Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420485/18/Ste/CR/BP

Linz, 07.11.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Beschwerde des F H, S, D, vertreten durch Dr. E G & Dr. G A, Rechtsanwälte, O, K, wegen Beschlagnahme der Frachtpapiere und der Zulassungsscheine und nachfolgende Anordnung der Unterbrechung und Verbot der Weiterfahrt für den Lenker sowie andere Personen mit Ausnahme des Beschwerdeführers selbst - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Die Anordnung der Unterbrechung der Fahrt des Sattelkraftfahrzugs  (Sattelzugfahrzeug) und  (Sattelanhänger), dessen Zulassungs­besitzer der Beschwerdeführer war, am 21. Juli 2006 im Rahmen der ab etwa 8.15 Uhr auf einem Parkplatz der Autobahn A 8 in Fahrtrichtung Wels, beim Straßenkilometer 17,5, durchgeführten Amts­handlung durch Organe der Landesverkehrsabteilung des Landespolizei­kommandos Oberösterreich wird ab dem Zeitpunkt für rechtswidrig erklärt, in dem das Organ das Nachbringen einer Urlaubsbestätigung ablehnte und die Inbetriebnahme und die Weiterfahrt des Sattelzugs durch den Lenker M H untersagte sowie die Anbringung einer Weg­fahr­sperre androhte.

Im Übrigen wird die Beschwerde gegen die Unterbrechung der Fahrt als unbegründet abgewiesen.

 

II.                  Die Nichtwiederausfolgung der Frachtpapiere und des Zulassungs­scheins des im Punkt I. genannten Sattelzugs nach Abschluss deren Kontrolle im Rahmen der im Punkt I. genannten Amtshandlung wird für rechtswidrig erklärt.

 

III.                Die Beschwerde gegen die Untersagung der Weiterfahrt durch jeden anderen als den Beschwerdeführer selbst wird als unzulässig zurück­gewiesen.

 

IV.               Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Wels-Land) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 660,80 Euro Schriftsatzaufwand, 826 Euro Verhandlungsaufwand und 13 Euro Eingabegebühr, insgesamt also 1.499,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

V.                 Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirks­haupt­mann des Bezirks Wels-Land) Kosten in Höhe von 220,30 Euro Schriftsatzaufwand, 275,30 Euro Ver­handlungsaufwand sowie 51,50 Euro Vorlageaufwand, insgesamt also 547,10 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG; § 67c AVG; § 79a AVG iVm
UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Nach Schilderung des F H (in der Folge: Beschwerdeführer – Bf) wurde eines seiner Kraftfahrzeuge (samt Sattelanhänger) am 21. Juli 2006 durch ein dem Bezirks­hauptmann des Bezirks Wels-Land zurechenbares Organ angehalten. In der Folge wurden von diesem Organ (1.) die Frachtpapiere und die Zulas­sungs­scheine der Fahrzeuge beschlagnahmt, (2.) die Unterbrechung der Fahrt für den Lenker M H sowie (3.) ein Verbot der Weiterfahrt für andere Personen mit Ausnahme des Bf selbst angeordnet.

 

 

2. Gegen diese drei Maßnahmen (Aufforderungen und Androhungen) richtet sich die vor­liegende, am 21. August 2006 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte, Be­schwerde.

 

Darin wird zunächst ausgeführt, dass der Bf ein Transportunternehmen betreibe. Am 21. Juli 2006 sei M H, ein Dienstnehmer des Bf, beauftragt gewesen, mit einem firmeneigenen Sattelschlepper von Deutschland Termingut zur Firma M S zu bringen. In Suben sei der Fahrzeuglenker von einer Zivilstreife – namentlich BI M H – angehalten worden. Der Lenker sei aufgefordert worden, die Schaublätter sowie die Fahrzeugpapiere samt Frachtpapieren auszu­händigen, worauf dieser das Schaublatt nur für den 21. Juli 2006 vor­gelegt und erklärt habe, dass er die Tage zuvor auf Urlaub gewesen sei und daher für die Vortage keine Schaublätter habe. Er führe keine Urlaubs­bestätigung mit sich. Diese könne jedoch seitens des Dienstgebers unverzüglich übermittelt oder vorbeigebracht werden.

 

In der Folge sei vom einschreitenden Organ ein weiteres Einsatzfahrzeug herbei­geholt worden. Aus dem Schaublatt vom 21. Juli 2006 hätte sich keine Fahrzeitüberschreitung ergeben. Dem Lenker seien das Schaublatt sowie der Zulassungsschein und die Frachtpapiere abgenommen worden und es sei ihm erklärt worden, dass eine Klammer am Fahrzeug angebracht werde. Darüber hinaus sei die Unterbrechung der Fahrt angeordnet worden.

 

In einem daraufhin geführten Telefonat zwischen dem Bf und dem einschreitenden Organ habe letzterer mitgeteilt, dass das Fahrzeug „abgestellt“ und die Weiterfahrt nicht nur für den Lenker Hr untersagt wäre, sondern auch kein anderer Dienstnehmer mit dem Fahrzeug weiterfahren dürfte. Die Papiere würde auch nach Vorlage eines Urlaubsscheines, ob im Original oder per Fax, jedenfalls nicht herausgegeben und die Weiterfahrt sei für jede Person außer den Bf selbst, der die Papiere bei der Polizeiinspektion in Wels abholen könne, untersagt.

 

Es sei dem einschreitenden Beamten dargelegt worden, dass es sich bei der Fracht um Termingut handle und durch die Untersagung der Weiterfahrt durch andere Dienstnehmer dem Bf ein Schaden entstehe.

 

BI H lasse im Übrigen keine Möglichkeit aus, Fahrzeuge des Unternehmens des Bf zu kontrollieren. Er fühle sich wohl auch dadurch persönlich angegriffen, dass Mitarbeiter des Bf mehrfach Einsprüche gegen Strafverfügungen erhoben hätten, deren Meldungsleger BI H war.

 

Erst nachdem der Bf selbst nach Wels gefahren sei, seien ihm die Papiere ausgehändigt und sei ausschließlich ihm die Weiterfahrt gestattet worden.

 

In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, dass die Beschlagnahme der Fahrzeug­papiere samt Frachtpapieren sowie die Anordnung der Fahrtunterbrechung, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen würden und der Bf in verfassungsgesetzlich und einfach gesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei.

Im vorliegenden Fall seien die einschreitenden Organe nicht zur Beschlagnahme des Zulassungsscheines sowie der Frachtpapiere berechtigt gewesen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür nicht gegeben gewesen wären. Auch die Voraussetzungen für die Anordnung der Fahrtunterbrechung wären nicht gegeben gewesen, zumal der Lenker durch seinen Dienstgeber bescheinigen hätte können, dass er zuvor Urlaub gehabt hätte und jedenfalls keine Fahrzeitüberschreitung vorgelegen wäre. Auch das Verbot des Weiterfahrens durch andere Dienstnehmer des Bf entbehre jeder gesetzlichen Grundlage.

 

Schlussendlich beantragte der Bf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Erstattung der Kosten und die Fällung folgenden Erkenntnisses: „Der Beschwerdeführer ist durch die Beschlagnahme der Frachtpapiere und der Zulassungsscheine der Fahrzeuge mit dem Kennzeichen  und  am 21. 07. 2006 sowie der nachfolgenden Anordnung der Unterbrechung der Fahrt mit dem erwähnten Sattelzug für den Lenker M H einerseits, andererseits aber auch der Erlassung des Verbotes der Weiterfahrt für andere Person mit Ausnahme des Beschwerdeführers selbst, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht sowie in seinem Recht auf Nichtdurchführung der Anordnung der Unterbrechung der Fahrt ohne Vorliegen der gesetzlichen Bestimmungen verletzt worden.“

 

2.1. Mit Schreiben vom 29. August 2006 wurden sowohl der Bezirkshauptmann des Bezirks Schärding als nach dem vom Bf angegebenen Ort der Amtshandlung zuständige Behörde sowie das Landespolizeikommando Oberösterreich zur Erstattung einer Gegenschrift eingeladen.

 

Mit Schreiben vom 1. September 2006 teilte die Bezirkshauptmannschaft Schärding mit, dass sich die gegenständliche Amtshandlung nicht im Gemeindegebiet von Suben sondern im Gemeindegebiet Krenglbach zugetragen hat, weshalb die Einladung zur Erstellung einer Gegenschrift an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land weitergeleitet wurde.

 

2.2. Mit Schreiben vom 13. September 2006 verwies die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land auf diverse bei ihr gegen den Bf sowie gegen den Lenker M H anhängige Verwaltungsstrafverfahren und teilte darüber hinaus mit, dass sich nach Einvernahme von CI M H und RI H H keine Anhaltspunkte ergeben hätten, „die eine Maßnahmenbeschwerde rechtfertigen“ würden.

 

2.3. In einem Schreiben vom 11.Oktober 2006 teilte das Landespolizeikommando Oberösterreich zusammenfassend mit, dass auf Grund der Maßnahmenbeschwerde der Sachverhalt geprüft wurde. Zusammenfassend wird „auf Grund der Erhebungen festgehalten, dass durch das Einschreiten des Beamten keine Richtlinie nach § 31 SPG verletzt wurde“.

 

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungsakte, die vorgelegten Schriftsätze sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungs­senat am 16. Oktober 2006.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie aus der öffentlichen mündlichen Verhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Am 21. Juli 2006 um ca. 7.30 Uhr übernahm M H den Sattelschlepper mit dem Kennzeichen  (Sattelzugfahrzeug) und (Anhänger) von C H, der diesen bis dorthin von Deutschland kommend gelenkt hatte. In der Woche vom Montag, 17. Juli 2006 an hatte M H Urlaub, wurde aber von seinem Arbeitgeber (dem nunmehrigen Bf) angerufen und gebeten, das Fahrzeug in Suben zu übernehmen, um Fahrzeitüberschreitungen des Vorlenkers zu vermeiden. M H lenkte das Fahrzeug Richtung Steyr, um Termingut fristgerecht zur Firma M S zuzustellen.

 

Auf der Autobahn A 8 im Gemeindegebiet von Krenglbach wurde das in Richtung Wels fahrende Fahrzeug von einer Zivilstreife auf einen Parkplatz in der Nähe der Anschlussstelle Pichl (im Sprengel der Bezirkshaupt­mannschaft Wels-Land) dirigiert. CI M H und RI H H führten eine Fahrzeugkontrolle durch; dabei wurde ua. festgestellt, dass sich in der Fahrerlade das Schaublatt des M H befand, in der zweiten Lade befand sich kein Schaublatt.

 

Auf die Aufforderung durch CI M H händigte ihm M H sowohl das Schaublatt als auch die Frachtpapiere und die Zulassungsscheine der beiden Fahrzeuge (Zugfahrzeug und Anhänger) aus. Bei einer Fahrzeugkontrolle wurde festgestellt, dass die Summe der Lichtstärken aller Scheinwerfer, mit denen gleichzeitig Fernlicht ausgestrahlt werden kann, größer als 225.000 cd war sowie dass es unterlassen worden war, dem Landeshauptmann unverzüglich anzuzeigen, dass beim Sattelfahrzeug ein Rammschutz angebracht worden war.

 

Danach verlangte das einschreitende Organ Auskunft einerseits über die an­scheinend fehlenden Schaublätter der Vortage und andererseits, nach­dem M H erklärt hatte, dass er in der Vorwoche auf Urlaub gewesen sei, eine Original-Urlaubsbestätigung. M H konnte eine solche nicht vorweisen und gab von sich aus auch keine Auskunft darüber, wer das Fahrzeug bis nach Suben gelenkt hatte. M H gab an, dass der ebenfalls im Fahrzeug befindliche C H nicht zur Firma des Bf gehöre, sondern nur mitfahre.

 

M H erklärte, zumindest bis zum Autohof Wels weiterfahren zu wollen, da ihm dort entsprechende Versorgungseinrichtungen zur Verfügung ständen, worauf ihm CI M H die Anbringung einer (technischen) Wegfahrsperre androhte.

 

Das einschreitende Organ untersagte M H die Weiterfahrt und erklärte das Fahrzeug für neuen Stunden als abgestellt; besondere Ermüdungssymptome waren beim Fahrer nicht festzustellen. CI H verweigerte die von M H ange­botene Übermittlung seiner Urlaubsbestätigung durch den Bf mittels Fax und lehnte auch ein Nachbringen der Originalurlaubsbestätigung ab.

 

In der Folge übergab CI H sämtliche abgenommenen Papiere einer zweiten Polizeistreife, die sie bei der Autobahnpolizei Wels hinterlegte.

 

Zwischen dem Bf und CI H wurden telefonisch verschiedene Möglichkeiten der „Problemlösung“ erörtert; dabei beharrte CI H darauf, dass M H (auch) nach Vorlage einer Original-Urlaubsbestätigung nicht mehr weiterfahren dürfe und dass auch der Mitfahrer C H nicht fahren dürfe. Somit müsse der Bf selbst an Ort und Stelle das Fahrzeug übernehmen und weiterfahren.

 

In der Folge holte der Bf die Papiere bei der Autobahnpolizei Wels ab und fuhr mit dem Fahrzeug weiter. Durch die Anhaltung und die damit verbundene Nicht­einhaltung des Termingeschäfts entstand dem Bf ein beträchtlicher finanzieller Schaden.

 

2.6. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen widerspruchsfrei aus den gegenseitigen Behauptungen, insbesondere auch jenen in der öffentlichen münd­lichen Verhandlung.

 

2.6.1. Dass M H das gegenständliche Fahrzeug am 21. Juli 2006 um ca. 7.30 Uhr in Suben übernommen hat, ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben des Bf, des M H und des C H sowie aus dem vorgelegten Schaublatt. Genauso unbestritten ist, dass das Fahrzeug am Autobahnparkplatz im Gemeindegebiet von Krenglbach von den Organen CI M H und RI H H angehalten wurde.

 

Dass M H in der Woche seit 17. Juli 2006 Urlaub hatte, ergibt sich einerseits aus den diesbezüglichen Aussagen des Bf sowie des M H sowie andererseits aus der vorgelegten Arbeits-, Urlaubs- und Krankenkarte.

 

Dass beim Fahrer M H keine besonderen Ermüdungssymptome festzu­stellen waren, ergibt sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Aussagen der einschreitenden Organe.

 

Die Ausführungen zum Zustand des Fahrzeugs ergeben sich aus der ent­sprechenden Anzeige der einschreitenden Beamten an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land.

 

Dass nur ein Schaublatt eingelegt war, ergibt sich aus den überein­stimmenden Aussagen sämtlicher Zeugen.

 

2.6.2. Unstrittig ist, dass M H auf die Aufforderung des CI H ihm sowohl ein Schaublatt als auch Frachtpapiere und Zulassungsscheine aushändigte. Ebenso steht fest, dass M H die von CI H geforderte Urlaubs­bestätigung nicht mitführte. Übereinstimmend haben die Zeugen CI H, M H und C H geschildert, dass M H angegeben hat, dass der Beifahrer C H nicht zur Firma des Bf gehört; der Bf selbst hat dieselbe Aussage gegenüber CI H in einem Telefonat getroffen, wie er selbst in der Verhandlung bestätigte.

 

Im Wesentlichen unstrittig ist auch, dass M H bis zum Autohof Wels weiterfahren wollte und daraufhin CI H das Anbringen von Wegfahrsperren androhte sowie dass CI H die abgenommenen Papiere einer zweiten Streife mitgegeben hat, die sie bei der Autobahnpolizei Wels hinterlegte. Ebenso übereinstimmend haben die Zeugen M H, CI H und auch der Bf selbst angegeben, dass CI H die Weiterfahrt zunächst für die Dauer von 9 Stunden untersagte.

 

Übereinstimmend wurde ausgesagt, dass CI H das Nachbringen bzw -faxen der fehlenden Urlaubsbestätigung des M H ablehnte.

 

2.6.3. Hinsichtlich der Aussage von CI H, dass nur der Bf selbst das Fahrzeug weiterlenken dürfe, ist folgende Würdigung vorzunehmen: Aus den Gesprächen vor Ort sowie aus Telefonaten zwischen CI H und dem Bf ergab sich, dass CI H sowohl M H als auch dem Zeugen C H, der auch im Besitz einer entsprechenden Lenkerberechtigung war, jedoch für CI H glaubhaft nicht zum Unternehmen des Bf gehörte, das Weiterfahren untersagte. Nachdem der Bf CI H mitgeteilt hatte, dass er sonst keinen Fahrer zur Verfügung hätte, kann davon ausgegangen werden, dass CI H gesagt hat, dass dann „eben nur der Bf selbst fahren dürfe“.

 

Trotz insbesondere zeitlicher Divergenzen in den Zeugenaussagen steht fest, dass die jeweiligen Telefonate stattgefunden haben; eine genaue zeitliche Zuordnung derselben ist nicht entscheidungswesentlich; sie könnte auch nur mit unverhältnismäßigem Aufwand rekonstruiert werden. Aufgrund der zeitlichen Abläufe ist jedoch grundsätzlich den Aussagen des Bf und des Zeugen M H Glauben zu schenken.

 

Unstrittig ist, dass der Bf die Papiere bei der Autobahnpolizei Wels noch am Vormittag abholte und dann selbst weiterfuhr. Bezüglich des durch die Anhaltung entstandenen Schadens ist auf die glaubwürdige Aussage des Bf zu verweisen.

 

2.7. Gemäß § 67a Abs. 1 AVG ist zur Entscheidung über die vorliegende Be­schwerde das durch die Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied des Oö. Verwaltungssenates berufen.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausge­nommen in Finanzstrafsachen (vgl. auch Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG). Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungs­senat einzubringen, in dem der Be­schwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.

 

Die behaupteten Maßnahmen fanden – unbestritten – am 21. Juli 2006 statt. Die Beschwerde, die vom 21. August 2006 datiert ist (Poststempel vom 23. August 2006), langte am 28. August 2006 beim Oö. Verwaltungssenat ein; sie ist daher rechtzeitig erhoben worden.

 

3.2. Neben der Rechtzeitigkeit ist weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG, dass überhaupt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, der sich gegen die Person gerichtet hat, die als Be­schwerdeführer im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat auftritt (vgl. Aichlreiter in Rill/Schäffer, Bundesverfassungsrecht, RZ 49 zu Art. 129a B-VG) und dass die Verletzung eines subjektiven Rechts des Beschwerdeführers zumindest möglich ist (vgl. VwGH 20. Dezember 1995, 95/03/0288, 0289).

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH vom 29. Juni 2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu Art. 129a B-VG).

 

Der Bf war als Zulassungsbesitzer des betroffenen Sattelzugs von den Anordnungen zweifellos betroffen und ist daher grundsätzlich beschwerdelegitimiert.

 

3.3. Er könnte durch die Anordnungen in erster Linie in seinem verfassungs­ge­setzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt sein, das gemäß Art. 5 StGG und Art. 1 des 1. ZPEMRK geschützt ist. Eigentumsbe­schrän­kungen sind demnach nur in den Fällen rechtmäßig, die durch die Gesetzes­vor­behalte der genannten Bestimmungen und die auf deren Grundlage ergangenen Normen gedeckt sind. Sie müssen jedenfalls im öffentlichen Interesse gelegen und verhältnismäßig sein. In jedem Fall sind solche Eigentumsbeschränkungen immer vor dem Hintergrund des geschützten Rechts zu beurteilen. Es ist daher im Zweifel eine grundrechtsschutzfreundliche Interpretation des konkreten Eingriffsgesetzes und des konkreten Eingriffs vorzunehmen.

 

3.4. Als die bekämpften Anordnungen rechtfertigende Bestimmung kommt § 102 des Kraftfahrgesetzes 1967 – KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006, in Betracht.

 

Gemäß § 102 Abs. 12 lit. i KFG. 1967 sind Organe des öffentlichen Sicherheits­dienstes oder der Straßenaufsicht berechtigt, „Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern, wenn diese hiedurch begehen oder begehen würden eine Übertretung des § 102 Abs. 1 dritter Satz, wenn die erforderlichen Schaublätter nicht mitgeführt, nicht ordnungsgemäß ausgefüllt oder ausgehändigt werden oder des § 102a Abs. 3 bis 8.“ Zu diesem Zweck sind auf Grund der letzten Sätze des Abs. 12, „falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahrzeuges oder der Beladung Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges, Anbringen von technischen Sperren und dergleichen, anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anwendung weggefallen ist, im Falle der lit. d, h, i, j oder k auch, wenn andere Personen, bei denen keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigen, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken.“

 

Gemäß § 102 Abs. 1 dritter Satz KFG 1967 haben Lenker von Lastkraftwagen und Sattelzugfahrzeugen mit einem Eigengewicht von mehr als 3.500 kg oder von Omnibussen dafür zu sorgen, dass der Wegstreckenmesser und der Fahrten­schreiber auf Fahrten in Betrieb sind und dass im Fahrtenschreiber ein geeignetes, ordnungsgemäß ausgefülltes Schaublatt eingelegt ist; es darf pro Person und pro Einsatzzeit im Sinne des § 16 Arbeitszeitgesetz, BGBl. Nr. 461/1969, nur ein Schaublatt im Fahrtschreiber eingelegt sein, in das der Name des Lenkers einzu­tragen ist; die Schaublätter der laufenden Woche sowie in jedem Fall das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist, sind mitzuführen; die Lenker haben auf Verlangen der Organe des öffentlichen Sicher­heitsdienstes oder der Straßenaufsicht diesen das Schaublatt des Fahrt­schreibers oder des Kontrollgerätes gemäß des Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 sowie die mit­geführten Schaublätter auszuhändigen.

 

Weder die zitierte Regelung des KFG 1967 noch die Gemeinschaftsrechtsnormen (Verordnungen [EWG] Nr. 3820/95 und 3821/95 und [EG] Nr. 561/2006, Richtlinie 88/599/EWG, jeweils in ihrer derzeit geltenden Fassung) geben darüber ausdrücklich Auskunft, was zu geschehen hat, wenn der kontrollierte Lenker die der Kontrolle vorangegangenen Tage auf Urlaub war oder sonst kein entsprechendes Fahrzeug gelenkt hat und daher die Schaublätter der laufenden Woche sowie das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche gar nicht mitführen kann, weil er in diesen Tagen eben gerade nicht gefahren ist. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats kann die Antwort auf diese Frage vor allem aus dem Sinn und Zweck der Regelung erschlossen werden. Mit Hilfe der Schaublätter soll ohne Zweifel eine Kontrolle der Lenkzeiten ermöglicht werden, die ihrerseits dem öffentlichen Interesse dient, das darin gelegen ist, dass nur ausgeruhte und damit fahrtüchtige Personen Kraftfahrzeuge mit einem erheblichen Gefährdungspotenzial lenken sollen. Kann ein Lenker daher die entsprechenden Schaublätter der Vortage deswegen nicht vorlegen, weil er an diesen Tagen kein entsprechendes Fahrzeug gelenkt hat (oder gar auf Urlaub war), ist es nicht erforderlich, dass er ein Schaublatt für diese Zeiträume vorlegt (vgl. so auch EuGH vom 13. Dezember 1991, C-158/90 sowie VwGH vom 30. Jänner 2004, 2003/02/0269). Freilich wird es an der Lenkerin oder am Lenker liegen, dies dem überprüfenden Organ glaubhaft zu machen. Dies bedeutet, dass er initiativ alles darzulegen hat, was für seine Aussage spricht. Da die dargestellten Regelungen darüber keine Aussage treffen, sind hier allerdings grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten denkbar. Eine Möglichkeit stellt zweifellos eine Urlaubsbestätigung dar. Lehnt das Organ allerdings jegliche Variante eines Nachweises durch den Lenker ab, so macht es ihm von vorneherein dieses Glaubhaftmachen unmöglich und nimmt somit jegliche Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweg.

 

Auch aus § 102 Abs. 12 lit. j KFG 1967, der auf die Verordnung (EWG) 3821/85 verweist (wobei insbesondere deren Art. 15 Abs. 7 im vorliegenden Fall in Betracht kommt), ist im Übrigen keine weitere Rechtfertigung ableitbar.

 

3.5. Zur Anordnung der Unterbrechung der Fahrt (Spruchpunkt I):

 

3.5.1. Wie gezeigt, bietet § 102 Abs. 12 lit. i iVm § 102 Abs. 1 dritter Satz KFG 1967 grundsätzlich die Möglichkeit, die Unterbrechung der Fahrt anzuordnen, wenn der Lenker die in § 102 Abs. 1 dritter Satz KFG 1967 geforderten Schaublätter nicht mitführt.

 

Unstrittig ist, dass der Lenker H die fraglichen Schaublätter nicht mitgeführt hat; auch eine – wie gezeigt gesetzlich im Übrigen nicht vorgesehene – Urlaubs­bestätigung führte er nicht mit und konnte zunächst auch das Fehlen der Schaublätter nicht glaubhaft machen. In diesem Fall können nach § 102 Abs. 12 lit. i KFG 1967 – falls erforderlich – Zwangsmaßnahmen angeordnet werden. Im vor­liegenden Fall hatten CI H und RI H keinerlei Schaublätter außer dem des fraglichen Tages, das noch dazu in Suben begann, zur Verfügung um die Lenkzeiten des Fahrers zu überprüfen; auch konnte der Lenker zunächst den Nachweis nicht führen, dass er in der vergangenen Woche auf Urlaub war. Dass die beiden Polizisten dies allein aufgrund der Versicherungen des Lenkers und des Bf nicht glaubten, ist verständlich. Es ist daher nachvollziehbar, dass die genannten Polizisten misstrauisch hinsichtlich der Einhaltung der Lenkzeiten waren, weshalb es auch gerechtfertigt war, bis zur Klärung dieser Frage die Unterbrechung der Fahrt anzuordnen. Die Anordnung der Unterbrechung war daher – zumindest zu Beginn – erforderlich im Sinne des § 102 Abs. 12 lit. i KFG 1967 und daher rechtmäßig.

 

3.5.2. Allerdings boten sowohl M H als auch der Bf in der Folge an, eine Urlaubs­bestätigung nachzureichen, und zwar entweder als Fax oder im Original. Eine Bestätigung, dass der Lenker M H in der fraglichen Woche auf Urlaub war und dies seine erste Fahrt nach einem mehrtätigen Urlaub war, muss dazu geeignet sein, Zweifel hinsichtlich der Ausgeruhtheit des Fahrers zu zerstreuen. In einer Urlaubsbestätigung – und zwar sowohl in einer gefaxten als auch in einem nachgebrachten Original – würde durch den Bf als Arbeitgeber des Lenkers in Form einer Urkunde – deren Fälschung gerichtlich strafbar wäre – bestätigt, dass der Lenker in der fraglichen Zeit auf Urlaub war, womit grundsätzlich ein entsprechender Nachweis erbracht wäre, dass der Lenker ausgeruht genug zum Lenken eines Fahrzeuges ist. Eine gegenteilige Annahme wäre trotz Urlaubsbestätigung wohl nur dann vertretbar, wenn sich zusätzliche Hinweise in Richtung einer Übermüdung des Lenkers ergeben hätten, was aber hier nicht der Fall war, insbesondere da beide Polizeibeamten in ihren Zeugenaussagen übereinstimmend angegeben haben, dass ihnen beim Lenker M H keine besonderen Ermüdungserscheinungen aufgefallen sind.

 

Andernfalls würde es einerseits zu einer groben Ungleich­be­handlung von Fahrern kommen, die die Urlaubsbestätigung tatsächlich mithaben und solchen die sie nachgebracht haben, wofür es keine sachliche Rechtfertigung gibt, insbesondere da das von den Polizisten angesprochene Fälschungsrisiko in beiden Fällen gleich gegeben ist; andererseits könnte ein Lenker, der kurzfristig und ohne vorher in das Unternehmen zu kommen direkt an seinen Einsatzort fährt, den Nachweis, dass er ausgeruht ist und daher eigentlich weiterfahren darf, von vorneherein niemals erbringen.

 

Wenn CI H meint, eine nachgebrachte Urlaubsbestätigung würde nicht mehr geeignet sein, den Nachweis zu erbringen, dass M H in der fraglichen Zeit auf Urlaub war, so ist darauf hinzuweisen, dass – wenn Zweifel an den Angaben bestehen – ein ordentliches Ermittlungsverfahren einzuleiten ist und die Behörde dann sämtliche Angaben überprüfen kann. Dabei kann es nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats – trotz des vom einschreitenden Organ zu seiner Rechtfertigung (im Rahmen der Niederschrift vom 7. September 2006 und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungs­senat) von ihm in diesem Sinn interpretierten Erlass des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 21. Dezember 1995, bei dem es sich im Übrigen bloß um eine für den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht verbindliche Verwaltungs­verordnung handelt (vgl. VwGH vom 30. Jänner 2004, 2003/02/0269) – grundsätzlich auch keinen Unterschied machen, ob die Urlaubsbestätigung gefaxt oder im Original nach­gebracht wird.

 

Im Übrigen enthält Punkt 4 des genannten Erlasses den ausdrücklichen Hinweis, dass eine Bestätigung des Arbeitgebers (etwa wegen vorangegangener Krankheit oder Urlaub des Lenkers) „grundsätzlich zu akzeptieren“ ist und „keine Zwangs­maßnahmen gemäß § 102 Abs. 12 lit. j KFG 1967 zu setzen“ sind. Die Punkte 4.1 und 4.2 enthalten weitere Anordnungen für die weitere Vorgangsweise. Punkt 4.3 lautet dann wörtlich: „Bestätigungen, bei denen Unterschrift und Stempel kopiert sind und der Lenker selbst Datum und Namen einsetzt (Blankobestätigungen), stellen aber keine geeigneten Bestätigungen im Sinne des Punktes 4 dar.“ Daraus kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass per Telefax übermittelte oder sonst nachgebrachte „Originalbestätigungen“ nicht in diesem Sinn geeignet wären.

 

Auch der Hinweis des Zeugen CI H darauf, dass Urlaubsbestätigungen seiner Erfahrung nach oft gefälscht sind und daher Skepsis insbesondere bei nachge­brachten Bestätigungen angebracht sei, ist hier nicht dazu geeignet, die Erforder­lichkeit der Zwangsmaßnahme darzulegen.

 

Zu beachten ist dabei auch, dass es sich bei der Untersagung der Weiterfahrt im Ergebnis um einen Grundrechtseingriff handelt, der – wie oben gezeigt – einer besonderen Verhältnis­mäßigkeits­prüfung standhalten muss. Die Hinderung am weiteren Lenken oder an der weiteren Inbetriebnahme liegt eben nur dann im öffentlichen Interesse und ist nur dann adäquat und verhältnismäßig, wenn besondere Gründe vorliegen, die Zweifel an der Fähigkeit des konkreten Lenkers im konkreten Zusammenhang offensichtlich nahe liegen oder beweisbar sind. In allen anderen Fällen ist eine weniger eingriffsintensive Sanktion zu wählen, etwa ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten.

 

3.5.3. Wie oben dargestellt, setzt die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe­hörd­licher Befehls- und Zwangsgewalt nicht nur den – hier unzweifelhaft gegebenen – Eingriff in die subjektiven Rechte des Betroffenen voraus, sondern es bedarf auch der Ausübung physischen Zwangs bzw. die Drohung der unmittelbaren Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls. Wie im Sachverhalt dargestellt, drohte CI H dem Lenker M H für den Fall, dass er ver­suchen würde weiterzufahren, die Anbringung einer Wegfahrsperre an. Dabei konnte und musste der Lenker – auch wenn dies im vorliegenden Fall nicht passiert ist – auch damit rechnen, dass bei Nichtbeachtung weitere Maßnahmen (die möglicher Weise auch mit physischer Gewalt verbunden sein könnte) folgen würden. Für M H war daher klar, dass er mit dem fraglichen Fahrzeug nicht weiter­fahren durfte bzw. im Fall der Weiterfahrt eine Wegfahrsperre angebracht würde, wie er selbst glaubhaft geschildert hat. Es handelt sich daher um die Drohung mit der unmittelbaren Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls.

 

Fraglich ist allerdings noch, ob diese Maßnahme nicht nur dem Lenker gegenüber gesetzt wurde, sondern auch den Bf betrifft. Wie schon dargestellt, richtete sich die vom Organ gesetzte Maßnahme im Ergebnis eben gerade nicht (nur) gegen den konkreten Lenker, sondern beeinträchtigte in weiterer Folge auch den Bf als Zulassungsbesitzer der Fahrzeuge des Sattelzugs.

 

3.5.4. Die ergriffene Zwangsmaßnahme stellt daher die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (jedenfalls gegen den Bf) dar und ist ab dem Zeitpunkt, in dem die Urlaubsbestätigung gefaxt und den ausführenden Organen in der Folge hätte zur Kenntnis gebracht werden können, nicht mehr verhältnismäßig und erforderlich, weshalb sie ab diesem Zeitpunkt als rechtswidrig zu erklären war.

 

3.6. Zur Nichtwiederausfolgung (Beschlagnahme) der Frachtpapiere und der Zulas­sungs­scheine der Fahr­zeuge mit dem Kennzeichen  und  (Spruchpunkt II):

 

Unbestritten ist, dass die im Zuge der Fahrzeug- und Lenkerkontrolle notwendige Übergabe der Frachtpapiere und der Zulassungsscheine durch den Lenker an den einschreitenden Beamten zunächst freiwillig erfolgte oder jedenfalls gesetzlich gedeckt ist. Gegenstand des Verfahrens bildet jedoch der Umstand, dass diese Urkunden nach dem Ende der (ihrer) Kontrolle dem Lenker nicht wieder ausgefolgt wurden. Diese offenbar auch ohne, dass dafür eine Bestätigung ausgegeben wurde.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Ab­nahme des Zulassungsscheines durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zumindest der Verdacht, dass das Fahrzeug nicht den Zulassungsvoraussetzungen entspricht bzw. wenn befürchtet werden muss, dass sich bei (bestimmungsgemäßer) weiterer Verwendung des Fahrzeuges im Straßenverkehr eine Unfallsituation ergeben wird (VwGH vom 30. Mai 2001, 2001/11/0037; vom 27. November 1985, 85/11/0226). Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom
27. November 1985, 85/11/0226, ausgesprochen hat, wird durch die Abnahme des Zulassungsscheins auch die weitere Benützung eines Fahrzeuges durch andere Personen unmöglich gemacht, wofür aber so lange keine sachliche Notwendigkeit besteht, als nicht das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen in Frage gestellt wird.

 

§ 102 Abs. 12 KFG sieht ua. im oben dargestellten Fall der lit. i vor, dass Zwangs­maßnahmen ergriffen werden können; dabei werden zweifellos demonstrativ (arg.: „[…] und dergleichen […]“) verschiedene Zwangsmaßnahmen genannt, nämlich die Abnahme der Fahrzeugschlüssel, das Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges und das Anbringen von technischen Sperren. Die Fahrzeugpapiere werden – obwohl dies durchaus naheliegend wäre – nicht genannt.

 

Bei den in § 102 Abs. 12 KFG demonstrativ genannten Zwangsmaßnahmen muss nach Ansicht des erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenats danach unter­schieden werden, ob das Fahrzeug bzw. dessen Verkehrstüchtigkeit betroffen ist, oder ob es sich um Probleme handelt, die in der Person des Lenkers begründet sind. Grundsätzlich sind daher falls erforderlich je nach Einzelfall Zwangsmaßnahmen anzuwenden, die sich entweder gegen den Fahrer oder gegen das Fahrzeug richten. Die genannte beispielsweise Aufzählung ermöglicht jedenfalls nicht, ohne nähere Prüfung, unterschiedslos in jedem Fall eine uneingeschränkte Auswahlmöglichkeit.

 

Zwar ergibt sich aus der im Akt erliegenden Anzeige der Landesverkehrsabteilung des Landespolizeikommandos Oberösterreich an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, dass beim betroffenen Fahrzeug die Summe der Lichtstärken aller Schein­werfer mit denen gleichzeitig Fernlicht ausgestrahlt werden kann, größer war als 225.000 cd sowie dass beim Sattelzugfahrzeug nachträglich ein Rammschutz angebracht wurde. Diese Mängel am Fahrzeug beeinträchtigen dessen Verkehrs­sicherheit nicht derart, dass im Lichte der oben geschilderten höchstgerichtlichen Judikatur die Abnahme des Zulassungsscheins gerechtfertigt wäre.

 

Problematisch ist insbesondere auch, dass die Papiere auf Veranlassung des CI H vom Fahrzeug weg und zur Autobahnpolizei Wels gebracht wurden. Da die Maßnahme im vorliegenden Fall – auch nach Aussage des CI H – nicht gegen das Fahrzeug selbst sondern gegen den Lenker gerichtet war, ist zu berücksichtigen, dass auch ein anderer potenzieller Lenker damit nicht mit dem Fahrzeug wegfahren konnte, solange Zulassungsscheine und Frachtpapiere nicht beim Fahrzeug sind. Die Fahrzeugpapiere hätten daher jedenfalls derart in der Nähe des Fahrzeugs verbleiben müssen oder hätte auf andere Weise sichergestellt werden müssen, dass ein anderer Lenker ohne unnötigen Aufschub das Fahrzeug in Betrieb nehmen und weiterfahren hätte können.

 

Es hätten daher vielmehr Zwangsmaßnahmen ergriffen werden müssen, die sich gegen den Lenker selbst richten und diesen – und nicht auch andere Personen – an der Inbetriebnahme des Fahrzeuges hinderten. So wäre beispielsweise die Abnahme der Wagenschlüssel und das gleichzeitige Versperren des Fahrzeuges geeignet gewesen, den Lenker M H an der Weiterfahrt zu hindern. In diesem Falle hätten nämlich andere berechtigte Personen – allenfalls mittels eines Zweit­schlüssels – das Fahrzeug in Betrieb nehmen können. Es zeigt sich daher, dass der einschreitende Beamte die Zwangsmaßnahme in denkunmöglicher Anwendung der angeführten gesetzlichen Bestimmungen gesetzt hat.

 

Die ergriffene Zwangsmaßnahme, die zweifellos eine Maßnahme und einen Eigen­tums­eingriff darstellt, weil durch sie der für diese Sache wesentliche Gebrauch als Fahrzeug dem Eigentümer unmöglich gemacht wird (vgl. die stRspr. des Verfassungsgerichtshof, ua. VfSlg. 8294/1978 und 8414/1978, 8569/1979, 12.270/ 1990 jeweils nwN), war daher ebenfalls – weil unverhältnismäßig – für rechts­widrig zu erklären.

 

3.7. Zur Erlassung des Verbots der Weiterfahrt für andere Personen mit Ausnahme des Beschwerdeführers selbst (Spruchpunkt III):

 

Wie sich aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergibt, hat CI H dem Lenker M H die Weiterfahrt untersagt. In der Folge wurden zwischen CI H und dem Bf telefonisch verschiedene Möglichkeiten erörtert, wobei CI H darauf beharrte, dass M H jedenfalls nicht mehr weiterfahren dürfe, was nach Ansicht des Beamten auch für den Mitfahrer C H gelte, der ja für CI H glaubhaft nicht zum Unternehmen des Bf gehörte. Nachdem der Bf CI H mitgeteilt hatte, dass er sonst keinen Fahrer zur Verfügung hätte, kann davon ausgegangen werden, dass CI H sagte, dass „dann eben nur der Bf selbst fahren dürfe.“

 

Diese „Anordnung“ des CI H hatte – wie dargestellt – ihren Grund aber nicht darin, dass er ausschließlich den Bf selbst fahren lassen wollte, sondern dass sich für ihn die Situation so darstellte, dass sonst niemand zur Verfügung stand und somit – logischerweise – nur der Bf selbst mehr in Frage kam. Es ist daher nicht ersichtlich, welcher physische Zwang auf den Bf ausgeübt wurde; auch eine Drohung mit der Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls kann nicht festgestellt werden. Vielmehr handelt es sich um eine Auskunft des einschreitenden Beamten.

 

Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats stellt diese Information keine nach Art. 129a B-VG Abs. 1 Z. 2 B-VG bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Eine Zwangsgewalt ist nicht erkennbar. Ebenso keine nach dieser Bestimmung relevante Befehlsgewalt, dies auch unter der nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenat notwendigen Berücksichtigung des „Empfänger­horizonts“, im vorliegenden Fall also des Horizonts des Bf. Eine bloße Auskunft ist mit keinerlei unmittelbar in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreifenden Konsequenzen verbunden (insbesondere keine physischer Natur). Sie liegt daher unterhalb der Schwelle der Ausübung unmittel­barer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Eine gegen einen solchen behaupteten Eingriff eingebrachte Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG ist mangels Vorliegen eines tauglichen Beschwerdegegenstands unzulässig und zurückzu­weisen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ist gemäß § 79a Abs. 2 und 3 AVG hinsichtlich zweier Beschwerdepunkte (Untersagung der Weiterfahrt durch den bisherigen Lenker und Nichtwiederausfolgung der Fahrzeugpapiere) der Beschwerdeführer und hinsichtlich eines Beschwerde­punktes (Untersagung der Weiterfahrt durch jeden Dritten ausgenommen des Bf selbst) die belangte Behörde als obsiegende Partei anzusehen.

 

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 79a AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, wonach die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterliegende Partei hat; dabei waren die in einem Schriftsatz gemeinsam gestellten Beschwerden formal grundsätzlich als drei Beschwerden anzusehen, da sie jede für sich – entsprechend dem behaupteten Geschehensablauf – einer isolierten Beurteilung zugänglich sind (vgl. § 79a Abs. 7 AVG iVm § 52 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985).

 

Der Bf hat in seiner Beschwerde an den Oö. Verwaltungssenat Kosten in Höhe von insgesamt 1.499,80 Euro (Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro, Verhandlungsaufwand: 826 Euro, Eingabegebühr: 13 Euro) Als in den Spruchpunkten I. und II. obsiegende Partei waren ihm die verzeichneten Kosten im Höchstausmaß seines Antrags gemäß § 79a AVG zuzusprechen. Die Eingabegebühr ist im Sinn des Überwiegens dem Bf von der belangten Behörde zu ersetzen.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt III. ist die belangte Behörde obsiegende Partei und hat daher ihrerseits gemäß § 79a Abs. 3 AVG Anspruch auf Kostenersatz. Im Umfang dieses Beschwerdepunktes waren ihr daher Schriftsatz-, Vorlage- und Ver­handlungsaufwand – entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung ge­stellten Antrag – gemäß der UVS-Aufwandersatzverordnung zuzu­sprechen.

 

5. Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei. Auf § 79a Abs. 1 iVm Abs. 4 Z 1 AVG wird hingewiesen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Wolfgang Steiner

 

 

 

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