Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161728/2/Fra/Bb/Sp

Linz, 21.11.2006

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau JA vertreten durch Rechtsanwalt Mag. RS gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft             Urfahr-Umgebung vom 13.10.2006, Zl. VerkR96-119-2006-OJ, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), zu Recht erkannt:

 

I.                     Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 60 Euro herabgesetzt wird. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird mit 20 Stunden festgesetzt.

            In der Schuldfrage wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

II.                   Die Berufungswerberin hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu entrichten. Für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 10 % der neu bemessenen Strafe (6 Euro).

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, 19 und § 51 VStG.

§§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin (Bw) vorgeworfen, am 2.11.2005 um 18.35 Uhr in der Gemeinde Altenberg bei Linz, auf der Weitrager Landesstraße bei km 2.877 als wartepflichtige Lenkerin des Einspurigen Kleinkraftrades, Kennzeichen UU-….. durch Einbiegen auf der Kreuzung als entgegenkommender Linkseinbieger einem geradeausfahrenden, die Fahrtrichtung beibehaltenden Lenker eines Fahrzeuges nicht den Vorrang gegeben und diesen dadurch zu unvermitteltem Bremsen genötigt zu haben. Die Berufungswerberin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.5 StVO 1960 begangen, weshalb über sie gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Stunden, Verfahrenskostenbeitrag 10 Euro) verhängt wurde.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte begründete Berufung vom 19.10.2006. Darin bringt die anwaltlich vertretene Berufungswerberin vor, dass sie kein Verschulden an der ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretung treffe. Aufgrund der Sichtverhältnisse durch dichten Nebel und die zwangsläufig auftretende Sichtbehinderung durch das Visier des Helmes aufgrund des Nieselregens sei das entgegenkommende Fahrzeug zum Zeitpunkt der Einleitung des Abbiegemanövers nicht erkennbar gewesen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft  Urfahr-Umgebung  - als nunmehr belangte     Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Bezirkshauptmannschaft  Urfahr-Umgebung. Da sich bereits aus diesem der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ergibt und seitens der Bw eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt wurde, sondern diesbezüglich im Berufungsschriftsatz festgehalten wurde, dass mangels weiterer Beweisanträge von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden könne, konnte von dieser abgesehen werden.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

4.2. Die Bw lenkte zur Vorfallszeit das einspurige Kleinkraftrad mit dem Kennzeichen   UU-….. auf der Weitrager Landesstraße, Gemeinde Altenberg bei Linz, aus Richtung Altenberg kommend in Richtung Gallneukirchen. Bei km 2.877 der Landesstraße wollte sie links abbiegen.

 

Zur gleichen Zeit lenkte Frau M Sch ihren Pkw mit dem Kennzeichen UU-…… auf der Weitrager Landesstraße, von Gallneukirchen kommend in Richtung Altenberg.

 

Zum Vorfallszeitpunkt war es dunkel, es herrschte Nebel und die Fahrbahn war trocken bis feucht.

 

Bei km 2.877 bog die Bw mit ihrem Kleinkraftrad unmittelbar vor der entgegenkommenden, gerade ausfahrenden Fahrzeuglenkerin links ab, sodass es - trotz Bremsung der entgegenkommenden Lenkerin - zum Zusammenstoss des von der Bw gelenkten Kleinkraftrades mit dem entgegenkommenden Pkw kam.

 

Bei diesem Verkehrsunfall wurde die Bw schwer verletzt und mit der Rettung in das UKH nach Linz eingeliefert. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden.

4.3. Die Zeugen K K und J H haben vor der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung den Unfallhergang so geschildert, dass die Bw nach links einbiegen wollte, obwohl ein Pkw gerade ausfahrend aus der Gegenrichtung kam. Unmittelbar vor diesem Pkw sei die Mofa-Lenkerin links eingebogen, wobei es zum Verkehrsunfall kam. Die Zeugen haben weiters ausgesagt, dass Nebel geherrscht und die Sichtweite etwa 10 Meter betragen habe, jedoch hätten sie von ihrem Standort aus den von Frau M Sch gelenkten Pkw an den Lichtern sehen können. Auch die Bw hätte, wenn sie geschaut hätte, den entgegenkommenden Pkw sehen müssen.

 

Die diesbezüglichen Aussagen der unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen            (§ 289 StGB) sind in durchaus glaubwürdig, nachvollziehbar und schlüssig.

 

5. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

5.1. Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) darf gemäß § 19 Abs.7 StVO, durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

 
Gemäß § 19 Abs.5 StVO haben Fahrzeuge, die ihre Fahrtrichtung beibehalten oder nach rechts einbiegen, sofern sich aus Abs.4 nichts anderes ergibt, den Vorrang gegenüber entgegenkommenden, nach links einbiegenden Fahrzeugen.

 

5.2. Im konkreten Fall beabsichtigte die Bw im Bereich des verfahrensgegenständlichen Straßenkilometers der Weitrager Landesstraße nach links einzubiegen und war somit gegenüber den auf der Weitrager Landesstraße entgegenkommenden (bzw. nach rechts einbiegenden) Fahrzeugen wartepflichtig (Gegenverkehrsregel).

 

Durch das von ihr durchgeführte Linksabbiegemanöver hat sie den Vorrang des entgegenkommenden Fahrzeuges nicht beachtet bzw. ist sie der Wartepflicht nicht nachgekommen. Durch dieses Verhalten wurde die entgegenkommende, gerade ausfahrende Fahrzeuglenkerin, welche mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h unterwegs war, in unbestrittener Weise zu einem unvermittelten Abbremsen genötigt. Dies gilt insbesondere durch die am Tatort vorgefundene Bremsspur in einer Länge von 15,1 Meter als erwiesen. Trotz der Bremsung war ein Anhalten für die entgegenkommende Fahrzeuglenkerin nicht mehr möglich und kam es in der Folge zum gegenständlichen Verkehrsunfall.

 

Diese Feststellungen wurden von der Bw in keinster Weise bestritten. Sie behauptet lediglich, dass sie kein Verschulden an der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung treffe. Infolge der Sichtverhältnisse durch dichten Nebel und die zwangsläufig durch das Visier des Helmes auftretende Sichtbehinderung aufgrund Nieselregens sei das entgegenkommende Fahrzeug nicht erkennbar gewesen.

 

Um der Pflicht nach Abs.5 und 7 des § 19 StVO 1960 zu genügen, hat - nach ständiger Rechtssprechung der Höchstgerichte - der im Nachrang befindliche Verkehrsteilnehmer (Wartepflichtige) den bevorrangten (Gegen-)Verkehr aufmerksam zu beobachten und sich auf ihn in seiner tatsächlichen Gestaltung – also selbst dann, wenn bevorrangte Fahrzeuge unzulässig hohe Geschwindigkeiten einhalten sollten - derart einzustellen, dass die im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet oder behindert, also jedenfalls nicht zu einem unvermittelten Bremsen oder Ablenken gezwungen werden (OGH vom 6.11.1979,     2 Ob 104/79). Ein benachrangter Verkehrsteilnehmer muss seiner Wartepflicht so lange genügen, bis er die volle Sicherheit gewonnen hat, bei seiner Weiterfahrt keine bevorrangten Verkehrsteilnehmer in der im § 19 Abs.7 StVO beschriebenen Weise zu behindern. Im Zweifel muss er Vorrang bis zur Klärung der Verkehrslage wahren.  

 

Die Vorrangbestimmungen setzen zwar die Wahrnehmbarkeit des anderen Fahrzeuges voraus, doch genügt für deren Anwendbarkeit, dass es dem Wartepflichtigen bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit möglich war, das andere Fahrzeug überhaupt oder rechtzeitig wahrzunehmen. 

Ein bevorrangtes Fahrzeug ist nicht nur dann wahrnehmbar, wenn der Wartepflichtige die Umrisse des Fahrzeuges erkennen kann, sondern auch dann, wenn die vom bevorrangten Fahrzeug in der Nacht ausgehenden Lichtquellen seine Annäherung erkennen lassen (OGH 9.9.1992, 2 Ob 24/92).

 

Kann ein Kraftfahrer wegen Sichtbehinderung bzw. bei Vorliegen schlechter Sichtverhältnisse nicht mit Sicherheit feststellen, ob sich ein bevorrangter Verkehrsteilnehmer in bedenklicher Nähe befindet oder nicht, so ist er verpflichtet, mit einer solchen Geschwindigkeit in die Kreuzungsbereich einzufahren bzw. im konkreten Fall links abzubiegen, die ihm ein jederzeitigen Anhalten ermöglicht     (OGH 20.9.1978, 8 Ob 153/78). Es wird hiebei vom Wartepflichtigen verlangt, dass er seine Fahrgeschwindigkeit bis zu einem Vortasten herabmindert, dh. äußerst langsam, schrittweise oder zentimeterweise, wenn notwendig in mehreren Etappen in die Verkehrsfläche einfährt, um den Vorrang allenfalls herankommender Verkehrsteilnehmer wahren zu können. Schon ein langsames Einfahren in einem Zug bedeutet bei besonders schlechten Sichtverhältnissen eine Vorrangverletzung (OGH 19.3.1998, 2 Ob 70/98b).

 

Angesichts der einschlägigen Judikatur der Höchstgerichte, von welcher abzugehen der UVS keinen Anlass sieht, gehen die Ausführungen in der Berufung im Hinblick auf eine allfällige Sichtbehinderung, überhöhte Geschwindigkeit des gegnerischen Fahrzeuges bzw. dessen Nichtwahrnehmbarkeit durch die Bw, ins Leere und sind nicht geeignet ein Verschulden der Bw auszuschließen.

Dass die Bw alles Mögliche und Zumutbare getan hätte, um vor ihrem Abbiegemanöver nach links sämtliche Umstände genauestens zu beobachten, die eine Gefährdung oder Behinderung des bevorrangten Verkehrs ausgeschlossen hätten, konnte sie im Berufungsverfahren nicht dartun. Im Übrigen haben die beiden Zeugen, denen erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt, da zu berücksichtigen ist, dass sie unter Wahrheitspflicht standen und eine falsche Zeugenaussage strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde,  ausgesagt, dass sie das entgegenkommende Fahrzeug aufgrund des Lichtscheines der Scheinwerfer sehen hätten können und dieses auch für die Bw – hätte sie geschaut – wahrnehmbar gewesen wäre.

Sonstige Umstände, die das Verschulden der Bw ausschließen würden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, sodass gemäß § 5 Abs.1 VStG von fahrlässigem Verhalten auszugehen war. Die Bw hat sohin die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht verwirklicht.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

§ 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 lautet:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Grundsätzlich ist festzustellen, dass Vorrangverletzungen besonders gravierende Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung darstellen, ein derartiges Fehlverhalten ist oftmals Ursache für schwere Verkehrsunfälle, welche Verletzungen oder den Tod von Personen zur Folge haben. Im Interesse der Rechtsgüter Leben und Gesundheit bzw. der Verkehrssicherheit sind daher entsprechende Strafen aus generalpräventiven Gründen geboten.

 

Strafmildernd war die bisherige Unbescholtenheit der Bw zu werten. Dieser Umstand fällt für die Bw besonders positiv ins Gewicht. Straferschwerungsgründe lagen nicht vor.

 

Im vorliegenden Falle ist es tatsächlich zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, bei welchem die Bw verletzt wurde, gekommen. Auch am von Frau Sch gelenkten Pkw entstand Sachschaden. Die Tat hat damit negative Folgen nach sich gezogen, sodass von einer Ermahnung im Sinne des § 21 Abs.1 VStG nicht Gebrauch gemacht werden konnte.

 

Die verhängte Geldstrafe von 100 Euro erscheint aber dennoch – insbesondere unter Berücksichtigung der aktenkundigen persönlichen Verhältnisse der Bw als Lehrling - als überhöht. Es ist daher gerechtfertigt und vertretbar, die Geldstrafe auf 60 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden) herab- bzw. festzusetzen. Die nunmehr bemessene Strafe erscheint nunmehr unter Bedachtnahme auf die soziale und wirtschaftliche Situation und auch im Hinblick darauf, dass die Bw durch die von ihr begangene Vorrangverletzung selbst verletzt wurde, als tat- und schuldangemessen. Präventive Gründe sprechen jedoch gegen eine weitere Strafreduzierung. Es war damit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  F r a g n e r

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

 

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