Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280851/17/Wim/Pe/Be

Linz, 29.01.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn A K W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S M, Schwanenstadt, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 27.6.2005, Ge96-2481-2004, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 31.10.2006 zu Recht erkannt:

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.       Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 44a, 45 und 51 c Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG jeweils in der geltenden Fassung.

zu II.: § 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) der Verwaltungsübertretungen zu 1) gemäß § 28 Abs.1a Z4 AZG iVm Art. 6 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85, zu 2) gemäß § 28 Abs.1a Z2 AZG iVm Art. 8 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 und zu 3) gemäß § 28 Abs.1a Z7 iVm § 16 Abs.3 AZG für schuldig erkannt und über ihn zu 1) und 3) Geldstrafen in der Höhe von je 500 Euro, Ersatz­freiheitsstrafen von je 120 Stunden, und zu 2) eine Geldstrafe in Höhe 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden, verhängt.

 

Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet 130 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

 

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

„Sie haben als Arbeitgeber nicht dafür gesorgt, dass die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes eingehalten wurden, da bei der durchgeführten Überprüfung der Arbeitszeitaufzeichnungen des im oben angeführten Betriebes beschäftigten Lenkers C H, geb. 19.02.1970, festgestellt wurde, dass Herr H zu den angeführten Zeiten als Lenker des Lastkraftwagens, Marke Scania, höchstzulässiges Gesamtgewicht 17.990 kg, mit dem amtlichen Kennzeichen . (Anhängewagen, amtliches Kennzeichen .), das der gewerblichen Güterbeförderung dient und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 t übersteigt, im internationalen Straßenverkehr (EU-Raum) beschäftigt wurde:

1)      Im Zeitraum (Einsatzzeit) am Mittwoch, den 19.05.2004 von 03.57 Uhr bis 21.37 Uhr wurde der Arbeitnehmer zu einer Tageslenkzeit von 11 Stunden und 14 Minuten herangezogen, obwohl die Tageslenkzeit 9 Stunden und zweimal pro Woche 10 Stunden nicht überschreiten darf. Im Zeitraum (Einsatzzeit) vom Dienstag, den 25.05.2004, 04.27 Uhr bis 27.05.2004, 14.39 Uhr wurde der Arbeitnehmer zu einer Tageslenkzeit von insgesamt 27 Stunden und 11 Minuten herangezogen, obwohl die Tageslenkzeit 9 Stunden und zweimal pro Woche 10 Stunden nicht überschreiten darf.

2)      Die tägliche Ruhezeit im 24-Stunden-Zeitraum vom Dienstag, den 25.05.2004, 04.27 Uhr bis zum 26.05.2004, 04.27 Uhr, betrug für den Arbeitnehmer nur insgesamt 5 Stunden und 4 Minuten, obwohl die tägliche Ruhezeit in einem Zeitraum von 24 Stunden grundsätzlich 11 Stunden betragen muss, die höchstens dreimal pro Woche auf 9 zusammenhängende Stunden reduziert werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird. Die tägliche Ruhezeit kann auch in zwei oder drei Teilen genommen werden. In diesem Fall muss ein Teil mindestens 8 Stunden betragen, die übrigen Teile müssen jeweils mindestens 1 Stunde betragen. Die gesamte tägliche Ruhezeit innerhalb des 24-Stunden-Zeitraumes muss bei dieser Aufteilung mindestens 12 Stunden betragen.

3)      Der Arbeitnehmer wurde vom Dienstag, 25.05.2004, 04.27 Uhr bis 27.05.2004, 14.39 Uhr, zu einer Einsatzzeit von insgesamt 58 Stunden und 12 Minuten herangezogen. Es wurde die tägliche Ruhezeit im 24-Stunden-Zeitraum, beginnend vom 25.05.2004, 04.27 Uhr, nicht eingehalten. Bei Einhaltung der täglichen Ruhezeit beträgt die höchstmögliche Einsatzzeit im 24-Stunden-Zeitraum 16 Stunden. Gemäß § 16 Abs.3 AZG in Verbindung mit dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe darf die Einsatzzeit von 12 Stunden nur überschritten werden, wenn die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit eingehalten wird.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter des Bw Berufung eingebracht und das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Begründend wurde vorgebracht, dass die Feststellung der Nichtgebrauchnahme von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in der Berufungsbegründung unrichtig sei, da der Rechtsvertreter bei der belangten Behörde am 12.4.2005 zur Abgabe einer Stellungnahme erschienen sei, jedoch der zuständige Sachbearbeiter sich auf Urlaub befunden habe und er vom Vertreter des zuständigen Sachbearbeiters darauf verwiesen wurde mit dem Arbeitsinspektorat Rücksprache zu halten. Daraufhin wurde mit dem zuständigen Bearbeiter des Arbeitsinspektorates Kontakt aufgenommen, doch dieser habe den ersten Termin „verschwitzt“ und weitere Vorsprachen beim Arbeitsinspektorat haben nur ergeben, dass der Bearbeiter nicht da sei, sodass es bis heute nicht gelungen sei, mit diesem in ein Gespräch zu kommen. Aufgrund dieses Sachverhaltes hätte die belangte Behörde das gegenständliche Straferkenntnis nicht erlassen dürfen, sondern hätte den Bw zur nochmaligen Abgabe einer Stellungnahme auffordern müssen. Das angefochtene Straferkenntnis sei aufgrund eines mangelhaften Verfahrens erlassen worden und sei deshalb aufzuheben und ein ordnungsgemäßes Verfahren durchzuführen.

 

Hinsichtlich der rechtlichen Unrichtigkeit wurde ausgeführt, dass die Feststellung der belangten Behörde unbegreiflich sei, wonach der Bw keine näheren Angaben über das von ihm angeblich eingerichtete Kontrollsystem gemacht habe. Es werde auf die Rechtfertigung des Bw vom 17.11.2004 verwiesen, in welcher ausgeführt wurde, dass der Bw das notwendige Kontrollsystem eingerichtet habe. Sämtliche Mitarbeiter werden bei Eintritt in das Unternehmen über die bestehenden Vorschriften aufgeklärt und ihnen mitgeteilt, dass bei Verstößen zunächst eine Abmahnung erfolgte und bei Wiederholung die Entlassung drohe. Der Bw kontrolliere zumindest alle zwei Wochen die Schaublätter und es werde kein Zeitdruck auf die Mitarbeiter ausgeübt. Aufgrund dieser Angaben hätte das Strafverfahren eingestellt werden müssen, da ein funktionierendes Kontrollsystem vom Bw eingerichtet worden sei. Die Funktionstüchtigkeit dieses Kontrollsystems werde auch dadurch bewiesen, dass der Bw das Unternehmen seit 1980 betreibe und es nie einen Verstoß gegen die Arbeitszeitvorschriften gegeben habe. Aus diesem Grund werde auch die Höhe der Strafe bekämpft. Weiters werde geringfügiges Verschulden und unbedeutende Folgen der Tat geltend gemacht, weshalb § 21 VStG zur Anwendung kommen müsse.

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.11.2006, an welcher der Bw und sein Rechtsvertreter teilgenommen haben. Die belangte Behörde und das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck haben entschuldigt nicht teilgenommen. Weiters wurde der Zeuge C H zeugenschaftlich einvernommen.

 

3.2. Für den unabhängigen Verwaltungssenat stehen die absoluten Überschreitungen des Arbeitszeitgesetzes fest. Weiters steht jedoch auch fest, dass der maßgeblichen Transporte ausschließlich im Inland durchgeführt wurden und dabei niemals eine Landesgrenze überschritten wurde.

 

3.3. Dies ergibt sich aus den glaubwürdigen Aussagen des Zeugen H in Zusammenhang mit den der Anzeige zugrundeliegenden Eintragungen in den Fahrtenschreiberblättern (durchwegs Laakirchen und Grünau als Abfahrts- bzw. Ankunftsorte).

Die Forderung des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck auf Grund eines nach der öffentlichen mündlichen Verhandlung nochmaligen Parteiengehörs, die Vorlage entsprechender Frachtpapiere zu verlangen, ist auf Grund des bisherigen Beweisergebnisses entbehrlich, zumal auch vom Arbeitsinspektorat sowie aus dem gesamten Verfahren keinerlei Anhaltspunkte für konkrete Zweifel an den Fahrtstecken bzw. für einen Auslandsbezug geliefert wurden.

 

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

 

Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können.

Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Nur für Verstöße gegen die im § 28 Abs.1a und 1b AZG angeführten Rechtsvorschriften im internationalen Straßenverkehr beträgt die Verjährungsfrist abweichend von § 31 Abs.2 ein Jahr.

Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen Anforderungen  wird aus nachstehenden  Gründen  nicht entsprochen:

 

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.2.2001, 2001/11/0294, ist ein Fehlverhalten des Arbeitgebers bzw. dessen Bevollmächtigten in unterschiedlicher Weise und nach unterschiedlichen Normen jeweils danach zu beurteilen, welche Fahrtstrecke der Lenker gewählt hat, welches Fahrzeug verwendet wurde und welcher Art der „Straßenverkehr“ war. Schon § 28 Abs.3 AZG verweist auf die Verordnung (EWG) 3820/85 und trifft die Unterscheidung, dass im internationalen Straßenverkehr als verletzte Verwaltungsvorschrift „je nach Fahrtstrecke“ entweder eine Bestimmung des AZG oder die entsprechende Vorschrift der Verordnung (EWG) in Frage kommt. Die Verordnung (EWG) trifft ihrerseits in Art.2 die Unterscheidung, dass sie (nur) für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr gelte.

Demnach ist zumindest in der Fassung des AZG vor der Novelle BGBl I Nr. 175/2004 mit Inkrafttreten vom 5.5.2005 zu unterscheiden, ob es sich um einen internationalen oder einen innerstaatlichen Straßenverkehr handelt. Bei Ersterem ist ferner die Unterscheidung zu treffen, ob es sich um einen innergemeinschaftlichen oder einen Straßenverkehr von bzw. nach Drittländern handelt.

 

In der Aufforderung zur Rechtfertigung und im Straferkenntnis erster Instanz sowie in der Anzeige des Arbeitsinspektorates wurde der internationale Straßenverkehr vorgeworfen. Da die gegenständlichen Transporte im nationalen Straßenverkehr stattgefunden haben, und mangels Verfolgungsverjährung dieser Strafvorwurf nicht mehr nachgeholt werden kann, musste das Erststraferkenntnis behoben werden.

 

Aus den obgenannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 


Zu II:

Der Kostenspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr.  Wimmer

 

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