Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106072/2/Br/Bk

Linz, 22.01.1999

VwSen-106072/2/Br/Bk Linz, am 22. Jänner 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Dr. P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 19. Oktober 1998, Zl. VerkR96-5641-1998, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 100 S (20 % der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage: Zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG; Zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 500 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er es als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen (D) unterlassen habe, der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck über deren Aufforderung (zugestellt am 18.6.1998) nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wer den Pkw (D) am 20.1.1998 von der Autobahnraststätte Mondsee auf die A1 in Fahrtrichtung Wien gelenkt habe, indem er lediglich mitgeteilt habe, daß der Vater des Berufungswerbers, Herr W, der Fahrzeuglenker sei und er um Übersendung von Beweismitteln in Form von Photos ersuche. 2. Die Erstbehörde begründet ihre Entscheidung mit der im Ergebnis ungenügenden Lenkerauskunft. Der Hinweis, daß eine bestimmte Person "möglicherweise" das Fahrzeug gelenkt hätte, genügt nicht für eine Auskunftserteilung nach den Bestimmungen des § 103 Abs.2 KFG. 2.1. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung, worin er sinngemäß ausführt, daß er sich zwei Monate nach dem Ereignis nicht mehr an Einzelheiten erinnern könne. Er sei künftighin bereit, entsprechende Aufzeichnungen zu führen, sei aber nicht bereit eine Strafe zu zahlen die er nicht verursacht habe. 3. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

4.1. Der vom Berufungswerber gehaltene Pkw war zum o.a. Zeitpunkt und Örtlichkeit in Österreich in Verwendung. Dabei wurde vom Lenker dieses Fahrzeuges eine straßenverkehrsrechtliche Vorschrift verletzt.

Im nachfolgend in diesem Zusammenhang an den Berufungswerber gerichteten Auskunftsverlangen gab der Berufungswerber bekannt, daß Herr W, sein Vater, möglicherweise der Lenker sein könnte. Um dies beweisen zu können, ersuche er um Übersendung von Fotomaterial. Die Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe vom 2. Juni 1998 wurde dem Berufungswerber nachweislich am 18. Juni 1998 zugestellt (roter Rückschein). Im Aufforderungsschreiben war sowohl die einschlägige österreichische Rechtsvorschrift, eine ergänzende Rechtsbelehrung, daß ein Zeugnisver-weigerungsrecht nicht besteht und auch die deutsche Rechtslage nicht zur Anwendung gelangt und letztlich, daß eine Auskunftsverweigerung mit Strafe bedroht ist, enthalten. Schon damit erweist sich das Berufungsvorbringen des Berufungswerbers - für eine nicht von ihm begangene Verkehrsübertretung nicht bezahlen zu wollen - als unzutreffend.

4.1.1. Der Berufungswerber vermochte mit seinem schriftlichen Vorbringen nicht glaubhaft machen, daß ihn an der ungenügenden Namhaftmachung des Lenkers ein Verschulden nicht trifft. Es ist nicht gerade logisch, daß ihm mehrere Monate nach dem Verkehrsregelverstoß nicht mehr erinnerlich bzw. von ihm nicht mehr rekonstruierbar gewesen sein sollte, ob der Berufungswerber selbst oder sein Vater der Lenker dieses Fahrzeuges gewesen sei. Offenbar ist es ihm auch bewußt, eine taugliche Abhilfe in der Führung von entsprechenden Aufzeichnungen finden zu können. Da es sich hier um kein Verfahren wegen der Übertretung der Straßenverkehrsordnung handelt, ist auf den Beweisantrag zur Beischaffung von Fotomaterial nicht einzugehen. 5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. 5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den dadurch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers eine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren nicht erfolgt und jedenfalls damit ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen die namhaft gemachte Person nicht präjudiziert wird, scheinen keine Gegensätze zu Grundsätzen der EMRK gegeben. Ein Widerspruch zur EMRK ist im Lichte des VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 aus innerstaatlicher Sicht zumindest vordergründig nicht zu erblicken. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191). Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint. In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) - nicht der Ort an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156). Die vom Berufungswerber geübte Verweigerung - auch die Mitteilung die Auskunft nicht nicht Sicherheit erteilen zu können, kommt einer Verweigerung gleich - ist sohin als im Inland begangen zu erachten. Im Lichte der auf den Tatort bezogenen geänderten Rechtsprechung liegt daher nunmehr die hier zum Vorwurf gemachte Tat nicht (mehr) außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des österreichischen Verwaltungsstrafrechtes, weil eben der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist. Es macht in diesem Zusammenhang keinen Unterschied ob die geschuldete Handlung hier vom Ausland zu initialisieren gewesen wäre oder dies bei einem österreichischen Zulassungsbesitzer in aller Regel vom Inland aus geschieht. Sollte sich also der Berufungswerber - was er wohl nicht ausdrücklich dartut - an die spezifische Aufforderung einer österreichischen Behörde nicht gebunden erachten und sich auf "allgemein verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmung außerhalb des Hoheitsgebietes von Österreich" und sich damit auf die Begrenzung des staatlichen Gebotsbereiches auf das Territorium des Staatsgebietes (Territorialitätsprinzip) berufen wollen, müßte ihm auch mit derartigen rechtlichen Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben. Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Als Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung dessen Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich und die aus dieser Verwendung des Kraftfahrzeuges - hier ausgelöst durch eine damit einhergehende Normverletzung mit diesem Kraftfahrzeug - und den damit begründeten Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung, heranzuziehen (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung erfordert - wie im Ergebnis schon dargelegt - einerseits die obzitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88), andererseits impliziert das mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates begründete Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates, einen ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeug-verantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfaßten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet. Ebenfalls könnte sich der Berufungswerber angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe schon in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe in der Höhe von 500 S ungewöhnlich gering bemessen wurde. Das Strafausmaß wurde von der Erstbehörde offenbar am StVO-Delikt, dessen Verfolgung durch die Nichterteilung der Lenkerauskunft vereitelt wurde, orientiert. Grundsätzlich ist der Unwertgehalt einer derartigen Übertretung als nicht bloß geringfügig zu erachten. Es liegt im öffentlichen Interesse, insbesondere im Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit, daß ein Fahrzeuglenker, welcher straßenverkehrs-rechtlichen Vorschriften zuwiderhandelt, einer entsprechenden Bestrafung zugeführt werden kann. Angesichts des bis zu 30.000 S reichenden Strafrahmens kann hier keinesfalls eine Überschreitung des Ermessensspielraumes durch die Erstbehörde erblickt werden. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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