Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-300758/2/WEI/Ps

Linz, 23.01.2007

 

 

 

 

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Berufung der Tierschutzombudsfrau Dr. C M, p.A. T, B, L, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 4. Dezember 2006, Zl. Pol 96-130-2005, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Tierschutzgesetz (BGBl I Nr. 118/2004), folgenden Beschluss gefasst:

 

 

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 51 Abs 1 und § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 41 Abs 4 Tierschutzgesetz.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 4. Dezember 2006, Zl. Pol 96-130-2005, wurde das gegen A K, geb., S, B (in der Folge: Beschuldigter), eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 2 Z 10 und § 16 iVm § 38 des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere, BGBl I Nr. 118/2004, eingestellt. Als Rechtsgrundlage werden § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 Abs 7 Tierschutzgesetz genannt.

 

Begründend wird unter Darstellung der gesetzlichen Vorschriften im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Dachverband der Oö. Tierschutzorganisationen gegen den Beschuldigten Anzeige erstattet habe und die belangte Behörde daher von folgendem Sachverhalt ausgehe:

 

Der Beschuldigte habe am 29. Oktober 2005 von 11.00 Uhr bis 11.30 Uhr auf der Kiesmoos-Alm bei Pichlern, nahe Bad Goisern, zahllose Vogelfallen aufgestellt gehabt und damit versucht, wildlebende Singvögel durch den Fallenfang einer Bewegungseinschränkung auszusetzen. Danach sei der Beschuldigte mit einem Moped weggefahren und habe einen mit Lockvögelkäfigen beladenen Rucksack bei sich gehabt, wobei er die in den Lockvögelkäfigen befindlichen Tiere einer Bewegungseinschränkung ausgesetzt habe. Weiters habe er beim Transport der Tiere nicht sichergestellt, dass die Tiere über einen angemessenen, ausreichend belüfteten Raum verfügen und mit dem erforderlichen Wasser und Futter versorgt werden.

 

Der Beschuldigte sei beim Bezirksanwalt des Bezirksgerichts Bad Ischl nach der Bestimmung des § 222 StGB (Tierquälerei) angezeigt worden. Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Wels (Bezirksanwaltschaft für Bad Ischl) vom 13. September 2006 sei mitgeteilt worden, dass die Anzeige gemäß § 90 StPO zurückgelegt wurde.

 

Unter Hinweis auf Art 4 7. ZPEMRK führt die belangte Behörde aus, dass der dem Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren angelastete Tatbestand dem gerichtlichen weitgehend entspreche, weshalb zwingend die Subsidiaritätsklausel des § 38 Abs 7 Tierschutzgesetz anzuwenden sei. Das gegen den Beschuldigten eingeleitete Strafverfahren sei daher einzustellen.

 

1.2. Der Einstellungsbescheid wurde am 6. Dezember 2006 an den Beschuldigten und die Tierschutzombudsstelle des Landes Oberösterreich abgesendet und in der Folge zugestellt. Zustellnachweise wurden aber nicht vorgelegt.

 

1.3. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 (eingebracht per Telefax am 11.12.2006) erhob die Tierschutzombudsfrau von Oberösterreich gegen den genannten Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden offenbar rechtzeitig Berufung an den Oö. Verwaltungssenat und beantragte, ihrer Berufung stattzugeben und den oben näher bezeichneten Bescheid der belangten Behörde dahingehend abzuändern, dass über den Beschuldigten gemäß § 5 Abs 2 Z 10 und § 16 iVm § 38 Abs 1 Z 1 und Abs 3 Tierschutzgesetz eine Geldstrafe bis höchstens 7.500 Euro verhängt werde, in eventu den bekämpften Einstellungsbescheid der belangten Behörde zu beheben und die Sache zur ergänzenden Ermittlung an diese zurückzuverweisen.

 

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass es die belangte Behörde im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel des § 38 Abs 7 Tierschutzgesetz unterlassen habe, genaue Erhebungen durchzuführen und im Bescheid genau darzulegen, aus welchen Gründen im Einzelnen eine gerichtliche Zurücklegung erfolgt sei. Gerade derartige Feststellungen wären jedoch notwendig gewesen, um in rechtlicher Hinsicht von der Anwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel des § 38 Abs 7 Tierschutzgesetz bzw von einem Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot ausgehen zu können.

 

Zwar sei nach herrschender Meinung davon auszugehen, dass grundsätzlich auch gerichtliche Zurücklegungen, die in einem Verfahren gemäß § 222 StGB ergehen, eine „Sperrwirkung“ im Hinblick auf eine Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach § 38 Tierschutzgesetz entfalten können, doch treffe dies nicht uneingeschränkt und generell zu. Die Verwaltungsstraftatbestände des § 5 Abs 1 iVm Abs 2 Z 10 und § 16 iVm § 38 Tierschutzgesetz würden nämlich weiter reichen als der in § 222 StGB vertypte Tatbestand. Insbesondere betroffen sei die subjektive Tatseite (Vorsatz/Fahrlässigkeit), allerdings würde es auch auf der objektiven Tatseite Unter­schiede geben, die beispielsweise näher ausgeführt werden.

 

Die von der belangten Behörde vertretene – im Ergebnis sehr extensive – Auslegung der Subsidiaritätsklausel in § 38 Abs 7 Tierschutzgesetz würde auch dazu führen, dass den Verwaltungsstraftatbeständen des § 38 Tierschutzgesetz im Ergebnis kein eigener Anwendungsbereich mehr verbliebe. Ein derartiges „hinweginterpretieren“ einer Rechtsvorschrift sei nach den anerkannten Grundsätzen juristischer Methoden­lehre aber unzulässig, da jede Norm so auszulegen sei, dass ihr ein eigener, selbständiger Wirkungs- und Anwendungsbereich zukomme.

 

Schlussendlich wird darauf hingewiesen, dass aus Sicht der Tierschutzombudsfrau von Oberösterreich sowohl der Fang als auch die Haltung von Singvögeln den betroffenen Tieren Stress und Angst in einem Ausmaß verursache, dass dadurch jedenfalls die objektive Tatseite des § 38 Tierschutzgesetz erfüllt werde. Dies­bezüglich wird auf eine Stellungnahme von Prof. Dr. G L sowie eine Kundmachung des Tierschutzrates, in der der Singvogelfang als Tierquälerei gemäß § 5 Tierschutzgesetz bezeichnet wird, verwiesen. Beide Stellungnahmen sind der Berufung in Kopie angeschlossen.

 

2. Der Bezirkshauptmann von Gmunden hat die Berufung samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Da der angefochtene Bescheid keine Strafe enthält, hat der unabhängige Verwaltungssenat im Hinblick auf die Regel des § 51c VStG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Da sich bereits aus der Aktenlage der wesentliche Sachverhalt klären ließ und die Berufung zurückzuweisen war, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 41 Abs 4 des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004, hat der Tierschutzombudsmann

 

„in Verwaltungsverfahren nach diesem Bundesgesetz Parteistellung. Er ist berechtigt, in alle Verfahrensakten Einsicht zu nehmen sowie alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Die Behörden haben den Tierschutzombudsmann bei der Ausübung seines Amtes zu unterstützen.“

 

Wie sich aus dem oben zitierten Gesetzeswortlaut ergibt, kommt dem Tierschutzombudsmann in „Verwaltungsverfahren“ Parteistellung zu. Der vorliegende Fall betrifft allerdings ein Verwaltungsstrafverfahren. Zu prüfen ist daher, ob dem Tierschutzombudsmann nur in Verwaltungsverfahren oder auch in Verwaltungs-strafverfahren Parteistellung zukommt. Diese ist gemäß § 51 Abs 1 VStG Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Berufung.

 

4.2.1. Der Bestimmung des § 41 Abs 4 TSchG ist keine ausdrücklich normierte Parteistellung für „Verwaltungsstrafverfahren“ zu entnehmen. Auch sonst enthält das TSchG dazu keine entsprechende ausdrückliche Bestimmung.

 

Die Materialien zum Tierschutzgesetz äußern sich zu dieser Frage nicht; auch dort ist (nur) von „Verwaltungsverfahren“ die Rede (vgl die EB zur RV 466 und zum AB 509 BlgNR XXII. GP).

 

Die Bundesverfassung unterscheidet ausdrücklich zwischen den beiden Begriffen „Verwaltungsverfahren“ und „Verwaltungsstrafverfahren“ (vgl Art 11 Abs 2 B-VG). Gleiches gilt für einige Bundesgesetze, etwa das Finanzmarktaufsichtsgesetz (vgl § 21 Abs 1), das Wertpapieraufsichtsgesetz (vgl § 32b Abs 2) und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 (vgl § 15 Abs 6 bzw 7). Weitere Bundesgesetze enthalten Bestimmungen, welche die Parteistellung ausdrücklich auf Verwaltungsstrafverfahren beschränken (vgl etwa § 28a Ausländerbeschäftigungs-gesetz).

 

Auch im Art I des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG wird zwischen Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren unterschieden, wenngleich nicht übersehen wird, dass dort offenbar mit dem Einschub „Verwaltungsverfahrensgesetze“ auch ein Oberbegriff genannt wird.

 

4.2.2. Aus einer Gesamtbetrachtung ergibt sich, dass der Bundesgesetzgeber grundsätzlich zwischen den Begriffen „Verwaltungsverfahren“ und „Verwaltungsstrafverfahren“ unterscheidet und die jeweiligen Anordnungen und Zuständigkeiten unter Bedachtnahme auf diese Begrifflichkeiten normiert. Wenn also der Gesetzgeber des TSchG ausdrücklich nur eine Zuständigkeit des Tierschutzombudsmannes für „Verwaltungsverfahren“ vorgesehen hat, so ist davon auszugehen, dass diesem nicht auch eine Zuständigkeit für „Verwaltungsstrafverfahren“ zukommt.

 

Diesem Ergebnis kann auch nicht der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes (B 186/06 vom 6. Juni 2006) entgegen gehalten werden, weil der Gerichtshof dort wörtlich lediglich davon spricht, „dass die Einräumung einer (Amts-)Parteistellung an einen Tierschutzombudsmann von Tirol in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Tierschutzgesetz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde“. Damit hat der Gerichtshof aber die Frage, ob das TSchG eine solche Parteistellung tatsächlich einräumt, im Ergebnis offen gelassen.

 

4.3. Ein weiteres Argument für die Notwendigkeit der ausdrücklichen gesetzlichen Verankerung einer Amtsparteistellung im Verwaltungsstrafverfahren besteht darin, dass vor dem Hintergrund des im Strafverfahren grundsätzlich geltenden Verschlechterungsverbots und dessen Einschränkung im § 51 Abs 6 VStG bei einer Organpartei die Einräumung der für den Beschuldigten nachteiligen – weil das Verschlechterungsverbot relativierenden – Parteistellung für Amts- oder Organparteien wohl besonders klar normiert werden müsste. Aus rechtsstaatlicher Sicht darf eine sprachlich und systematisch zumindest unklare Regelung nicht extensiv interpretiert werden, um den Beschuldigten nicht in seinen Verfahrensgarantien zu beeinträchtigen. Dies gilt umso mehr, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Organpartei gleichsam de facto als Anklagebehörde auftritt (zu den Grenzen der Befugnisse einer Organpartei VwGH vom 25.02.2005, Zl. 2003/09/0158).

 

Ergänzend kommt noch dazu, dass § 41 TSchG (auch) im Zusammenhang mit der Parteistellung des Tierschutzombudsmannes offenbar keinen ausdrücklichen Anknüpfungspunkt in örtlicher Hinsicht (etwa im Sinn eines Sprengels seiner Zuständigkeit) enthält. Gerade für Verwaltungsstrafverfahren hätte es hier jedoch wohl einer entsprechenden klaren Regelung bedurft.

 

4.4. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats sprechen insgesamt die besseren Gründe dafür, dass dem Tierschutzombudsmann auf Grund des § 41 Abs 4 TSchG in Verwaltungsstrafverfahren nach dem TSchG keine Parteistellung zukommt.

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Berufung in Verwaltungsstrafverfahren ist gemäß § 51 Abs 1 VStG die Parteistellung. Da nach h. Auffassung der Tierschutzombudsfrau von Oberösterreich eine solche nicht zukommt, war ihre Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann – soweit eine entsprechende Beschwerdelegitimation gegeben ist – innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum