Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280960/2/Kl/Pe

Linz, 08.02.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn A J K, vertreten durch M & M Rechtsanwälte OEG, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13.11.2006, Ge96-39-2006, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnen­schutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 9, 27 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13.11.2006, Ge96-39-2006, wurden über den Berufungswerber je eine Geldstrafe von 1.000 Euro in zwei Fällen, Ersatzfreiheitsstrafe von je drei Tagen in zwei Fällen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.2 ASchG iVm Auflagepunkt 7 und 11 des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 20.1.1997, MBA 4/5 – Ba 5035/96, verhängt und ihm folgende Taten vorgeworfen:

„Sie haben als vom zur Vertretung nach außen berufenen handelsrechtlichen Geschäftsführer und somit strafrechtlich Verantwortlichen gem. § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin A S Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in, Herrn A S, gem. § 9 Abs.2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften in der Filiale in, in der Arbeitnehmer beschäftigt wurden, wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates Wien anlässlich einer Überprüfung festgestellt wurde, zu vertreten, dass am 10.02.2006 um ca. 11.00 Uhr in der Filiale in, nachstehend angeführte mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 20.01.1997, MBA 4/5 – Ba 5035/96 zum Schutz der Arbeitnehmer vorgeschriebenen Auflagenpunkte nicht eingehalten wurden:

1) Auflagenpunkt 7, wonach Hauptverkehrswege und Nebenverkehrswege mindestens 1,20 m breit sein müssen und in dieser Mindestbreite freizuhalten sind und nicht geteilt werden dürfen – wurde nicht eingehalten, da bei der Überprüfung am 10.02.2006 Verkehrswege nicht in einer Breite von 1,20 m freigehalten wurden: Zwischen einem Getränkeregal und einem Schüttkorb mit Keksen und Kaffee betrug die Verkehrswegbreite 72 cm, beim Durchgang zwischen den Säulen laut Foto 4 befand sich ein Verkaufsständer mit Tee mit einer verbleibenden Verkehrswegbreite von 85 cm, beim Durchgang zwischen den Säulen laut Foto 2 befand sich ein Schüttkorb mit Spraydosen mit einer verbleibenden Verkehrswegbreite von 77 cm

2) Auflagenpunkt 11, wonach aus dem Stauraum vor den Kassen zum Ausgang ein Durchgang in einer Mindestbreite von 1,20 freizuhalten ist – wurde nicht eingehalten, da der Durchgang bis zum Ausgang nicht in einer Mindestbreite von 1,20 freigehalten wurde, der Durchgang zum Ausgang war bei der Kassa durch zwei Schüttboxen auf eine Breite von 83 cm eingeengt.

Zum Zeitpunkt der Überprüfung waren 1 ArbeitnehmerIn und Kunden im Verkaufslokal aufhältig. Die Anzeige des Arbeitsinspektorates Wien mit den Beweisfotos und der planlichen Darstellung wird als Beilage dem Straferkenntnis angeschlossen.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis in seinem gesamten Umfang angefochten. Es wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses, in eventu die Herabsetzung der Geldstrafe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass gegen § 44a VStG verstoßen wurde, weil die Nichteinhaltung von Auflagenpunkten anstelle von Vorschreibungen vorgehalten wurde und der Arbeitgeber aus dem Spruch nicht zu entnehmen ist. Auch wurde der Tatzeitpunkt mit 10.2.2006 ca. 11.00 Uhr angefochten und auf die beiliegenden Fotos mit Uhrzeit ca. 12.00 Uhr hingewiesen. Die Rollwagen wurden erst nach 11.00 Uhr verrückt und in die auf den Fotos abgebildeten Positionen gebracht. Auch wurde darauf hingewiesen, dass der selbe kontrollierende Mitarbeiter des Arbeitsinspektorates in der Filiale in am 10.2.2006 um 11.30 Uhr Wahrnehmungen getroffen hat, die zu einer Bestrafung geführt haben.

 

Weiters wurde die Unzuständigkeit der Erstbehörde geltend gemacht, weil der Berufungswerber als verantwortlicher Beauftragter für die Bundesländer Wien und Niederösterreich am Dienstort, als Verkaufsleiter beschäftigt ist. Er hätte daher an seinem Dienstort als dem Sitz der Verkaufsverwaltung der A S GmbH handeln müssen. Schließlich wurde das Verschulden bestritten und ein System von Bezirksleitern, die die Einhaltung kontrollieren, sowie Mitarbeiterunterweisungen vorgebracht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil die Berufung Erfolg hat und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG unterbleiben.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere in die Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk vom 22.2.2006 samt beigeschlossenen Fotos und Skizzen sowie beigeschlossenem Mitteilungsschreiben vom 1.6.2005 über die Bestellung des Herrn A K zum verantwortlichen Beauftragten, eingelangt am 3.6.2005, samt beigeschlossener Vereinbarung und Bestellungsurkunde vom 9.5.2005. Diese Urkunde ist vom Berufungswerber sowie für die A S GmbH von einem Prokuristen unterschrieben. Sie bezeichnet unter Punkt I. zweiter Absatz den Dienstort in. Als Verantwortungsbereich wurde in Punkt III.A. in räumlicher Hinsicht das Gebiet der Bundesländer Wien und Niederösterreich bestimmt, in sachlicher Hinsicht in Punkt B.1. die Zuständigkeit für den Schutz der Arbeitnehmer betreffenden Vorschriften und der Normen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, ausgenommen die räumliche Ausstattung und/oder bauliche Ausstattung der jeweiligen Filialen oder sonstigen Arbeitsstätten. Weiters wurde unter Punkt IV. hinsichtlich der zeitlichen Geltung bestimmt, dass für den Fall einer späteren Bestellung verantwortlicher Beauftragter für sachlich oder räumlich abgegrenzte Bereiche, welche Teil des Herrn K übertragenen Verantwortungsbereiches sind, der hievon umfasste Teil seines Verantwortungsbereiches ruht, dh seine Bestellung für diesen Teil seines Verantwortungsbereiches temporär unwirksam wird.

 

Nach dem Firmenbuchauszug ist für die A S GmbH mit Sitz in als einziger handelsrechtlicher Geschäftsführer Herr A S eingetragen, weiters scheinen sechs bestellte Prokuristen auf.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 4.9.2006, Zl. 2003/09/0096) kommt bei Unterlassungsdelikten, bei denen dem nach § 9 Abs.1 VStG strafrechtlich Verantwortlichen zur Last gelegt wird, dass er verabsäumt hat, dass ihm als Vertreter der GmbH zumutbare und mögliche Maßnahmen vorzukehren, um die Begehung der Verwaltungsstraftat durch den unmittelbaren Täter zu verhindern, als Tatort jeweils jener Ort in Betracht, an welchem der gesetzliche Vertreter hätte handeln sollen. Im Zweifel fällt dieser Ort mit dem Sitz des Unternehmens zusammen. Gleiches gilt für den vom nach außen vertretungsbefugten Organ bestellten verantwortlichen Beauftragten der in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht an die Stelle des nach außen vertretungsbefugten Organs nach § 9 Abs.1 VStG tritt. Dies ist hier aber nur dann der Fall, wenn der verantwortliche Beauftragte seine Vorkehrungen am Sitz des Unternehmens hätte treffen müssen. Im gegenständlichen Fall wurde aber als Dienstort und daher Ort, von welchem aus entsprechende Anordnungen und Maßnahmen zu treffen sind, eine Anschrift in bestimmt. Von hier aus hätten entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen werden müssen. Es ist daher im speziellen Fall – für den Fall der rechtsgültigen Bestellung des Beschuldigten als verantwortlichen Beauftragten – der Dienstort als Tatort zu sehen. Die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde erfolgte als unzuständige Behörde. Es war daher schon deshalb mangels Zuständigkeit der belangten Behörde das Straferkenntnis aufzuheben.

 

5.2. Nach dem Tatvorwurf im angefochtenen Straferkenntnis wurde die Nichteinhaltung von Bescheidauflagen vorgeworfen, die die räumliche Ausstattung der Filiale in, betreffen.

Nach der im Akt befindlichen, dem zuständigen Arbeitsinspektorat für den 2. Aufsichtsbezirk mitgeteilten Bestellungsurkunde des Beschuldigten zum verantwortlichen Beauftragten ist aber gerade die räumliche Ausstattung und bauliche Ausgestaltung der jeweiligen Filialen von der Verantwortlichkeit des verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften ausgenommen (Punkt III.B.1. der Bestellurkunde). Darüber hinaus wird der zeitliche Geltungsbereich in Punkt IV. der Bestellurkunde zugunsten des Beschuldigten für den Fall späterer Bestellungen von verantwortlichen Beauftragten ausgesetzt. Es ist daher aus dieser Urkunde nicht klar ersichtlich, für welchen Bereich der Beschuldigte tatsächlich verantwortlich ist, zumal diese Urkunde jeweils mit noch anderen Bestellurkunden gemeinsam zu lesen ist, um einen Verantwortungsbereich zu eruieren, welcher aber auch zeitlich immer wieder wechseln kann. Es handelt sich dabei nicht um einen klar abgegrenzten eindeutig aus der Urkunde hervorgehenden Verantwortungsbereich. Wesentlich ist aber auch, dass die vorgelegte Bestellungsurkunde bzw. der Zustimmungsnachweis zwar vom Beschuldigten unterfertigt ist, nicht jedoch vom handelsrechtlichen Geschäftsführer der A S GmbH. Nach § 9 Abs.2 VStG sind nämlich nur die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, einen verantwortlichen Beauftragten zu bestellen. Zur Vertretung nach außen berufen ist bei einer GmbH der handelsrechtliche Geschäftsführer, nicht jedoch ein Prokurist (vgl. Walter Thienel, Verwaltungsverfahren, 16. Auflage, Anm. 4 auf Seite 199). Eine Bestellung des Beschuldigten zum verantwortlichen Beauftragten durch den handelsrechtlichen Geschäftsführer der A S GmbH und einen diesbezüglichen Zustimmungsnachweis wurde weder dem Arbeitsinspektorat mitgeteilt noch der Behörde vorgelegt. Mangels der Bestellung des Beschuldigten zum verantwortlichen Beauftragten war daher auch aus diesem Grunde das Straferkenntnis aufzuheben, weil der Beschuldigte die Tat nicht zu verantworten hat.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

klarer Verantwortungsbereich, verantwortlicher Beauftragter, Tatort

 

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