Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400840/6/BMa/BP/CR

Linz, 05.09.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des N B, vertreten durch Dr. A N, Dr. S H, Dr. T H, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 22. August 2006, Sich40-2560-2006, und Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

 

 

 

I.                    Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

II.                  Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) Aufwendungen in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der vorliegenden Beschwerde von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger von Serbien, reiste am 7. August 2006 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin A R, geboren am 6. Juni 1986, Staatsangehörige von Serbien, und der gemeinsamen Tochter N B, geboren am 2. Mai 2004, Staatsangehörige von Serbien, von Deutschland kommend in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein. Am selben Tag brachte der Bf in der Erstaufnahmestelle West ein Asylbegehren ein. Dabei gab er an, N B zu heißen, am 31. Jänner 1980 geboren und Staatsangehöriger von Serbien zu sein.

 

Zu seiner Einreise sowie zu seinen Fluchtgründen befragt führte der Bf niederschriftlich am 9. August 2006 vor dem Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Albanisch im Besonderen an, er sei 1999 alleine nach Deutschland gereist, dort habe sich bereits sein Vater aufgehalten. Asylantrag habe er damals keinen gestellt, denn er habe von den deutschen Behörden eine Duldung (in Deutschland zu bleiben) bekommen. Im gleichen Jahr kam auch die Mutter nach Deutschland.

Von 2001 bis 2005 habe er in Deutschland als Gipser gearbeitet, wo er auch 2001 seine Freundin kennen gelernt habe; 2004 sei die gemeinsame Tochter zur Welt gekommen.

Am 27. Juli 2006 habe er von den deutschen Behörden die Nachricht bekommen, dass er bis 7. August 2006 das Land verlassen müsse.

Ihm sei mitgeteilt worden, es bestehe keine Möglichkeit in Deutschland Asyl zu bekommen.

Über Fluchtgründe machte er keine Angaben. Er brachte jedoch vor, er habe Deutschland nur deshalb verlassen, weil mit Bescheid die Ausweisung verfügt bzw ihm die Abschiebung angedroht worden sei.

 

Mit Schreiben vom 10. August 2006 teilte das Bundesasylamt EAST West dem Bf gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 mit, es sei beabsichtigt, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG zurückzuweisen. Gleichzeitig wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass seit dem 10. August 2006 Konsultationen gemäß dem Dubliner Abkommen mit Deutschland geführt worden seien. Dieses Schreiben wurde dem Bf am 22. August 2006 nachweislich ausgefolgt.

Am 18. August 2006 hat die Bundesrepublik Deutschland einer Übernahme gemäß dem Dubliner Abkommen zugestimmt.

 

Der Asylantrag des Bf wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 1. September 2006 als unzulässig zurückgewiesen.

 

Der Bf verfügt weder über einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet, noch über eine Aufenthaltsberechtigung bzw ein Nationalreisedokument.

 

Über die Lebensgefährtin sowie die gemeinsame Tochter wurden anstelle der Schubhaft gelindere Mittel iSd § 77 FPG angewendet.

 

Aufgrund der vom Bf angegebenen psychischen Probleme wurde ein Facharzt für Psychiatrie und Neurologie mit seiner Untersuchung und Erstellung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand beauftragt.

Aus der am 30. August 2006 übermittelten Faxmitteilung des FA für Psychiatrie an das Bundesasylamt geht hervor, dass der Überstellung des Bf nach Deutschland keine schweren psychischen Störungen entgegenstehen, die bei einer Überstellung/Abschiebung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würden.

 

1.2. Mit dem in der Präambel angeführten Bescheid wurde über den Bf auf Grundlage der §§ 76 Abs. 2 Z 2 und 4 FPG iVm § 80 Abs. 5 FPG iVm § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. Die Zustellung erfolgte durch persönliche Übernahme durch den Bf am 22. August 2006.

Anschließend wurde er im Auftrag der belangten Behörde in das PAZ der BPD Linz überstellt.

 

Begründend für die Verhängung der Schubhaft führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Bf habe nach seiner Ausweisung und der Androhung der Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag in Österreich nur deshalb gestellt, um seine Abschiebung in den Kosovo zu umgehen und seinen Aufenthalt in der Europäischen Union fortlaufend aufrecht erhalten zu können. Aus seiner illegalen Einreise nach Österreich sei klar ersichtlich, dass der Bf um seiner drohenden Abschiebung – sei es in den Kosovo sei es in die Bundesrepublik Deutschland – zu entrinnen, nicht bereit sei, die Rechtsordnung seiner Gastländer zu respektieren. Ohne jegliche Barmittel und ohne den Unterhalt für seine Familie bestreiten zu können, sei der Bf in Deutschland in die Illegalität abgetaucht, illegal nach Österreich eingereist und würde wegen seiner Mittellosigkeit staatliche Unterstützung benötigen.

 

Aufgrund der hohen Fluchtgefahr habe über den Bf Schubhaft verhängt werden müssen; bei der Lebensgefährtin des Bf und der gemeinsamen Tochter habe die Anwendung gelinderer Mittel im Sinne des § 77 FPG erfolgen können; dies sei zum Wohl des Kindes erfolgt.

 

1.3. Mit Schriftsatz vom 29. August 2006 erhob der Bf durch seine rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde und stellte die Anträge, der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge den angefochtenen Schubhaftbescheid als rechtswidrig aufheben; in eventu feststellen, dass die weitere Anhaltung des Bf rechtswidrig ist und die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht mehr vorliegen, sowie den Bund verpflichten, dem Bf die Kosten des Verfahrens im verzeichneten Ausmaß zu Handen seiner Vertreter binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution ersetzen.

 

In der Beschwerde wird dem von der belangten Behörde erhobenen und in Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt im Wesentlichen nicht widersprochen.

 

Allerdings wird ausgeführt, dass Deutschland aufgrund der dort verfügten Ausweisung bzw Abschiebung in den Kosovo für den Bf kein sicheres Drittland darstellen würde, da die Verhältnisse im Kosovo für die serbische Minderheit in Albanien noch immer nicht sicher seien. Dazu verweist der Bf auf Vorfälle mit ethnischem Hintergrund im ersten Quartal 2006. Es sei daher nicht zu erwarten, dass der Antrag des Bf auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werde, sodass die Schubhaftverhängung bzw die weitere Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 1 (gemeint ist wohl Abs. 2) Z 4 FPG nicht zulässig sei.

 

Es lägen keine Gründe vor, die die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG – wie sie im Fall der Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter vorgenommen worden seien – ausschließen würden. Eine bloße Ausreiseunwilligkeit reiche zur Verhängung der Schubhaft nicht aus, vielmehr müsse das Sicherungserfordernis in weiteren Umständen begründet sein. Gegenständlich seien keine hinreichenden Gründe dargetan worden, um die Befürchtung, es bestehe beim Bf das Risiko des Untertauchens, als schlüssig nachzuweisen.

 

Die Schubhaftverhängung und fortdauernde Anhaltung verstoße zudem gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Bf gemäß Art. 8 MRK. Die Anhaltung des Bf in Schubhaft greife in dessen Privat- und Familienleben ein, weil sie bewirke, dass eine Familienzusammenführung verhindert werde.

Durch die Verhängung der Schubhaft über den Bf habe die Behörde die zugrunde gelegte Rechtsgrundlage des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in denkunmöglicher Weise angewendet. Sie habe keine Abwägung zwischen den in Art. 8 Art. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen und jenen des Bf vorgenommen. Insbesondere habe die belangte Behörde bei der Verhängung der Schubhaft keine Rücksicht auf die psychisch belastete Konstitution des Bf sowie seine Sprunggelenkverletzung genommen, die eine fortwährende Anhaltung ausschließen würden. Darüber hinaus leide die minderjährige Tochter stark unter der Trennung von ihrem Vater.

 

Der Bf hat der gegenständlichen Beschwerde Kopien eines Bericht der UNHCR zur fortwährenden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo vom Juni 2006, eines Berichts der Münsterklinik über seine psychische Verfassung vom 20. Juli 2006, einer Mitteilung des Regierungspräsidiums Stuttgart, Bezirksstelle für Asyl vom 8. Juni 2006 sowie die Kopie der ersten Seite des Bescheids im Asylverfahren des S R und der S R, beigelegt.

 

2.1. Mit Schreiben vom 31. August 2006 hat die belangte Behörde Teile des Fremdenpolizeiaktes per Telefax übermittelt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie der Beschwerde entgegen tritt und deren kostenpflichtige Abweisung beantragt.

 

2.2. Begründend verweist die belangte Behörde auf ihren ausführlich erhobenen Sachverhalt und darauf, dass sie unter möglichster Schonung des Privat- und Familienlebens des Bf sowie seiner Familie vorgegangen sei, indem sie davon Abstand genommen habe, auch die Lebensgefährtin des Bf in Schubhaft zu nehmen, um für das gemeinsame Kind die Betreuung durch zumindest einen Elternteil zu gewährleisten.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie die Beschwerde und deren Anhänge festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

  1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

Der Bf wurde am 22. August 2006 in Oberösterreich festgenommen und wird seit dem in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung in Schubhaft ist damit zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.      gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.      gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.      gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.      auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

4.3. Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass es sich beim Bf um einen Asylwerber im Sinne des § 76 Abs. 2 FPG handelt.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 AsylG 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn

1.   im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt und

2.   das Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat einzustellen (§ 24 Abs. 2) war und die Entscheidung des Bundesasylamtes in diesem Verfahren mit einer Ausweisung (§ 10) verbunden war.

 

Nach § 28 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

Wie aus dem Sachverhalt ersichtlich, wurde dem Bf am 10. August 2006 gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass mit der Bundesrepublik Deutschland Konsultationen gemäß dem Dubliner Abkommen geführt würden, weshalb das Ausweisungsverfahren als eingeleitet anzusehen sei.

Es liegen also die Voraussetzungen gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 bzw 4 FPG vor.

 

4.4. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten lassen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen werde. Wie die belangte Behörde zutreffend im bekämpften Bescheid ausgeführt hat, hat der Bf durch seine Ausreise aus Deutschland schon in der Vergangenheit bewiesen, dass er sehr wohl bereit ist, sich fremdenpolizeilichen Maßnahmen – im gegenständlichen Fall der Abschiebung aus Deutschland – durch Untertauchen in die Illegalität zu entziehen. Es kommt ihm offenbar darauf an, in einem wirtschaftlich attraktiven Staat der Europäischen Union zu leben, was allein schon aus der Nichtangabe entsprechender Asylgründe bei der Erstbefragung bzw ersten Einvernahme ersichtlich wird. Insbesondere ist anzumerken, dass der Bf in Deutschland keinen Asylantrag gestellt hat und dieses Rechtsinstrument für ihn erst attraktiv wurde, als er durch die bevorstehende Abschiebung in den Kosovo seine wirtschaftlichen Interessen gefährdet sah. Nachdem dem Bf bekannt ist, dass Deutschland im Rahmen des Dublin - Abkommens zu seiner Übernahme bereit ist und in der Folge seine Abschiebung nach Serbien droht, kann entgegen den Ausführungen in der Beschwerde angenommen werden, dass der Bf wiederum in die Illegalität abtauchen wird.

 

Die in der Beschwerde erhobene Behauptung, der Kosovo sei für die serbische Minderheit nicht sicher, ist im gegenständlichen Verfahren irrelevant, weil der Bf gemäß dem Dublin – Abkommen nach Deutschland (rück)überstellt und nicht in den Kosovo abgeschoben werden soll.

 

Eine eventuelle psychisch angeschlagene Konstitution sowie die Verletzung des Sprunggelenks des Bf sind im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeitsprüfung der Verhängung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG nicht zu prüfen, sondern allenfalls geeignet, im Rahmen der Prüfung der Haftfähigkeit im PAZ Linz berücksichtigt zu werden.

Die durchgeführte fachärztliche Untersuchung hat auch ergeben, dass der psychische Zustand des Bf einer Abschiebung nach Deutschland nicht entgegensteht.

 

4.5. Die Verhängung der Schubhaft ist verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 MRK steht das Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um diese zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf Privat- und Familienleben notwendig.

 

In Entsprechung des Art. 8 MRK verzichtete die belangte Behörde auf die ansonsten durchaus zulässige Verhängung der Schubhaft auch über die Lebensgefährtin des Bf, um der gemeinsamen minderjährigen Tochter zumindest eine elterliche Bezugsperson zu belassen. Die Berufung auf das Grundrecht auf Privat- und Familienleben kann nicht dazu dienen, ein nicht rechtskonformes Verhalten zu rechtfertigen und zu schützen.

 

Der Oö. Verwaltungssenat verkennt nicht die sicherlich belastende Situation für die minderjährige Tochter des Bf. Im Sinne eines ordnungsgemäßen Gesetzesvollzugs und der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Bf sowie seiner "Familienangehörigen" muss jedoch die Anwendung der gelinderen Mittel im Falle der Lebensgefährtin zur Betreuung des Kindes als ausreichend angesehen werden.

 

4.6. Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG hat die Fremdenbehörde auf § 77 Abs. 5 FPG Bedacht zu nehmen und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Die belangte Behörde ist im konkreten Fall zu Recht davon ausgegangen, dass gelindere Mittel nicht in Betracht zu ziehen sind. So ist der Beschwerdeführer in Österreich weder beruflich noch sozial integriert, verfügt über keinen Wohnsitz in Österreich oder über Barmittel zur Bestreitung seines Unterhalts. Deshalb ist zu befürchten, er werde sich durch Abtauchen in die Anonymität dem weiteren fremdenrechtlichen Verfahren, insbesondere seiner Ausweisung aus Österreich, entziehen.

 

Aus seinem Gesamtverhalten, der Abreise aus Deutschland, nachdem ihm die Abschiebung angedroht worden war und dem Stellen eines Asylantrags in Österreich, nachdem er erfahren hatte, dass er in Deutschland nicht als Asylant anerkannt werden wird, ohne Angabe von Gründen einer konkreten Bedrohung, ist ersichtlich, dass es dem Beschwerdeführer gerade darauf ankommt, in einem wirtschaftlich attraktiven Staat zu verbleiben.

Nachdem ihm mitgeteilt worden war, sein Asylantrag werde als unzulässig zurückgewiesen, war deshalb auch anzunehmen, er werde sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen. Weil sein Antrag zwischenzeitig mit Bescheid des BBA vom 1. September 2006 durchsetzbar zurückgewiesen wurde, ist diese Annahme auch weiterhin gerechtfertigt.

 

4.7. Gemäß § 80 Abs.1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hin zu wirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf gemäß Abs.2 leg.cit. solange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für die Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf, außer in den Fällen der Abs.3 und 4, insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

Gemäß Abs.5 des § 80 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs.2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es liege auch ein Fall des Abs.4 Z.1 bis 3 vor.

 

Im konkreten Fall wurde die Schubhaft am 22. August 2006 gemäß § 76 Abs.2 verhängt. Die Rechtsmittelfrist des zurückweisenden, durchsetzbaren Asylbescheids vom 1. September 2006 ist zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses noch nicht abgelaufen. Damit ist die Entscheidung über den Asylantrag des Bf noch nicht rechtskräftig. Seine Anhaltung erfolgt innerhalb des (zeitlichen) Rahmens des § 80 FPG.

 

Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Ziel der Schubhaft nicht mehr realisierbar ist, daher ist auch deren weitere Aufrechterhaltung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zulässig.

 

4.8. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Gemäß § 79a AVG iVm § 83 Abs. 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen, abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs. 3 AVG).

 

Beim vorliegenden Verfahrensergebnis war dem Bund als dem zuständigen Rechtsträger auf Antrag der belangten Behörde der Vorlage- und Schriftsatzaufwand (51,50 und 220,30 Euro) nach den Pauschbeträgen der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl II Nr. 334/2003) und damit ein Verfahrensaufwand in der Höhe von insgesamt 271,80 Euro zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

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