die nach den Verwaltungsverfahrensvorschriften notwendige Bezeichnung der Behörde zu ersetzen vermag, kann bei der zusätzlichen eigenständigen Behördenfunktion des Magistrates selbst zumindest bezweifelt werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr.  Wimmer

 

 

 

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