Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280946/18/Kl/Pe

Linz, 08.02.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn A S, vertreten durch M & M Rechtsanwälte OEG, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 31.7.2006, Ge96‑122‑2004/Ew/Ks, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 31.1.2007 zu Recht erkannt:

 

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 31.7.2006, Ge96‑122-2004/Ew/Ks, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in der Höhe von 145 Euro in zwei Fällen, Ersatzfreiheitsstrafen von je zwölf Stunden in zwei Fällen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß 1) § 130 Abs.1 Z15 ASchG iVm § 28 Abs.3 Z1 Arbeitsstättenverordnung und 2) § 130 Abs.1 Z14 und § 17 Abs.1 ASchG verhängt, weil ihm als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs.1 VStG strafrechtlich Verantwortlicher der A S Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in – Geschäftsanschrift – zur Last gelegt wird, dass, wie von Organen des Arbeitsinspektorates Wien anlässlich einer Betriebsbesichtigung am 9.3.2004, am 26.3.2004 und am 9.5.2004 festgestellt wurde, in der Filiale in, in der Arbeitnehmer beschäftigt werden,

1) am 9.3.2004 am Kassenarbeitsplatz nahe der Eingangstür in ca. 1,1, m Höhe die zulässige Luftgeschwindigkeit von 0,1 m/s für ortsgebundene Arbeitsplätze mit geringer körperlicher Belastung überschritten wurde, indem bei einer Messung am 9.3.2004 festgestellt wurde, dass der gemessene Durchschnittswert über einen Zeitraum von ca. 10 Minuten 0,4 m/s betrug, obwohl gemäß § 28 Abs.3 Z1 der Arbeitsstättenverordnung dafür zu sorgen ist, dass die Luftgeschwindigkeit an ortsgebundenen Arbeitsplätzen in Arbeitsräumen bei Arbeiten mit geringer körperlicher Belastung über eine Mittelungsdauer von 200 Sekunden einen Mittelwert von 0,1 m/s nicht überschreitet;

2) die Eingangstür zum Verkaufslokal nicht ordnungsgemäß instand gehalten wurde, indem diese am 9.3.2004, am 26.3.2004 und am 9.5.2004 nicht ordnungsgemäß ins Schloss fiel und einen Spalt offen blieb, wodurch es zu der unter 1. beschriebenen unzulässigen Luftgeschwindigkeit am Kassenarbeitsplatz kam, obwohl gemäß § 17 Abs.1 des ASchG Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass die Arbeitsstätten einschließlich der Sanitär- und Sozialeinrichtungen, die elektrischen Anlagen, Arbeitsmittel und Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung sowie die Einrichtungen zur Brandmeldung oder -bekämpfung, zur Erste-Hilfe-Leistung und zur Rettung aus Gefahr ordnungsgemäß instand gehalten und gereinigt werden.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten. Es wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu ein Absehen von der Strafe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass mit dem gegenständlichen Straferkenntnis dem § 44a VStG nicht entsprochen werde. Gemäß § 28 Arbeitsstättenverordnung ist Voraussetzung ein Arbeitsraum, in dem mindestens ein ständiger Arbeitsplatz eingerichtet ist. Dem Spruch ist nicht zu entnehmen, ob solch ein ständiger Arbeitsplatz vorhanden ist. Auch wird die Richtigkeit des Messergebnisses bestritten. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, MBA 9-S 8792/04 wurde die vom Beschuldigten bestellte verantwortliche Beauftragte M B wegen desselben Verstoßes belangt. Dies stellt eine unzulässige Doppelbestrafung dar, weil gemäß § 9 Abs.2 VStG die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des handelsrechtlichen Geschäftsführers wegfallen lässt. Die Meldung an die Arbeitsinspektorate erfolgte bereits am 21.5.2003, damit ist die Rechtswirksamkeit der Bestellung der Frau M B eingetreten. Darüber hinaus wurde Herr M S mit Bestellungsurkunde vom 1.3.2000 zum verantwortlichen Beauftragten für die räumliche Ausgestaltung sämtlicher S-Filialen bestellt. Schließlich treffe nicht den Berufungswerber als Mieter, sondern den Vermieter die Pflicht, das Bestandsobjekt in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten. Die A S GmbH ist lediglich Mieterin der Räumlichkeiten in der in.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

 

4.1. Weiters wurden vom Oö. Verwaltungssenat beim Arbeitsinspektorat für den 3. Aufsichtsbezirk in Wien um die Bestellungsurkunde der Frau M B sowie das Mitteilungsschreiben an das Arbeitsinspektorat für den 3. Aufsichtsbezirk vom 31.5.2003 sowie eine konkrete Anfragenbeantwortung hinsichtlich der Bestellung von  Herrn G S als verantwortlichen Beauftragten bzw. Bestellung eines anderen verantwortlichen Beauftragten bzw. Bestellung des Herrn M S mit Bestellungsurkunde vom 1.3.2003 ersucht. Das Arbeitsinspektorat für den 3. Aufsichtsbezirk teilte mit Stellungnahme vom 12.1.2007 mit, dass Frau M B mit Urkunde vom 1.1.2003 zur verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde und dies mit Schreiben vom 21.5.2003 dem zuständigen Arbeitsinspektorat mitgeteilt wurde (Eingang im Amt am 26.5.2003). Die Bestellungsurkunde und das Mitteilungsschreiben wurden angeschlossen. Aus der Bestellungsurkunde Punkt II. iVm Punkt III.A. geht klar hervor, dass Frau B zur verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung sämtlicher die Arbeitnehmer der A S GmbH und deren Schutz betreffenden Vorschriften – auch für die Teile der Arbeitnehmerschutzvorschriften, welche auf die räumliche Ausstattung und/oder bauliche Ausstattung der jeweiligen Filialen oder sonstigen Arbeitsstätten der A S GmbH abstellen – ist. Die räumliche Abgrenzung hinsichtlich Verkaufsbezirke und Filialen gilt ausdrücklich nicht für diesen sachlichen Bereich.

Gleichzeitig wurde mit dem genannten Schreiben vom 21.5.2003 die Bestellung des Herrn G S als verantwortlichen Beauftragten widerrufen. Auch wurde die mit Mitteilung vom 23.5.1996 bekannt gegebene Bestellung des Herrn T P zum verantwortlichen Beauftragten u.a. für die Filiale in mit Mitteilungsschreiben vom 12.10.2001 an das Arbeitsinspektorat dahingehend widerrufen, dass sämtliche verantwortliche Beauftragte im Herrn S zugeordneten und unterstellten Verkaufsbezirk widerrufen werden. Davon betroffen ist eben auch die Bestellung des Herrn T P. Diese gilt daher als widerrufen. Weiters gibt das Arbeitsinspektorat für den 3. Aufsichtsbezirk bekannt, dass Herr M S als verantwortlicher Beauftragter nicht bekannt ist, allerdings habe dieser das Schreiben vom 21.5.2003 hinsichtlich Bestellung von Frau B mit ppa. S – Geschäftsführung – unterzeichnet.

Es steht daher für den Oö. Verwaltungssenat als erwiesen fest, dass zu den Tatzeitpunkten 9.3., 26.3. und 9.5.2004 Frau M B als verantwortliche Beauftragte für die Filiale in, rechtswirksam bestellt ist.

 

4.2. Weiters wurde vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 9. Bezirk, der Akt zu Zl. MBA 9-S 8792/04 eingeholt. Mit Straferkenntnis der genannten Behörde vom 30.8.2004 wurde Frau M B als verantwortliche Beauftragte wegen einer Übertretung nach § 28 Abs.3 Z1 Arbeitsstättenverordnung und § 130 Abs.1 Z15 ASchG bestraft. Dieses Straferkenntnis wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8.11.2006, UVS-07/S/52/7435/2004-6, ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, weil der Tatvorwurf hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale im Tatvorwurf gemäß § 130 Abs.1 Z14 ASchG mitenthalten sei, worüber ebenfalls mit Straferkenntnis abgesprochen wurde. Es war daher wegen unzulässiger Doppelbestrafung das Strafverfahren einzustellen.

Ein Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 30.8.2004, MBA 9-S 8793/04, gegen Frau M B als verantwortliche Beauftragte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 17 Abs.1 iVm § 130 Abs.1 Z14 ASchG wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19.1.2007, UVS-07/S/30/7436/2004-5, aufgehoben, weil die Beschuldigte zur verantwortlichen Beauftragten hinsichtlich der Einhaltung sämtlicher Arbeitnehmerschutzvorschriften ausdrücklich räumlich uneingeschränkt bestellt ist, „allerdings der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 9. Bezirk, (nach der Aktenlage) als unzuständige Erstbehörde das angefochtene Straferkenntnis erlassen hat, zumal sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des Arbeitgebers richtet, welcher bei der A S GmbH in der, gelegen ist, an welchem Ort hinsichtlich des daselbst durch die Berufungswerberin ausgeübten Verantwortungsbereiches der Arbeitnehmerschutzvorschriften die Tatörtlichkeit begründenden Handlungen und Unterlassungen gesetzt wurden.“

 

Nach Firmenbucheintrag ist der Berufungswerber handelsrechtlicher Geschäftsführer der A S GmbH.

 

4.3. Weites wurde am 31.1.2007 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat durchgeführt, an welcher der Rechtsvertreter des Berufungswerbers teilgenommen hat, der Berufungswerber und die belangte Behörde nicht erscheinen sind. Das Arbeitsinspektorat für den 3. Aufsichtsbezirk wurde vertreten durch das Arbeitsinspektorat Linz. In dieser Verhandlung wurde der aufgezeigte Aktenstand, insbesondere die Ermittlungsergebnisse des Oö. Verwaltungssenates erörtert und zur Kenntnis gebracht.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Gemäß § 9 Abs.2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereich des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

 

Gemäß § 23 Arbeitsinspektionsgesetz wird die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten erst mit der Mitteilung des Zustimmungsnachweises an das zuständige Arbeitsinspektorat rechtswirksam.

 

5.2. Im Grunde der Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere aufgrund der Erhebungen des Oö. Verwaltungssenates, steht fest, dass Frau M B mit Bestellungsurkunde vom 1.1.2003 vom Beschuldigten als handelsrechtlichen Geschäftsführer der A S GmbH zur verantwortlichen Beauftragten für den sachlich abgegrenzten Bereich Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften, einschließlich die räumliche Ausstattung und bauliche Ausgestaltung der jeweiligen Filialen und Arbeitsstätten (Punkt II. iVm Punkt III.A. der Bestellungsurkunde) rechtswirksam bestellt wurde. Diese Bestellung wurde mit Schreiben vom 21.5.2003, eingelangt am 26.5.2003, dem zuständigen Arbeitsinspektorat mitgeteilt. Die Bestellung ist daher rechtswirksam. Für diesen sachlich abgegrenzten Bereich ist auch kein anderer verantwortlicher Beauftragter rechtswirksam bestellt. Vorausgehende Bestellungen wurden widerrufen. Es wurden daher die Voraussetzungen nach § 9 Abs.2 VStG und § 23 ArbIG erfüllt. Es ging daher die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit auf Frau M B als verantwortliche Beauftragte über. Damit endete die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers als handelsrechtlicher Geschäftsführer.

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis gegen den Berufungswerber aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen, da der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

5.3. Zum selben Ergebnis kommen im Übrigen auch die Entscheidungen des Unabhängigen Verwaltungssenates in Wien. Insbesondere wird auf die Entscheidung vom 19.1.2007 gegen Frau M B hingewiesen, wonach zwar das Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit des Magistrates der Stadt Wien aufgehoben wurde, das Verwaltungsstrafverfahren aber nicht eingestellt wurde. Laut Bestellungsurkunde vom 1.1.2003 ist der Sitz der A Sr GmbH, als Dienstort bestimmt.

 

Wenn hingegen die belangte Behörde auf ein Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 4.11.2004, VwSen-280753/26/Kl/Pe, hinweist, so ist diesen Ausführungen entgegenzuhalten, dass die dort herangezogene Bestellungsurkunde in einigen Teilen von der nunmehr vorgelegten Bestellungsurkunde abweicht.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

verantwortliche Beauftragte, sachlich abgegrenzter Bereich

 

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