Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161688/13/Br/Ps

Linz, 04.12.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn C K, geb., S, W, vertreten durch Dr. R C. B, Rechtsanwalt, F, W, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, Zl. S-20567/06-4, vom 19. September 2006, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 6. November 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.     Die Berufung wird in den Schuldsprüchen in allen Punkten als unbegründet abgewiesen. Im Punkt 4.) wird die Geldstrafe auf 120,-- Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 50 Stunden ermäßigt. Im Punkt 5.) wird unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991- VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II.    Dem Berufungswerber werden als Kosten des Berufungsverfahrens
91,-- Euro auferlegt
(20 % der verhängten Geldstrafen). Im Punkt 4.) ermäßigt sich der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag auf 12,-- Euro u. für das Berufungsverfahren entfällt in diesem Punkt ein Kostenbeitrag. Im Punkt 5.) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2, § 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem o.a. Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von 1.) 180,-- Euro, 2.) 90,-- Euro,
3.) 185,-- Euro, 4.) 150,-- Euro und 5.) 50,-- Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 82, 2.) 41, 3.) 85, 4.) 69 und 5.) 23 [gesamt 300] Stunden verhängt, wobei ihm nachfolgende Fehlverhalten zur Last gelegt wurden:

"Sie haben am 17.05.2006 um 10.48-10.49 Uhr, in 1) Linz, A 1, Strkm 166, 2) Linz, A 1, Strkm 166,64, 3) Linz, A 1 Strkm 167,23, 4) Linz, A 1, Strkm 168,22 u. 5) Linz, A 1, Strkm 168,39, als Lenker des Fahrzeuges, Kz.

1.)     beim Hintereinanderfahren zum nächsten vorderen Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, der ein rechtzeitiges Anhalten ermöglicht hätte, wenn dieses plötzlich abgebremst worden wäre, da Sie bei einer Fahrgeschwindigkeit von 148 km/h einen Abstand von nur 12,4 Meter eingehalten haben, dass ist ein zeitlicher Abstand von  0,30 Sekunden.

2.)   auf der Autobahn zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten, da die Fahrgeschwindigkeit 163 km/h betrug, wobei die Überschreitung mit einem Messgerät festgestellt wurde. (gesetzliche Messfehlergrenze wurde bereits abgezogen)

3.) beim Hintereinanderfahren zum nächsten vorderen Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, der ein rechtzeitiges Anhalten ermöglicht hätte, wenn dieses plötzlich abgebremst worden wäre, da Sie bei einer Fahrgeschwindigkeit von 136 km/h einen Abstand von nur 10,6 Meter eingehalten haben, dass ist ein zeitlicher Abstand von  0,28 Sekunden.

4.) die durch Verbotszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten, da die Fahrgeschwindigkeit 148 km/h betrug, wobei die Überschreitung  mit einem Messgerät festgestellt wurde (gesetzliche Messfehlergrenze wurde bereits abgezogen)

5.) die Sperrlinie überfahren."

 

Dadurch habe er folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1) § 18 Abs.1 StVO, 2) § 20 Abs.2 StVO, 3) § 18 Abs.1 StVO, 4) § 52 lit.a Z10 a StVO und 5) § 9 Abs.1 StVO iVm § 99 Abs.2c Z4 u. § 99 Abs.3 lit.a StVO

 

2. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:

"Der dem Spruch zugrundeliegende Sachverhalt ist aufgrund einer ordnungsgemäß durchgeführten Videomessung mit dem Messgerät Multavision und des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

 

Gegen die Strafverfügung der BPD Linz vom 30.6.2006 erhoben Sie fristgerecht Einspruch. Im Wesentlichen brachten Sie vor, dass Sie an den zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen kein Verschulden treffe. Das Leasingfahrzeug hätte immer wieder technische Mängel u.a im Elektronikbereich gehabt. Weiters hätte das strafbare Verhalten innerhalb einer Minute auf einer Autobahnstrecke von lediglich 2,39 km nicht mehrmals begangen werden können. In eventu beantragten Sie die Strafe auf das Mindestmaß herabzusetzen.

 

Aus einem Bericht des Meldungslegers geht hervor, dass der Beschuldigte keinesfalls Angaben über einen eventuellen Tachometer‑, Tempomaten‑ oder elektronischen Defekt angegeben hätte.

Die Angaben in der Anzeige würden vollinhaltlich aufrecht bleiben.

 

Gemäß § 18 Abs.1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Gem. § 20 Abs. 2 StVO darf, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

 

Gem. § 52 lit.a Zif 10a StVO zeigt das Zeichen 'GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG (ERLAUBTE HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT)' an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Gem. § 9 Abs. 1 StVO dürfen Sperrlinien (§ 55 Abs. 2) nicht überfahren werden.

 

Gemäß § 99 Abs.2c Zif. 4 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von € 72,‑ bis zu € 2.180,‑, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden bis 6 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges den erforderlichen Sicherheitsabstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeuges gemäß § 18 Abs. 1 StVO nicht einhält, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 Sekunden oder mehr, aber weniger als 0,4 Sekunden beträgt.

 

Gem. § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Woche, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, la, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Die Behörde hat dazu erwogen:

Aufgrund der Anzeige des LVA vom 6.6.2006, insbesondere auch aufgrund der im Akt befindlichen Lichtbildaufnahmen sieht die Behörde keine Anhaltspunkte nicht von der objektiven Verwirklichung der Übertretungen auszugehen. Zur Verschuldensfrage sei beimerkt, dass die von Ihnen geschilderten technischen Mängel des Fahrzeuges Ursache für die Begehung der Übertretungen gewesen seien, der Behörde nicht glaubhaft scheinen, zumal einerseits Sie bei der Anhaltung auf diese Probleme nicht hingewiesen haben und andererseits mit einem solchen mangelhaften Fahrzeug die Fahrt erst gar nicht angetreten bzw. nach der Kontrolle wieder fortgesetzt werden hätte dürfen. Sie haben daher die Taten auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten.

 

Werden verschiedene Verwaltungsvorschriften verletzt, so liegt kein fortgesetztes Delikt vor. Die Überschreitung der auf Autobahnen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h sowie die Überschreitung der daran anschließenden durch Straßenverkehrszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h beinhalten zwei verschiedene Delikte , die auch jeweils gesondert zu bestrafen sind. Ebenso handelt es sich nicht um ein fortgesetztes Delikt bzw. Dauerdelikt, sondern um zwei gesonderte Delikte, wenn der erforderliche Sicherheitsabstand zu zeitlich aufeinanderfolgend zwei verschiedenen Vorderfahrzeugen innerhalb eines Tatzeitraumes von ca. einer Minute nicht eingehalten wird.

 

Ihre Vorbringen waren daher nicht geeignet, sie zu exkulpieren, sodass für die Behörde erwiesen ist, dass Sie tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechts‑ und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Als mildernd bei der Strafbemessung war das Fehlen ha. verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen zu werten; diesbezüglich konnte eine Strafreduktion vorgenommen werden; erschwerende Umstände lagen keine vor.

 

Weiters wird bei der Strafbemessung davon ausgegangen, dass Sie kein hiefür relevantes Vermögen besitzen, keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten haben und ein Einkommen von ca. € 1500,‑‑ netto monatlich beziehen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."

 

3. In der dagegen durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber Folgendes aus:

"Gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, Strafamt, vom 19.09.2006, Zahl: S‑20567/06‑4 erhebt der Einschreiter binnen offener Frist

 

B e r u f u n g:

 

Entgegen den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wurde entweder die Videomessung nicht ordnungsgemäß durchgeführt oder das Straferkenntnis auf Grund unrichtiger Tatsachen erlassen. Anhand der Lichtbilder, welche im übrigen nicht auf die fünf dem Einschreiter zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen schließen lassen ist keineswegs erkennbar, ob es sich bei dem vor dem Fahrzeug des Einschreiters befindlichen Fahrzeug um ein und den selben oder um verschiedene PKW handelt. Dennoch ist die Behörde davon ausgegangen, daß es sich um verschiedene PKW handelte, dies auch erst auf die Ausführungen des Einschreiters hinsichtlich der Rechtsfrage betreffend das Vorliegen eines 'fortgesetzten Delikts' oder eines 'Dauerdeliks'. Weiters sind die Lichtbilder offenkundig unvollständig, wie dies bereits in der Rechtfertigung vom 14.07.2006 ausdrücklich vorgebracht wurde. Des weiteren trifft den Einschreiter kein Verschulden am Antritt der Fahrt mit einem technisch mangelhaften Fahrzeug, zumal dieses direkt von der KFZ‑Werkstätte abgeholt wurde und im Anschluß daran die gegenständliche Fahrt angetreten wurde. Der Einschreiter kann wohl davon ausgehen, daß das Fahrzeug nach der Reparatur ordnungsgemäß übergeben wurde, auch wenn mehrmals Reparaturen aus den selben technischen Gründen erfolgten. Daß der Einschreiter sein Fahrzeug trotz der technischen Mängel vom Anhalteort entfernt hat, wird diesem nicht angelastet und ist daher mangels Verfahrensgegenständlichkeit auch nicht näher darauf einzugehen.

 

Auch der Umstand, daß bei zwei verschiedenen Kundmachungen hinsichtlich der höchst zulässigen  Geschwindigkeit (einmal Tempo 130, in der Folge Tempo 100) ein fortgesetztes Delikt vorliegt, ist    deshalb gegeben, da dies eben dann der Fall ist wenn die höchst zulässige Geschwindigkeit  ständig übertreten wird, ohne daß zwischenzeitig die reguläre Geschwindigkeit eingehalten wurde. Das Beweisverfahren läßt in keiner Weise erkennen, ob dem so war oder nicht. Das Straferkenntnis ist daher auch in  diesem Punkt rechtswidrig ergangen.

 

Beweis: ‑         vorzulegendes Konvolut an Korrespondenz betreffend die Mängel

                        am gegenständlichen Fahrzeug;

              ‑        allenfalls einzuholendes Sachverständigengutachten aus

                        dem Fachgebiet des KFZ‑Wesens;

              ‑        PV;

              ‑        Zeugenvorbehalt;

              ‑        weitere Beweise vorbehalten.

 

Die Ausführungen im Einspruch sowie in der Rechtfertigung vom 14.07.2006 werden darüber hinaus zum integrierenden Bestandteil dieser Berufung erhoben.

 

Der Einschreiter wiederholt sohin den

A n t r a g,

 

die Behörde möge von einer Bestrafung absehen und das Verfahren gem. § 45 VStG einstellen, in eventu

 

das Vorliegen des Verstoßes jedenfalls gegen § 18 Abs.1 StVO verneinen, in eventu

die verhängte Strafe auf das Mindestmaß herabsetzen.

 

W, am 27.09.2006                                                                                      C K"

 

4. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war hier ungeachtet der unter 500 Euro festgesetzten Geldstrafen in Wahrung der nach Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

 

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des von der Bundespolizeidirektion Linz vorgelegten Verwaltungsstrafaktes. Beweis geführt wurde ferner durch Sichtung des mittels dem VKS 3.0 aufgezeichneten Fahrverlaufes, sowie durch zeugenschaftliche Einvernahme des Meldungslegers GI W und des Berufungswerbers im Rahmen der Berufungsverhandlung am 6.11.2006.

Ebenfalls wurde dem Berufungswerbervertreter die Gebrauchsanweisung des VKS 3 zur Einsicht vorgelegt und auszugsweise verlesen.

Im fortgesetzten Verfahren wurde über Antrag des Berufungswerbers die Videoaufzeichnung dem Amtssachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung, Abteilung Verkehrstechnik, Herrn Ing. H, zur nachprüfenden Auswertung übermittelt. Das Ergebnis wurde in einem Kurzgutachten zusammengefasst. Dieses wurde wiederum dem Berufungswerber mit der Möglichkeit sich hierzu zu äußern  zur Kenntnis gebracht.

Der Berufungswerber verzichtete diesbezüglich auf die Erstattung einer ergänzenden Stellungnahme hierzu und ebenso auf die Erörterung dieses Gutachtens im Rahmen einer neuerlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

6. Zum Sachverhalt.

6.1. Die Tatvorwürfe basieren auf die Wahrnehmung im Rahmen einer Nachfahrt und der dabei erfolgten Videodokumentation mittels einer hierfür geeichten und zugelassenen "Multavisionsanlage Nr. 214029".

Aus dem Video ergibt sich anschaulich und optisch zweifelsfrei nachvollziehbar, dass der Berufungswerber auf der A1 in Fahrtrichtung Linz im Bereich des sogenannten "Ebelsberger Berges" auf dem linken Fahrstreifen auf ein Vorderfahrzeug aufschloss und folglich mit einer verkehrsfehlerberichtigten Fahrgeschwindigkeit von 163 km/h und bei 156 km/h in einem augenscheinlich nur äußerst knappen Abstand und über einen längeren Streckenbereich zum Vorderfahrzeug unterwegs ist (Auswertungsfotos im Akt).

Um 10.49:03 Uhr spurt das Vorderfahrzeug schließlich auf den mittleren Fahrstreifen nach rechts um, wobei der Berufungswerber bis 10.49:18 Uhr auf 176 km/h beschleunigt und kurze Zeit später abermals auf ein Fahrzeug aufläuft, wobei um 10.49:29 Uhr der Abstand zum Vorderfahrzeug unter günstigster Annahme für den Berufungswerber nur 0,28 Sekunden beträgt (dies entspricht einem Sicherheitsabstand von nur 10,6 m bei 144 km/h). Nachdem von Vorderachse zu Hinterachse gemessen wird und der sich mit ca. 2 m ergebende Überhang nicht berücksichtigt wird, läge der Abstand zwischen der Fahrzeugvorder- und Rückseite des Vorderfahrzeuges tatsächlich nur bei 8,6 m, was rechnerisch einen Sicherheitsabstand von nur 0,215 Sekunden ergeben würde.

Um 10.49:29 Uhr spurt auch dieses derart "bedrängte Fahrzeug" auf den rechten mittleren Fahrstreifen um, sodass der sein Fahrzeug abermals beschleunigende Berufungswerber in der Folge bei Beginn der 100 km/h Beschränkung vor der Ausfahrt auf die A7 um 10.49:32 Uhr mit 144 km/h unterwegs ist und er nachfolgend um 10.49:46 Uhr sogar 166 km/h erreicht. Dies wurde ihm jedoch nicht zur Last gelegt, sondern es liegt im Punkt 4.) lediglich eine Fahrgeschwindigkeit von 148 km/h zur Last.

Diese Fahrweise lässt auf ein hohes abstraktes Gefährdungspotenzial und hohe beträchtliche subjektive Tatschuld und nur geringe Verbundenheit mit diesen einschlägigen Schutznormen der StVO rückschließen.

Nach mehrfacher Sichtung und fortgesetzter Anhaltung  der Videoaufzeichnung im Rahmen der Berufungsverhandlung kann  unter Berücksichtigung sämtlicher Verkehrsfehler und der Annahmen der sich aus dem Bild ergebenden Abstandspunkte zu Gunsten des Berufungswerbers ein Nachfahrabstand von maximal 0,3 bzw. 0,28 Sekunden und ebenfalls die hier zur Last liegenden Fahrgeschwindigkeiten grundgelegt werden. Dies bestätigt letztlich auch noch der Sachverständige in seinem Kurzgutachten.

Der Berufungswerber vermochte dem objektiv nicht entgegen treten.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass dieses Beweisergebnis auf die eichamtlich anerkannte Messmethode mittels dem Verkehrs-Kontroll-System, Version 3.0 (kurz VKS 3.0) gestützt ist.

Aus der Gebrauchsanweisung wird unter Punkt 1.4.2 zur Genauigkeit der Geschwindigkeitsmessung Folgendes ausgeführt:

"Zur Berechnung der Geschwindigkeit wird die Formel  v = s / t verwendet.

Messwerte sind s und t:

s - Strecke die ein Fahrzeug zwischen zwei, in jeweils einem Videobild, eingefrorenen Verkehrssituationen zurücklegt. t - Zeitabstand zwischen den beiden Videobildern.

Die Genauigkeit der Streckenmessung wurde im vorangegangen Kapitel erläutert. Im Gegensatz zur Abstandsmessung wird hier jedoch der vom Fadenkreuz/Messlinie überstrichene Bereich von beiden Endpunkten der Strecke abgezogen. Dadurch errechnet sich zugunsten des Betroffenen eine geringere Geschwindigkeit.

Wie in Kapitel 1.2 Mathematisches Prinzip beschrieben, berechnet sich die Zeit t als Differenz der beiden Kodierungsnummern multipliziert mit dem Zeitabstand zwischen zwei Videobildern ( 1/50 s. ).

Der so berechnete und angezeigte Wert wird anschließend, zugunsten des Betroffenen, entsprechend den Verkehrsfehlergrenzen  3 km/h bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h, 3% bei Geschwindigkeiten über 100 km/h reduziert und auf den nächsten ganzzahligen Wert abgerundet."

 

6.2. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird ausgeführt, dass die Sichtung des Videos im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 6.11.2006 das zur Last gelegte Fahrverhalten evident ist. Sowohl die mehrfache Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeiten als auch der über eine Wegstrecke von ca. drei Kilometer im Ergebnis so permanent wie eklatant unterschrittene Sicherheitsabstand sind augenfällig. Dieses Nachfahrverhalten musste von den Vorderfahrzeugen als massive Bedrängung empfunden worden sein. Eine behauptete Fehlfunktion des Tachos lässt für einen so routinierten Autofahrer das Ausmaß seiner Fahrgeschwindigkeit weitgehend auch ohne Blick auf den Tacho abschätzen und muss eben im Zweifel entsprechend langsamer gefahren werden. Für den Tiefenabstand zum Vorderfahrzeug geht seine Verantwortung letztlich völlig ins Leere und entbehrt jeglicher Nachvollziehbarkeit. Vielmehr müsste auf eine solche Fehlfunktion mit einer signifikant langsameren Fahrweise reagiert werden.

Der Berufungswerber konnte weder mit seinem Berufungsvorbringen noch im Rahmen der Berufungsverhandlung den vorliegenden Aufzeichnungen inhaltlich entgegen treten.

Mit dem Hinweis auf die bei seinem Fahrzeug glaubhaft dargelegt aufgetretenen Mängel vermag er die zur Last gelegte Fahrweise auch nicht zu entschuldigen. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus den Ausführungen des SV im letzten Absatz seines Gutachtens.  Dabei mag dem Berufungswerber durchaus zugebilligt werden, dass er allenfalls durch einen Defekt im Bereich der Elektronik abgelenkt gewesen sein mag und er dem technischen Mangel verstärkt seine Aufmerksamkeit zuwandte. Damit erklärt er jedoch keineswegs das knappe Auffahren an zwei Vorderfahrzeugen und die Fahrgeschwindigkeit von über 160 km/h (anstatt der erlaubten 130 km/h) bzw. von über 140 km/h (anstatt der erlaubten 100 km/h) vor der Ausfahrt auf die A7 in Richtung Linz als schuldminderndes Ereignis. Vielmehr ist dies dem Fahrzeugführer als grobe Sorglosigkeit vorzuhalten, wenn er sich trotz des Erkennens eines technischen Mangels zu einer derartigen Fahrweise hinreißen ließ.

Der hier vom Berufungswerber an den Tag gelegte Fahrstil ist als ein typischer Fall des Bedrängens des Vordermanns zu qualifizieren, was statistisch besehen die Unfallwahrscheinlichkeit im gravierenden Umfang potenziert.

Dies vor dem Hintergrund, dass bei dem doch recht starken Verkehrsaufkommen wie es im gegenständlichen Fall geherrscht hat  in Wahrheit kaum ein Zeitgewinn zu erwarten ist, demgegenüber aber eine völlig unangemessene Gefahrenerhöhung in Kauf genommen wurde, sei am Rande auch noch erwähnt.

Dass der Berufungswerber ein sehr routinierter Autofahrer ist und in aller Regel von einem Vorderfahrzeug ein plötzliches Abbremsen – was unweigerlich zu einem Fahrzeugkontakt mit dem Vordermann führen würde – nicht zu erwarten ist, vermag das Verhalten ebenso weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen.

Das Überfahren der Sperrlinie ist hier allerdings unmittelbar mit der Anhaltung in Verbindung zu bringen, weil der Berufungswerber aus der unmittelbar vorher hohen Geschwindigkeit offenkundig durch ein Anhaltesignal auf die A7 eskortiert wurde. Das Befahren der Sperrlinie war zwecks Erreichung der Ausfahrt auf die A7 wohl nur mehr schwer zu vermeiden. Letztlich ist auch das Dienstfahrzeug dem Berufungswerber in gleicher Fahrlinie gefolgt, was auf durchaus kontrolliertes Umspuren seitens des Berufungswerbers schließen lässt.

 

7. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 18 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass die hier "großzügig" zur Last gelegten Sicherheitsabstände bei einer Fahrgeschwindigkeit von 148 km/h [= 41,11 m pro Sekunde] von maximal  12,4 bzw. 10,6 m nur einer Wegzeit von maximal 0,30 bzw. 0,48  Sekunden entspricht. Ein plötzliches Abbremsen eines Vorderfahrzeuges führt angesichts einer solchen Ausgangssituation immer noch mit höchster Wahrscheinlichkeit zu einem Auffahrunfall, weil  selbst bei der geringsten Reaktionszeit auf ein solches Manöver nicht mehr rechtzeitig und wirkungsvoll reagiert werden könnte (s. unter vielen VwGH 30.9.1999, 98/02/0443).

Beim Hintereinanderfahren im Sinne des § 18 Abs.1 StVO genügt "in der Regel" ein dem mit einer Sekunde anzunehmenden Reaktionsweg entsprechender Sicherheitsabstand; dies aber nur wenn nicht besondere Umstände einen größeren Abstand geboten erscheinen lassen. Der Reaktionsweg beträgt in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h (VwGH 5.5.2006, 2003/03/0299 mit Hinweis auf VwGH 23.10.1986, 86/02/0081). In der zum Vorfallszeitpunkt herrschenden Verkehrsdichte müssten hier vielmehr Umstände für einen noch größeren Sicherheitsabstand erblickt werden (VwGH 9.11.1984, 84/02B/0064 mit Hinweis auf OGH 16.3.1967,11 Os 5/67 = ZVR 1968/50).

Nach der o.a. Formel hätte demnach der Sicherheitsabstand zumindest 39 m zu betragen gehabt.

Im Übrigen kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen der Behörde erster Instanz verwiesen werden.

Das Überfahren der Sperrlinie vor der Ausfahrt auf die A7 kann hier als unmittelbare Folge des knapp vorher gegebenen Zeichens zur Anhaltung qualifiziert werden.

 

8. Zur Strafzumessung:

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die  nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung  der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

8.1. Zu § 18 Abs.1 StVO:

Diesbezüglich ist zur erstinstanzlichen Strafzumessung zu bemerken, dass diese angesichts des hohen abstrakten Gefährdungspotenzials durchaus maßvoll geübt wurde. Die Festsetzung empfindlicher Geldstrafen für diese erwiesenermaßen unfallträchtige Fahrweise ist auch aus präventiven Überlegungen indiziert. In Deutschland wurden etwa wegen eines unfallskausalen Drängens iVm anderen gefährlichen Verhaltensmustern im Straßenverkehr bereits Freiheitsstrafen von 1½ Jahren ausgesprochen.

 

Zu § 20 Abs.2 u. § 52a Z10a StVO 1960:

Der Berufungswerber ist bereits mehrfach einschlägig wegen Geschwindigkeitsverstößen in Erscheinung getreten.

In einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn im Ausmaß von 50 km/h erblickte der Verwaltungsgerichtshof einen gravierenden Unrechtsgehalt, wobei dieser bereits vor nunmehr sechzehn Jahren eine Geldstrafe von (damals) ATS 4.000 selbst bei einem Geständnis und der Unbescholtenheit des Beschuldigten (auch) aus Gründen der Spezialprävention nicht überhöht erachtete (VwGH 15.11.1989, 89/03/0278).

Im Überschreiten der auf Autobahnen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h wird § 20 Abs.2 StVO und durch das Überschreiten einer durch Gebotszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit der § 52 lit.a Z10a StVO verletzt, sodass in diesen Fällen ungeachtet des Umstandes, dass die Geschwindigkeitsüberschreitungen im Zuge einer einzigen Fahrt begangen wurden, verschiedene Delikte vorliegen. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu den Berufungsausführungen nicht um ein fortgesetztes Delikt, sondern um zwei getrennt zu bestrafende Tatbestände (vgl. VwGH vom 25.10.1989, 89/03/0145 ua).

Dennoch scheint es mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot gerechtfertigt, diesen Umstand bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, weil zumindest subjektiv tatseitig von einem Fortsetzungszusammenhang auszugehen ist. Insbesondere soll nicht die bloß geänderte Rechtsgrundlage des Geschwindigkeitslimits zu einer drastischen Erhöhung der Sanktionsfolge führen. Demnach war nun im Punkt 4.) die Geldstrafe in ein angemessenes  Verhältnis zum Punkt 2.) zu bringen.

Trotz des Milderungsgrundes der bisherigen Unbescholtenheit des Berufungswerbers und einer im Rahmen der Berufungsverhandlung gezeigten Einsichtigkeit waren aber dennoch unter Bedachtnahme auf den hohen Tatunwert einer derartig als aggressiv zu bezeichnenden Fahrweise empfindliche Geldstrafen zu verhängen um die Schutzziele straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften entsprechend zu unterstreichen und damit beim Berufungswerber ein nachhaltiges Umdenken herbeizuführen.

Mit Blick darauf scheinen unter Bedachtnahme auf ein zumindest durchschnittliches Einkommen – von der Behörde erster Instanz auf 1.500 Euro geschätzt – die hier festgesetzten Geldstrafen durchaus innerhalb des gesetzlichen Ermessensspielraumes gelegen.

Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde jedoch ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn neben dem geringfügigen Verschulden des Beschuldigten auch die Folgen der Übertretung unbedeutsam sind. Es war angesichts der hohen Geschwindigkeit in Verbindung mit dem Verkehrsfluss und der nachfolgenden Anhaltung nur schwer vermeidbar und kann demnach jedenfalls nicht als strafwürdig erachtet werden.

 

Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

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