Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106366/2/BR

Linz, 01.06.1999

VwSen-106366/2/BR Linz, am 1. Juni 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch Dr. Bleier über die Berufung des Herrn E gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. April 1999, Zl. VerkR96-12490-1998/MR, zu Recht:

I. Der Berufung wird in den Punkten 1.) und 2.) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Im Punkt 3.) wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Geldstrafe auf 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden ermäßigt wird. Der Schuldspruch wird in diesem Punkt jedoch bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG iVm § 19 Abs.1 und 2, § 24, § 45 Abs.1 Z1, und § 51e Abs.2 Z1 und Abs.3 Z3 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch, BGBl.Nr. 158/1998 - VStG;

II. Im Punkt 1.) und 2.) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge; im Punkt 3.) ermäßigen sich die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf 100 S. Für das Berufungsverfahren entfällt auch hier ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§§ 64, § 65 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis in dessen Punkt 1), 2) und 3) über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 14 Abs.3, § 4 Abs.1 lit.c und § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.a, § 99 Abs.2 lit.a und § 99 Abs.3 lit.b StVO eine Geldstrafe von 1) 1.000 S, 2) 3.000 S und 3) 2.000 S und für den Nichteinbringungsfall zwei, vier und drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und folgende Tatvorwürfe wider ihn erhoben:

"Sie haben am 18.08.1998 gegen 04.00 Uhr in H vor dem Wohnblock Nr. von Linz kommend den PKW Kz. gelenkt, wobei Sie

1) sich beim Rückwärtsfahren nicht von einer geeigneten Person haben einweisen lassen, obwohl es die Verkehrssicherheit erfordert hätte, weil Sie gegen das vorschriftsmäßig am Fahrbahnrand abgestellte Motorrad Kz. stießen,

2) es unterlassen haben nach einem Verkehrsunfall, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil Sie unmittelbar nach dem Verkehrsunfall den Unfallsort verlassen haben und somit Ihre Fahrtauglichkeit nicht festgestellt werden konnte,

3) es unterlassen haben nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben ist, ......"

Im Punkt 4.) wurde dem Berufungswerber ferner das Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zur Last gelegt. Darüber ist in einem gesonderten Verfahren (VwSen - 106367) durch die zuständige Kammer in einem gesonderten Bescheid abzusprechen.

2. Die Erstbehörde hielt es gemäß dem Gesetzeswortlaut in der gegenständlichen Situation für erforderlich, sich für das Zurückschieben seines Fahrzeuges eines Einweisers zu bedienen. Ebenfalls erblickte die Erstbehörde nach dem Umstoßen des Motorrades die Notwendigkeit einer amtlichen Tatbestandsaufnahme und zu diesem Zweck an der Sachverhaltsfeststellung im Sinne des § 4 Abs.1 lit.c StVO mitzuwirken und an der Unfallsstelle bis zum Eintreffen der Gendarmerie zu verharren. Gleichzeitig erblickte die Erstbehörde auch einen Verstoß nach § 4 Abs.5 StVO indem nicht einmal Anstalten gemacht wurden die Gendarmerie ohne unnötigen Aufschub von diesem Vorfall zu verständigen, was auch telefonisch möglich gewesen wäre.

Bei der Strafzumessung wurde von einem Monatseinkommen des Berufungswerbers in der Höhe von 13.000 S, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Hinsichtlich der Strafzumessung wertete die Erstbehörde die bereits einschlägige Vormerkung wegen Alkoholisierung als straferschwerend. Mildernd wertete sie keinen Umstand. Auf die rechtskundig vorgetragene Verantwortung des Berufungswerbers wurde nicht eingegangen.

2.1. In der dagegen durch seine ag. Rechtsvertreterin fristgerecht erhobenen Berufung bestreitet der Berufungswerber im Ergebnis die ihm in den hier verfahrensgegenständlichen zur Last gelegten Übertretungen mit rechtlichen Überlegungen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt.

3.1. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung konnte hier unterbleiben (§ 51e Abs.2 Z1 zweiter Fall und Abs.3 Z3 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Unbestritten ist hier, daß der Berufungswerber am 18. August 1998 gegen 04.00 Uhr im Zuge des Einparkens vor dem Wohnblock Nr. in H ein am Fahrbahnrand abgestelltes Motorrad umstieß. Gemeinsam mit dem als Beifahrer im Fahrzeug befindlichen C wurde folglich das Motorrad wieder aufgestellt. Hinsichtlich eines dabei am Motorrad entstandenen Schadens wurde offenbar nicht Nachschau gehalten. Von einer dritten Person - etwa vom Besitzer des Motorrades - wurde hier die Aufnahme dieses Sachverhaltes durch die Gendarmerie nicht verlangt. Aber auch ein gegenseitiger Nachweis der Identität mit dem Geschädigten konnte hier unbestritten nicht erfolgen. In der angeblichen und durchaus logisch nachvollziehbaren Absicht, den offenbar im Haus wohnenden Motorradbesitzer selbst am nächsten Tag auszuforschen und eine Schadensregulierung vorzunehmen, unterblieb die umgehende Meldung dieses Verkehrsunfalles. Vor 08.00 Uhr früh erlangte über eine diesbezügliche Anzeige die Gendarmerie von diesem Vorfall Kenntnis, was zur gegenständlichen Anzeige nach dem Einschreiten eines Gendarmeriebeamten in der Wohnung des H gegen den Berufungswerbers führte.

5. Der § 14 StVO Abs.3 besagt, daß, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, sich der Lenker beim Rückwärtsfahren von einer geeigneten Person einweisen lassen muß. Dabei darf wohl diese Bestimmung nicht so wörtlich ausgelegt werden, daß immer dann wenn es zu einem Anstoß beim Zurückschieben kommt - aus welchem Grund auch immer - schon damit dieser Bestimmung zuwider gehandelt würde. Hier bedarf es bei logischer und sinnrichtiger Auslegung wohl einer ex-ante Betrachtung hinsichtlich der Beurteilung der "Verkehrssituation". Auf die alltäglichen Begebenheiten in der Verkehrspraxis reduziert, könnte im Nachhinein besehen gleichsam jeder Einparkvorgang einen Einweiser erfordern, welcher natürlich auch nicht einen Fahrfehler des Lenkers, oft im Zentimeterbereich, verhindern könnte.

Mit der von der Erstbehörde offenbar wörtlichen Auslegung dieser Bestimmung wurde die Rechtslage verkannt.

5.1. Nach § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen,

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder

Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltens mitzuwirken.

5.2. Der § 4 Abs.5 StVO 1960 lautet:

Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

5.2.1. Es bedarf wohl keiner weiteren Erörterung, daß durch das Umfallen eines Motorrades die Verursachung auch eines Sachschadens zumindest ernstlich für möglich gehalten werden muß. Bereits dies begründete einerseits die Nachschau- und auch die Meldepflicht. In diesem Punkt erweisen sich die Berufungsausführungen des Berufungswerbers als haltlos, indem er offenbar einen möglichen Schaden - welchen er eben erst am nächsten Tat festzustellen beabsichtigte - selbst nicht ausschloß. Diese Gesetzesbestimmung bezweckt insbesondere, daß dem Geschädigten unnötige Nachforschungen hinsichtlich des Schädigers erspart bleiben. Indem hier mangels einer solchen Meldung und in Verbindung mit einer Anzeige eines Dritten die Gendarmerie einschreiten mußte, impliziert hier bereits die Verletzung dieses Normzwecks.

Der Begriff "ohne unnötigen Aufschub" ist auf den Einzelfall bezogen zu beurteilen, wobei jedoch die Zeitdauer von vier Stunden keinesfalls als noch dieser Vorschrift entsprechend erachtet werden kann (vgl. VwGH 23.2.1990, 85/18/0185 mit weiteren Judikaturhinweisen). Mit dem letztgenannten Erkenntnis wurde bereits eine halbe Stunde als "unnötiger Aufschub" qualifiziert. Es kommt dabei nicht vordergründig auf die objektive Dauer bis zur Meldung, sondern die Nutzung der Zeit bis zur Meldung an (VwGH 24.2.1993, 92/02/0292). Der Zeitrahmen von vier Stunden hält dem Berufungswerber zu Gute, daß nach dem Eintreffen des Gendarmeriebeamten in der Wohnung des H die Meldemöglichkeit weggefallen war, diese aber in der Folge von ihm als wahrzunehmen beabsichtigt noch angenommen werden kann.

5.2.2. Die Erstbehörde irrt jedoch mit ihrer Rechtsansicht, wenn sie bei jedem Parkschaden gleichsam auch eine Beorderung der Gendarmerie zur Unfallaufnahme und sich eine daraus begreifende Mitwirkungspflicht des Schädigers ableitet (vgl. Messiner, StVO-Kommentar, S107 ff, E94 u.v.a).

Diese Verpflichtung reicht nur so weit, als dies zur Feststellung von Sachverhaltselementen, insbesondere zur Sicherung von Spuren oder sonstiger konkreter Beweismittel für die Aufklärung des Unfallgeschehens erforderlich ist (vgl. auch VwGH 27.10.1977, 2002/76, VwGH 13.3.1981, 02/2245/80 sowie VwGH 20.2.19910220,90/02/0152 mit Hinweis auf VwGH 15.5.1990, 89/02/0048, und 89/02/0164). Im Falle eines Parkschadens ist der Sachverhalt im Hinblick auf die Schadensabwicklung in aller Regel klar, sodaß für das Schutzziel des § 4 Abs.1 lit.c StVO kein Raum mehr bleibt. Im Ergebnis würde die Beurteilung der Erstbehörde die Bestimmung des § 4 Abs.5 StVO seines Inhaltes überhaupt entleeren, wenn man bedenkt, daß diese Meldepflicht auch an einen Boten delegierbar ist (Messiner, StVO-Kommentar, S128, E228 mit Judikaturhinweisen).

Hinzuweisen ist dabei auf die nach § 4 Abs. 5b iVm 5a StVO einzuhebende Gebühr von 500 S von jener Person, die die Organe der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von dem Unfall verständigt, obwohl dies im Sinne des Abs. 5 nicht nötig ist. Auch daraus wir erhellt, daß die Rechtsansicht der Erstbehörde über die Mitwirkungspflicht auch im Falle eines bloßen "Parkschadens" nur verfehlt sein kann.

Die von der Erstbehörde im Zuge der Aktenvorlage übermittelte Entscheidung des VwGH v. 29.6.1994, 92/03/0269 betrifft einen Fahrzeugkontakt im Gegenverkehr der die Anhalte-, Mitwirkungs- und Meldepflicht auslöste und somit mit dem hier vorliegenden bloßen Parkschaden nicht vergleichbar ist.

Die Punkte 1.) und 2.) waren daher mangels Erfüllung der zit. Tatbestände einzustellen.

6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Indem hier die Unterlassung der Meldepflicht ohne unnötigen Aufschub in den Morgenstunden erfolgte und mit der hier vier Stunden unterbliebenen Meldung die nachteiligen Folgen nur vom Zufall der bereits zwischenzeitig erfolgten Anzeige erblickt werden können, vermag mit einer Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S durchaus das Auslangen gefunden zu werden. Dem Berufungswerber kann mit dieser Säumigkeit (noch) nicht unterstellt werden, daß er diesen Verfall verschweigen hätte wollen. Allerdings ist dem Berufungswerber straferschwerend eine diesbezüglich einschlägige Vormerkung anzurechnen, so daß bei einem Monatseinkommen von 13.000 S dieses Ungehorsamsdelikt mit der nunmehr festgesetzten Geldstrafe angemessen geahndet scheint.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Parkschaden, Mitwirkungspflicht, Nachtrunk, Einweiser ex-ante

 

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