Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720099/4/WEI/Ps

Linz, 01.02.2007

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des U A U, geb., d Staatsangehöriger, vormals in Auslieferungshaft in der Justizanstalt Ried im Innkreis, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn vom 12. Oktober 2005, Zl. Sich 40-21221, betreffend die Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 5 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Rechtsgrundlage nunmehr auf dem § 86 Abs 1 iVm §§ 60 ff Fremdenpolizeigesetz 2005 (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 99/2006) beruht.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. In Österreich sind folgende strafgerichtliche Verurteilungen des Berufungswerbers (Bw) aktenkundig:

 

1.1. Der Bw, ein d Staatsangehöriger, wurde mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 26. September 2005, Zl. 10 Hv 69/05i, des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 StGB für schuldig erkannt und deswegen unter Bedachtnahme auf die Vorverurteilung vom 29. Juli 2005 zu 9 Hv 41/05i gemäß §§ 31, 40 StGB zu einer bedingten Zusatzfreiheitsstrafe von 10 Monaten und 10 Tagen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

 

Nach dem Inhalt des im Protokollsvermerk mit gekürzter Urteilsausfertigung wiedergegebenen Spruchs hat der Bw mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, im April 2005 in R Angestellte der R durch die Vorgabe, ein rückzahlungswilliger und rückzahlungsfähiger Kreditnehmer zu sein und durch Vorlage eines gefälschten Angestelltendienstvertrages der F. E, sohin unter Verwendung eines falschen Beweismittels zu Handlungen, nämlich der Auszahlung von Vorschüssen in der Höhe von 500 Euro verleitet, die die R an ihrem Vermögen schädigten. Erschwerend wertete das Strafgericht die einschlägigen Vorstrafen in Deutschland und das Zusammentreffen von mehreren strafbaren Handlungen, mildernd das reumütige Geständnis.

 

1.2. Mit Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 29. Juli 2005, Zl. 9 Hv 41/05i, wurde der Bw wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 2 Euro, im Nichteinbringungsfall zu 50 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

 

Dieser Verurteilung lag eine Auseinandersetzung des Bw mit seiner geschiedenen (Scheidung am 11.01.2005) Frau zugrunde (vgl Niederschrift vom 5. Oktober 2005 mit dem Bw). Nach dem Spruch des Strafurteils im Protokollsvermerk hatte er am 27. Mai 2005 in S S W

 

1)   am Körper verletzt, indem er

a)   ihr den linken Unterarm in einer Schranktüre einzwickte, wodurch sie eine Hautabschürfung erlitten hat,

b)   ihr mit dem Handrücken einen Schlag ins Gesicht versetzte, wodurch sie eine Schwellung im Gesicht erlitten hat,

 

2)   durch die Äußerung, sie werde das Haus nur noch in Stücken verlassen, zumindest mit einer Körperverletzung gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

 

1.3. Nach der vom Oö. Verwaltungssenat eingeholten aktuellen Strafregisterauskunft ist mittlerweile das vom Bw bekämpfte Urteil des Bezirksgerichts Braunau am Inn vom 25. Juni 2006, Zl. 1 U 194/05g, am 12. Dezember 2005 rechtskräftig geworden. Mit diesem Urteil wurde der Bw wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Der Bw wurde für schuldig erkannt, im September 2004 in W mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, M G durch seine falsche Zusage, ihr ein Computerset zum Gesamtpreis von 474,90 Euro zu besorgen, zur Ausfolgung eines Bargeldbetrages von 500 Euro verleitet und geschädigt zu haben.

 

2.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Braunau vom 12. Oktober 2005, Zl. Sich 40-21221, wurde gegen den Bw auf der Grundlage des § 48 Abs 1 iVm § 36 Abs 1 und 2 Z 1 iVm § 39 Fremdengesetz 1997 (FrG 1997) ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren für das Gebiet der Republik Österreich erlassen.

 

In der Begründung hat die belangte Behörde neben den gerichtlichen Vorstrafen des Bw in Österreich auch die aus dem Zentralregister des Generalbundesanwaltes in Deutschland aufgelistet. Der Bw ist in Deutschland bereits fünf Mal gerichtlich verurteilt worden, wobei auch zwei Verurteilungen wegen Betrugs aufscheinen. Erstmals wurde er vom Amtsgericht Eggenfelden mit Urteil vom 17. Dezember 1999 wegen Betrugs nach § 263 Abs 1 StGB zu 60 Tagessätzen zu je 50 DM verurteilt. Zuletzt wurde er vom Landgericht Gera am 20. Juni 2002 wegen Betrugs in drei Fällen, in Tateinheit mit Urkundenfälschung und unerlaubtem Umgang mit gefährlichen Abfällen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt, wobei die Strafe für 3 Jahre auf Bewährung ausgesetzt worden ist.

 

Die belangte Behörde hielt dem Bw vor, dass er in Österreich und Deutschland massiv als Straftäter in Erscheinung getreten sei und offenbar dazu neige, sich durch Betrügereien den Lebensunterhalt zu finanzieren. Auch gerichtliche Verurteilungen hätten ihn nicht abhalten können, neuerlich straffällig zu werden. Auf Grund der Wertung der vorliegenden Tatsachen sei die Annahme gerechtfertigt, dass der (weitere) Aufenthalt des Bw die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde.

 

Zur Interessenabwägung gemäß § 37 Abs 2 FrG 1997 ging die belangte Behörde davon aus, dass der Bw keine familiären Bindungen mehr in Österreich hat, zumal seine Ehe geschieden worden war. Seine Bindungen zu Österreich seien auf Grund des relativ kurzen Aufenthalts von ca. 2 Jahren nicht als intensiv zu betrachten. Er habe in Österreich nie ein unselbständiges Dienstverhältnis gehabt. Ob und inwieweit er als selbständiger EDV-Trainer erfolgreich gewesen sei, könne dem Fremdenakt nicht entnommen werden. Aus den Gerichtsakten sei aber ersichtlich, dass der Bw bei der R Schulden in Höhe von 120.000 Euro habe.

 

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten gewesen. Auf Grund des geschilderten Sachverhalts und unter Berücksichtigung der persönlichen Lebenssituation des Bw sei festzustellen, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen auf die persönliche Lebenssituation des Bw.

 

Zur Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes führt die belangte Behörde aus, dass der Bw durch die mehrfachen gerichtlichen Verurteilungen in keiner Weise geläutert worden sei. Vielmehr habe er durch sein Verhalten eindrucksvoll ein hohes Gefährdungspotential dokumentiert. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Bw künftig wieder strafbare Handlungen begehe. Im Hinblick auf die Schwere und Vielzahl der begangenen Straftaten und der davon ausgehenden Gefahr für die öffentlichen Interessen sei das Aufenthaltsverbot für zehn Jahre zu erlassen. Diese Zeitspanne lasse erwarten, dass der Bw in charakterlicher Hinsicht soweit gereift und gefestigt werde, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinreise gegeben seien.

 

Da der Bw durch die Justiz bereits in Auslieferungshaft angehalten und nach Deutschland zur Strafvollstreckung ausgeliefert werde, sei kein Abschiebungsaufschub zu gewähren.

 

2.2. Gegen diesen dem Bw am 17. Oktober 2005 in der Justizanstalt Ried im Innkreis zugestellten Bescheid richtet sich die bei der belangten Behörde am 31. Oktober 2005 rechtzeitig eingelangte handschriftliche Berufung vom 20. Oktober 2005, mit der der Bw in der Hauptsache die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes anstrebt.

 

Begründend listet und kommentiert der Bw die Punkte, auf denen der bekämpfte Bescheid seiner Meinung nach "vordergründig" beruhe. Das Urteil des Bezirksgerichts Braunau am Inn, 1U 194/05g, sei nicht rechtskräftig, er habe die vorgeworfene Tat nicht begangen. Auch zum Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis, 10 Hv 41/05i, habe er die zur Last gelegten Taten – bis auf das "Armeinzwicken" – nicht begangen. Das zu 11 Ur 221/05 beim Landesgericht Ried im Innkreis anhängige Auslieferungsersuchen beruhe auf einem Beschluss des Landgerichts Gera in Folge eines Irrtums und eines materiell falschen Widerrufs. Er verweise in diesem Zusammenhang auf die über seine Rechtsanwälte eingebrachte Haftbeschwerde gegen den Beschluss auf Verhängung sowie Fortsetzung der Auslieferungshaft. Unter der Adresse S, S, sei er tatsächlich schon seit September 2003 wohnhaft und gemeldet gewesen. Dem bekämpften Bescheid liege auch die Fehlannahme zu Grunde, der Bw sei im Verfahren 10 Hv 69/05i vom Landesgericht Ried im Innkreis am 29. September 2005 zu 10 Monaten und 10 Tagen unbedingter und nicht bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden. Aus diesen Gründen legt er Berufung ein und beantragt die Aufhebung des Bescheides, die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes, um einen vernünftigen Umzug zu gewährleisten, die Vollziehung des erlassenen Bescheides bis zu seiner Rechtskraft auszusetzen.

 

Der Bw führt weiter aus, er habe in der Vergangenheit eine Reihe von Fehlern begangen, die er auch aufrichtig bereue. Die Vielzahl der aufgezeigten Vergehen sei schon lange her (1996 bis Anfang 2002). Er habe vorgehabt, sein Leben neu zu ordnen, jedoch habe er infolge der Ehescheidung zeitweise wieder den Boden unter den Füßen verloren. Mit dem Erlass und der Durchsetzung des ergangenen Bescheides werde ihm nun gänzlich der Boden unter den Füßen entzogen. Er garantiere, dass es in Zukunft zu keinen weiteren Vergehen gegen die bestehende Rechtsordnung kommen wird und bittet, ihm "diese Chance nicht zu verwehren" und vom Vollzug abzusehen. Er begreife das als letzte Chance und werde sie mit Sicherheit nicht verwirken.

 

3. Die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich hat den Fremdenpolizeiakt zuständigkeitshalber an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich weitergeleitet. Dieser hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den fremdenpolizeilichen Verwaltungsakt der belangten Behörde. Der im Wesentlichen unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen des Bw. Ergänzend zu den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ist noch aus der Aktenlage Folgendes festzustellen:

 

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 5. Oktober 2005 gab der Bw im Einklang mit der Aktenlage an, seit 4. September 2003 in S, S, gemeldet und wohnhaft zu sein. Er habe in Österreich nie eine unselbständige Beschäftigung gehabt, sei aber als EDV-Trainer freiberuflich tätig gewesen. Seine Ehe sei am 11. Jänner 2005 vom Bezirksgericht M geschieden worden. Das Wohnhaus an der genannten Anschrift stünde in seinem Eigentum. Seine Exfrau, mit der er keine Kinder habe, wohne im Raum P. Den Protokollsvermerken vom 29. Juli 2005 (9 Hv 41/05i) und vom 26. September 2005 (10 Hv 68/05i) ist dagegen zu entnehmen, dass er Hälfteeigentümer des Einfamilienhauses sei. Die zweite Hälfte gehöre seiner geschiedenen Gattin. Der Kaufpreis habe bei 107.000 Euro gelegen. Er sei auf Arbeitssuche und habe bei der R Schulden in Höhe von 120.000 Euro.

 

Nach Mitteilung der Justizanstalt Ried im Innkreis (vgl ON 2) wurde der Bw am 16. Februar 2006 "gem: Auslieferung" entlassen. Er befand sich zu 11 Ur 221/05d des Landesgerichts Ried im Innkreis seit 27. September 2005 in Auslieferungshaft.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach der Übergangsbestimmung des § 125 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), sind Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung, die bei In-Kraft-Treten des FPG – das war nach § 126 FPG der 1. Jänner 2006 – anhängig sind, nach dessen Bestimmungen weiter zu führen. Im Folgenden ist daher auf die aktuellen Vorschriften des FPG abzustellen, die allerdings weitgehend denen des Fremdengesetzes 1997 entsprechen.

 

Gemäß § 60 Abs 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Nach § 60 Abs 2 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 zu gelten, wenn ein Fremder

 

1.    von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.    ...

 

Nach § 60 Abs 3 FPG liegt eine gemäß Abs 2 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

 

Gemäß § 63 Abs 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot im Fall des § 60 Abs 2 Z 1 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

 

Gemäß § 86 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dabei können strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

4.2. Im gegenständlichen Fall liegt durch das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 26. September 2005, Zl. 10 Hv 69/05i, mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten und 10 Tagen wegen schweren Betrugs eine bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs 2 Z 1 FPG (vormals identisch § 36 Abs 2 Z 1 FrG 1997) vor. Diese Verurteilung erfüllt den Wortlaut der gegenständlich maßgeblichen dritten Variante ("... zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten ... verurteilt worden ist;") des § 60 Abs 2 Z 1 FPG. Grundsätzlich ermächtigt § 63 Abs 1 FPG in einem solchen Fall sogar zur Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots.

 

Bei einem EWR-Bürger sind allerdings auch die Anforderungen des § 86 Abs 1 FPG zu beachten. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0162, zur vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 48 Abs 2 FrG 1997 ausgesprochen, dass zu prüfen sei, ob sich aus dem Gesamtverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dabei sei anders als beim Tatbestand des § 36 Abs 2 Z 1 FrG 1997 (entspricht nunmehr § 60 Abs 2 Z 1 FPG) nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Fremden abzustellen. Bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, kommt dem Katalog des § 36 Abs 2 FrG 1997 (nunmehr § 60 Abs 2 FPG) dabei (nur) die Bedeutung eines Orientierungsmaßstabs zu (vgl VwGH 20.2.2001, Zl. 2000/18/0162; VwGH 4.10.2006, Zl. 2006/18/0306).

 

4.3. Im vorliegenden Fall vertritt auch der Oö. Verwaltungssenat die Auffassung, dass der weitere Aufenthalt des Bw in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Sein bisheriges Gesamtfehlverhalten stellt eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die insbesondere das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung von Eigentums- und Vermögenskriminalität, aber auch an der Verhinderung von Gewalt gegenüber Angehörigen (Schutz der Freiheit und körperlichen Integrität) berührt. Dabei ist das Tatbestandsmerkmal "gegenwärtig" sinnvollerweise auf den Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft oder der möglichen Wiedereinreise zu beziehen und zu fragen, ob das prognostizierte Verhalten des Fremden für diesen Fall eine Gefahr iSd § 86 Abs 1 FPG darstellen würde (vgl VwSen-720109 vom 7.8.2006).

 

Wegen betrügerischen Verhaltens wurde der Bw während seines rund zweijährigen Aufenthalts in Österreich (September 2003 bis zur Verhaftung im September 2005) schon zweimal zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Neben dem oben zitierten Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis über 10 Monate und 10 Tage ist das Urteil des Bezirksgerichts Braunau am Inn vom 24. Juni 2005, Zl. 1 U 194/05g, über eine zweimonatige Freiheitsstrafe anzuführen. Der Bw wurde zuvor auch in Deutschland einschlägig verurteilt, sodass sich seine Straffälligkeit in Österreich offenbar als Fortsetzung seiner persönlichen Neigung zur Betrugskriminalität darstellt. Er wurde vom Landgericht Gera am 20. Juni 2002 wegen dreifachen Betrugs, Urkundenfälschung und unerlaubtem Umgang mit gefährlichen Abfällen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten auf Bewährung verurteilt. Eine weitere Verurteilung wegen Betrugs stammt aus 1999. Die insgesamt 8 gerichtlichen Vorstrafen in der Zeit vom Dezember 1999 bis September 2005 weisen auf eine nicht unerhebliche kriminelle Energie in der Persönlichkeit des Bw hin. Zu den mehrfachen Verurteilungen wegen Betrugs kommt schließlich auch die Gewaltausübung gegen seine Exgattin, die am 27. Mai 2005 im gemeinsam erworbenen Haus in S und damit wenige Monate nach der Scheidung am 11. Jänner 2005 stattfand. Hier besteht offenbar noch ein Konfliktpotential im Gefolge der Scheidung.

 

Der Bw hat nach eigenen Angaben im Strafverfahren 10 Hv 68/05i während der eher kurzen Zeit seines Aufenthalts in Österreich enorme Schulden in Höhe von 120.000 Euro bei der R angehäuft. Er war nur als "freiberuflicher" EDV-Trainer tätig und befand sich nie in einem unselbständigen Beschäftigungsverhältnis. Bei der Strafverhandlung am 26. September 2005 erklärte er, seit April/Mai 2005 arbeitslos und intensiv auf Arbeitssuche zu sein. Bereits am nächsten Tag kam er dann zu 11 Ur 221/05d des Landesgerichts Ried im Innkreis in Auslieferungshaft, weil er offenbar Bewährungsauflagen deutscher Gerichte nicht eingehalten hat.

 

Angesichts dieser Umstände erscheint jedenfalls die Annahme gerechtfertigt, dass der Bw über seine Verhältnisse gelebt und Schulden angehäuft hat, die er – wenn überhaupt – in absehbarer Zeit nicht tilgen wird können. Diese schlechte finanzielle Situation und das bisher gezeigte Fehlverhalten des Bw lassen mit Recht befürchten, dass er auch in Hinkunft durch betrügerisches Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen wird.

 

Zur Interessenabwägung nach § 60 Abs 6 iVm 66 Abs 2 FPG (vormals § 37 Abs 2 FrG 1997) hat die belangte Behörde bereits zutreffend festgestellt, dass der Bw im Hinblick auf seinen relativ kurzen Aufenthalt keine intensiven Bindungen zu Österreich hat. Seine kinderlos gebliebene Ehe ist längst geschieden und er stand auch nie in einem ordentlichen Beschäftigungsverhältnis. Die Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes greift daher kaum in sein Privatleben ein.

 

Soweit der Bw berufliche Interessen, einen Bekanntenkreis und sein mit hohen Schulden belastetes Wohnhaus in S ins Treffen führen könnte, vermögen diese allenfalls für seinen Verbleib in Österreich sprechenden persönlichen Interessen das durch sein gravierendes Gesamtfehlverhalten nachhaltig beeinträchtigte Allgemeininteresse iSd Art 8 Abs 2 EMRK nicht zu überwiegen (vgl idS zB VwGH 27.06.2006, Zl. 2006/18/0092). Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wögen schwerer als die Auswirkungen auf die persönliche Lebenssituation des Bw.

 

4.4. Bei Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist nach § 63 Abs 2 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit dem Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

Grundsätzlich haben bei der Beurteilung des Wohlverhaltens im Strafvollzug verbrachte Zeiten außer Betracht zu bleiben (vgl VwGH 24.7.2002, Zl. 99/18/0260). Das Gleiche hat wohl auch für Zeiten in Auslieferungshaft zu gelten. Im Übrigen ist der seit der letzten Verurteilung verstrichene Zeitraum ohnehin zu kurz, um auch nur auf eine entscheidende Minderung der Gefahr der Begehung weiterer Straftaten schließen zu können.

 

Zugunsten des Bw kann für die in Österreich begangenen zwei Betrugsfälle festgestellt werden, dass die Schadenshöhe jeweils nur 500 Euro betragen hat und sich die Verhängung von bedingten Freiheitsstrafen anstelle von Geldstrafen im Hinblick auf die einschlägige Vorverurteilung in Deutschland durch das Landgericht Gera erklären lässt. Eine Betrugsqualifikation durch einen besonderen Schadensbetrag oder durch gewerbsmäßige Begehungsweise wurde dem Bw nicht angelastet, was in gewisser Hinsicht dafür spricht, dass noch keine besonders ausgeprägte Gefährlichkeit in der Person des Bw zu sehen ist. Die Auseinandersetzung mit seiner Exgattin wird vom Bw zwar zu Unrecht bagatellisiert, erscheint allerdings objektiv auch nicht so schwerwiegend, wie dies offenbar der Erstbehörde vorschwebte. Das Strafgericht verhängte lediglich eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 2 Euro. Dazu kommt noch, dass dem Bw bisher in Österreich immer die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB gewährt worden ist.

 

Diese Umstände berücksichtigend erachtet es der Oö. Verwaltungssenat nach Lage des Falles für angemessen, die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes auf fünf Jahre herabzusetzen. Diese Frist müsste aller Voraussicht nach ausreichen, um den Bw zu läutern und die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentlichen Interessen zu beseitigen.

 

4.5. Was den vom Bw begehrten Durchsetzungsaufschub betrifft, ist auf § 86 Abs 3 FPG hinzuweisen, wonach EWR-Bürgern grundsätzlich von Amts wegen ein solcher Aufschub von einem Monat zu erteilen ist. Die belangte Behörde wird noch darüber zu befinden haben, weil mit Zustellung dieser Berufungsentscheidung das Aufenthaltsverbot erst rechtswirksam wird. Hinzuweisen ist an dieser Stelle, dass gemäß § 9 Abs 2 FPG eine Berufung gegen die Versagung, die Bewilligung und den Widerruf eines Durchsetzungsaufschubes nicht zulässig ist. Da insofern kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist und kein Instanzenzug in Betracht kommt, könnte unmittelbar Bescheidbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht werden (vgl Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG).

 

Im Ergebnis war daher der Berufung teilweise Folge zu geben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes abzuändern, im Übrigen die Berufung aber als unbegründet abzuweisen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabengebühren in Höhe von 13 Euro für die Berufung angefallen.

 

Dr. W e i ß

 

 

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