Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-580195/8/WEI/Ps

Linz, 07.12.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der H A, geb., S, A, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Eferding vom 16. Jänner 2006, Zl. SanRB01-141-2003-Wg/Am, betreffend Entziehung der Berufsberechtigung zur freiberuflichen Ausübung der Tätigkeit als Heilmasseurin zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Eferding wurde der Berufungswerberin (im Folgenden: Bwin) die Berufsberechtigung als Heilmasseurin auf der Grundlage des § 36 Z 4 iVm § 47 Abs 1 Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG (BGBl I Nr. 169/2002 idFd Kundm BGBl I Nr. 141/2004) entzogen und gemäß § 47 Abs 2 leg.cit. aufgetragen, den Berufsausweis binnen einer Woche ab Rechtskraft "zu übergeben".

 

In der Begründung führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass die Bwin mit Eingabe vom 26. Juni 2003 die beabsichtigte Aufnahme der freiberuflichen Berufsausübung einer Tätigkeit als Heilmasseurin gemeldet und mehrere Zeugnisse und Dokumente übermittelt habe. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens habe die belangte Behörde mangels Vorliegens eines entsprechenden Qualifikationsnachweises mit Bescheid vom 18. November 2003 die Aufnahme dieser Tätigkeit untersagt. Mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 8. Jänner 2004, Zl. VwSen-580165/2/Gf/Ta/Gam, sei der Berufung stattgegeben und der Bescheid mit der Begründung aufgehoben worden, dass die Untersagung der Berufsausübung nicht innerhalb der in § 46 Abs 1 MMHmG vorgesehenen Frist von drei Monaten ab Einlangen der Meldung erfolgt sei. Der belangten Behörde bliebe es unbenommen, ein Prüfungsverfahren gemäß § 47 MMHmG durchzuführen. Daraufhin habe die belangte Behörde die Bwin in die Liste der freiberuflichen Heilmasseure aufgenommen. Die Abteilung Sanitäts- und Veterinärrecht des Amtes der Oö. Landesregierung habe im Erlass vom 6. Oktober 2005, Zl. SanRB-14547/105/2005-Hau, die Vorgehensweise bei Anwendung der Übergangs-bestimmung  des § 84 Abs 7 MMHmG neu festgelegt. Dies sei zum Anlass für eine Überprüfung des Falles der Bwin genommen worden.

 

In rechtlicher Hinsicht stellte die belangte Behörde zunächst auf die Rechtslage nach § 84 Abs 1 und Abs 7 MMHmG ab und stellte fest, dass die Bwin das reglementierte Gewerbe der Massage erst seit 1. Oktober 1999 ausübe, weshalb sie am 1. Jänner 2003 dieses Gewerbe noch nicht tatsächlich und rechtmäßig über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren ausgeübt habe. Die Bwin sei somit nicht berechtigt sich auf die Übergangsbestimmung des § 84 Abs 1 und Abs 7 MMHmG zu berufen. Sie sei gemäß § 36 Z 4 MMHmG nur dann zur Ausübung berechtigt, wenn sie einen Qualifikationsnachweis iSd §§ 38, 39 und 41 erbringe. Bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung wären die Voraussetzungen für die Berufsausübung nicht gegeben gewesen.

 

Gemäß § 47 Abs 1 MMHmG sei die Berechtigung zur Berufsausübung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen anfänglich nicht gegeben oder nachträglich weggefallen sind. Darauf habe die belangte Behörde bereits mit Schreiben vom 7. November 2005 hingewiesen und die Entziehung angekündigt. Dem Vertrauen der Bwin auf unbehelligte Berufsausübung nach fast zwei Jahren stünde das überwiegende Interesse der Patienten an einer ordnungsgemäßen und den Vorschriften entsprechenden Ausbildung der Heilmasseure gegenüber. Den Beweis der notwendigen Kenntnisse hätte die Bwin durch positive Ablegung der im Erlass der Sanitätsrechtsabteilung vorgesehenen Prüfung erbringen können, was die Bwin aber in ihrer Eingabe vom 12. Dezember 2005 abgelehnt habe.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der der Bwin am 17. Jänner 2006 eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die am 31. Jänner 2006 bei der belangten Behörde per Telefax rechtzeitig eingebrachte Berufung, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides angestrebt wird.

 

2.1. Die Bwin bringt begründend unter Hinweis auf die Anmeldung der beabsichtigten freiberuflichen Berufsausübung als Heilmasseurin vom 26. Juli 2003 und den angeblich einwandfrei erbrachten Qualifikationsnachweis nach § 84 Abs 7 MMHmG im Wesentlichen vor, dass ihr durch den erst nach 115 Tagen und damit nach Überschreitung der gemäß § 46 Abs 2 MMHmG vorgesehenen Zeit von drei Monaten ergangenen Untersagungsbescheid das Recht der freiberuflichen Ausübung des Berufs Heilmasseur erwachsen sei. Gemäß § 68 Abs 2 AVG könnten nur Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, aufgehoben oder abgeändert werden. Das Gegenteil treffe auf die Bwin zu, der eine subjektive Berechtigung erwachsen sei. Die stillschweigende Tolerierung der Meldung und die Ausstellung eines Berufsausweises wären behördliche Akte, die einem Bescheid gleichkommen. Sie bedeuteten eine Nichtuntersagung. Einem nachträglichen Entziehungsverfahren gemäß § 47 Abs 1 MMHmG wegen Wegfalls von Voraussetzungen gemäß § 36 müsse entschieden widersprochen werden. Gemeint wäre die Erbringung eines Qualifikationsnachweises iSd § 36 Z 4 MMHmG in den Fällen wie folgt (Zitat):

 

a)     Erbringung eines Qualifikationsnachweises gem. § 38, d.h. ein Zeugnis gem. § 54 Abs. 2, das wäre demnach ein Zeugnis der kommissionellen Abschlussprüfung zum Heilmasseur oder

b)     § 39, das Vorweisen einer andersstaatlichen EWR-Ausbildung oder

c)      § 41 oder die Nostrifikation einer außer-EWR-staatlichen Ausbildung.

 

Daraufhin betont die Bwin, dass ihre Anmeldung zur freiberuflichen Tätigkeit als Heilmasseurin jedoch nicht gemäß den §§ 36, 38 oder 54 MMHmG erfolgte, sondern ausdrücklich auf dem sog. "Aufschulungsumgehungsparagraphen" § 84 Abs 7 MMHmG beruhte, weshalb die Behörde nicht vertretbar die Voraussetzungen gemäß § 36 MMHmG einfordern könne. § 84 Abs 7 MMHmG habe zur Zeit ihrer Anmeldung ausdrücklich die nachgewiesene Abrechnung mit gesetzlichen Krankenversicherungsträgern als Voraussetzung für die Weiterarbeit als Heilmasseur und keinesfalls die nachgewiesene Prüfung verlangt. Eine gewerbliche Masseurin, die sich über § 84 Abs 7 MMHmG zur freiberuflichen Tätigkeit angemeldet hat, könne nicht von § 47 Abs 1 MMHmG tangiert werden, weil dessen Verweise ausschließlich zu den urkundlichen Qualifikationen führen, die sie naturgemäß nicht haben könne, weil sie sich sonst nicht über § 84 Abs 7 MMHmG angemeldet hätte. Auch von § 47 Abs 2 könne sie nicht berührt werden, weil sie mit keinen einziehbaren Berechtigungs- und Prüfungsurkunden zur Meldung angetreten sei, sondern mit ihrer immanenten Qualifikation und den stellvertretenden Abrechnungsbestätigungen betreffend gesetzliche Krankenversicherungsträger.

 

Die Vorgangsweise der belangten Behörde widerspreche einer sachlichen Rechtfertigung und stelle eine enorme Behinderung der verfassungsmäßig gewährleisteten Erwerbs- und Wettbewerbsfreiheit dar.

 

2.2. Mit der Berufung vorgelegt wurde eine undatierte Bestätigung, wonach die Bwin in der Zeit vom 1. Februar 1996 bis 9. Juli 1998 "als Karenzvertretung auf selbständiger Basis" im Betrieb der K G, Inhaberin eines Massagefachinstituts in E, S, gearbeitet habe. Mit der weiters vorgelegten Bestätigung vom 24. Jänner 2006 der A D, Inhaberin eines Energetik-Fachinstituts in E, W, wird der Bwin bescheinigt "selbständig an unseren Kunden" in der Zeit vom 20. Juli 1998 bis 30. September 2001 gearbeitet zu haben, wobei sie sich sehr bemüht und gut gearbeitet habe. Schließlich wird eine Anwesenheitsbestätigung vom 3. April 2003 des WIFI Oberösterreich (WIFIGmbH), Wiener Straße 150, 4024 Linz, betreffend den Lehrgang Heilmasseur im Jänner und Februar 2003 vorgelegt.

 

2.3. Die belangte Behörde hat die Berufung mit ihrem Verfahrensakt zur Entscheidung ohne weitere Stellungnahme und unter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung vorgelegt.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat auf Antrag der Bwin die Berufungsverhandlung vom 8. Mai 2006 durchgeführt, zu der die Bwin allerdings nicht persönlich erschienen ist, sondern ihren Vertreter Mag. Dr. I H entsandt und bevollmächtigt hat, bei der mündlichen Verhandlung als Handlungsbevollmächtigter aufzutreten (vgl Vollmacht vom 24.04.2006, Beilage A). Für die belangten Behörde ist Herr AR W M erschienen.

 

In der Berufungsverhandlung wurde die Sach- und Rechtslage mit den Parteienvertretern erörtert. Eine Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (BMGF) sowie zwei einschlägige Rundschreiben der Abteilung Sanitäts- und Veterinärrecht vom 6. Oktober 2005 und vom 4. April 2006 wurden als Beilagen 1 bis 3 zum Akt genommen. Der aus der Aktenlage folgende wesentliche Sachverhalt war zwischen den Parteien nicht strittig.

 

3.2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende unbestrittene S a c h v e r h a l t :

 

3.2.1. Mit ihrer persönlich am 26. Juni 2003 bei der belangten Behörde überreichten Anmeldung der freiberuflichen Tätigkeit als Heilmasseurin hat die Bwin als "Qualifikationsnachweis" vorgelegt:

 

 

Strafregisterbescheinigung und ärztliches Attest über Freiheit von sichtbaren Infektionskrankheiten und körperliche Eignung wurden ebenso wie ein Kontoauszug vom 9.05.2003 über Rückvergütung von Kosten der Massagebehandlungen nach LKUF-Tarif nachgereicht.

 

3.2.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 2003, Zl. SanRB01-141-6-2003-Ma/Bm, zugestellt mit RSa-Brief am 21. November 2003, wurde der Bwin die beabsichtigte Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit als Heilmasseurin untersagt und der Antrag auf Ausstellung eines Berufsausweises abgewiesen. In der Begründung wurde angeführt, dass die vorgelegte Abrechnung mit der LKUF nicht die Ausnahmekriterien nach § 84 Abs 7 MMHmG erfüllt, da es sich dabei um eine Fürsorgeeinrichtung und nicht um einen gesetzlichen Krankenversicherungsträger handle. Außerdem sei die Abrechnung nicht direkt erfolgt.

 

Mit h. Erkenntnis vom 8. Jänner 2004, Zl. VwSen-580165/2/Gf/Ta/Gam, wurde der Berufung stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen dargelegt, dass die Untersagungsfrist nach § 46 Abs 2 MMHmG, die mit dem Tag zu laufen beginne, an dem die Meldung bei der Behörde einlangte, versäumt worden war. Die Frist endete nach § 32 Abs 2 AVG mit Ablauf des Tages des dritten darauffolgenden Monats, der nach seiner Zahl dem Einbringungstag entspricht, weshalb der Bescheid spätestens am 26. September 2003 erlassen hätte werden müssen. Deshalb sei mit 27. September 2003 von einer "positiven Erledigung" auszugehen gewesen (arg.: "Im Fall der Nichtuntersagung ist die freiberufliche Berufsausübung durch die Bezirksverwaltungsbehörde in den Berufsausweis einzutragen." - § 46 Abs 2 MMHmG). Zu einer Untersagung nach dem § 46 Abs 2 MMHmG sei die belangte Behörde daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids nicht mehr berechtigt gewesen.

 

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. Jänner 2004 wurde der Bwin mitgeteilt, dass sie in die Liste der freiberuflichen Heilmasseure aufgenommen worden sei und der Berufsausweis ausgestellt werde, wenn vom Amt der Oö. Landesregierung neue Berufsausweise zugestellt werden.

 

3.2.3. In der Folge hatte die belangte Behörde in der Zeit bis zum Schreiben vom 7. November 2005 an die Bwin , zugestellt mit RSa-Brief am 10. November 2005, keine Bedenken gegen die freiberufliche Ausübung der Tätigkeit als Heilmasseurin durch die Bwin. Mit diesem Schreiben wurde der Bwin mitgeteilt, dass sie eine Aufschulung zum Heilmasseur absolvieren oder die qualifizierte Leistungserbringung nachzuweisen hätte, widrigenfalls die an keine Frist gebundene Entziehung der Berufsberechtigung nach § 47 Abs 1 MMHmG in Betracht käme. Dem oben zitierten Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenats, das auf die Möglichkeit eines Entziehungsverfahrens nach § 47 Abs 1 MMHmG hingewiesen habe, sei nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Nach ablehnender Stellungnahme der Bwin vom 12. Dezember 2005 erging der angefochtene Entziehungsbescheid vom 16. Jänner 2006.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 46 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur, BGBl Nr. I 169/2002, geändert durch BGBl I Nr. 66/2003 (im Folgenden: MMHmG), ist die beabsichtigte Aufnahme einer freiberuflichen Ausübung des Heilmasseurberufes der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu melden, wobei ein Qualifikationsnachweis, der zur Berufsausübung berechtigt; eine Strafregisterbescheinigung; ein ärztliches Zeugnis über die körperliche und geistige Eignung; und ein Berufsausweis vorzulegen sind.

 

Nach § 84 Abs 1 MMHmG sind Personen, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des MMHmG - das war der 1. April 2003 (vgl § 89 Abs 1 MMHmG) –

 

1.       die Befähigung für das reglementierte Gewerbe der Massage gemäß der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure (BGBl Nr. 618/1993) auf Grund einer erfolgreich abgelegten Prüfung nach dem 1. Oktober 1986 nachgewiesen haben und

2.       das reglementierte Gewerbe der Massage (§ 94 Z 48 GewO 1994) tatsächlich und rechtmäßig selbständig über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren ausgeübt haben,

 

berechtigt, bis zum Ablauf des 31. Dezember 2007 eine Aufschulung zum Heilmasseur nach dem MMHmG zu absolvieren.

 

Nach § 84 Abs 2 MMHmG sind Personen, die

 

  1. vor dem In-Kraft-Treten des MMHmG das reglementierte Gewerbe der Massage tatsächlich und rechtmäßig selbständig über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren ausgeübt haben und
  2. die Befähigung für das reglementierte Gewerbe der Massage ohne Absolvierung einer entsprechenden fachlichen Prüfung rechtmäßig erlangt haben und
  3. bis zum Ablauf des vierten dem In-Kraft-Treten folgenden Jahres die Befähigungsprüfung gemäß § 2 der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure (BGBl Nr. 618/1993) erfolgreich absolvieren,

 

berechtigt, bis zum Ablauf des 31. Dezember 2007 eine Aufschulung zum Heilmasseur gemäß dem MMHmG zu absolvieren.

 

§ 84 Abs 3 bis 6 MMHmG treffen Regelungen zu dieser Aufschulung.

 

4.2. Eine Ausnahme von der nach § 84 Abs 1 und 2 MMHmG vorgesehenen Aufschulung enthält die Übergangsbestimmung des § 84 Abs 7 MMHmG.

 

Gemäß § 84 Abs 7 MMHmG in der Stammfassung BGBl I Nr. 169/2003 konnten gewerbliche Masseure, deren qualifizierte Leistungserbringung durch eine Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern nachgewiesen ist, auch ohne Aufschulung eine Tätigkeit als Heilmasseur ausüben. Mit der am 14. August 2003 kundgemachten Novelle BGBl I Nr. 66/2003 wurde im § 84 Abs 7 MMHmG nach der Wortfolge "Leistungserbringung durch" das Wort "direkte" eingefügt. Demnach kam es nunmehr auf eine direkte Abrechnung mit den Krankenversicherungsträgern an.

 

Im Bericht des Gesundheitsausschusses über den Initiativantrag 105/A (vgl AB 103 BlgNR 22.GP, 23) wird auf die Begründung eines einstimmig angenommenen Abänderungsantrags der Abgeordneten Dr. E R und B R wie folgt hingewiesen:

 

"Nach vorliegenden Informationen wird der geltende § 84 Abs. 7 MMHmG auch so verstanden, dass gewerbliche Masseure, die im Kostenerstattungssystem ihre Leistungen erbrachten, von dieser Übergangsbestimmung erfasst sind. Dies ist aus Qualitätsgründen abzulehnen. Solche Leistungen wurden nur in Einzelfällen erbracht und nicht wie bei gewerblichen Masseuren, die direkt auf Grund eines Vertrages abgerechnet haben, in einer Größenordnung, die den Entfall einer umfassenden Aufschulung rechtfertigt."

 

Der Verfassungsgerichtshof hat im Gesetzesprüfungsverfahren mit Erkenntnis vom 30. September 2004, Zlen. G 21/04 ua., die Wortfolge "durch direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern" in § 84 Abs 7 MMHmG aufgehoben und gleichzeitig ausgesprochen, dass die aufgehobene Gesetzesstelle nicht mehr anzuwenden ist. Nach diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs können gewerbliche Masseure, deren qualifizierte Leistungserbringung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des MMHmG (1. April 2003) – in anderer, inhaltlich adäquater Form nachgewiesen ist, gemäß § 84 Abs 7 MMHmG i.d.F. BGBl I Nr. 141/2004 (= Kundmachung der Aufhebung einer Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof), auch ohne „verkürzte“ Aufschulung eine Tätigkeit als Heilmasseur ausüben.

 

Die nach Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes noch verbleibende, bereinigte Fassung des § 84 Abs 7 MMHmG lautet wie folgt:

 

            (7) Gewerbliche Masseure, deren qualifizierte Leistungserbringung zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes nachgewiesen ist, können auch ohne Aufschulung eine Tätigkeit als Heilmasseur ausüben.

 

4.3. In der Folge hatte die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen mittels Erlasses vom 9. März 2005, Zl. BMGF-92266/0049-I/B/6/2004, festgestellt, dass als Voraussetzung für eine Anwendung des § 84 Abs. 7 MMHmG zunächst die Absätze 1 und 2 des § 84 MMHmG erfüllt sein müssen. Eine "qualifizierte Leistungserbringung" sei seitens der Behörden in jedem Einzelfall durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu überprüfen, wobei die Kosten dafür von den Genehmigungswerbern zu tragen seien.

 

Mit Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. V 105/05-7, hat der Verfassungsgerichthof wesentliche Teile des zitierten Erlasses als Verordnung eingestuft und mangels Kundmachung im BGBl II als gesetzwidrig aufgehoben.

 

Im weiteren Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. B 561/05-11, führte der Verfassungsgerichtshof zur Rechtslage im Zusammenhang mit der Frage der "qualifizierten Leistungserbringung"  auf Seiten 10 f seines Erkenntnisses aus:

 

            "a) Der Verfassungsgerichtshof hat schon im ersten Rechtsgang ausgeführt, dass der vorgeschriebene Qualifikationsnachweis gemäß § 84 Abs. 7 MMHmG als erbracht anzusehen ist, wenn die Anforderungen des § 84 Abs. 1 oder Abs. 2 MMHmG erfüllt sind und eine - die in Abs. 3 vorgesehene 'Aufschulung' entbehrlich machende - 'qualifizierte Leistungserbringung' im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes nachgewiesen ist (vgl. VfGH 6. Oktober 2004, B 1551/03), wobei die Beurteilung einer 'qualifizierten Leistungserbringung' 'anhand der dem Gesetz (allenfalls auch unter Heranziehung von Gesetzesmaterialien) zu entnehmenden Wertungen' zu erfolgen hat (vgl. VfGH 30. September 2004, G 21/04 ua.).

 

            b) Die Bestimmung des § 84 Abs. 7 MMHmG erlaubt demnach nur jenen gewerblichen Masseuren - bei Vorliegen einer 'qualifizierten Leistungserbringung' -, eine Tätigkeit als Heilmasseur auch ohne Aufschulung auszuüben, welche die Befähigung zur Ausübung des Gewerbes der Massage auf Grund einer Befähigungsprüfung nachgewiesen haben (oder diese Prüfung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2007 erfolgreich ablegen) und das Gewerbe der Massage bis zum Inkrafttreten des MMHmG am 1. April 2003 durch mindestens sechs Jahre hindurch tatsächlich und rechtmäßig selbständig ausgeübt haben.

 

            c) Bei der Feststellung, ob eine 'qualifizierte Leistungserbringung' vorlag, hatte die Behörde daher im Hinblick auf das im MMHmG umschriebene Berufsbild des Heilmasseurs zu prüfen, ob der gewerbliche Masseur - auf Grund der Befähigungsprüfung und einer entsprechend langen einschlägigen Tätigkeit - im Zeitpunkt des Inkrafttretens des MMHmG über eine solche fachliche Befähigung verfügte, um die entsprechenden Leistungen nach ärztlicher Anordnung eigenverantwortlich auszuüben (vgl § 29 MMHmG).

 

            d) Davon, dass die Kenntnis aller (und im besonderen auch der theoretischen) Lehrinhalte der Ausbildungsverordnung - noch dazu in genau jener Form und jenem Umfang, wie sie in dieser Verordnung vorgesehen sind - nachgewiesen werden müsste (bzw. der Qualifikationsnachweis diesen Lehrinhalten 'adäquat' zu sein hätte), wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid annimmt, kann keinesfalls die Rede sein. Eine solche Auffassung würde die Übergangsbestimmung des § 84 Abs. 7 MMHmG ihres Anwendungsbereiches gänzlich berauben und stünde in diametralem Widerspruch zu dem mit dem MMHmG verfolgten Ziel der 'Durchlässigkeit zwischen den neuen Gesundheitsberufen 'medizinischer Masseur'/'medizinische Masseurin' sowie 'Heilmasseur'/'Heilmasseurin' und den gewerblichen Masseuren und Masseurinnen' (1140 BlgNR XXI. GP, 38)."

 

Aus den zitierten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes geht klar die Auffassung hervor, dass § 84 Abs 7 MMHmG nur den gewerblichen Masseuren die Ausübung der Tätigkeit als Heilmasseur ohne weitere Ausbildung eröffnet, die nach den Bestimmungen des § 84 Abs 1 und 2 MMHmG an sich berechtigt wären, eine Aufschulung gemäß § 84 MMHmG zu absolvieren. Zur Frage der qualifizierten Leistungserbringung hat der Verfassungsgerichtshof die oben zitierten Klarstellungen (vgl lit c und d) getroffen.

 

Auch wenn im gegenständlichen Fall die vorgelegten Zeugnisse und Urkunden über Lehrgänge und Kurse betreffend verschiedene Massagetechniken und das Seminar "Point-Press-Therapie" in Verbindung mit der heute überholten Berufsberechtigung "Heilbademeister und Heilmasseur" gemäß MTF-SHD-G (BGBl Nr. 102/1961), die nunmehr zur Ausübung des Berufs "Medizinischer Masseur" (§ 80 Abs 1 MMHmG) sowie zur Ausübung der  Spezialqualifikation der Hydro- und Balneotherapie und zur Führung der Zusatzbezeichnung "medizinischer Bademeister" (§ 80 Abs 2 MMHmG) berechtigen, eine gewisse einschlägige fachliche Tätigkeit zu belegen scheinen, steht ungeachtet dessen fest, dass die Bwin erst seit 1. Oktober 1999 das Gewerbe der Massage angemeldet hat und deshalb am 1. April 2003 dieses Gewerbe noch nicht tatsächlich und rechtmäßig selbständig über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren ausgeübt haben konnte. Damit hat die Bwin am 1. April 2003 (Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des MMHmG) die Voraussetzungen des § 84 Abs 1 oder Abs 2 MMHmG nicht erfüllt und hätte die Ausbildung nach §§ 50 ff MMHmG absolvieren müssen, wobei sie sich allenfalls nach § 55 leg.cit. bestimmte Prüfungen anrechnen hätte lassen können.

 

4.4. Dennoch ist die Berufung aus den im Folgenden noch darzulegenden Gründen im Ergebnis im Recht.

 

Gemäß § 47 Abs 1 MMHmG hat die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde die Berechtigung zur Berufsausübung als medizinischer Masseur und Heilmasseur zu entziehen, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen gemäß § 36 bereits anfänglich nicht gegeben waren oder weggefallen sind.

 

§ 36 MMHmG mit Überschrift "Berufsberechtigung – Heilmasseur" lautet:

 

§ 36. Zur Ausübung des Berufs des Heilmasseurs sind Personen berechtigt, die

1.      eigenberechtigt sind,

2.      die für die Erfüllung der Berufspflichten erforderliche körperliche und geistige Eignung (§ 8 Abs. 3 und 4) und Vertrauenswürdigkeit (§ 8 Abs. 5) besitzen,

3.      über die für die Berufsausübung erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen und entweder

4.      einen Qualifikationsnachweis (§§ 38, 39 und 41) erbringen oder

5.      zur Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes berechtigt sind.

 

§ 38 MMHmG bestimmt für den "Qualifikationsnachweis – Heilmasseur – Inland", dass als Qualifikationsnachweis gemäß § 36 Z 4 ein Zeugnis gemäß § 54 Abs 2 MMHmG gilt. § 39 MMHmG enthält Regelungen für den "Qualifikationsnachweis – Heilmasseur – EWR" und § 41 leg.cit. betrifft Bestimmungen für außerhalb des EWR absolvierte Ausbildungen und die Gleichwertigkeit des Qualifikationsnachweises.

 

Die belangte Behörde hat sich für den Entzug auf § 36 Z 4 iVm § 47 Abs 1 MMHmG als Rechtsgrundlage gestützt und damit zum Ausdruck gebracht, dass der dort geregelte Qualifikationsnachweis von der Bwin schon anfänglich nicht erbracht wurde.

 

Dieser Ansicht kann das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats bei verfassungskonformer Auslegung nicht beipflichten. Die belangte Behörde übersieht bei ihrer Argumentation, dass § 47 Abs 1 iVm § 36 Z 4 MMHmG mit keinem Wort auf die "qualifizierte Leistungserbringung" nach § 84 Abs 7 leg.cit. abstellt. Als Bedingung für eine Entziehung der Berufsberechtigung wird nur angeführt, dass die Voraussetzungen des § 36 anfänglich nicht gegeben oder (nachträglich) weggefallen sein müssen. Die Bestimmung des § 36 Z 4 MMHmG betrifft aber den Qualifikationsnachweis für einen Heilmasseur im Normalfall (Abschlussprüfungszeugnis Heilmasseur/Heilmasseurin oder vergleichbare Befähigung innerhalb oder außerhalb des EWR-Raums) und nicht die Ausnahme davon für gewerbliche Masseure nach der Übergangsbestimmung des § 84 Abs 7 MMHmG.

 

Hinsichtlich des von der belangten Behörde befürworteten Entzugs der Berufsberechtigung wegen anfänglichem Nichtvorliegens der "qualifizierten Leistungserbringung" iSd § 84 Abs 7 leg.cit müsste man eine gesetzliche Regelungslücke annehmen und über den Wortlaut des Entzugstatbestands nach § 47 Abs 1 iVm § 36 Z 4 MMHmG hinausgehend eine Analogie bemühen. Eine solche Vorgangsweise gerät allerdings mit dem Gesetzesvorbehalt im Art 6 StGG des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Erwerbstätigkeit in Konflikt. Grundsätzlich verlangt Art 18 Abs 1 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad (sog. differenziertes Legalitätsprinzip). In der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs wird für sog "eingriffsnahe Gesetze", die nicht zufällig und ausnahmsweise, sondern in der Regel in Grundrechte eingreifen, eine besonders genaue Determinierung verlangt (vgl Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 [2000] Rz 570; Mayer, Kurzkommentar zum B-VG3 Art 18 B-VG Anm II.4. jeweils m Nachw). Nach diesem verfassungsrechtlichen Ansatz verbietet sich demnach von vornherein eine ausdehnende Auslegung oder Analogie zur Begründung von Grundrechtseingriffen.

 

5. Die belangte Behörde hätte ihre Bedenken gegen die "qualifizierte Leistungserbringung" der Bwin durch rechtzeitige Erlassung eines Untersagungsbescheids gemäß § 46 Abs 2 MMHmG zum Ausdruck bringen müssen. Im Fall der Nichtuntersagung war die freiberufliche Berufsausübung in den Berufsausweis einzutragen (§ 46 Abs 2 letzter Satz) und damit von einer erworbenen Berufsberechtigung der Bwin als Heilmasseurin auszugehen. Bei grundrechtskonformer Auslegung kann im § 47 Abs 1 iVm § 36 Z 4 MMHmG keine Rechtsgrundlage für die nachträgliche Entziehung der im Wege des § 84 Abs 7 MMHmG erworbenen Berufsberechtigung wegen der fehlenden Voraussetzung der "qualifizierten Leistungserbringung" iSd § 84 Abs 7 leg.cit. gesehen werden.

 

Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die eingebrachte Berufung von 13 Euro (§ 14 TP 6 Abs 1 GebG) und für die Vollmacht vom 24.04.2006 (Beilage A) von weiteren 13 Euro (§ 14 TP 13 Abs 1 GebG), insgesamt daher von 26 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Dr.  W e i ß

 

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