Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240593/2/SR/Ri

Linz, 23.11.2006

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des A R, Kweg, E, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 19. September 2006 wegen Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

II.                  Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 44a, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als Betreiber der Wasserversorgungsanlage der Wassergenossenschaft K-S, Gemeinde E, Kweg, K, trotz Mahnung (1. Mahnung am 14.04.2005) und 3-maliger Fristverlängerung verabsäumt, bis 05.04.2006 Befunde und Gutachten über die gemäß Anhang II durchgeführten Untersuchungen unverzüglich an die  zuständige Behörde weiterzuleiten.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 74 Abs.4 Z.1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975), BGBl. Nr. 86/1975 i.d.F. BGBl. Nr. 126/2004 in Verbindung mit § 5 Ziff. 4 der Trinkwasserverordnung, BGBl. Nr. 304/2001.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

 

Geldstrafe von  

50 Euro

 

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

6 Stunden

gemäß

 

§ 74 Abs. 4, Schlusssatz LMG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

5 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 55 Euro."

 

 

2. Gegen dieses dem Bw am 21. September 2006 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. In der Begründung führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass eindeutig erwiesen sei, dass der Bw "Befunde und Gutachten aus dem Jahr 2005" nicht unverzüglich der Behörde vorgelegt habe. Die Vorlage sei erst am 5. April 2006 erfolgt.

 

2.2. Dagegen bringt der Bw vor, dass er immer die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung als Wasserrechtsbehörde angesehen und sich bei Schwierigkeiten dort erkundigt habe. Dem Amt der Landesregierung habe er nie Prüfberichte vorgelegt. Die telefonischen Kontakte mit den Bediensten der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung könne er nicht beweisen. Jedenfalls sei der Landessanitätsbehörde am
3. April 2006 das Untersuchungsergebnis der Wasseranlage bzw. des Trinkwassers mitgeteilt worden. Das Trinkwasser sei als genusstauglich qualifiziert worden. Die Verwechslung der Behörden und der Verlass auf die mündlichen Besprechungen seien ausschlaggebend für das fahrlässige Verhalten gewesen.

 

3. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2006 hat der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung den bezughabenden Verwaltungsstrafakt; SanRB96-16-2006-Ni und das Berufungsschreiben vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist; ........

 

Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw.

 

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1521).

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z. 1 der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z. 2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falls zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwenigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (siehe hiezu Hauer/Leukauf, aaO, Seite 1522).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl. etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z. 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z. 2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

4.2. Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird den Erfordernissen des § 44a VStG in keinster Weise gerecht. So konkretisiert der Spruch beispielsweise weder die Wasserversorgungsanlage noch die Tatzeit und ist darüber hinaus in sich widersprüchlich.

 

Weder dem Akt (den Ermittlungen) noch den Vorbringen ist zu entnehmen, ob es nur eine Anlage der Wassergenossenschaft K-S – nämlich die untersuchte mit der Bezeichnung "1605/1007" – gibt. Für den Fall weiterer Anlagen der genannten Wassergenossenschaft ließe sich bei den vorliegenden Spruchausführungen eine mögliche Doppelbestrafung nicht vermeiden. Neben der "Tatumschreibung", die offen lässt, welche Befunde und Gutachten (diese werden lediglich mit "gemäß Anhang II durchgeführten Untersuchungen" bezeichnet) nicht vorgelegt wurden, ist auch ein "Tatzeitpunkt" nicht einmal ansatzweise erkennbar.

 

4.3. Im Hinblick auf die mangelhafte Spruchkonkretisierung war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG einzustellen.

 

5. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro  zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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