Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280807/20/Wim/Pe/Be

Linz, 18.12.2006

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn C S, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. M E, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 6.12.2004, Ge96-199-3-2004-Brot, wegen einer Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 7.11.2006 zu Recht erkannt:

 

I.               Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.             Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten­beiträge.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 44a, 45 und 51c VStG Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG jeweils in der geltenden Fassung.

zu II.: § 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber  (im Folgenden: Bw) der Verwaltungsübertretungen zu 1) gemäß § 28 Abs.1a Z4 AZG iVm Art.6 Abs.1 der EWG-Verordnung Nr. 3820/85 und zu 2) gemäß § 28 Abs.1a Z2 AZG iVm Art.8 Abs.1 der EWG-Verordnung Nr. 3820/85 sowie jeweils iVm dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs für schuldig erkannt und über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von je 1.200 Euro, falls diese uneinbringlich sind, Ersatz­freiheitsstrafen in der Dauer von je vier Tagen verhängt.

 

Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet 240 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

 

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

„Sie haben als verantwortlich Beauftragter der Firma T GmbH in G, B, und somit strafrechtlich Verantwortlicher Folgendes zu vertreten:

 

1) Der Arbeitnehmer, Herr H W D, beschäftigt im obgenannten Güterbeförderungsbetrieb als Lenker eines Kraftfahrzeuges im nationalen Straßenverkehr, das der Güterbeförderung dient und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht 3,5 t übersteigt, wurde laut den bei der ha. Behörde in Kopie vorliegenden Arbeitszeitaufzeichnungen mit folgenden Lenkzeiten (Gesamtlenkzeiten zwischen zwei täglichen Ruhezeiten) beschäftigt:

Am 11.8.2004 in der Zeit von 20.05 Uhr bis zum 12.8.2004 um 15.45 Uhr

11 Stunden und 05 Minuten.

Gemäß Art.6 Abs.1 der EG-Verordnung Nr. 3820/1985 darf die genannte Gesamtlenkzeit zwischen 2 täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf 2 x pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden.

Da die Gesamtdauer der Lenkzeit vom 11.8.2004 um 20.05 Uhr bis zum 12.8.2004 um 15.45 Uhr 11 Stunden 05 Minuten dauerte, haben Sie den obgenannten Lenker in dieser Zeit über die gemäß Art.6 Abs.1 EG-VO 3820/85 zulässige Lenkzeit eingesetzt.

Herr H W D lenkte folgendes Kraftfahrzeug:

Sattelzugfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen UU-

Sattelanhänger mit dem amtlichen Kennzeichen UU-

 

2) Dem Arbeitnehmer, Herrn H W D, beschäftigt im obgenannten Güterbeförderungsbetrieb als Lenker eines Kraftfahrzeuges im nationalen Straßenverkehr, das der Güterbeförderung dient und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht 3,5 t übersteigt, wurde laut den bei der ha. Behörde in Kopie vorliegenden Arbeitszeitaufzeichnungen die vorgeschriebene Ruhezeit innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraumes ab Arbeitsbeginn nicht gewährt:

Arbeitsbeginn bzw. Beginn des 24-Stunden-Zeitraumes am 11.8.2004 um 20.05 Uhr, Arbeitsende bzw. Ende des 24-Stunden-Zeitraumes am 12.8.2004 um 15.45 Uhr; innerhalb des 24-Stunden-Zeitraumes ab Arbeitsbeginn ergibt sich somit eine Ruhezeit von 4 Stunden und 20 Minuten.

Gemäß Art.8 Abs.1 der EG-Verordnung Nr. 3820/1985 ist innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden einzuhalten. Diese darf bei entsprechendem Ausgleich verkürzt werden, und zwar auf nicht weniger als 9 Stunden.

Durch die oben angeführten Zeiten im Zeitraum vom 11.8.2004 um 20.05 Uhr bis zum 12.8.2004 um 15.45 Uhr haben Sie dem Lenker die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit gemäß Art.8 Abs.1 EG-VO 3820/1985 von 9 zusammenhängenden Stunden nicht gewährt.

Herr H W D lenkte folgendes Kraftfahrzeug:

Sattelzugfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen UU-

Sattelanhänger mit dem amtlichen Kennzeichen UU-.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter des Bw Berufung eingebracht und das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Begründend führte der Bw aus, dass der gegenständliche Lenker durch ihn und den Fuhrparkleiter angewiesen wurde, die Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten. Er habe den Lenker nach erfolgter Anzeige zur Rede gestellt, ermahnt und auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen im Wiederholungsfall aufmerksam gemacht. Der Bw sei seiner Überwachungs- und Aufklärungspflicht nachgekommen. Weiters habe es sich bei der gegenständlichen Güterbeförderung um keine dringliche bzw. auf Termin zu liefernde Fracht gehandelt und bestehe für den Bw kaum eine Möglichkeit das Verhalten eines Lkw-Fahrers außerhalb des Firmensitzes zu kontrollieren. Der Bw sei darauf angewiesen, dass sich die Fahrer an die von ihm mitgeteilten Vorgaben halten. Im gegenständlichen Fall habe sich der Fahrer nicht an diese Vorgaben gehalten und habe der Bw keinerlei unmittelbare Einflussmöglichkeit auf die Verhaltensweise des Lenkers gehabt, weshalb ihn in diesem Zusammenhang kein Verschulden treffe. Weiters bringt der Bw vor, dass eine Überschreitung der Lenkzeit am 11.8.2004 von 20.05 Uhr bis 12.8.2004 um 15.45 Uhr in der Dauer von 1 Stunde und 05 Minuten und die tatsächlich eingehalten Ruhepausen nur unwesentlich über der zulässigen täglichen Gesamtlenkzeit von max. 10 Stunden täglich liege. Gleiches gelte für die Nichtgewährung von 9 zusammenhängenden Stunden täglicher Ruhezeit, da die eingehaltene Ruhezeit nur unwesentlich unter 9 Stunden gelegen sei, weshalb wurde die Anwendung des § 21 VStG, in eventu die Herabsetzung der Geldstrafe beantragt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7.11.2006, an welcher der Bw, sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz teilgenommen haben. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt.

 

3.2. Der Bw hat anlässlich der mündlichen Verhandlung sein Berufungsvorbringen aufrecht erhalten und die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Für Verstöße gegen die im § 28 Abs.1a und 1b angeführten Rechtsvorschriften im internationalen Straßenverkehr beträgt die Verjährungsfrist abweichend von § 31 Abs.2 ein Jahr.

Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen  Anforderungen  wird aus nachstehenden  Gründen  nicht entsprochen:

 

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.2.2001, 2001/11/0294, ist ein Fehlverhalten des Arbeitgebers bzw. dessen Bevollmächtigten in unterschiedlicher Weise und nach unterschiedlichen Normen jeweils danach zu beurteilen, welche Fahrtstrecke der Lenker gewählt hat, welches Fahrzeug verwendet wurde und welcher Art der „Straßenverkehr“ war. Schon § 28 Abs.3 AZG verweist auf die Verordnung (EWG) 3820/85 und trifft die Unterscheidung, dass im internationalen Straßenverkehr als verletzte Verwaltungsvorschrift „je nach Fahrtstrecke“ entweder eine Bestimmung des AZG oder die entsprechende Vorschrift der Verordnung (EWG) in Frage kommt. Die Verordnung (EWG) trifft ihrerseits in Art.2 die Unterscheidung, dass sie (nur) für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr gelte.

Demnach ist zumindest in der Fassung des AZG vor der Novelle BGBl I Nr. 175/2004 im Inkrafttreten vom 5.5.2005 zu unterscheiden, ob es sich um einen internationalen oder einen innerstaatlichen Straßenverkehr handelt. Bei Ersterem ist ferner die Unterscheidung zu treffen, ob es sich um einen innergemeinschaftlichen oder einen Straßenverkehr von bzw. nach Drittländern handelt.

In der Aufforderung zur Rechtfertigung und im Straferkenntnis erster Instanz wurde entgegen der Anzeige des Arbeitsinspektorates der nationale Straßenverkehr vorgeworfen. Da die gegenständlichen Transporte, wie praktisch alle Fahrten der T GmbH nach England und damit im internationalen Straßenverkehr stattgefunden haben, und mangels Verfolgungsverjährung dieser Strafvorwurf nicht mehr nachgeholt werden kann, musste das Erststraferkenntnis behoben werden.

 

Aus den obgenannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II:

Der Kostenspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  Wimmer

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum