Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106123/8/Br

Linz, 16.03.1999

VwSen - 106123/8/Br Linz, am 16. März 1999

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H, gegen das Straferkennt- nis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 13. Jänner 1999, Zl.: Verk96-3538-1997 DI/SHE, wegen Übertretungen nach § 99 Abs.1 lit.a iVm § 5 Abs.1 StVO 1960, § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 und § 4 Abs.2 StVO 1960 je iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 nach der am 16. März 1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird in Punkt a) und c) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird in diesen Punkten aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG.

II. In oben genannten Punkten entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber ad a) eine Geldstrafe von 10.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Tagen und ad b) und c) je eine Geldstrafe von 500 S und für den für den Fall der Uneinbringlichkeit

eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von je 24 Stunden verhängt, weil er am 23. März 1997 um 12.10 Uhr den Kombi in Linz auf der Unteren Donaulände im Bereich der Kreuzung mit der Kaserngasse in Richtung Hafenstraße gelenkt habe, obwohl er

a) sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Blutalkoholgehalt von mindestens 1,08 Promille befunden habe,

b) an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt habe, obwohl sein Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, da er die Unfallstelle verlassen habe,

c) nicht die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall sofort verständigt, obwohl sein Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei.

2. Die Erstbehörde wertete im Punkt a) durch die vorgenommene Rückrechnung des mehr als fünf Stunden nach dem Unfall festgestellten Atemalkoholgehaltes im Ausmaß von 0,29 mg/l als erwiesen. Im Falle einer Berufung auf einen Nachtrunk habe die konkrete Menge des so konsumierten Alkohols angegeben zu werden (VwGH v. 25.4.1985, ZVR 1986/125). Da dies der Berufungswerber nicht hinreichend getan hat, folgte die Erstbehörde offenbar seiner diesbezüglichen Verantwortung nicht.

Auch hinsichtlich der Punkte b) und c) vermeinte die Erstbehörde unter Hinweis auf die diesbezügliche Judikatur des VwGH betreffend den sogenannten Unfallschock, welcher in diesem Fall nicht entschuldigend zu werten gewesen wäre.

2.1. In der fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung bestreitet der Berufungswerber einerseits eine Alkoholbeeinträchtigung zum Unfallszeitpunkt. Andererseits habe ein Identitätsaustausch mit der Zweitbeteiligten stattgefunden. Eine Verletzungsfolge habe von ihm zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht beurteilt werden können. Hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Nachtrunks und des diesbezüglichen Vorwurfes gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO sei er jedoch bereit, eine Strafe zu bezahlen.

Im Punkt b) wurde eine Berufung nicht erhoben.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da jeweils keine 10.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt worden sind, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zu entscheiden. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK indendierten Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt. Ebenfalls wurde der Strafakt des BG Linz, 17 beigeschafft. Daraus ist ersichtlich, daß im Zuge der hier verfahrensgegenständlichen Lenkereigenschaft der Berufungswerber an einen Verkehrsunfall ohne sein Verschulden beteiligt war. Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung war dabei nicht das Faktum des alkoholisierten Lenkens.

Beweis erhoben wurde ferner durch Vernehmung des Berufungswerbers anläßlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Ein Vertreter der Erstbehörde hatte daran ohne Angabe von Gründen nicht teilgenommen.

5. Folgender Sachverhalt ist nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren erwiesen.

5.1. Der Berufungswerber lenkte am 23. März 1997 um 12.10 Uhr seinen Pkw auf der unteren Donaulände in Richtung Hafenstraße. Im Kreuzungsbereich mit der benachrangten (VZ "Vorrang geben") Kaserngasse wollte die Lenkerin des KFZ nach links in Richtung Nibelungenbrücke einbiegen und kollidierte dabei mit dem bevorrangten Berufungswerber. Die Kreuzung war zu diesem Zeitpunkt nicht ampelgeregelt. Die Lichtanlage war auf Gelbblinken geschaltet.

Nachdem sich der Berufungswerber nach dem Verkehrsunfall mit der Zweitbeteiligten über die Verschuldensfrage nicht einigen konnte, entfernte er sich von der Unfallstelle mit dem Hinweis, die Polizei von einer Telefonzelle aus zu verständigen. Von einer Verletzung der Unfallsbeteiligten hatte der Berufungswerber zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis. Auch äußerlich dürfte eine solche, später wurde ein sogenanntes Peitschenschlagsyndrom festgestellt, zu diesem Zeitpunkt eher kaum erkennbar gewesen sein. Von einem diesbezüglichen Hinweis gegenüber dem Berufungswerber ist weder laut Aktenlage, noch gemäß der diesbezüglich glaubwürdigen Aussage des Berufungswerbers auszugehen.

Die Zweitbeteiligte hat beim Berufungswerber Alkoholgeruch aus dem Mund wahrgenommen.

Laut Angabe des Berufungswerbers sei ihm im Verlaufe der Suche einer Telefonzelle übel geworden, wobei er sich bei einer Baustelle übergeben habe müssen. In der Folge habe er sich dann in ein Lokal begeben, wo er einige Magenbitter und auch ein Bier konsumiert habe. Er habe sich vermutlich wegen der erlittenen Verletzungen in einem sehr schlechten physischen und psychischen Zustand befunden, sodaß er sich nach heute nicht mehr erinnerlicher Aufenthaltsdauer in diesem Lokal schließlich mittels Taxi in das AKH begeben habe. Bereits kurz vor der verfahrensgegenständlichen Fahrt habe er im Lokal "L" zu einem paar Würstel auch ein Seidel Bier getrunken gehabt. Diese Angabe machte der Berufungswerber bereits anläßlich seiner Befragung noch am Unfallstag. Im Ergebnis verantwortete der Berufungswerber sich auch anläßlich der Berufungsverhandlung inhaltsgleich.

Um 16.30 Uhr des Unfallstages erfolgte durch das AKH-Linz, Dr. K, die Verständigung der Polizei über die soeben erfolgte Aufnahme und Behandlung des unfallbeteiligten Berufungswerbers. Auf Grund der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Alkoholisierungssymptome wurde um 17.00 Uhr im AKH-Linz durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz ein Alkotest durchgeführt, welcher einen Atemalkoholgehalt von 0,29 und 0,32 mg/l erbrachte.

Bei diesem Verkehrsunfall erlitt der Berufungswerber eine Gehirnerschütterung und eine Zerrung der Halswirbelsäule. Auch die Zweitbeteiligte erlitt - wie offenbar erst einige Tage später festgestellt wurde - eine Zerrung an der Halswirbelsäule.

Gegen beide Unfallbeteiligte erfolgte in der Folge eine Strafanzeige beim Strafbezirksgericht Linz. Während die Zweitbeteiligte wegen § 88 Abs.1 StGB zu einer auf drei Jahre bedingt ausgesprochenen Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je S 170 und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von zwanzig Tagen verurteilt wurde, wurde gegen den Berufungswerber das Verfahren wegen § 88 Abs.1 (81 Z2) StGB gemäß § 90 Abs.1 StPO eingestellt.

5.1.1. In dem von der Erstbehörde in der Folge weitergeführten Verwaltungsstrafverfahren vorgenommene Rückrechnung ergab einen wahrscheinlichen Alkoholisierungswert zum hier verfahrensgegenständlichen Lenkzeitpunkt von mindestens 1,08 Promille. Aus dem im Zuge des gerichtlichen Verfahrens eingeholten gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens ergibt sich, daß der Berufungswerber einem chronischen Alkoholabusus zuneigt (AS 40). Unter Anstellung einer einfachen Rückrechnung kommt das gerichtsmedizinische Institut unter der Annahme eines minimalen stündlichen Abbauwertes zugunsten des Probanden von 0,1 Promille, zu einer aktuellen Blutalkoholkonzentration von ca. 1,13 Promille zum Unfallszeitpunkt, unter weiterer Zugrundelegung eines Körpergewichtes des Berufungswerbers von damals 117 kg und eines reduzierten Körpergewichtes von 81,9 kg (Reduktionsfaktor 0,7).

Die vom Berufungswerber getätigte Trinkverantwortung (ein Seidel Bier vor dem Unfall und ca. eine halbe Bier und ca. drei kleine Fläschchen Jägermeister nach dem Unfall und vor dem Atemlufttest) würde zum Unfallszeitpunkt einen aktuellen Blutalkoholwert von 0,67 Promille ergeben.

Weiter wird im gerichtsmedizinischen Gutachten im Ergebnis ausgeführt, daß die Unfallschäden am Fahrzeug keinen Schluß auf eine so starke Einwirkung auf den Kopf des Berufungswerbers zulassen, die zu einem massiven Schädelhirntrauma schließen lassen könnten, welches wiederum eine Antwort auf seine Fluchtreaktion nach dem Unfall begründen könnte. Im Ergebnis kommt die gerichtsmedizinische Untersuchung zum Ergebnis, daß die Fluchtreaktion "nicht als Symptom einer substanzinduzierten psychotischen Episode im weitesten Sinn interpretiert werden könnte" (Seite 43 zweiter Absatz).

Abschließend wird im gerichtsmedizinischen Gutachten ausgeführt, daß beim Berufungswerber "allenfalls eine BAK (Blutalkoholkonzentration) von mehr als 0,8 Promille zum Unfallszeitpunkt bestanden haben könnte, diese jedoch nicht mit rechtsnotwendiger Sicherheit medizinisch untermauert werden könne".

Damit wird aber auch ausgesagt, daß dies wohl nur der Beweiswürdigung im Hinblick auf die Nachtrunkbehauptung zu würdigen bleibt. Dabei kommt für die Beweiswürdigung insbesondere die im Schlußsatz dieses Gutachtens getroffene Feststellung zum Tragen, wonach ein klinisches Krankheitsbild für das Fluchtverhalten nicht schlüssig dargeboten werden habe können.

Für die Beweiswürdigung ist wohl zu bedenken, daß beim Berufungswerber bereits an der Unfallstelle Alkoholgeruch aus dem Mund festgestellt wurde. Trotzdem vermag mit dieser Feststellung kein Beweis dafür erblickt werden, daß zu diesem Zeitpunkt eine Grenzwertüberschreitung tatsächlich vorlag. Auch wenn es nicht gerade glaubwürdig anmuten mag, warum der Berufungswerber nach dem Unfall ausdrücklich Alkohol zu sich genommen haben sollte, ehe er sich mehrere Stunden danach zur Behandlung ins Krankenhaus begeben hat. Dieses Glaubwürdigkeitsdefizit wird zusätzlich unterstützt, indem er weder die Örtlichkeiten noch die exakten Mengen des Alkoholkonsums zu nennen wußte. Die Verletzungsfolgen lassen laut medizinischem Gutachten einen Schluß für einen diesbezüglichen Gedächtnisverlust ebenfalls nicht zu.

5.2. Trotzdem vermag hier das vorliegende Ermittlungsergebnis für einen Beweis der Tatbegehung nicht herhalten. Es kann hier nicht zwingend ausgeschlossen werden, daß der Berufungswerber während der Zeit vom Unfall bis zum Eintreffen im Krankenhaus nicht doch Alkohol zu sich genommen hat. Hier spricht sogar der Umstand für ihn, daß er laut Gutachten einem chronischen Alkoholabusus zuneigt. Da nicht der Berufungswerber seine Unschuld, sondern vielmehr die Behörde die Tatbegehung nachzuweisen hat, kann hier beim Berufungswerber von einem Beweis einer grenzwertüberschreitenden Alkoholisierung zum Unfallszeitpunkt nicht ausgegangen werden. In den von der Erstbehörde zitierten Erkenntnissen des VwGH ist für die Beweiswürdigung in jedem Einzelfall nichts zu gewinnen.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Da bereits bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, war hier im Punkt a) spruchgemäß zu entscheiden (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

6.1.1. Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

(2) Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben die im Abs. 1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Da hier der Berufungswerber von einer Verletzung der Zweitbeteiligten keine Kenntnis haben konnte bzw. mußte, erschöpft sich hier sein Fehlverhalten in der Bestimmung des § 4 Abs.1 lit.c StVO. Diesbezüglich ist Rechtskraft eingetreten. Warum in diesem Punkt nur die gesetzliche Mindeststrafe verhängt wurde, bleibt jedoch angesichts des hier vorliegenden Umfanges der Verunmöglichung der Sachverhaltsfeststellung unerfindlich.

Dahingestellt kann auch bleiben, daß es dem Tatvorwurf nach § 4 Abs.2 StVO an der Umschreibung sämtlicher Tatbestandselemente im Sinne des § 44a Z1 VStG ermangelt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

 

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