Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240199/2/WEI/Bk

Linz, 11.06.1997

VwSen-240199/2/WEI/Bk Linz, am 11. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlaß der Berufung des Direktor W, Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft mit dem Sitz in W, vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft Dr. K und Dr. M, vom 5. August 1996 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr als Bezirksverwaltungsbehörde vom 18. Juli 1996, Zl. SanLP-68/95, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975, zuletzt geändert mit BGBl Nr. 21/1997) den Beschluß gefaßt:

Das angefochtene Straferkenntnis wird wegen örtlicher Unzuständigkeit des Bürgermeisters der Stadt Steyr ersatzlos aufgehoben.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 27 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde vom 18. Juli 1996 wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben es als Vorstandsmitglied und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma AG, in W, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, daß am 11.7.1995 in der Filiale oa. Firma in S, Kleingebäck (Semmeln genetzt) mit einem sogenannten Gebäckspender im Wege der Selbstbedienung an die Kunden abgegeben und damit in Verkehr gebracht wurde. Die Kunden hatten nach Öffnen einer Abdeckung gleichzeitig Zugriff auf mehrere Gebäckstücke, auch auf solche, welche sie nicht wählten. Das Gebäck war dabei dem Betasten, Wühlen, Aussuchen, Anhusten und Anniesen durch die Kunden ausgesetzt, wodurch Krankheitserreger übertragen werden konnten.

Sie haben daher nicht vorgesorgt, daß Lebensmittel beim Inverkehrsetzen nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden, obwohl dies nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar war. Dies stellt eine Übertretung des Lebensmittelgesetzes dar." Dadurch erachtete die belangte Strafbehörde § 20 iVm § 74 Abs 5 Z 3 LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 74 (5) Z. 3 leg.cit." (richtig: Strafrahmen des § 74 Abs 5 LMG 1975) eine Geldstrafe von S 3.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 300,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seiner Rechtsvertreter am 23. Juli 1996 zugestellt wurde, richtet sich die am 5. August 1996 rechtzeitig zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, mit der die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

2. Die belangte Behörde hat ihren Strafakt kommentarlos zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

3.1. Die Berufung wendet zunächst, bevor sie Ausführungen in der Sache vornimmt, örtliche Unzuständigkeit ein, da eine Übertretung nach § 20 LMG 1975 in der vorliegenden Gestaltung ein Unterlassungsdelikt darstelle. Der Tatort sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Ort der Unternehmenszentrale, weshalb die Bezirkshauptmannschaft Mödling zuständig sei. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß die Berufung mit ihrem Einwand der Unzuständigkeit im Recht ist. Es war daher entbehrlich die weiteren Argumente darzustellen.

3.2. Nach der Aktenlage hat die Bezirkshauptmannschaft Mödling ihren Akt an die belangte Behörde als Tatortbehörde gemäß § 27 VStG abgetreten. Die belangte Behörde hat das Strafverfahren weitergeführt und das Straferkenntnis vom 18. Juli 1996, Zl. SanLP-68/95, gegen den Bw erlassen.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Die belangte Strafbehörde hat dem Bw angelastet, als Vorstandsmitglied der AG nicht vorgesorgt zu haben, daß Lebensmittel (Kleingebäck) in einer Filiale in S beim Inverkehrsetzen mit Gebäckspendern im Wege der Selbstbedienung nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden. Es wurde daher das Unterlassungsdelikt nach § 74 Abs 5 Z 3 iVm § 20 LMG 1975 angenommen.

In einer solchen ebenfalls die AG betreffenden Konstellation hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Februar 1996, Zl. 95/10/0240, ausgesprochen, daß bei Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen der Tatort dort liege, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Wird ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft zur Verantwortung gezogen, so ist der Tatort jener Ort, an dem die Unternehmensleitung ihren Sitz hat (Hinweis auf VwGH 25.3.1994, 94/02/0026). Eine andere Betrachtungsweise wäre nur dann geboten, wenn ein verantwortlich beauftragter Filialleiter bestraft wird (Hinweis auf VwGH 19.4.1994, 94/11/0055).

Im gegenständlichen Beschwerdefall kommt daher als Tatort der Sitz der Unternehmensleitung in W in Betracht. Zuständige Strafbehörde erster Instanz ist demnach die Bezirkshauptmannschaft Mödling und nicht der Bürgermeister der Statutarstadt S. Den Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1995, Zl. 94/10/0173, auf das sich die Bezirkshauptmannschaft Mödling bei der Abtretung ebenfalls berufen hatte, verwarf der Verwaltungsgerichtshof, da es in diesem Erkenntnis um die Bestrafung eines Begehungsdelikts nach § 74 Abs 2 Z 1 iVm § 7 Abs 1 lit b) LMG 1975 ging. Im gleichen Sinne entschied der Verwaltungsgerichtshof auch im Erkenntnis vom 25. März 1996, Zlen. 95/10/0252, 0253.

Da anstelle der belangten Behörde die Bezirkshauptmannschaft Mödling für die Erlassung eines Straferkenntnisses zuständig ist, besteht auch keine Sachzuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich. Das angefochtene Straferkenntnis war daher ersatzlos aufzuheben. Auf das Sachvorbringen der Berufung war nicht einzugehen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e i ß

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