Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420134/51/Gf/Ga

Linz, 29.12.2006

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerde der K und des G, beide K, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. G u.a., wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehörd­licher Befehls- und Zwangsgewalt zu Recht erkannt: durch Organe der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 8. April 1997 zu Recht erkannt:

 

I.                Die Anhaltung der Beschwerdeführer in deren Haus am 8. April 1997 von 9.30 Uhr bis 14.45 Uhr wird als rechtswidrig festgestellt.

 

II.              Der Bund (Verfahrenspartei: Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich) hat den Beschwerdeführern nach Kosten in Höhe von 636,11 Euro zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit ihrem am 25. April 1997 übermittelten Schriftsatz vom 9. April 1997 haben u.a. die Beschwerdeführer beim Oö. Verwaltungssenat eine auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 2 Z. 1 AVG gestützte Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 8. April 1997 erhoben.

1.2. Mit dem h. Beschluss vom 17. Juli 1997, Zlen. VwSen-420134/16/Gf/Km bis 420139/15/Gf/Km, wurden u.a. die auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Beschwerden mangels eines tauglichen Anfechtungs­gegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

1.3. Den gegen diesen Zurückweisungsbeschluss erhobenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Jänner 2003 (!), Zl. 98/01/0121-7, im Umfang der Anfechtung − nämlich: "Festhaltung" der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers im Haus in Linz bzw. "Abnahme des Handtelefons und Telefonierverbot" hinsichtlich einer Drittbeschwerdeführerin während der Hausdurchsuchung in Vöcklabruck − stattgegeben und diesen Beschluss insoweit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Sachverhaltsfeststellungen insofern einer Ergänzung bedürfen, ob auch die Unterbindung des Fernsprechverkehrs und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Beschwerdeführer von der Ermächtigung zur richterlichen Hausdurchsuchung i.S. einer diese unterstützenden, "notwendigen" Hilfsmaßnahme gedeckt waren.

1.4.1. Unter Bindung an diese Rechtsansicht (vgl. § 63 Abs. 1 VwGG) hat der Oö. Verwaltungssenat daher am 27. Mai 2003 eine ergänzende öffentliche Verhandlung durchgeführt.

1.4.2. Im Zuge dieser ergänzenden Beweisaufnahme sowie in Verbindung mit den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 1997 (vgl. das diesbezügliche h. Verhandlungsprotokoll, Zl. VwSen-420134/17/Gf/Km) wurde mit Blick auf den Beschwerdegegenstand folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich wurde vom Landesgericht Wels im Wege eines richterlichen Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehles (zu Zlen. 7 Vr 1023/96 u. 7 Ur 154/96 des LG Wels bzw. P 57/96-33-Wak des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich - LGK ) damit beauftragt, am 8. April 1997 im Rahmen einer "konzertierten Aktion" gleichzeitig an insgesamt acht verschiedenen Orten jeweils Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen gegen mehrere, des schweren gewerbsmäßigen Betruges, der Untreue, der verbotenen kriminellen Organisation und des verbotenen Glückspiels verdächtige Personen - darunter auch die Rechtsmittelwerber - durchzuführen. Die Exekutivbeamten des LGK wurden mit entsprechend gleich lautenden schriftlichen Hausdurchsuchungsbefehlen (insgesamt etwa 12) ausgestattet, die sie u.a. auch gegenüber der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer anlässlich der Hausdurchsuchung unter der Adresse K in Linz vorgewiesen haben. Hingegen wurde bezüglich der Drittbeschwerdeführerin ein Hausdurch­suchungs­befehl offenkundig erst nach telefonischer Rücksprache mit dem Untersuchungs­richter erlassen, weil sich erst im Zuge der Hausdurchsuchung selbst entsprechende Verdachtsmomente auch gegen die von dieser Person unter der Adresse R in Vöcklabruck benützten Gegenstände und Räumlichkeiten ergeben hatten.

Schon in den schriftlichen Hausdurchsuchungsbefehlen war u.a. ausdrücklich angeordnet, dass "sämtliche ..... Geschäftsbehelfe (u.a. Handy), die als Beweis dienlich sein könnten", zu beschlagnahmen sind. Weiters wurde festgelegt, dass die "Durchsuchung ..... zeitlich abzustimmen und von zumindest zwei Beamten pro Untersuchungsort durchzuführen" und dass, "um die Untersuchung nicht zu gefährden, ..... von einer Verständigung der Verdächtigen bzw. der jeweiligen Betriebsstätten unbedingt abzusehen" ist.

Nach Aussage des Untersuchungsrichters in der öffentlichen Verhandlung geben derartige Hausdurchsuchungsbefehle infolge des Umstandes, dass nicht jeweils sämtliche Eventualitäten ex ante vorhersehbar sind, stets nur einen grundsätzlichen, nicht näher detaillierten Handlungsrahmen für die Exekutiv­beamten vor, innerhalb dessen sie dann auf Grund ihrer Erfahrung die erforderlichen Entscheidungen selbst zu treffen haben. Dabei müssen die Interessen an der möglichst effektiven Durchsetzung des Befehls gegenüber einer möglichsten Schonung der subjektiven Rechte der davon betroffenen Personen abgewogen werden.

Im konkreten Fall deckten sowohl der schriftliche als auch der um 10.10 Uhr gegenüber der Drittbeschwerdeführerin mündlich erlassene Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl (vgl. das Protokoll über die Hausdurchsuchung des LG Wels vom 8. April 1997, Zlen. 7 Vr 1023/96 u. 7 Ur 154/96, ONr. 18, S. 3, dritter Absatz) die Abnahme von Handys, das Telefonier- und Verständigungsverbot und die Anordnung, sich nicht vom Ort der Durchsuchung zu entfernen bzw. dieser beizuwohnen. Dies deshalb, um ein Beiseiteschaffen von Beweisstücken und - wegen Verdunkelungsgefahr - eine Verständigung der Verdächtigen untereinander wirksam hintan zu halten, um gespeicherte Daten auszuwerten und um zu verhindern, dass durch die allfällige Eingabe von Zifferncodes die Firmencomputer unbenützbar gemacht werden o.ä.. Dass darauf im mündlichen Durchsuchungsbefehl nicht mehr konkret eingegangen wurde, erklärt sich daraus, dass Exekutivbeamte diesbezüglich grundsätzlich keine detaillierten Handlungsanweisungen benötigen und dieser - für jedermann ersichtlich - als Einheit mit den schriftlichen Durchsuchungsbefehlen anzusehen war.

In Ausführung des Hausdurchsuchungsbefehles wurden daher die Handys der Beschwerdeführer beschlagnahmt (und nach erfolgter Datenauswertung diesen wieder zurückgegeben), über diese für die Dauer der Hausdurchsuchung ein Telefonierverbot verhängt und angeordnet, dass sie in diesem Zeitraum den Ort der Hausdurchsuchung nicht verlassen dürfen. Innerhalb der Durchsuchungsobjekte durften sich die Beschwerdeführer hingegen frei bewegen, insbesondere in jenen Räumen, die jeweils bereits durchsucht waren. Im Übrigen haben diese gegenüber den einschreitenden Beamten auch gar nicht begehrt, - allenfalls einem Rechtsvertreter - telefonieren oder das Haus verlassen zu wollen.

1.4.3. Davon ausgehend hat der Oö. Verwaltungssenat die Beschwerden der Rechtsmittelwerber neuerlich, nämlich mit Beschluss vom 28. Mai 2003, Zlen. VwSen-420134/35/Gf/Pe u.a., mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass Hausdurchsuchungen − und damit einhergehende Beschlagnahmen − zum Zweck der Strafgerichtspflege nach Art. 8 StGG i.V.m. § 1 und § 5 des Gesetzes zum Schutze des Hausrechtes, RGBl.Nr. 88/1862, kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehls nach den Vorschriften der Strafprozessordnung vorzunehmen sind.

Gemäß § 143 i.V.m. § 98 StPO sind jene Gegenstände, die im Zuge einer Hausdurchsuchung gefunden werden und für die Untersuchung von Bedeutung sein können, in gerichtliche Verwahrung oder in Beschlag zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall sei allseits unbestritten, dass mit schriftlichem richterlichen Befehl die Durchsuchung der Räumlichkeiten der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers angeordnet wurde. Hinsichtlich einer Drittbe­schwerde­führerin sei vor Beginn der Durchsuchung und Beschlagnahme ein entsprechender richterlicher Befehl über Antrag des Staatsanwaltes mündlich erteilt worden. Darüber hinaus sei in diesen Befehlen u.a. die Beschlagnahme von Handys, ein Telefonierverbot sowie verfügt worden, dass die Beschwerdeführer jeweils der Durchsuchung bis zu ihrem Abschluss beizuwohnen haben.

Da es sich um eine sog. "konzertierte Aktion" gehandelt habe, bei der es primär darum gegangen sei, ein Beiseiteschaffen von Beweisstücken (insbes. schriftliche Unterlagen) und eine Verständigung der mehreren Verdächtigen untereinander zu verhindern, und richterliche Durchsuchungsbefehle grundsätzlich keine - etwa dem Verständnis des Legalitätsprinzips i.S.d. Art. 18 Abs. 1 B-VG entsprechend - detaillierten Handlungsanweisungen für die Exekutivorgane, sondern nur generelle Ermächtigungen enthalten, die es ermöglichen sollen, auf neue oder sich ändernde Umstände möglichst flexibel reagieren zu können, seien die Abnahme der Handys, das Telefonierverbot und die Anordnung, der Durchsuchung bis zu ihrem Abschluss beizuwohnen, hier dem Vollzugsbereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuzuordnen gewesen.

Denn dafür, dass die Exekutivbeamten diese Maßnahmen ihres primären Zweckes entfremdet - z.B. überschießend, schikanös, die Menschenwürde missachtend, o.ä. - und in diesem Sinne ohne jegliche rechtliche Grundlage eingesetzt hätten, hätten sich im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte ergeben, im Gegenteil: Die Abnahme der Handys sei in erster Linie zu dem Zweck erfolgt, um die darauf gespeicherten Daten auszuwerten; im Anschluss daran seien diese - der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer jedenfalls noch während der Durchsuchung selbst - wieder zurückgegeben worden. Darüber hinaus sei der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer dann auch gestattet worden, wieder Anrufe entgegen zu nehmen und lediglich untersagt worden, dabei auf die stattfindende Durchsuchung hinzuweisen. Der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer sei es zudem auch ausdrücklich erlaubt gewesen, sich im Haus frei zu bewegen sowie sämtliche Räume wieder ungehindert zu benützen, nachdem diese durchsucht worden waren. Für die von ihnen aufgestellte Behauptung, dass diese sieben Stunden lang beim Esstisch hätten sitzen bleiben mussten, hätten hingegen keinerlei Hinweise gefunden werden können, wohl aber dafür, dass diese vom Bruder des Zweitbeschwerdeführers mit Essen versorgt worden seien. Auch die Drittbeschwerdeführerin habe sich im Büro ihres Unternehmens frei bewegen und insbesondere die von ihr als erforderlich erachteten Kopien anfertigen können. Im Übrigen habe nach den insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen während der Dauer der Durchsuchung auch keiner der Beschwerdeführer begehrt, ein Telefongespräch führen oder den Ort der Durchsuchung verlassen zu wollen.

Es habe daher insgesamt betrachtet nicht davon die Rede sein können, dass es sich bei der Abnahme der Handys, der Verhängung des Telefonierverbotes und der Anordnung, den Ort der Durchsuchung nicht verlassen zu dürfen, um zweckentfremdete und solcherart originär (eigenständig) der Exekutive zurechenbare Maßnahmen gehandelt hätte. Vielmehr seien diese in vollem Umfang als notwendige Hilfsmaßnahmen zur Hausdurchsuchung von entsprechenden richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehlen gedeckt gewesen.

Davon ausgehend seien daher im vorliegenden Fall die Beschwerdevor­aus­setzungen des Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG schon insoweit nicht erfüllt gewesen, als sich das Vorgehen der Exekutivorgane als ein der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuzurechnender Akt dargestellt, also keine verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt verkörpert habe.

Allfällige Rechtswidrigkeiten seien daher mit den Mitteln des gerichtlichen Rechtsschutzes geltend zu machen gewesen.

Demgegenüber sei dem Oö. Verwaltungssenat aus den dargestellten Gründen eine inhaltliche Kontrolle verwehrt; die gegenständlichen Beschwerden seien sohin mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

1.5. Der Verwaltungsgerichtshof hat der dagegen erhobenen Beschwerde der Rechtsmittelwerber mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2006, Zl. 2003/01/0380, (ho. eingegangen am 22. Dezember 2006) stattgegeben und den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Beschwerdeführer dahin, dass diese sieben Stunden das Haus nicht verlassen durften, nicht als eine notwendige Hilfsmaßnahme zur Hausdurchsuchung, sondern als ein selbständiger Eingriff in deren Rechtssphäre, nämlich als eine Verhaftung zu deuten ist, die nicht mehr durch den Hausdurchsuchungsbefehl oder gar durch § 142 Abs. 2 StPO gedeckt war.

2. Davon ausgehend hatte der Oö. Verwaltungssenat daher unter Bindung an die im genannten sowie im Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, Zl. 98/01/0121, geäußerte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. § 63 Abs. 1 VwGG)  die Anhaltung der Beschwerdeführer in deren Haus am 8. April 1997 von 9.30 Uhr bis 14.45 Uhr gemäß § 67c Abs. 3 AVG als rechtswidrig festzustellen.

 

3. Bei diesem Verfahrensergebnis waren den Beschwerdeführern nach § 79a AVG antragsgemäß Kosten in Höhe von 8.753,33 S (= 636,11 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde  an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

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