Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530533/2/Bm/Sta

Linz, 21.11.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung der P T S u. H., M, W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 19.9.2006, Zl. Ge20-19-25-2005-Do, betreffend die Verfügung von Sicherheitsmaßnahmen gemäß § 360 Abs.4 GewO 1994,  zu Recht erkannt:

 

Der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 19.9.2006, Ge20-19-25-2005-Do, wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 iVm §§ 67a Abs.1 und 58 AVG.

§ 360 Abs.4 GewO 1994.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit Bescheid vom 19.9.2006, Ge20-19-25-2005, wurde über die P T S und H  im Standort P, Gst. Nr. , KG. P, hinsichtlich der ohne Genehmigung errichteten Anlage für "Infrarottechnik" gemäß § 360 Abs.4 GewO 1994 die sofortige Schließung verfügt. Gleichzeitig wurde als Sicherheitsmaßnahme vorgeschrieben, dass innerhalb von 2 Wochen ab Erhalt des Bescheides der von der P T S  und H benutzte Hallenteil von sämtlichen der Produktion dienenden Gegenständen zu räumen ist.

 

Begründend wurde im bekämpften Bescheid ausgeführt, am 18.9.2006, 8.30 Uhr, sei durch einen Beamten der Bezirkshauptmannschaft Eferding im Beisein des handelsrechtlichen Geschäftführers der P T S und H, Herrn K H, ein Lokalaugenschein durchgeführt worden. Es seien dabei die im Spruch angeführten Gegenstände vorgefunden und sieben dem Bescheid zugrunde liegende Lichtbilder angefertigt worden. Die Ausstattung der ohne Genehmigung errichteten Anlage sei bereits abstrakt geeignet, die Schutzinteressen des § 74 Abs.2 Z1, 2, 4 und 5 GewO 1994 zu gefährden. Die Anlage weise 2 Fluchttüren auf, die am 18.9.2006 durch Ablagerungen nicht erreichbar gewesen seien. Die Anlage weise weiters keine entsprechend dem Stand der Technik ausgeführte Absaugung von Lackdämpfen auf. Weiters seien der Gewerbebehörde keinerlei Angaben hinsichtlich des eigenen Fuhrparks, der Zu- und Anliefertätigkeiten sowie des Parkplatzes für Bedienstete erstattet worden.

Die Lacklagerung werde auf dem Boden ohne jegliche Auffangvorrichtung für eventuell austretende Flüssigkeiten getätigt.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nunmehr vorliegende, bei der belangten Behörde innerhalb offener Frist eingebrachte Berufung. In der Berufung wird im Wesentlichen vorgebracht, es handle sich nicht um ca. 150 l Heizmittellack für Beschichtungszwecke, sondern um 25 kg giftfreien lebensmittelechten und geruchsfreien Heizlack. Weiters seien nur 2 x 50 kg Gasflaschen vorhanden und
8 Stück gebrauchte Autoreifen.

Die Sicherheitsmaßnahme – freie Fluchtwege – sei umgehend erfüllt worden. Des Weiteren gebe es keine Belästigung der Nachbarn durch Geruch, Lärm, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise. Auch würde keine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der öffentlichen Gewässer vorliegen, da die Höchstmenge an Lacklagerung in Gebinden zu 25 kg und gesamt eine Lagerung von 50 kg nicht überschritten werde.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat die gegenständliche Berufung samt Bezug habenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Im Grunde des § 67a Abs.1 AVG ist für die Entscheidung über diese Berufung das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte im Grunde des § 67d Abs.2 Z1 AVG entfallen.

 

Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Die P T S und H hat im Mai 2006 bei der Bezirkshauptmannschaft Eferding einen Antrag um gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage für Infrarottechnik eingebracht. Am 21.7.2006 hat im Beisein des Vertreters der P T S und H sowie des gewerbetechnischen Amtssachverständigen eine Vorbegutachtung der dem Ansuchen zu Grunde gelegten Projektsunterlagen stattgefunden. Im Zuge dieser Vorbegutachtung wurde festgehalten, dass das gegenständliche Einreichprojekt noch durch Vorlage bestimmter Projektsunterlagen zu ergänzen ist. Am 18.9.2006 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Eferding eine unangekündigte Überprüfung am Standort P, Gst. Nr. , KG. P, vorgenommen und festgestellt, dass die beantragte Betriebsanlage bereits betrieben werde. In einem Aktenvermerk wurde festgehalten, dass in der gegenständlichen Betriebsanlage ca. 150 l Heizmittellack, 3 x 50 kg Gasflaschen, ca. 150 kg Styroporplatten, 16 gebrauchte Autoreifen und 15 Arbeitstische vorgefunden wurden, sowie 2 Notausgangstüren durch Materialablagerungen verstellt waren. Im Zuge der Überprüfung wurden Fotos von den Räumlichkeiten der konsenslos betriebenen Betriebsanlage aufgenommen und dem Aktenvermerk angeschlossen.

Auf Grund dieser Feststellungen wurde von der Bezirkshauptmannschaft Eferding mit Bescheid vom 19.9.2006 die konsenslos betriebene Betriebsanlage geschlossen.

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 360 Abs. 4 GewO 1994 hat die Behörde, um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stilllegung von Maschinen, Geräten oder Ausrüstungen oder deren Nichtverwendung oder sonstige die Anlage betreffenden Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Behörde Grund zur Annahme, dass zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betriebsinhabers, seines Stellvertreters oder des Eigentümers der Anlage oder, wenn eine Verständigung dieser Person nicht möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen.

 

Gemäß § 360 Abs. 5 GewO 1994 sind Bescheide gemäß Abs.1, 2. Satz, 2, 3 oder 4 sofort vollstreckbar; wenn sie nicht kürzer befristet sind, treten sie mit Ablauf eines Jahres, vom Beginn der Vollstreckbarkeit an gerechnet, außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.

 

Gemäß § 360 Abs.6 GewO 1994 hat die Behörde, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides gemäß Abs.1.  2. Satz, 2, 3 oder 4 nicht mehr vorliegen und zu erwarten ist, dass in Hinkunft jene gewerberechtlichen Vorschriften, deren Nichteinhaltung für die Maßnahmen nach Abs.1 2.Satz, 2, 3 oder 4 bestimmend war, von der Person eingehalten werden, die die gewerbliche Tätigkeit ausüben oder die Betriebsanlage betreiben will, auf Antrag dieser Person die mit Bescheid gemäß Abs.1 2.Satz, 2, 3 oder 4 getroffenen Maßnahmen ehestens zu widerrufen.

 

Zweck der nach § 360 Abs.4 GewO 1994 zu verfügenden Maßnahmen ist die kurzfristige Beseitigung einer Gefahr, die durch eine der Gewerbeordnung unterliegende Tätigkeit verursacht wird. Es handelt sich um Notmaßnahmen, die im öffentlichen Interesse eine sofortige Abhilfe ermöglichen sollen und sind Maßnahmen nach Abs.4 von Amts wegen zu treffen. Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 360 Abs.4 leg.cit. ist das Vorliegen einer konkreten Gefahr. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann davon noch nicht gesprochen werden, wenn sie nur nach den allgemeinen Erfahrungen nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Die belangte Behörde legt der bekämpften Entscheidung das Ergebnis der am 18.9.2006 unangekündigt durchgeführten Überprüfung der gegenständlichen Betriebsanlage und die in diesem Zusammenhang erfolgten, in einem Aktenvermerk festgehaltenen,  Feststellungen zu Grunde.

Hiezu ist festzustellen, dass der Erlassung eines Schließungsbescheides im Sinne des § 360 Abs.4 GewO 1994 grundsätzlich ein entsprechendes Ermittlungsverfahren im Sinne des AVG voranzugehen hat.

Im vorliegenden Fall erschöpft sich das Ermittlungsverfahren in der Feststellung der in der Betriebsanlage vorgefundenen Materialien und in der Feststellung, dass zwei Notausgangstüren durch Materialablagerungen verstellt sind; welche Anlagenteile in der gegenständlichen Anlage konkret in Verwendung stehen, kann dem über die Überprüfung aufgenommenen Aktenvermerk nicht entnommen werden. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, welche konkreten Auswirkungen bzw. welche konkrete Gefahr (in welchem Ausmaß) mit dem Betrieb der Anlage für den zu schützenden Personenkreis verbunden sind. Diesbezüglich wurde nach dem vorliegenden Akteninhalt auch kein Ermittlungsverfahren durch Beiziehung entsprechenden Sachverständigen geführt.

Wenn in der Bescheidbegründung darauf verwiesen wird, dass "die Anlage" keine entsprechend dem Stand der Technik ausgeführte Absaugung von Lackdämpfen aufweist, so ist hiezu festzuhalten, dass weder aus der Bescheidbegründung noch aus dem Aktenvermerk hervorgeht, um welche Anlage es sich überhaupt handelt, um feststellen zu können, ob sie dem Stand der Technik entspricht.

Auch kann aus der Begründung der Gewerbebehörde, es seien keinerlei Angaben hinsichtlich des eigenen Fuhrparks, der Zu- und Anliefertätigkeiten sowie des Parkplatzes für Bedienstete erstattet worden, nicht auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr oder unzumutbaren Belästigung geschlossen werden.

Wenn man davon ausgeht, dass die aus der Spruchfassung lit. a abzuleitende gänzliche Betriebsschließung darauf beruht, dass zwei Notausgangstüren durch Materialablagerungen verstellt waren und damit eine konkrete Gefahr verbunden ist, darf dabei jedoch nicht übersehen werden, dass hinsichtlich der in § 360 Abs. 4 GewO 1994 demonstrativ genannten, von der Behörde zu verfügenden Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen nach dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung zu   unterscheiden ist. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss es möglich sein, die betreffende Sicherheitsmaßnahme oder Vorkehrung mit dem Ausmaß der angenommenen Gefährdung oder Belästigung vergleichend in Beziehung zu setzen. Davon ausgehend erscheint dem erkennenden Mitglied des Verwaltungssenates jedoch die gänzliche Schließung des Betriebes als überschießend, sieht doch § 360 Abs.4 GewO 1994 auch nicht so weitreichende, sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen (wie etwa Entfernung der abgelagerten Materialien) vor.

 

Da somit der angefochtenen Bescheid durch das mangelhaft gebliebene Ermittlungsverfahren keine ausreichende Grundlage für eine Schließung des Betriebes in Ansehung der für eine solche Maßnahme nach § 360 Abs.4 GewO 1994 erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen bietet, war der Bescheid zu beheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

1.      Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.      Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. B i s m a i e r

 

Beschlagwortung:

Schließung § 360 Abs. 4 § 353 GewO 1994

 

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