Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-120045/2/Br

Linz, 12.02.1998

VwSen - 120045/2/Br Linz, am 12. Februar 1998 DVR.0690329

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn W gegen das Straferkenntnis des Landeshauptmannes von Oberösterreich, vom 9. Jänner 1998, Zl. VerkR-890.086/8 - 1997/Pf, wegen der Übertretung des Luftfahrtgesetzes, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeinen Verwaltungssverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 471/1995 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Landeshauptmann von Oberösterreich als Verwaltungsstrafbehörde I. Instanz gemäß dem Luftfahrtgesetz hat über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 6.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sechs Tagen verhängt. Dem Berufungswerber wurde als strafbares Verhalten im Ergebnis zur Last gelegt, daß er als verantwortlicher Pilot des Luftfahrzeuges der Type Robinson R 44, Eintragungszeichen , der Firma H, am 17. August 1996 um ca. 14.43 Uhr zwei Taucher ca. fünf Meter über der Wasseroberfläche des A und zwar im Bereich des sogenannten Unterwasserberges in S, Gemeinde N, abgesetzt habe, wobei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oö. vom 8.8.1996, VerkR-840.158/7-1996/M, welcher ausdrücklich nur das Absetzen von drei Tauchern aus einer Höhe von drei Metern über dem Wasserspiegel in der Marktgemeinde von S am 16. und 17. August 1996 gestattet habe, verstoßen wurde. Darin erblickte die Erstbehörde die Durchführung einer unbewilligten Schauvorstellung, an welcher ein Luftfahrzeug beteiligt war (eine zivile Luftfahrtveranstaltung).

1.1. Begründend stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung auf das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens. Dabei vor allem auf die zeugenschaftlich einvernommenen Personen.

2. Dagegen wendet sich die vom Berufungswerber fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobene Berufung und rügt im hier verfahrensrelevanten Zusammenhang ua., die mit dieser Bestrafung einhergehende unzulässige Doppelbestrafung. Er verweist auf das in diesem Zusammenhang auch gegen ihn vom BG F zur Zahl geführte Strafverfahren, welches am 18. November 1997 mit einem Freispruch im Hinblick auf die wider ihn gemäß § 177 StGB erhobene Anschuldigung endete. 3. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Weil sich im Hinblick auf das Berufungsvorbringen nach ergänzend durchgeführten Erhebungen bereits aus der Aktenlage ergab, daß mit einer Bescheidaufhebung vorzugehen ist, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.1 VStG).

3.1. Ergänzend Beweis erhoben wurde durch die Beischaffung des Gerichtsurteiles zu des Bezirksgerichtes F und die Lokalisierung der Absturzstelle anhand ergänzender Sichtung und Auswertung von Kartenunterlagen.

4. Beim hier verfahrensgegenständlichen Flug kam es gemäß der Aktenlage bzw. aus der diesbezüglichen Angabe des Berufungswerbers, vermutlich durch einen in einer Irritation gründenden Steuerfehler des Piloten zur Wasserberührung und zum Absturz des Luftfahrzeuges.

Der im Akt erliegenden Einladung kann entnommen werden, daß diese zu einem luftfahrrechtlichen Bewilligungsverfahren (Bescheid des Landeshauptmannes von Oö. vom 8.8.1996, VerkR-840.158/7-1996/M) führenden "Taucherabsetzflüge" beim Unterwasserberg stattfinden sollten. Auch die Bewilligung "zur Durchführung einer Zivilluftfahrtveranstaltung (Publikumsrundflüge)" war vom Bewilligungsbescheid umfaßt, wobei als Örtlichkeit "in der Marktgemeinde S" genannt war. Tatsächlich lag die Örtlichkeit der von der Bewilligung umfaßten Aktivitäten (die Flüge zu den Tauchgängen) jedoch offenkundig im Gemeindegebiet von N am Attersee, knapp an der Gemeindegrenze zu S; lt. der im Akt erliegenden Skizze etwa in Richtung 080 Grad und ca. 830 m vom Ufer Stockwinkel entfernt (ausgewertet mit Satellitenatlas Herold/Geospace u. die Gemeindegrenze durch GEOINFO - via ooe.gv-hompage).

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

§ 169 LFG lautet: Wer (Abs.1) 1. diesem Bundesgesetz, 2. den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, 3. der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen, CELEX Nr. 392R2407, oder 4. den Anordnungen der Flugsicherungsorgane zuwiderhandelt oder zuwiderzuhandeln versucht, begeht, wenn nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist vom Landeshauptmann mit einer Geldstrafe bis zu 300.000 S zu bestrafen. Liegen erschwerende Umstände vor, so kann neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. In Fällen der gewerbsmäßigen Beförderung von Personen ohne die nach § 102 erforderlichen Bewilligungen ist eine Geldstrafe von mindestens 50.000 S zu verhängen. (2) Auf Zuwiderhandlungen, die von Angehörigen des Bundesheeres in Ausübung des Dienstes begangen werden, findet Abs. 1 keine Anwendung. (3) Verwaltungsübertretungen nach Abs. 1 sind auch strafbar, wenn sie bei der Verwendung eines Luftfahrzeuges österreichischer Staatszugehörigkeit (§ 15) im Ausland begangen werden und nicht bereits eine Strafverfolgung durch eine ausländische Behörde eingeleitet wurde.

5.1. Es kann hier letztlich dahingestellt bleiben, wie es gegenständlich zur Bewilligung der Flüge für den Bereich der Marktgemeinde S [und nicht Nußdorf] gekommen ist und ob hier allenfalls nur ein Begriffsirrtum in der Bezeichnung der Gemeinde bei der Antragstellung vorlag. Die konkrete und im Ansuchen offenbar bezogene Örtlichkeit scheint sich aus der diese Flüge zum Inhalt habenden Einladung zu ergeben. Diese war offenkundig auch der Grund für das Ansuchen vom 7. August 1996. Als Ort des Ereignisses wird darin der "U" genannt, wobei dieser im Gemeindegebiet von N liegt. Die Schuldfrage würde unter diesem Aspekt Anlaß zu spezifischen Betrachtungen dahingehend beanspruchen, inwieweit im Abweichen von der im Bewilligungsbescheid umschriebenen Örtlichkeit eines Gemeindegebietes, gegen die "allgemeine Sicherheit sowie gegen die Verkehrssicherheit" zuwidergehandelt werden hätte können. Dahingestellt kann ebenso die Qualifikation dieser Flüge als "Schauvorstellungen, an der ein Zivilluftfahrzeug beteiligt war" und auch die Frage, ob das Tatverhalten überhaupt als bescheidwidrig qualifiziertbar gewesen wäre, bleiben ("zivile Luftfahrtveranstaltung" - vgl. h. Erk. VwSen-120031 v. 1. 2. 1996).

5.2. Zur Subsidiaritäts- bzw. Doppelbestrafungsproblematik:

Die Verwaltungsbehörden haben die Frage, ob eine Tat den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt, im Grundsatz eigenständig als Vorfrage im Sinne von § 38 AVG zu beurteilen; dabei sind die besonderen Regelungen des § 30 Abs. 2 und 3 VStG zu beachten. Ist eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlungen bildet, und ist zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über die Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist. Eine diesbezügliche Erwägung hat hier die Erstbehörde offenbar nicht vorgenommen. Die Erstbehörde hätte ihre Zuständigkeit auf das von ihr zum Vorwurf erhobene Tatverhalten (den zum Unfall führenden Flug; genauer: das Vorliegen eines Verwaltungsstraftatbestandes iSd Subsidiaritätsvorschrift) wohl zu verneinen gehabt, weil eben diesbezüglich bereits auch ein strafgerichtliches Verfahren geführt wurde und es insbesondere im Lichte des sogenannten Gradinger-Urteiles (EGMR 23.10.1995, 33/1994/480/562) naheliegt, daß das von der Verwaltungsstrafbehörde ihrer Bestrafung grundgelegte Tatverhalten iSd Urteiles nicht nochmals zum Gegenstand einer "(verwaltungs-)strafrechtlichen Beurteilung herangezogen werden darf. Auch vom Bezirksgericht F wurde der zum Absturz führende Flug im Hinblick auf die Bestimmungen nach §§ 170, 172 und 174 (§ 89 StGB) und nach § 177 Abs.1 StGB beurteilt und gemäß § 259 Z.3 StPO ein Freispruch gefällt. Der vom Gericht beurteilte Sachverhalt ist weitgehend mit dem von der Verwaltungsbehörde abermals Beurteilten ident und daher von der Sperrwirkung der strafgerichtlichen Entscheidung erfaßt zu sehen (vgl.Kucsko-Stadtlmayer, Das "Gradinger-Urteil" des EGMR, Ecolex 1996, S.50).

Die Behörde war bislang schon an ein "verurteilendes Erkenntnis des Strafgerichtes, nicht aber durch dessen Einstellungsbeschluß gebunden" (VwSlg. 2079A/1951); im Fall der Einstellung - das gleiche muß auch für den Freispruch gelten - "hatte die Verwaltungsstrafbehörde die Frage, ob die von ihr dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat (trotzdem) einen gerichtlich zu ahndenden Tatbestand bildet, selbst zu beurteilen" (VwSlg. 4169A; 10276A/1980). Dies steht hier ohnedies außer Zweifel (das Gericht hat eine Sachentscheidung gefällt) und ist nunmehr im Lichte der Judikatur des EGMR - zur Vermeidung einer doppelten Ahndung im Hinblick auf die "Identität des Tatverhaltens" jedenfalls eng (eine unzulässige Doppelverfolgung vermeidend - ne bis in idem) auszulegen. Dieses Beurteilungskalkül wird durch eine jüngste Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 9. April 1997,No. 22541/93, Bernhard Marte und Walter Achberger gg. Österreich bekräftigt. Darin wird die Tatidentität inhaltlich sehr weit gesehen (das zur Bestrafung wegen Ordnungsstörung u. Anstandsverletzung führende Tatverhalten wurde von der zu einer gerichtlichen Verurteilung sich ausweitenden tätlichen Angriffshandlung gegen die zeitlich später wegen dieses Verhaltens einschreitenden Gendarmeriebeamten, miterfaßt erachtet) und in der Verwaltungsstrafe eine Verletzung des Art 4. des 7. Zusatzprotokolls zur MRK erblickt. Originalzitat: [39]Nevertheless, both impugned decisions were based on the same conduct. Accordingly, there has been a breach of Article 4 of Protocol No.7)." Die offenbar auch bereits am 16. August 1996 durchgeführten Flüge, welche im Sinne der obigen Ausführungen vom gerichtlich beurteilten Sachverhalt nicht berührt gewesen wären, wurden von der Erstbehörde nicht angelastet.

5.3. Das hier vorgeworfene Tatverhalten des Berufungswerbers kann daher schon aus diesem Grunde keinen verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestand mehr begründen, sodaß dem Berufungswerber bereits in diesem Punkt Recht zukommt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten. Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Doppelbestrafungsverbot, ne bis in idem, Subsidiarität

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