Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521121/20/Bi/Ka

Linz, 19.05.2006

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn A P, vertreten durch RA Dr. F R, vom 3. Oktober 2005 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf/Krems vom 19. September 2005, VerkR21-276-2005, wegen Entziehung der Lenkberechtigung mangels gesundheitlicher Eignung und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:

 

      Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid behoben und festgestellt wird, dass der Berufungswerber zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B unter der Auflage gesundheitlich geeignet ist, dass er sich für die Dauer von zwei Jahren, gerechnet ab 4. April 2006, im Abstand von vier Monaten, dh bis 4. August 2006, 4. Dezember 2006, 4. April 2007, 4. August 2007, 4. Dezember 2007 und 4. April 2008, einer ärztlichen Kontrolluntersuchung zu unterziehen und zu diesem Zweck der Bezirks­hauptmannschaft Kirchdorf/Krems unaufgefordert und auf seine Kosten seine aktuellen Leberwerte (CD-Tect, MCV, Gamma-GT) vorzulegen hat.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Kirchdorf/Krems am 10. November 2000, VerkR20-1386-1999/KI für die Klassen  A und B erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 24 Abs.1 und 4, 25 Abs.2 und 3 Abs.1 FSG ab 20. Juli 2005 entzogen und ausgesprochen, dass ihm bis zur behördlichen Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen keine Lenkberechtigung erteilt werden dürfe. Weiters wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG einer allfälligen gegen den Bescheid gerichteten Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 21. September 2005.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz  AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, mit Bescheid vom 4. April 2005 sei ihm rechtskräftig die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von vier Monaten vom 19. März 2005 bis 19. Juli 2005 entzogen worden, wobei er sich dem angeordneten Ein­stellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker unterzogen habe. Auch die angeordnete verkehrspsychologische Stellung­nahme habe er erbracht. Nach vier Monaten sei ihm aber die Lenkbe­rechtigung nicht ausgefolgt worden, obwohl die Entziehungsdauer abgelaufen gewesen sei.  Das Einbehalten seines Führerscheins sei rechtswidrig gewesen, weil dafür keine Grundlage bestanden habe - eine Aufforderung nach § 24 Abs.4 FSG sei nicht erlassen worden bzw sei er darüber nicht informiert worden. Die Behörde habe gesundheitliche Bedenken nie konkretisiert und liege eine solche nach den vor­liegenden Gutachten auch nicht vor. Die Behauptung eines schädlichen Gebrauchs von Alkohol und mangelndes Problembewusstsein im Umgang mit Alkohol  werde ohne Berücksichtigung der von ihm beigebrachten Blutbefunde vom 6. Juni und 10. Juni 2005 fortgeschrieben. Die Grenzwerte für chronischen Alkohol­abusus würden nicht erreicht, was die Amtsärztin nicht berücksichtigt habe, jedoch Alkohol­gewöhnung attestierte. Auch die positive Mitteilung des GP Pettenbach sei nicht verwertet worden. Die Gutachten würden im angefochtenen Bescheid nur selektiv zitiert und die zurückliegenden Gutachten scheinen mangels hinreichender Befund­aufnahme bzw Feststellung konkreter Umstände in ihren Schlussfolgerungen nicht nachvollziehbar. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach seine Beobachtungs- und Leistungsfähigkeit ein unterdurch­schnittliches Niveau aufweise, sei unrichtig und nicht gedeckt. Der FS-Entzug könne nicht mit der verkehrs­psychologischen Stellungnahme vom 27. April 2005 begründet werden und sein Wohlverhalten werde nicht berücksichtigt. Nur die Befundlage zur Persönlichkeit sei zum damaligen Zeitpunkt eignungsausschließend gewesen, wobei er aber einsichtig gewesen sei. Eine Verneinung der Bereitschaft zur Verkehrsan­passung resultiere ausschließlich aus der Vorgeschichte.

Die FA-Stellungnahme DDris K vom 12.8.2005 lege lediglich die verkehrs­psychologische Stellungnahme zugrunde, wobei dieser darauf hinweise, dass kein Anhaltspunkt für ein Entzugssyndrom oder eine Substanzbeeinträchtigung festge­stellt werden habe können. Das amtsärztliche Gutachten enthalte keine inhaltliche Auseinandersetzung mit seiner gesundheitlichen Eignung. Die Gut­achten seien keine taugliche Grundlage für den FS-Entzug, obwohl der Vorwurf der mangelnden gesundheitlichen Eignung eine umsichtige Prüfung erfordere, weil der Tatbestand schwer zu fassen und willküranfällig sei. Eine Krankheit iSd § 5 FSG-GV sei nicht festgestellt worden und es liege keine psychische Krankheit iSd § 13 oder eine Alkoholabhängigkeit iSd § 14 vor. Der Bw verweist dazu auf VwSen-520812/30 des UVS Oberösterreich und auf KUVS-1083/13/2003 des UVS Kärnten und darauf, dass auch eine Möglichkeit einer Einschränkung der Lenkberechtigung unter Auflagen bestanden hätte. Beantragt wird Bescheidbehebung, in eventu Einschränkung der Lenkberechtigung durch Auflagen, jedenfalls die unverzügliche Aushändi­gung des Führerscheines.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Einholung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme des Institutes INFAR, Linz, vom 3. November 2005, weiterer FA-Stellungnahmen DDris P K, FA für Neurologie und Psychiatrie in Kirchdorf, vom 16. Jänner 2006 und Primar Dr. F F, gerichtlich beeideter Sachver­ständiger für Psychiatrie und Neurologie in Traun, vom 4. April 2006, und darauf basierend das amtsärztliche Gutachten gemäß § 8 FSG der Amtsärztin Dr. E W vom 15. Mai 2006, San-2354567/3-2006, wonach der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B unter Auflagen und befristet geeignet ist.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Gemäß § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, so weit dies aufgrund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen.

Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arznei­mittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontroll­­untersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wieder­­­zuerteilen.

 

Auf der Grundlage der verkehrspsychologischen Stellungnahme des Instituts INFAR, Linz, vom 3. November 2005 ist der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B bedingt geeignet, wobei eine zeitliche Befristung auf ein Jahr vorgeschlagen wird, um der Gefahr eines schädlichen Missbrauchs laut ICD-10/F10.1 vorbeugen zu können. Weiters wird vorgeschlagen ein psychologisches Kontrollgespräch in einem Jahr, um die anhaltende Wirksamkeit der verkehrs­psychologischen Interventionen kontrollieren zu können, und weiters regelmäßige Kontrollen der alkoholrelevanten Leberwerte, um künftig keinen gesundheits­schädlichen Alkoholkonsum mit höchster Wahrscheinlichkeit gewähr­leisten zu können.

Begründet wird dies damit, der Bw zeige zum Untersuchungszeitpunkt keine Hin­weise auf erhöhte Alkoholgefährdung, allerdings sei in der Vergangenheit verstärkter Alkoholkonsum gegeben gewesen - der Bw hatte am 19. März 2005, 6.25 Uhr, ein Kraftfahrzeug auf der B145 in Regau in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkotest 1,24 mg/l AAG) gelenkt. Der Bw zeige vorwiegend Züge eines "social drinkers", der Alkoholkonsum verstärkt innerhalb eines sozialen Rahmens suche. Die 2 %o beim Delikt sprächen auch für stark erhöhte Alkoholverträglichkeit. Die Problematik liege darin, dass somatische Warnsignale beim Über­schrei­ten eines gesetzlich relevanten Alkohollimits fehlten und ein subjektives Trunkenheitsgefühl erst zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem die willentliche Verhaltenskontrolle bereits deutlich reduziert sei und die in nüchternem Zustand gefassten Vorsätze nicht mehr ausreichend realisiert werden können. Beim Bw scheine derzeit ein angemessenes Problembewusstsein vorhanden zu sein; eine Deliktbearbeitung und Etablierung tragfähiger Strategien zur Bewältigung zukünftiger Trink-Fahr-Konflikter sei erkenn­bar. Der Bw sei derzeit glaubhaft um Kontrolle der ehemaligen pathologischen Trinkgewohnheiten bemüht und halte auch eine Alkohol­abstinenz ein. Die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung sei ausreichend gegeben.

 

Da auf der Grundlage der Ausführungen DDris P K für den Bw im Hinblick auf derzeitiges und zukünftiges Verhalten, sondern nur für den Untersuchungs­zeitpunkt im Sommer vorigen Jahres nichts ausgesagt werden konnte, wurde der Bw ersucht, eine neue FA-Stellungnahme eines entsprechenden Facharztes seiner Wahl vorzulegen.

Laut FA-Stellungnahme Primis. Dr. X vom 4. April 2006 ist auf der Grundlage des Laborbefundes Dris X vom 22.2.2006 - normwertiger MCV, erhöhter Gamma-GT, normwertiger CDT - der fachärztlichen Untersuchung, der FA-Stellung­nahme DDris. K, des CDT-Wertes vom 7.5.2006 und der oben zitierten verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 3. November 2005 beim Bw am ehesten von Alkoholmissbrauch auszugehen. Dafür spricht der ursprünglich sehr hohe Atemalkohol  bei  der Führerscheinabnahme. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint diese Situation nicht mehr aktuell zu sein, da die vorgelegten Laborwerte sowie die selbst angefertigten de facto keine alkoholspezifischen Auffälligkeiten zeigen. Die geringgradige Erhöhung der Gamma-GT auf 62 (bis 55) ist in diesem Fall sekundär. Auch der mittlere Zellwert der Erythrocyten zeigt keine Auffälligkeiten, sowie der CDT-Wert.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist gegen die Ausfolgung des Führerscheins kein Einwand zu erheben. Der Empfehlung der verkehrspsychologischen Testung ist jedoch das Wort zu sprechen - es wird auch fachärztlicherseits vorgeschlagen, dass der Untersuchte den Führerschein befristet erhalten kann. Die Befristung sollte jedoch kurz sein und es sollten weiterhin für mindestens 24 Monate die alkoholspezifischen Laborpara­meter geprüft werden. Sollten sich wiederum alkoholspezifische Auffällig­keiten zeigen, wäre die Diagnose Alkoholmissbrauch in Frage zu stellen und müsste die Diagnose in Richtung Alkoholabhängigkeit erneut in Angriff genommen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen jedoch plausible klinische Hinweise.

 

Die Amtsärztin Dr. W kommt im amtsärztlichen Gutachten gemäß § 8 FSG nach Untersuchung des Bw am 12. Mai 2006 zum Ergebnis, dass der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B befristet - Nachuntersuchung in zwei Jahren - unter der Auflage von Kontrolluntersuchungen (CDT, MCV, Gamma-GT) alle vier Monate - geeignet ist.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates war die Befristung der Lenkberechtigung deshalb entbehrlich, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinn des § 8 Abs.3 Z2 FSG nur dann gegeben ist, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Es bedarf daher konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesund­heitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für bestimmte Zeit vorhanden ist, aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl VwGH 18.1. 2000, 99/11/0266; 24. 4.2001, 2000/11/0337; 24.11.2005, 2004/11/0121).

Beim Bw besteht nach den Ausführungen Primis. F die Diagnose Alkoholmiss­brauch. Dabei handelt es sich nicht um eine Krankheit im Sinne der zitierten Judikatur, weshalb die Voraussetzungen für die im amtsärztlichen Gutachten vorge­schlagene Befristung rechtlich nicht gegeben sind. Der Bw sollte sich aber dringend vor Augen führen, dass, sollte er erneut im Hinblick auf Alkohol auffällig werden,  ein neues Entziehungsverfahren jederzeit einzuleiten ist, wobei auf die Ausführungen Primis F im Hinblick auf Alkoholabhängigkeit verwiesen wird - Personen, die alkoholabhängig sind, darf gemäß § 14 Abs.1 FSG-GV eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden.

 

Die Auflage, alle vier Monate die alkoholrelevanten Leberlaborwerte vorzulegen, lässt das einigermaßen zeitgerechte Erkennen eines allfälligen Auffälligwerdens des Bw im Hinblick auf Alkoholkonsum erwarten, weshalb - nach telefonischer Zustimmung des rechtsfreundlichen Vertreters - spruchgemäß zu entscheiden war. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Alkoholmissbrauch, ledigl., alle 4 Monate

 

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