Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240595/9/Ste/CR

Linz, 26.01.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des W H als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H C GmbH, Filiale Wels, vertreten durch Dr. M M, Rechtsanwalt, L, L, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 27. Oktober 2006, GZ. 0020466/2006, wegen einer Übertretung des LMSVG – nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – zu Recht erkannt:

 

 

            Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird aufge­hoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Ver­waltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 27. Oktober 2007, AZ. 0020466/2006, wurde der Berufungswerber (in der Folge: Bw) ermahnt, weil als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen vertretungsbefugtes Organ des Firma H C GmbH mit dem Sitz in L, L, zu verantworten habe, dass von dieser in der Filiale  W, G, die Bestimmungen der VO (EG) 852/2004 im Umfang des Art. 4 Abs. 2 (Anhang II, Kap. IX Z 3) iVm. § 4 Abs. 1 LMSVG nicht ein­gehalten worden sei: Anlässlich einer Kontrolle durch die Lebensmittelaufsicht sei festgestellt worden, dass (1.) auf einem Tisch, dem so genannten Schokokarussell, Konfektwaren ohne ent­sprechenden Sputum(Hauch)schutz offen in Form von Selbst­bedienung feilgeboten würden. Der vorhanden Sputumschutz sei in einem zu großen Abstand zur angebotenen Ware angebracht und nicht ausreichend um einen geeigneten Schutz vor Kontamination zu gewährleisten; (1.; gemeint: 2.) bei ca. 90 Regalfächern für Schokoobst und Candy-Ware mit Entnahmeklappen sei es möglich die unverpackte Ware zu berühren und durch Husten und Sprechen mit Keimen zu kontaminieren. Es bestehe die Möglichkeit die angebotene Ware händisch zu entnehmen und wieder zurückzulegen. Es sei daher kein geeigneter Schutz Kontamination gewährleistet. Als verletzte Verwaltungsvorschriften werden die § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm. § 4 Abs. 1 LMSVG iVm. VO (EG) 852/2004 Art. 4 Abs. 2 (Anhang II, Kap. IX Z 3) genannt. Weiters wird unter Berufung auf § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt.

 

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass Ausgangspunkt des gegen­ständlichen Verfahrens eine Anzeige der Lebensmittelaufsicht des Landes Ober­österreich, Aufsichtsbezirk Wels, gewesen sei, in der der im Spruch des belangten Bescheides angeführte Sachverhalt mitgeteilt worden sei. Wegen der zitierten Verwaltungsübertretung sei über den Bw mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 14. September 2006 eine Geldstrafe in Höhe von 360 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 18 Stunden) verhängt worden. Dagegen habe der Bw fristgerecht Einspruch erhoben und diesen wie folgt begründet: Die Trüffeltheke sei in gleicher Ausführung bei 220 Geschäften in Deutschland im Einsatz und nie beanstandet worden. Außerdem sei ein ausreichender Schutz vor Kontamination gegeben. Hinsichtlich der Regalfächer seien diese immer zu schließen und diesbe­züglich sei auch das Personal instruiert. Dies werde auch immer kontrolliert und es hätte noch nie Beanstandungen gegeben. Es werde daher ersucht von einer Strafe Abstand zu nehmen, da entsprechende Vorsorge getroffen worden sei um derartige Beanstandungen in Hinkunft zu vermeiden. Unter Darstellung der maßgeblichen Rechtslage führt die belangte Behörde weiters aus, dass der Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt sei.

 

Zur Schuldfrage sei auszuführen, dass das LMSVG keine eigene Regelung hin­sichtlich des Verschuldens vorsehe, weshalb § 5 VStG zur Anwendung komme, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge. Der Bw habe ein im vorliegenden Fall ein Ungehorsamsdelikt begangen und keinen Schuldent­lastungs­beweis erbringen können. Sein Vorbringen betreffend die Verwendung des Karussells in Geschäften in Deutschland und in weiterer Folge die Nichtbean­standung würde den Bw nicht von seiner Pflicht zur Einhaltung der Hygienebe­stimmungen in Österreich befreien. Weiters seien zum Zeitpunkt der Kontrolle die Regalbehälter nicht verschlossen gewesen sondern hätten teilweise offen gestanden. Nach Ansicht der belangten Behörde habe der Bw daher nicht die erforderlichen Maßnahmen gesetzt um die Einhaltung der Bestimmungen des LMSVG zu gewährleisten, wobei nicht relevant sei, dass das österreichische Lebens­mittelgesetz strengere Richtlinien vorsehe, da die EG-Verordnung lediglich einen Mindeststandard definiere, der national durch strengere Vorschriften geregelt werden könne. Die gegenständliche Verwaltungsübertretung sei daher auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit erweisen.

 

Die belangte Behörde erachtet das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs. 1 erster Satz VStG als gegeben, weshalb von der Verhängung einer Strafe abzusehen gewesen sei. Um dem Bw sein Fehlverhalten vor Augen zu führen und ihn in Zukunft von einem rechtswidrigen Verhalten abzuhalten, sei jedoch eine Ermahnung auszusprechen. Die belangte Behörde führt aus, dass sie diesbezüglich den glaubwürdigen Äußerungen des Bw betreffend die Setzung entsprechender Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Übertretungen vertraut habe.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 2. November 2006 durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende – rechtzeitige mit 13. November 2006 datierte (Datum des Poststempels: unleserlich) – Berufung. Darin wird beantragt, der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Ermahnungsbescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 27. Oktober 2006, GZ. 0020466/2006, dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren zur Gänze eingestellt und der Bw von der erfolgten Einstellung verständigt wird; oder, falls diesem Antrag nicht stattgegeben wird, der Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Ermahnungsbescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 27. Oktober 2006, GZ. 0020466/2006, in seinem angefochtenen Umfang zu beheben und die Verwaltungsstrafsache zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen wird.

 

Der Bw führt aus, dass der Bescheid in seinen Punkten I und II zur Gänze ange­fochten wird. „Betreffend der Strafhöhe (Ermahnung gemäß § 21 Verwaltungs­straf­gesetz) wird er nicht angefochten.“

 

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass im vorliegenden Verfahren grundsätzliche Rechtsfragen zu klären seien, die wegen ihrer Präjudizialität auf für andere Standorte einer Entscheidung dem Grund nach bedürfen würden, auch wenn sie die belangte Behörde im vorliegenden Fall mit einer bloßen Ermahnung begnügt habe.

 

Der Bw habe die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen. Voraus­zuschicken sei, dass die vorgeworfene Rechtsverletzung nach dem Maßstab der österreichischen Rechtsordnung zu unbestimmt sei um daraus einen verwaltungs­strafrechtlichen Vorwurf zu erheben. Weder § 21 LMSVG noch Anhang II Kapitel IX Z 3 der Verordnung (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene noch § 90 LMSVG seien ausreichend formulierte Verwaltungsstraftatbestände. Die Vorschriften würden unbestimmte Gesetzesbegriffe enthalten, die verwaltungsstrafrechtlich nicht zulässig seine.

 

§ 21 LMSVG schreibe die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften, deren Einhaltung durch Eigenkontrolle und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominimierung vor. § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG spreche von „unmittelbar anwendbaren Rechtsakten“ der Europäischen Gemeinschaft ohne diese explizit darzustellen. Anhang II Kapitel IX Z 3 der Verordnung (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene enthalte unbestimmte Begriffe des „Schutzes vor Kontaminationen“. Es würden auch keine anwendbaren Normen, wie bei derartigen Verkaufseinrichtungen vorzugehen ist, bestehen.

 

Nach Auffassung des Bw würden auch die Abdeckungen in der vorgeworfenen Form den einschlägigen Rechtsvorschriften entsprechen, seien sie doch nach dem allgemeinen Verbrauchverhalten geeignet Kontaminationen zu vermeiden.

 

Die belangte Behörde beziehe sich auch nicht auf eine bestimmte Vorschrift oder Norm sondern auf eine „Ansicht“ der Behörde. Dies sei aber keine Grundlage für eine Verwaltungsstrafe, da eine solche nur aufgrund der Verletzung einer ein­deutigen Norm, die für den Rechtsunterworfenen auch als eindeutige Norm erkennbar sein müsse, zulässig wäre.

 

Die Konstruktion des „Schokokarussells“ mit der rundumführenden Plexiglasab­deckung und deren Abstand von der Unterkante sei europaweiter Standard. Die belangte Behörde könne nicht darlegen, warum ausgerechnet im vorliegenden Fall andere Maßstäbe gesetzt werden sollen. Dies sei ein ausreichender Schutz der Lebensmittel gegen Kontamination. Würde man den Maßstab der belangten Behörde anlegen, würden überhaupt keine Lebensmittel zB in Obst- und Gemüseabteilungen von Verbrauchermärkten verkauft werden dürfen, die völlig frei zugänglich sind.

 

Es liege daher auch kein Verschulden des Bw vor.

 

Es sei insofern unzutreffend, dass Österreich strengere Vorschriften als das anwendbare Gemeinschaftsrecht aufweisen würde, weil auch die österreichischen Rechtsvorschriften nicht ausreichend bestimmt seien. Die Beschreibung des Tatbestandes gemäß Punkt I. sei mit keiner korrekt anwendbaren generell abstrakten Norm in Verbindung zu bringen.

 

 

2. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt zur Be­rufungsentscheidung vorgelegt. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie durch Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. Jänner 2007 im Beisein des Bw sowie seines rechtsfreundlichen Vertreters und des sachverständigen Zeugen Ing. R B; ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem ent­scheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma H C GmbH mit dem Sitz in  L, L. Die genannte Firma betreibt am Standort W, G, eine Filiale; dieses Geschäftslokal ist rund 55 groß.

 

In dieser Filiale sind ua. rund 90 durchsichtige Schüttboxen (sogenannte Candy­boxen) aufgestellt, in denen sich Süßigkeiten unterschiedlichster Art befinden. Diese Boxen, die gruppenweise aufeinander gestapelt sind, sind an der Vorderseite mit einem aufklappbaren Deckel versehen; in jeder dieser Boxen befindet sich eine kleine Schaufel, deren Stiel durch eine kleine Öffnung im Deckel herausragt. Diese Candyboxen befinden sich im Selbstbedienungsbereich des Geschäftslokals.

 

Im Abstand von etwa drei Metern zur Kassa befindet sich das sogenannte Schoko­karussell (Trüffeltheke). Dabei handelt es sich um eine achteckige Konstruktion, wobei der Tisch dieser Konstruktion etwa 70 cm hoch ist; rund um den Tisch befindet sich eine Plexi­glasumzäunung, die etwa 10 cm hoch ist. In der Mitte des Tisches befindet sich eine Säule (rund 40 cm hoch), an deren Spitze eine Plexiglashaube angebracht ist, die rund 10 cm über den Tisch hinausragt. Dieses Schokokarussell ist eher dem Bedienungsbereich zuzuordnen, allerdings ist dort auch Selbstbedienung möglich und zulässig; dazu befinden sich auf der Tischblatte kleine Zangen.

 

Bei Filialen in Wien hat das Magistrat Wien Schokokarussells wie das gegen­ständliche als den Hygienestandards entsprechend qualifiziert.

 

2.3. Zu Aufbau und Standort des Schokokarussells ist auf die vom Bw vorgelegten Fotos sowie auf die von ihm gemachte händische Skizze zu verweisen. Hinsichtlich der Candyboxen ist ebenfalls auf die im Akt erliegenden Fotos zu verweisen. Im Übrigen hat der Bw in der mündlichen Verhandlung die Gegebenheiten in der Filiale sowie die Ansicht des Magistrats Wien glaubhaft und gut nachvollziehbar dargestellt.

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Der Bw hat in seiner Berufung einerseits den Bescheid „zur Gänze“ in seinen Punkten I (Schokokarussell) und II (Candyboxen) angefochten und andererseits den Bescheid „hinsichtlich der Strafhöhe“ nicht angefochten. Dabei handelt es sich um einen deutlichen Widerspruch. Eine solche Trennung ist auch im Verwaltungsstraf­gesetz 1991 nicht vorgesehen; insbesondere dürfte der Bw dabei übersehen haben, dass für das von ihm verfolgte Ziel ohnehin das Verschlechterungsverbot Vorsorge trifft (vgl. § 51 Abs. 6 VStG). Dieser uU auch zur Zurückweisung führende Mangel wurde vorab telefonisch und auch in der mündlichen Verhandlung vom Bw dahin­gehend aufgeklärt wurde, dass der Bescheid zur Gänze angefochten wird.

 

3.2. Gemäß § 4 Abs. 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), BGBl. I Nr. 13/2006, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 136/2006, sind die in der Anlage genannten unmittelbar an­wendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft samt Änderungs­ver­ord­nungen und Durchführungs­vorschriften im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu voll­ziehen.

 

Punkt 1 des Teils 2 der Anlage (Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft gemäß § 4 Abs. 1) lautet: „Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004)“.

 

Gemäß § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatz­freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 oder § 15 zuwiderhandelt.

 

Anhang II Kapitel IX Z 3 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene lautet: „Lebensmittel sind auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.“

 

3.3. Wie aus der oben zitierten Richtlinie ersichtlich, sind Lebensmittel auf allen Stufen des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre. Es stellt sich daher im vorliegenden Fall die Frage, ob die Lebensmittel, die im Geschäft des Bw verkauft werden, so vertrieben werden, dass sie diesen Anforderungen entsprechen.

 

Bei der Beurteilung dieser Frage muss zwischen den Candyboxen und dem Schoko­karussell unterschieden werden:

 

3.3.1. Bei den so genannten Candyboxen handelt es sich um grundsätzlich ge­schlossene Behältnisse, die nur zur Entnahme der darin enthaltenen Lebensmittel geöffnet werden. Vorausgesetzt diese Behältnisse werden geschlossen gehalten, ist nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates die Gefahr einer Kontamination der Lebensmittel relativ gering. Einerseits ist in jeder der einzelnen Boxen eine kleine Schaufel, mit der die Lebensmittel entnommen werden können, andererseits ist durch die grundsätzliche Abgeschlossenheit der einzelnen Boxen ein Schutz vor einer Kontamination durch Anhusten, Anniesen oä. minimiert. Es ist zwar – wie auch vom sachverständigen Zeugen in der mündlichen Ver­handlung einge­wendet – durchaus möglich, dass ein Kunde in die Boxen hineingreift, doch ist zu berücksichtigen, dass dazu – anders als bei von vornherein gänzlich offen ange­botenen Waren – die Boxen geöffnet werden müssen, es also einer aktiven Handlung bedarf. Ein solches Verhalten eines Kunden kann aber durch auf­merksames und geschultes Personal hintangehalten werden; entscheidend ist dafür jedenfalls, dass das Personal darauf achtet, dass die Boxen immer geschlossen gehalten werden. Diesbezüglich hat aber der Bw glaubhaft vorgebracht, dass das Personal angewiesen ist, darauf zu achten.

 

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates ist daher bei den Candyboxen die Gefahr einer Kontamination der Lebensmittel minimal, weshalb diesbezüglich der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist und der Bescheid der belangten Behörde in diesem Umfang aufzuheben war.

 

3.3.2. Hinsichtlich des Schokokarussells stellt sich die Situation anders dar: Dabei handelt es sich um einen offenen Tisch, auf dem die Ware angeboten wird. Die angebrachten Plexiglasbarrieren befinden sich in einer Höhe, die nicht geeignet ist, die Kontamination der Lebensmittel wirksam zu verhindern. Einerseits ist durch die Höhe von rund 70 cm bzw. samt der Plexiglasumrandung von rund 80 cm nicht gewährleistet, dass in den Bereich des Tisches und somit auch der vollkommen offen angebotenen Lebensmittel hineingegriffen werden kann. Andererseits ist die ange­brachte Plexi­glashaube – sowohl nach den vorgelegten Fotos als auch nach einer Berechnung der einzelnen Höhen – nicht dazu geeignet, eine Kontamination der Lebensmittel, insbesondere durch Tröpfcheninfektion (Husten, Spucken) zu ver­meiden; dabei ist insbesondere auf den Abstand zwischen Tisch und Plexiglashaube sowie darauf zu verweisen, dass die Plexiglashaube nicht weit genug Richtung Tisch hinuntergezogen ist. Wie vom sachverständigen Zeugen glaubhaft geschildert und auch nach allgemeiner Lebenserfahrung nachvollziehbar, ist die Kontamination der­artiger Lebensmittel bei offener Präsentation wahrscheinlich. Die vom Bw ange­brachten Abdeckungen sind daher – vor allem auch unter Berücksichtigung eines im Lebensmittelbereich im öffentlichen Interesse geltenden besonders hohen Standards der Anforderungen – nicht geeignet Kontaminationen wirksam zu ver­meiden.

 

Um eine mögliche Kontamination hintanzuhalten, müsste die Präsentation und der Verkauf dieser Lebensmittel wohl entweder ausschließlich in Bedienung erfolgen oder das Schokokarussell müsste – wie etwa bei vielen Salatbars zu beobachten – mit einem wirksamen Spuckschutz ausgestattet werden, bei dem die Plexiglas­abdeckung in entsprechend niederer Höhe zum Tisch angebracht ist und einen entsprechenden Winkel aufweist.

 

Der objektive Tatbestand ist daher hinsichtlich des Schokokarussells erfüllt.

 

3.4. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes ist auf § 5 VStG zu verweisen, wonach, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes be­stimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwider­handeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und die Täterin nicht glaubhaft macht, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) kann die Unkenntnis eines Gesetzes nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemand die Verwaltungsvorschriften trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Von einem Gewerbetreibenden ist zu verlangen, dass er über die Rechtsvorschriften, die er bei der Ausübung seines Ge­werbes zu beachten hat, ausreichend orientiert ist; er ist verpflichtet sich über diese Vorschriften zu unterrichten (vgl. ua. VwGH vom 25. Jänner 2005, 2004/02/0293; vom 17. Dezember 1998, 96/09/0311).

 

Der Bw bringt vor, dass mangels eindeutiger Norm für ihn nicht erkennbar gewesen sei, dass die angebrachten Abdeckungen keinen ausreichenden Schutz vor Konta­mination darstellen. Wie der Bw selbst vorgebracht hat, war er sich des Hygiene­problems hinsichtlich des Schokokarussells grundsätzlich bewusst, hat doch sein Unternehmen bereits bei Filialen in Wien Nachbesserungen vornehmen müssen. In diesem Zusammenhang hat der Bw – wie er selbst in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert hat – zusammen mit dem Magistrat Wien ein Modell erarbeitet, wie das Schokokarussell aussehen muss, um den Hygienestandards zu ent­spre­chen. Das gegenständliche Schokokarussell entspricht bereits diesem vom Bw zusammen mit dem Magistrat Wien ausgearbeiteten Hygienestandard. Es ist auch dem Bw als Gewerbetreibenden wohl auch nicht zumutbar, sich bei jeder einzelnen Filiale nach der Auffassung der jeweils zuständigen Behörde hinsichtlich der Hygienemaßnahmen zu erkundigen; der Bw durfte im vorliegenden Fall vielmehr auf die Auskunft des Magistrates Wien vertrauen.

 

3.5. Es ist dem Bw daher gelungen, sich auf der subjektiven Tatseite zu entlasten. Vor diesem Hintergrund war der Berufung (auch) hinsichtlich des Schokokarussells daher gemäß § 24 VStG iVm. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, der angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 und 2 VStG einzu­stellen.

 

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat sieht sich allerdings noch zu dem Hinweis veranlasst, dass sich der Bw ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde, insbesondere auch in allenfalls weiteren gleichgelagerten Verfahren, nicht mehr mit Erfolg auf diesen oben dargestellten Entlastungsgrund stützen wird können, da er ab diesem Zeitpunkt begründete Zweifel an der vorher angenommenen Rechtsansicht haben musste und damit verbunden weitere Erkundigungen einzu­holen hatte.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Wolfgang Steiner

 

 

 

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