Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110727/3/Kl/Rd/Pe

Linz, 16.11.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des O K, vertreten durch Rechtsanwälte H-U S, S D, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 28.9.2006, VerkGe96-159-1-2006, wegen einer Übertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz zu Recht erkannt:

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Kostenbeiträge.        

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 28.9.2006, VerkGe96-159-1-2006, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z8 GütbefG iVm Art. 3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verhängt, weil er als Unternehmer mit dem Sitz in am 7.9.2006 gegen 8.30 Uhr auf der Innkreisautobahn A8, Amtsplatz der Zollstelle Suben, Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: O K (D) Lenker: E K, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaats (Staatsbürgerschaft: Türkei) ist, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (13.600 Stück Bekleidung) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland (grenzüberschreitender gewerblicher Güterkraftverkehr) durchgeführt hat, ohne dafür gesorgt zu haben, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wurde.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt wurde. Weiters wurde beantragt, dem Land Oberösterreich die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der anwaltlichen Vertretung aufzuerlegen.

Begründend wurde vom Bw ausgeführt, dass ausweislich einer Auskunft der Freien und Hansestadt, Behörde für Bau und Verkehr vom 9.5.2003, keine Fahrerbescheinigungen, ausgestellt werden. Zur Begründung verweise die Freie und Hansestadt Hamburg auf die Verordnung EG Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 881/92 und (EG) Nr. 3118/93 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung.

Der Fahrer E K sei zwar Staatsangehöriger eines Drittstaats, aber im Besitz einer Arbeitsgenehmigung und eines Daueraufenthaltsrechts in der BRD. Unbeschadet dieser Tatsache sei eine Fahrerbescheinigung auch bei einem Staatsangehörigen eines Drittstaats, der seinen ständigen Aufenthalt nicht in der BRD hat, nicht notwendig.

 

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Gemeinschaftslizenz im innereuropäischen Verkehr sollen nachprüfen können, ob die Fahrer aus Drittstaaten rechtmäßig beschäftigt sind, und zwar ausschließlich nach den Vorschriften und Tarifverträgen des Staates, in dem der Unternehmer seinen Betriebssitz unterhält. Damit fallen Firmen mit Agenturverträgen und/oder bilateralen Verkehren nicht unter den Geltungsbereich der Verordnung.

 

Die EU-Fahrerbescheinigung sei nicht auszustellen, wenn die grenzüberschreitenden Beförderungen unter Einsatz von CEMT- oder bilateralen Genehmigungen durchgeführt werden.

 

Der gewerbliche Güterkraftverkehr der Fa. K werde in Richtung Ost-/Südosteuropa bzw in die Türkei und zurück unter Verwendung einer CEMT- oder bilateralen Genehmigung vorgenommen. Der gewerbliche Güterverkehr werde nicht im Bereich der Europäischen Gemeinschaft abgewickelt.

Deutsche Transportunternehmer, die Binnenbeförderungen in Deutschland durchführen, dürfen wie bisher auch, Kraftfahrer aus Drittstaaten nur einsetzen, wenn diese über eine gültige Arbeitsgenehmigung und einen Aufenthaltstitel verfügen.

 

Nach diesen Feststellungen der Behörde für Bau und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg sei im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass eine Fahrerbescheinigung nicht auszustellen sei, da der Beschuldigte grenzüberschreitende Beförderungen unter Einsatz von CEMT- bzw bilateralen Genehmigungen durchführe. Der Beschuldigte habe die EU-Lizenz vorgelegt. Es könne nicht sein, dass hier Strafen verhängt werden, für eine fehlende Fahrerbescheinigung, die von deutschen Behörden aus den og. Gründen nicht ausgestellt werden. Der Beschuldigte sei Angehöriger eines Drittstaats mit Wohnsitz in einem Drittstaat, der ausschließlich Transporte aus der EU in Drittstaaten und umgekehrt durchführe.

 

Der Bw sei Inhaber der Gemeinschaftslizenz mit der Nr., die ihn berechtigt, entsprechende Anträge auf Erteilung einer Fahrerbescheinigung bei den zuständigen Behörden zu stellen. Die Freie und Hansestadt Hamburg als zuständige Behörde für das Ausstellen von Fahrerbescheinigungen lehne die Ausstellung im vorstehenden Fall ab, mit der Begründung, dass eine EU-Fahrerbescheinigung nicht auszustellen sei, wenn die grenzüberschreitende Beförderung unter Einsatz von CEMT- oder bilateralen Genehmigungen ausgeführt werde.

 

Die Freie und Hansestadt Hamburg habe mit Schreiben vom 8.2.2005 ihre bisherige Rechtsauffassung bestätigt. Mit Schreiben vom 14.7.2005 werde diese Rechtsauffassung noch einmal detailliert unter Hinweis auf die Bestimmungen der EU bestätigt. Solange die Türkei nicht Mitglied in der EU sei und die genannte Verordnung ausschließlich den grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der Mitgliedstaaten der EU regelt, nicht aber den grenzüberschreitenden Verkehr von der EU in die Türkei und umgekehrt, könne auch keine Fahrerbescheinigung gefordert werden.        

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte Abstand genommen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat hierüber erwogen:

 

4.1. Gemäß § 23 Abs.1 Z8 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer  als Unternehmer nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

Gemäß § 7 Abs.1 GütbefG ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

1)        Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92,

2)        Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der Europäischen             Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14.6.1973,

 3)       Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für          den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

4)        aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des       Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

           

Gemäß § 23 Abs.1 Z3 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungs­übertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält.

 

Strafbar ist nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt (§ 23 Abs.3 leg.cit.). 

 

Gemäß § 23 Abs.4 leg.cit. hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z3 und Z8 bis Z11 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 66 Abs.1 Z1 der GewO 1994 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

Gemäß § 25 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl. L 95 vom 9.4.1992, S.1, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1.3.2002, ABl. L 76 vom 19.3.2002, S. 1, ... anzuwenden.

 

4.2. Dem Bw wurde von der belangten Behörde zur Last gelegt, dass er als Inhaber des Güterbeförderungsbetriebs in am 7.9.2006 mit dem Lastkraftwagen, Kz: (D), Anhänger: (D) eine gewerbsmäßige grenzüberschreitende Güterbeförderung, und zwar von Istanbul (TR) nach Aschaffenburg (D) durch seinen türkischen Fahrer E K, durchführen hat lassen, ohne dafür gesorgt zu haben, dass die erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wurde.

Anlässlich der Amtshandlung wurde den Kontrollbeamten durch den Lenker eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz mit der Nr. (gültig vom 1.12.2002 bis 30.11.2007), ein Frachtbrief, in welchem als Beladeort: Türkei und als Entladeort: Deutschland, eingetragen ist sowie ein Lieferschein und zwei Fahrzeugscheine vorgewiesen.

Dass die gegenständliche grenzüberschreitende Güterbeförderung mit einer Gemeinschaftslizenz durchgeführt wurde, blieb vom Bw unbestritten.

 

4.3. Wie bereits aus zahlreichen beim Oö. Verwaltungssenat anhängigen bzw anhängig gewesenen Berufungsverfahren bekannt ist, ist der Bw nicht in der Lage, seinen Fahrern, welche Drittstaatsangehörige sind, Fahrerbescheinigungen zur Verfügung zu stellen. Dies trifft auch auf den gegenständlichen Fahrer E K zu, der sich im Zuge einer Amtshandlung – im Verfahren VwSen-110712 - dahingehend geäußert hat, dass es keine Fahrerbescheinigung gäbe. Er sei deswegen in Österreich auch schon öfters kontrolliert und beanstandet worden. Doch das störe ihn mittlerweile nicht mehr. Er bezahle seine Strafe, egal ob 100 Euro oder 1.000 Euro und fahre wieder weiter. Auch bei der gegenständlichen Amtshandlung rechtfertigte sich der Lenker dahingehend, dass er keine Fahrerbescheinigung habe und eine solche auch nicht kenne.

 

4.4. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist der dem Bw zur Last gelegte Tatvorwurf unter die Strafbestimmung des § 7 Abs.1 iVm § 23 Abs.1 Z3 GütbefG zu subsumieren, da der Bw am Tattag über keine Fahrerbescheinigung für den Lenker E K verfügt hat, und nicht unter § 23 Abs.1 Z8 GütbefG. Letztere Bestimmung zielt darauf ab, dass der Unternehmer im Besitz einer Berechtigung, hier der Fahrerbescheinigung, ist, jedoch nicht dafür gesorgt hat, dass diese auch mitgeführt wird.

 

Eine diesbezügliche allfällige Spruchänderung wäre einer Auswechslung des Tatvorwurfes gleichzusetzen. Es kann dahingestellt werden, ob dies dem Oö. Verwaltungssenat bei rein formaler Auslegung des § 66 Abs.4 AVG zu stehen würde. Nach hiesiger Rechtsansicht soll ein solcher Vorgang aber den Strafbehörden, insbesondere aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes im Sinne einer neuerlichen Berufungsmöglichkeit, überlassen bleiben.

 

Ob und inwieweit das obige Verfahren in diesem Sinne weitergeführt wird, ist von der belangten Behörde zu entscheiden.

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Von einer gleichzeitigen Einstellverfügung wurde zur Hintanhaltung einer allfälligen Bindungswirkung für ein im obigen Sinne weitergeführtes Verfahren Abstand genommen (vgl. VwSen-110586/2 vom 17.6.2004).

 

5. Unbeschadet dessen wird zur Erläuterung des Bw bezüglich des Antrages hinsichtlich der Auferlegung der Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der anwaltlichen Vertretung ausgeführt, dass das Allgemeine Verwaltungsverfahrens­recht (AVG) den Grundsatz vorsieht, dass jeder Verfahrensbeteiligte, also auch der Beschuldigte in einem Verwaltungsstrafverfahren, die ihm erwachsenen Kosten selbst zu tragen hat, und zwar auch dann, wenn er mit seiner Eingabe erfolgreich war (vgl. § 74 Abs.1 AVG iVm § 24 VStG). Mangels einer gesetzlichen Grundlage kann daher dem Anspruch auf Kostenersatz nicht entsprochen werden.

         

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

Fahrerbescheinigung, Mitführen setzt Vorhandensein voraus

 

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